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So wenig mir £eidjenreben, zumal in meiner Heinen Gemeinde, je zur Laſt fielen oder gar Unannehmlichfeiten bereiteten, ja fo fieb und wertbvoll mir einzelne fein mögen, fo fehr muß ich mid, wenn es fid) um deren Gin» führung, Beibehaltung ober Abſchaffung in ganzen Dior cefen handelt, ſtrengſtens gegen biefelben exrflären, beſon⸗ ber. bei bet Fatholifhen Einheit, wo am wenigften ein« zelne Fälle und ‘Berfönlichfeiten eine Ausnahme begründen. Es ift meine unmaßgebliche Anficht, Leichenreden follen, wo fie nicht fchon beftehen, jedenfalls nie eingeführt wers ben, was aud) bei der gegenwärtigen Stimmung und ges machten Erfahrungen faum zu befürchten flebt. Ja, ich entfheide mid) ohne Bedenken durchaus aud) dafür, dies felben follten bei uns, wo fie längft burd) Mebung, Ges wohnheit und eine Art Bebürfniß fid) eingebürgert haben, burd) eine allgemeine bifchöfliche Verordnung oder eine Stubrif des fehnlihf erwarteten Rituals, etwa unter ans gemeflener Belehrung des Volkes, ein für alle Mal für 1% 4 ^. Gin Botum gegen Leichenreben. ale Orte und Fälle abgefhafft werden. Eine unverfäng- fide Ausnahme foll ſchließlich berührt werden. Es fei mir erlaubt, biefe, voie id) glaube, reiflich erwogene Anficht tiber Reichenreden allfeitiger zu begründen. Dabei -weiß id) wohl, daß, wie in Betreff des ungleich MWichtigeren, des Katechismus, Rituals, Gefangbuches, ber kirchlichen Mufif u. f. w., fo bie Geiftlichen dermalen aud) über Leichenreden nod) immer entgegengefehter Anficht und ohne bifchöflihe Gnt(deibung, bie fede Widerrede niederfchlägt und alle dem Einzelnen unüberfteiglichen Hinderniffe befeitigt, nicht zu einheitlicher Praxis zu bringen find. Es zeigen ftd) wohl hier, mie anderwärts, bei aller neu erwacten SKirchlichfeit bei Vielen noch neben der Macht ber Gewohnheit verborgene 9tefte des alten kirchlich⸗ liberalen Sauerteiges, der unter Anderem fo geneigt war, von vielen Ctanbreben in und neben bem Liturgifchen viel Heil zu erwarten, die Bedeutung und Wirkfamfeit bes Letzteren zu unter(djdgen, unb die erprobte, je mehr fte erforfht wird, befto glängender fid) rechtfertigende altkirch⸗ [ide Praxis zu überfehen. Zudem it bie Leichenreden« frage darum fchwieriger, weil wir bier nicht, wie bei Ritual, Katehismus u. f. w., etwas ganz Beftimmtes und Bertiges vor ung haben, fonbern das, worüber ges urtheilt werden foll, eigentlich bie unüberfchbare und ganz unzugänglide Menge der wirklich abgehaltenen, ja der noch abzuhaltenden Leichenreden wäre, in biefen im Eins zelnen bei der beftimmten Individualität des Falles, des Predigers unb der Zuhörer gar Vieles vermieden werden mag, was im Allgemeinen SSermerfung begründend hervortritt, bie guten und fhlimmen Wirkungen mehr im Berborgenen liegen und viele Täufchungen zulaffen, und Cin Votum gegen Leichenreben. 5 fif überhaupt überall ein Tummelplag von enbfofem pro und contra eröffnet, wo man im Gtreite über praftifche Dinge ftatt des Allgemeinen und Wefentlihen nur Indi⸗ vidualitäten, concrete Alle, wirkliche und vermeintliche SBirfungen .in Betracht zieht. 8 ür bie Leichenreden läßt fid etwa Folgendes fagen, und id möchte ihre Freunde vollftändiger zum Worte fommen laflen. Leichenreden haben bie befannten Vorzüge ber Gafualreben. Das Volk ift auf fie gefpannter, für fe durch den Wall vorbereiteter, aufmevffamer, der Fall unterftüßt bie Verſtaͤndlichkeit, Wirffamfeit und Behältlich« ftit der Rede, läßt das Chriſtenthum febr individualifiren und in's Leben einführen, hebt, ja begeiftert nicht felten ben Prediger zu recht lebendigem, fruchrbarem PVortrage. Leihenreden find befonders fchöne Gelegenheiten, bie zu allen Zeiten und für alle Menſchen notfwenbigften, ers greifendften und Umkehr gleihfam erzwingenden Gegen fände ber Eſchatologie recht Danbgreiffid), fráftig unb wiederhoft zur Sprache zu bringen ). Das Grab fordert 1) „An dem aufgewworfenen Grabeshügel verfchließt ber Wahrheit fein Schlummer das Oc und Feine leichtfinnige Gedankenloſigkeit das δε. Das unmittelbar vorangegangene fehauerlich feierliche Leichen« gepränge, bie natürliche Theilnahme an der Wehmuth der fehluchzenden und tiefgebeugten Freunde und Sefonnten, das Qineinfenfen' des Leiche names unter Trauergeläute unb Trauergefang, der dumpfe Wiederhall der auf den Sarg bBinabrollenden Steine und Erdſchollen u. f. w., zwingen jedem Begleiter Ernſt und Andacht auf unb verfegen jedes nicht ganz verhärtete Gemüth in gerührte Stimmung, daß die Seele weit ges Öffnet wirb unb fich Alles weit ticfer einprägt, als bei den gewöhnlichen Predigten. Bier vereinigt gar oft auch ber Todte im Sarge, ale ber neueſte Thatbeweis feine zwar bumpfe, aber befto nachdrücklicher ſprechende Ctimme mit der lautſchallenden des Predigers. Ich berufe mich hierin auf einen Jeden, der jemals einer ſalbungsvollen Leichenrede beiwohnte, θ Gin Votum gegen Leichenreden. in gar vielen Bällen ſtrengſtens Soft, Anerkennung, Suͤh⸗ nung. Leichenreden haben fdjon viel genügt, à. 3B. Armen allerlei Unterftügung, Waifen Berforgung gebradjt. Der Augenblid, da Einer am Grabe feines Baters, der Gat» tin, des geliebten Kindes fteht, ift nicht felten vielleicht der einzige, ber, vom Prediger gut benügt, in volle Befehrung ausfhlagen mag. „Wer biefen Augenblid ungenüzt vers ftreichen laͤßt, [abet große Schuld auf fid." Man fann am Grabe oft aud) foldhe ergreifen, die fonft bie Verkuͤn⸗ bigung des Wortes Gottes fliehen. Ein Paſtorallehrer hält fogar bie Leichenrede für einen „Hügel, der, wer weiß, wie Viele, nod) etwas anhält, daß fe nicht gar “wild faufen," was [don bie Jtebendart beweife: „Das wird nicht in der Leichenrede fommen." Man fant bins weifen auf das oft bei Leichenreden allgemeine Weinen und Schluchzeͤ, da der Prediger die Herzen wie Wachs formen koͤnne, auf die Fremden, fuͤr welche die Leichenrede ben Werth einer Gaſtpredigt habe, welche am Grabe ge⸗ (prod)ené treffende Worte in andere Gemeinden verbreis ten). Man fann aufmerffam machen, wie fid) Leichen⸗ und frage, ob er nicht auf bem Grabe eines plöhlich Verſtorbenen ben beftraften Leichtfinn im Auffchieben der Buße, bei bet SBeetbigung eines Großen und Reichen das Nichts weltlicder Hoheit, irbifcher Güter und Freuden, oder am Grabe des Wollüſtlings und Schwelgers bie zerflörende Macht der Sünde u. f. Ὁ. weit beffer exfannt, tiefer gefühlt unb länger im Andenten behalten habe, als in Folge gewöhnlicder Predigten I“ u und erbauliche Leichenreven. Ravensburg bei Dorn. 1832, ‚Vf. 1) l. c. „Sch Babe εὖ ſchon mehrmals (eibi erfahren, wie fich eine in der Leichenrede wohl angebrachte Warnung, Rüge, Belehrung u. f. Ὁ. burd) die Leichengäfte auf die benachbarte Dörfer, und wer weiß es, wie weit dann wieder durch biefe verbreitet, und aljo heilfam und fegenvol gewirkt hat.“ Ein Vetum gegen Leichenreben. 7 teben, im Gedaͤchtniß ober gefährieben unb gebrudt, oft wie ein theures Samiltenftüd forterben. Man fann hers vorheben: Wir leben in einer Zeit, ba das lebendige Wort eine fo große Macht und ein Schwert ift, das man im Intereſſe der Wahrheit, des Rechtes, der Religion und Sittlichkeit nidt oft und fráftig genug führen fann, und dürfen uns burd ben Leichenreden⸗Fleiß der Proteftanten, neben denen wir leben, nicht verbunfeln und überholen faffen. Man kann fagen: Was nit altkirchlich, nicht überall üblich, was etwa durch den Proteflantismus nur veranlaßt fei, dürfe batum nicht ohne Weitered vers worfen werben. Man kann fid) auf bie Gefdjite berufen und fagen: Leichenreden hatten aud) Griechen und Römer, diefelben find etwas allgemein und wefentlich Menſchliches, und in der Kirche finden wir überall und zu allen Zeiten nicht bloß kurze Leichenreden, fondern Leichenprebigten, bie zum Theil bis heute bewunderte Mufter der. Beredtſamkeit überhaupt unb der hriftlidden und kirchlichen inóbejonbere find. Man kann denen, bie fij gegen bie Leichenreden ausfprechen, einmenben, diefe feien beim Volke fehr beliebt, vollends gar bie Städter würden bielfad) burd) ihre Ab⸗ ſchaffung den Mittelpunkt bec Leichenfeier Dinteggenommen glauben; e& entſtünde allerlei übles Gerede, und fónnten die Beiftlihen bem Vorwurfe ber Bequemlichkeit nicht ents gehen. Man fann behaupten, Leihenreden feien nicht überall und allen eine Laft, fchwierig, gefährlih, alu zahlreich, werden nicht überall alltäglich und in der Abs haltung handwerfömäßig, bie Gefahr des Lobes und Tadels, überhaupt des. Concreten Fönne bei Umficht, Liebe und einigem guten Geſchmack vermieden werden, Gefähr- lichkeiten aller Art [εἰ jede Verfündigung des Wortes 8 Ein Votum gegen Leichenreden. Gottes ausgefeht, aud) in ber jedenfalls nicht abzuſchaf⸗ fenben, der Kirche wefentlichen Predigt an Sonn» und . Befttagen könne der Prediger bie feinen feiner Synbivibuas lität u. f. τὸ. gezogenen Schranfen überfchreiten, Mißver⸗ ftändniffe, üble Nachreden, Feinvfchaften, ja polizeiliches und gerichtliches Einfchreiten mit oder ohne feine Schuld vecanlaffen. Lieber folle man ob unb Tadel, ja jede Befprehung des Eoncreten des Falles ſtrengſtens unter» fagen, als bie eidjenreben überhaupt verbieten. Allein al das Vorgebrachte (ft, wie meine ganze Abhandlung zu zeigen ſucht, tbeiló, befonders foweit ir» fungen ber Qeidjemreben urgirt werben, ju (beal und in der rauhen Wirklichkeit von Entgegengeſetztem allzu febr aufgewogen, theild butd) Anderes in der Fatholifchen Kirche reichlich erjegt oder bod) erfegbar, theild durch höhere Gründe, bie gegen bie Leichenreden fpredhen, völlig in ben Hintergrund gedrängt, theils zu individuell, da es fi) gat nicht um einzelne Leichenfälle und Leichenredner, fondern um etwas für bie ganze Kirche ober bod) eine ganze Dids cfe Gültiges und Erfprießliches Danbelt. Was vollends Griechen und Römer betrifft, fo können Heiden feine Ins ftanz bilden, hat das unvermittelte Uebertragen heidnifch« Πα εν Mufter in bie fatb. Kanzelberedtfamfeit ſchon viel Schaden angerichtet, ba die Hriftliche unb Fathofifche Predigt fid) aus ihrem ganz eigenthümlichen Wefen ents wideln und aufbauen muß, und hatten Grieden und Römer feineswegs Leichenreden für jeden Todesfall, fon» dern nur für ausgezeichnete Fälle. Auch [affen wir ber Welt und dem bloß menfhlihen Beduͤrfniß nad) wie vor alles Reden über, für und gegen Verftorbene. Die Kirche aber hat ſteis Leichenreden nur für in Staat und Kirche, Cin Votum gegen Lelchenreben. 9 burd) Amt, Wiffenfhaft ober Tugenden befonders δον geftellte Perfonen, Könige, Feldherrn, Minifter, Päpfte, Bifhöfe u. f. vv. zugelaffen. Diefelben waren fonad) in ganzen Ländern und langen Zeiträumen Außerft felten, wurden von ausgewählten Predigern nad) forgfältigfter Vorbereitung abgehalten, hatten den Einfluß hoher Aem⸗ ter, großer Thaten und Perfönlichkeiten zum Gegenftande, waren auch fo nod) für bie ausgezeichnetften 9tebner. voll von Klippen unb für Gläubige unb Ungläubige vielfach ein Stein des Anftoßes, in ihrer Aufgabe wahre Kunſt⸗ werke, daß ich nicht fage Kunftflüde des Geſchmackes und ber Klugheit, und wurden bie glüdlich gepriefen, bie nie in ben Fall famen, fih an folde Aufgaben wagen zu müflen. Kurz biefe Leihenpredigten, Lobreden, find etwad ganz Anderes, als unfere Grabreden, bie bei jeder Leiche, von jedem Geiftlihen, an den Gräbern ab« gehalten werden. Nur von biefen ift bier bie Rebe 1). 1) Sehr Infiructio über die ſchon durch Ihren Namen febre fatalen Lobreden foricht fid bie folgende Stelle aus ber „Anleitung zur geiftlichen fBerebtfamfeit von Sg. Wurz,“ einem febr geachteten Homi⸗ [etifet und Prediger des vorigen Jahrhunderts aus. Bd. 2. ©. 659 f.: „Benn der fBerflotbene mehr Iafterhaft, mehr ein Heide, als ein Chriſt gewefen iR? Hier entfcheiden freilich Einige ganz fireng, man dürfe folche, Menfchen durchaus nicht öffentlich loben, man beſchimpfe vie öffentliche Ranzel u. f. w. Diefes ift vortrefflih unb feft wahr gefagt, wenn man bie Freiheit zu loben und nicht zu loben hat. Aber nachdem ber Ges brauch einmal eingeführt ift, wer follte entfcheiven, ob ber. SBerftorbene des Lobes werth fel ober nicht? Sollte die Kirche über Würflen und große Männer ein folcyes aͤgyptiſches Todtengericht halten, umb bie geringe Hoffnung, die man von ihrem Heile noch Bat, durch die Verweigerung des Lobes gar auslöfchen? Welchen Verdrießlichfeiten wärbe fe fid) ante μη Man muß feine Geſetze vorfchreiben, ble man nicht beobachten faun. Man [obe alfo fo gut, ale es möglich ift. Ich geftehe εὖ, biefes iR part; glüdfid) berjenige, ber eine ſolche Trauerrede zu Halten nidyt 10 Ein Votum gegen Leichenreben: Bor Allem verdient es doch, nod) abgefehen von ber Einfiht in bie Natur der Sache, wenigftens einiges Nach⸗ benfen, warum denn das ἔα ἢ. Normal-Ritual, das roͤmi⸗ ſche, unb alle kirchlichen Ritualien im Begräbnißformular ber Leichenreden mit feiner Silbe Erwähnung thun, warum die Freunde der Leichenreden nicht confequenter Weiſe bei allen Segnungen und Spendungen der Gacramente Reden: abgehalten wiflen wollen, warum denn bie Leichenreden, fo nahe εὖ lag, nicht längft, fondern erft in neuerer Zeit, unb auch ta nicht allgemein, fondern felbft in Deutſchland, Dicht neben dem Alles durch Predigten erfeßen wollenden Proteitantismus und bei allem fonftigen Bielpredigen nut fporadifh Eingang fanden, warum viele der eifrigften, tüchtigften unb erfahrenften Geiftlichen fid) ftrengftens gegen diefelben ausfprechen 1), warum gerade bie Reſte einer gewiffen theologifhen Richtung fo großes Gewicht auf biefefben legen, warum bie Fatholifhen Paftorallehrer faft ausnahmslos biefelben verwerfen, warum in der Reibe der Verwerfenden felbft Herausgeber von Leichenreven, z. 8. Halder?), ja fogar Proteftanten nicht fehlen, gewählt wird! noch glücklicher, ter fie alfo hält, bag et babel bie Wahr« beit und bie Religion nicht beleidigt. Man weiß, welchen Tadel einerfeits B. be la Rue durch bie obrebe auf ben Herzog von furens burg und P. Geaillard durch bie Lobrede auf den Herrn von Harlay, Erzbiſchof von Paris, und ambererfeits, welches Lob fie fid) zugezogen haben.“ Sapienti sat! 1) Die im Herbie 1852 in Nedarfulm zahlreich verfammelten Geil» ὦ lichen aus der Mottenburger Diöcefe waren alle für Mbfchaffung ber Qitabreben. Gerade diefer Umſtand gab mir Beranlaffung, legtere einer genaueren Unterfuchung zu unterwerfen. 2) „Unfere Zeit kann füglich ale die Periode des Bielprepigens und der &tanbreben bezeichnet werben, unb ber Oíaube des Tages, Daß Predigen und Wiederprebigen das Univerfalmittel für die veligib[en. Ein Votum gegen Leichenreden. 11 weld? letztern tod folche Gtanbreben beim Mangel des wahrhaft Liturgifhen und Sacramentalen fo voefentfid) find, marum alle PVaftorallehrer Leichenreden für Außerft ſchwierig, ja für bie ſchwierigſte Aufgabe der geiftlichen Beredtfamkeit erklären, warum alle faft unerfchöpflich find in Darlegung der Gefahren und Klippen fold)? S9tebené am Grabe, warum bie meiften erflären, man fónne uns möglich Allen eine Qeid)entebe halten, ba bod) fchon bei diefer Unmöglichkeit eine Menge von Unebenheiten zum Borfchein fommt, warum eifrige Wreunde ber Leichenreden in größern Gemeinden nur je bie zweite ober dritte Leiche mit einer Rede begleitet voifjert wollen, warum felbft 3.9. ein Reichenberger, der fo viel auf das SBielprebigen hält und εὖ bedauert, daß Leichenreden. in Oeſtreich nicht eingeführt ober wieder abgefchafft worden find, gerne qus gibt, daß „vießfalls in ben gewöhnlichen Predigten das Nöthige geliehen fónne," warum der. eben genannte Wunſch, die Grabreden, nein, fogar bie Srauerz, obreben mit Gisbert für „angenommene“, ich möchte hinzufügen, ungeratbene „Kinder“ der geiftlihen Beredtfamfeit ers Hart), warum felbft Weffenberg, von dem man e$ am wenigften erwarten follte, fchreibt: „Nach der Erfahs tung find die meiſten Grabreden zwedwidrig, zumeilen ürgetlid), oder ládjetlid) und verunglüden meift an ber — — — und kirchlichen Gebrechen des Jahrhunderts ſei, hat die Leichenreden auch dort in Gang gebracht, wo ſie früher nicht üblich oder abgeſchafft worden waren. Gó'muf, fo will es die Sitte, auf bem Gottesacker gepredigt fein!“ Halver, Leichenreden. ©. I. 1) 1. c. „Schmeichelet, oder zum wenigfien Bemüßung, ven Großen zu gefallen, Bat fie in’s Heiligtum eingeführt unb die Kirche hat fie geheiligef (7).“ Aecht kirchliche Lobreden auf Heilige verwandelten δὼ in 2obreben auf äußerlich Hochgeflandene. T 12 Ein Votum gegen eléenteben. Klippe des Lobes ober Tadels,“ und dann bebdeutfam hinzufügt: „Fuͤr ben Geiftlichen, welchem bie große Kunfl, treffend auf’8 Herz zu wirfen, und bei jedem Anlaß ein Wort zur rechten Zeit zu reden, natürlich ift, aber aud) vieleicht nur für einen ſolchen ift "die Grabftätte eine ſchickliche Kanzel" 1), Es verdient enblid) tod) wohl Ber adtung und Nachdenken, warum biſchoͤfliche Drbinariate zuerft alles Tadeln, bernad) alles Loben, fodann, da dieß nicht genügte, das firengfte Weglaffen des Concreten des Leihenfalles, was eigentlich (don Vernichtung ber Leichen- reden ift, anorbneten, 3. 98. felbft Weſſenberg in feiner Verordnung vom 26. Mai 1804, und ba aud) diefes nicht zum Seile führte, zum vollen Abfchaffen der Leichenreden fhritten, wie 3. B. das erzbifhöflihe Srbinariat in Freis burg. Gerade dieſe gefhichtlihen Momente fagen gar viel unb find, eben im ber bezeichneten 9fufeinanberfolge, wie fid) zeigen wird, Ausflüffe der Natur der Gad. Das eben erwähnte, hier fehr wichtige, mir von Freundeshand abfchriftlih mitgetheilte Decret des erzs bifchöflihen Srbinariaté in Freiburg vom 29. Nov. 1844 lautet aber fo: „In jenem Theile unferer Erzdioͤceſe, wels her vormals zum Bisthum Konftanz gehörte, ift die Abs haltung ber Xeichenreven bei Begräbniffen theilweife ein- geftellt und theilweife unter gewiffen in ber Verordnung vom 26. Mai 1804 enthaltenen Modificationen beibehals ten, und in jenem Theile unferer Erzdidcefe, welcher vors . Mald zum Bisfhum Speier gehörte, burd) bifch. Verord⸗ nungen längft verboten worden. Da wir num von ber Wichtigkeit der Gründe, aus welchen in verfihiedenen ” 1) Mittheilungen über die Derwaltung der Seelſorge. Augsburg bei Schloffer, 1832. I. Br. ©. 63. Cin Votum gegen Leichenrden. 43 Theilen unferer Erzdioͤceſe bie Abhaltung ber 2eidjenteben unterfagt wurde, überzeugt find, unb ba bie allgemeinen Belehrungen am Grabe burd) bie nun deutſchen Gebete unb Pfalmen des Rituals [don gegeben werben, fo finden wir uns bewogen, Bas Verbot ber 2eidjenteben auf unfere ganze Erzdiöcefe auszudehnen, mit bem Anhange, daß von biefem Verbote, e mag ber Berftorbene ein Pfarrer, fonft Geiftlicher, oder wer immer fein, feine Ausnahme gemacht werden dürfe, außer in ganz außerorbentlichen Fällen, in welchen die erzb. Defanate hiermit ermächtigt werben, nach Gutbefinben bie Erlaubniß Diegu zu ertbeilen." Die in biefem Decrete erwähnten (S8effenbergifd en) Mopificationen in der Berordnung vom 26. Mai 1804 geben die Weifung, „fih jeder Erwähnung der Perfon des Verftorbenen, alles Lobes ober Tadels über benfelben, aller Erzählung απὸ feiner Lebensgefhichte, und jeder Anfpielung auf defien Wandel und Eigenfhafs ten völlig au. enthalten.” Was bleibt fo der Leichenrede übrig? In ber That nur „allgemeine Belehrung am Grabe, die burd) bie nun deutfchen Gebete und Pfalmen allerdings (don gegeben ift." | Φο wir fdreiten zur Erwägung der Natur bet Sache unb meine erfte Behauptung ift eine negative: bie Leichenreden haben in ter fatholifhen Kirche feiner el Qotbwenbigfeit. Für Berwirflihung der irgend denkbaren praftifchen Zwecke terfelben tritt ja ſchon bet ganze jährliche und vieljährige Organismus aller geiftlichen Thätigkeiten auf. Wahrlich! nad) biefem gewiß unverwerfs - lichen Geſichtspunkte verſchwinden ein paar ohnehin nad) Zahl, Ball, Inhalt und Wirfung ganz zufällige Grabreben in Nichts, find jedenfalls, wenn irgend erhebliche Gründe 14 Ein Votum gegen Leichenreden. gegen fie ſprechen, ganz entbehrlih. Noch mehr, für bie Zwecke der Leichenreden, mag man an den Entichlafenen, die Hinterbliebenen, ober ble ganze Gemeinde denken, arbeiten mannigfaltig und frájtig der Todesfall fe[bft, das Begräbniß, bie Gottesvienfte, Kirchliches und Außerkirch⸗ liches. Der Entfchlafene litt und ftatb in der Mitte bet Gemeinbe, vor ben Augen und unter der Pflege der Ans gehörigen, wirfte vom Kranfen- und Gterbebett aus burd) Wort und Beifpiel, der Gelftfid)e erfchien wiederholt im Ramen der Kirche, arbeitend für ben Kranfen, Gtecbenben und feine Umgebung, fpendete bie bf. Gacramente, laß, betete, fegnete, mahnte, tröftete; das Wolf begleitete das Mlerheiligfte anbetenb und fürbittend zum Krankenhaus, vertidjtete das allgemeine Gebet ; vielleicht beftebt aud) bie ſchoͤne Andacht für ben 9tádftfterbenben um eine glüdfelige Gterbflunbe. Sch nenne ferner das Berhalten und bie Lage der Hinterbliebenen, bie Scheidungsglode, ben SBefud) des Leichenhaufes, ben Leichenzug ſelbſt, Kreuz, Wabne, Begleitung, Fürbitte, bie Angehörigen, wie fle viel an's Herz legend das Grab umftehen, die Kirche in ihrem Stellvertreter, deren Gebete, Gefänge, Pfalmen, Geremos nien, ijr Memento homo, das Donnern der Exrbfchollen, : das Kreuzaufpflanzen, eine etwa im Ritual vorgefebene beliebig zu gebraud)enbe, allgemein gehaltene, gedrängte, fräftige Anfprache, bie Leichengottesvienfte, ben Jahrtag. Wahrlich, aud) ohne Leichenreden haben wir feine Urfache, bei folhem Reichthume die Proteftanten tto& al’ ihrer Leichenreden und Lebensläufe zu beneiden, obwohl id) gerne zugebe, daß man mir auf diefem Punfte nod) einwenben mag, εὖ fei immer nod) febr erbaulid), wenn all’ das burd) obige Factoren nahe Gelegte durch eine Leichenrede vers . Gin Botum gegen 2elenreben. 13 deutlich, befräftigt und gefammelt in bie Herzen eingefenft werde. Der Geiftlihe kann außerdem den Ball, wenn er dazu vorzüglich geeignet ift, in feinen regelmäßigen Vor⸗ trägen angemeflen verwenden, während bei Begräbniffen oft nur wenige Perfonen anwefenb find und eben gefpror hen werden muß, mag ber Fall für das Reben nod) fo dürftig ober gefährlich fein. δά 3.2. in die Nähe des Evangeliums von der Hochzeit zu fana eine Leiche, fo fann der Beiftlihe als Thema ber Sonntagspredigt wäh fin — den Unterfchied zwifchen bem Sterbs und Hodhzeits tag, und wie wir ben Giterbtag in einen himmlifchen Hodhzeittag verwandeln fönnen, von ber beiläufigen Bes ſprechung ber Lodesfälle in ben regelmäßigen Predigten ganz zu fchweigen. Für bie wiederholte Fräftige Behand⸗ fung ber allerdings Außerft wichtigen legten Dinge aber gibt e& im Kirchenjahre und feinen Berifopen alle nur wünjdenémertbe SBeranlaffung und Aufforderung. Ich nenne 3. 9. ben legten Sonntag παῷ Pfingften, ben erften Anventfonntag, den Süngling von Naim, bie Tochter des Jairus, den Jahresſchluß und vollends Allerheiligen unb Allerfeelen. Wahrlich, „die Kirche hat, um [olde Wahre — heiten zu prebigen, nicht nöthig, ft an bie Gräber zu ftellen.^ Durch häufige Leichenreden Tann Prediger unb Volk fogar für bie lebten Dinge abgeftumpft und das zu Sammelnde zerfireut werden, — ein nidt unwichtiger Befihtspunft, auf ben wir zurüdfommen werben. Faffen wit endlich bie Hinterbliebenen nod befonders in's Auge, fo fommt für fie alles Bisherige in Betracht, und fann ber Geiftlide außerdem während der Krankheit, beim Tode, im Beichtftuhle und nad) ber Menge der privatfeels ſorglichen Mittel alles irgend Wünfchenswerthe thun, unter {6 Ein Votum gegen Leichenreben. vier Augen in der Regel unverfänglicher, deutlicher, fráfa tiger und wiederholter, als am Grabe vor aller Welt, ba zudem der Schmerz gar oft noch betäubend und verwirrend wirft, bag Nichts Wurzel fchlagen fann.. Bon Sob ftebt geídrieben, daß feine Freunde drei Tage und drei 9tádjte fern von ihm faßen unb fein Wort fprachen,. „denn fte faben, daß fein Schmerz febr groß war" D. Und was ift denn bei einem kath. Leichenbegängnig Hauptfache? Offenbar Gebet, Segnung, Opfer, gute Werke. Wie winzig erfiheinen darneben bie Leichenreden, bie fid) fo gern zum Mittelpunft auffpreizen möchten! Sind Leichenreven notbwendig, um 3. 9. wahr zu maden, daß, „wo fein Menſch, wo Nichts in der Welt mehr tröften fann, Alles feinen Werth verliert, der Geeljorger, das Evangelium auf dem Plate ftehen bleiben darf?" Kurz, id) wette Alles, das Tirchliche Xeben leidet durch Hinwegnahme blefet ohnehin nad) Zahl, Art und Zuhoͤrerſchaft (o ganz zufäls ligen Reden, mag man ihre Wirffamfeit nod) fo bod) anfchlagen, nirgends eine irgend wefentlihe Ginbufe. Freilich läßt fid) dieß aud) von mandjen Sonn» und Fefl« tagspredigten behaupten, aber nicht von der Sonn» und Fefttagspredigt, ober von ber Predigt überhaupt, biefe, nicht bie Grabrebe ift ber Kirche nah ber Natur ber Sache unb goͤttlicher unb, firdjfidjer Anordnung wefentlich und nothwendig. Ja! in manchen Theilen der Kirche wird nur in ber Advents- unb Faſtenzeit, ba aber miſſtons⸗ maͤßig, reichlich, kraͤftig und zuſammenhaͤngend gepredigt, 1) Hiob 2, 13. — „Alle Vernünfteleien, alle Vorſtellungen und Gründe erbittern das Herz des Leidenden nur; ein herzlicher Händedruck iſt der beredteſte Troſt, den es gibt.“ Gin Votum gegen Leichenreden. 1T und es ift feine fo leicht zu beantwortende Frage, ob fo[dje Praris nicht manche Vorzüge hat. Jedenfalls fagen unà über unfer gewöhnliches Predigen und feine Wirfungen bie Miffionen gar Bieles. Wie follen Leichenreden noths wendig fein! Für nur etwas heller Blickende ift übers haupt bie Periode der Gtanbreben, wie auf bem politis fhen, fo aud) auf bem firdjfiden Gebiete durch bie Stürme ber Zeit gründlihft abgetban; Thaten, Reden, bie ben vollften Gfarafter von Thaten tragen, fordert bie Neuzeit in Kirche und Staat. Die Borliebe des Volfes für Grabreben! Die Neigungen des Volfes haben in ber fat. Kirche, bie Feineswegs SBrobuft der Gläubigen ift, bie vielmehr in allweg als deren Mutter auftritt, Feinerlei entſcheidende Stimme, find nur febr erfreulih, wenn fie wahrhaft Katholifhem und Heilfamem fördernd entgegenfommen, unb fónnen hoͤchſtens die Belafjung beffen begründen, was feine böhern Gründe gegen fij hat. Indeß davon ab: gefehen, ift denn bie Liebe des Volkes für Leichenreden eine gar fo gewiffe, große, feftgemurgefte, allgemeine, reine, nicht oft eine geradezu Abfchaffung begtünbenbe? Das ficchlich mehr unverborbene Landvolf liebt bie Leichenreden aus Gewohnheit, Neugierde, wenn biefelben feltener vorfommen, der Geiftlihe fte zufällig gut ober nad) ihrer Neigung abzuhalten pflegt ἢ. Die Verwandten aber 1) Gerabe die bloße, unreine Neugierde fpielt hier erfahs rungemäßig eine Hauptrolle und ift auf ihre Rechnung wentgftens bie Hälfte des Intereffes an geidjenreben zu fehreiben. Treffend fprach fchon deßhalb εἰπῇ ein Seelforger am Grabes einer Perfon, die notorifch einen febr fchlechten Wandel geführt, an deren Grabe fid) aus Neugierde an einem Sonntage bie ganze Umgegenb verfammelt fatte, nur die Worte; Theol. Quartalſchrift. 1856. I. Heft. 2 48 Ein Votum gegen Leichenreden. wollen die Leidenrede, weil fle in ihr einen nun einmal gebräudhlihen Theil der Leichenfeier erbliden, nicht wohl zurüdbleiben fónnen, für ihren Todten und fid) felbft Lob erwarten, wohl aud) in der Grabrebe ein Schaus und Prunfftüd fehen. Das Landvolf wäre gar leicht zu bes lehren und fühlt fiher gar oft das Unziemliche mandjer Leichenrede, ja hält aud) fein Urtheil nicht zurüd. Die fog. Gebifbeten aber fónnen am Wenigften gehört werben, gerade bei ihnen find Leichenreden fo oft am fehwierigften und miffíidften; unb wie ihre Neigungen der Zeit leider vielfach beichaffen find, würden biefelben confequenter Weiſe nur durch Aufgeben des Fatholifhen Lebens und Weſens überhaupt fdeinbar zufrieden geftellt, Endlich ift es un» läugbare Thatfahe, daß fchon febr Viele im Leben unb Sterben, für fid) und Verwandte, ausprüdlicdh gegen jebe Girabrebe, wahrlid nicht immer aus Demuth oder weil fie Tadel fürdjteten, Proteft einlegten, der ftilfen bieffalle figen Wünfche gar nicht "zu gebenfen. Ich werde fpäter einige concrete Bälle nennen, bie aud) auf bie angebliche Vorliebe des Volkes für Grabreben Schlaglichter werfen, Die nad) bem Bisherigen ber fatf. Kirche und bem geiftlihen Wirken durchaus unweſentlichen Grabreben, bie mit ber vorgeblichen Liebe des Volles nicht vertheidigt werden fónnen, follen nun aber hauptſaͤchlich darum überall entfernt werben, weil das benfelben fo nahe liegende, ja . faft ungertrennlihe wirkliche oder bloß vermeints [ide, begründete oder unbegrünbete oben oder gar Tadeln, nod mehr, weil baé wahr „Andächtige! Wer von euch ohne Sünde ifl, werfe den erſten Stein auf fie! men.“ Ein Votum gegen Leichenreben. 19 baftunvermeiblideSBe(prteden des Eoncreten des Falles, wenigſtens im Grofen unb Baus sen, worauf εὖ bet ber Krage um Abfhaffung in ganzen SDiócefen alleinanfommt, Außerft verderblid nad allen Seiten des geiftliden Amtes wirft, fofort aber für Grabreben in der Thbarnihts mehr übrig bleibt. Wohl fann man jagen: wie? foll ber, der gut gelebt hat, der ‘die Kirche und Gemeinde lebend, leibenb und fterbend erbaut, feine Pflichten mit befonderer Treue erfüllt bat, von firde und Gemeinbe feine Anerkennung auf feinem [egten Gange erhalten? Soll ber Geiſtliche, bet Prediger ber Wahrheit, nid)t ber Wahrheit Zeugniß geben dürfen? Soll nicht ein leifer, unmaßgeblicher Laut aus dem Ienfeitd zum Grabe herüberdringen dürfen? Soll εὖ nicht erlaubt fein, das offenfunbige, anerfannte Gute zur Mahnung, zum Troft, zur Belehrung der Lebenden zu gebrauchen? ohne Kleinlihes, Unwürdiges oder Zweifels haftes zu loben, ober gar felíg zu fprehen? Soll auf ber andern Seite ofjenfundiges Aergerniß gegen Kirche und Gemeinde nicht berührt, möglichft gehoben, gefühnt, ben Lebenden gebeutet werden — in Wahrheit, Liebe, Klug- beit, mehr zu benfen, als zu hören gebend, ohne jegliche Bitterfeit, ohne Ausmalen, ohne Verſchweigen ber guten Seiten und driftliden Entfchuldigungen, ohne in'6 Ab- kanzeln zu verfallen? Sollten nicht taufenb Formen zu finden fein, den Tadel feije, fiebreid), ausgleichend, ver» gebend, hoffend auszufprehen? Kann nicht 3. 3B. der Geifts liche ftatt feiner viel unverfänglicher den Verftorbenen aus der Ewigfeit betüber fprechen laffen, oder das Schlimme mehr unter den Geftchtspunft bed. Unglüds ftellen? 2 20 Ein Votum gegen Celdjenreben, Haben denn Gute und Böfe bloß fid) felbft und ihrer Familie angehört? Sollen fld) die Einen unb Andern auf ganz gleihe Weife im Ader Gottes, in Mitten der drift» lien Gemeinde niederlegen? Solches und vieles Andere . Täßt fid) einwenden, wenn man nur aus dem Gefühle, vereinzelnten Gefichtspunften, einzelnen Faͤllen und Snbipis dualitäten und mehr ideell die Sache anfchauty wobei ἰῷ indeß ausbrüdlich bemerfe, daß Manches von dem Geſag⸗ ten, ſoweit es wirklich berechtigt iſt, wie ſchon gezeigt wurde, ſich auf vielen andern Wegen allſeitiger, kraͤftiger, deutlicher und ganz unverfaͤnglich vollziehen laͤßt. Die praktiſche Hauptfrage bleibt nur die: Sind denn am Grabe die Wahrheit; die Liebe, die Milde, die Klugheit, und zwar im geforderten hohen unb höchſten Grade immer und überall vorhanden und fo leiht? Und bod find biefe ſchweren, ja feltenen Vorausfegungen conditio sine qua non ber Leichenreven! Wie leicht find bie feinen Grüngen überfchritten! Uebergenug, wenn e8 unter Hundert Fällen nur einmal geſchieht! Noch mehr, unb id) [ege hierauf fein geringes Gewicht, braucht denn ber Prediger dieſe feinen Graͤnzen auch wirflic zu uͤberſchreiten? Bie viel wird als Ueberſchreitung aufgefaßt, gedeutet, auf bem Wege der vergrößerten Sama verbreitet ober Doch mit vers berblider Wirkung in der Stille des Herzens gefühlt! Dem Geiftlihen entdeckt fid) dergleichen in der Regel julegt. Wirkliches ober auch nur vermeintlihes Toben ärgert bie ferner Stehenden, erweckt Neid, Aufdeden unb DBergrößern verborgener und offenfunbiger, wenn aud längft reihlichft abgebüßter Fehler und Fehltritte, reicht fogar zu Verleumdungen gegen Todte, wird leicht und unvermerkt ein Ruheliffen für ble Lebenden, befondere S * Ein Votum gegen Leichenreden. 21 wenn nur εἶπε einzige Tugend, eine bloß äußerlihe Tugend⸗ handlung ober nur das immer (o zweifelhafte Verhalten auf dem Gterbebett ungebuͤhrlich in Betracht gezogen wird. Loben ermedt gegen den Geiftlihen an heiliger, ernftefter Stätte und in heiligem Amte den Schein der Parteilich« feit u. f. w., bald wollen die Hinterbliebenen für al’ ihre Zodten Lob! Richt, loben wirkt bei ihnen (don als ber herbfte Tadel. Und in der That, wenn öfter auch nod) fo begründet Lob und Zuverfiht ausgefprocdhen wird, ift Schweigen, find bloße Allgemeinheiten ein febr handgreif- fidjer Tadel. Am Grabe nicht Sabeln dürfen ift fo gleich, am Grabe nicht Loben dürfen). Tadel aber, wenn auch nod) fo leifer und unbegrünbeter ober aud) nur vers mutbeter, erwedt Schabenfreude, ärgert, fchmerzt, greift bem Gerichte Gottes vor, widerftreitet bem ſchoͤnen Grunds fat: Grab und Tod fühnt, verflärt, de mortuis nil, nisi bene! erwedt ben Schein ber Leidenfchaftlichfeit, ber Härte, verwundet unb. erbittert bie Angehörigen und Freunde des Berftorbenen auf'8 Tieffte, raubt Glauben, Liebe und Vertrauen, entwürbigt das heilige Amt, verurfadht wohl 1) Und doch i Halver gegen Tadel, aber für Lob: „Loben barf und fol Sebetmann unb insbefondere auch der Geifllie, zumal wenn εἰ das Bewußtfein Bat, daß das Lob begründet fel und er nur das ans fpreche, was bie Herzen feiner Zuhörer erfüllt.“ Wer macht dem Geift- lidem das Zutreffen diefer Gonbitio ſicher? Gin Anderer. will bod) ble und ba die muthmaßliche Hoffnung des feligen Todes ausgefprochen willen unb bemerft: „Hiezu berechtigt nicht nur bie ewangelifche Liebe, ſondern auch die Kirche felbft, welche allen nicht offenbar in einer fdjweten &ánbe Berftorbenen die Trauerguttesdienfte halten läßt, was fie nicht Fönnte, wenn fie nicht wenigflens bie muthmaßliche Hoffnung eines fellgen Todes von ihnen hegte.“ Dieb beweist offenbar zu viel und bürfte mau bei jedem, ber noch das Firchliche Begräbniß erhält, jene Hoffnung aus fprechen. e 22 ) Ein Botum gegen Leichenreden. aud) Feindſchaften, Geklatſch in boͤſen Blättern, ja Ankla⸗ gen, Procefie, Verurtheilung und Strafanftalt. Exempla sunt odiosa! Dan nehme hinzu, wie in dergleichen Din⸗ gen, wie nun einmal die Welt flet, bie Leute von Jahr zu Jahr empfindlicher werden und fid) das nicht mehr fagen lafien, was man ehemals fagen durfte, ohne daß fle bie Lippen verzogen; man nehme hinzu, welche Pers fhiedenheit von Zuhörern das Grab fo oft verfammelt, wie gerade am Grabe in ber größten Gefährlichkeit bet Rede fo oft aus dem Stegreif gefprocdhen, wie hier und dort, vielleicht nod) auf bem Wege zum Grabe vom Meß⸗ ner unfidere und halbe Notizen zufammengerafft werden, wie bie Leichenrede immer fo fleim ift gegen das Meer unb bie Abgründe des Herzens eines Menichen! Wenn aber Gott gefprochen hat, foll der Menfch fhweigen! „Mir ift «8 das Geringfte, von euch ober einem menfchlichen Geridjtétage gerichtet zu werden: und ich richte mich aud) fel6ft nidbt. Denn ih bin mir zwar nichts bewußt, aber barum bod) nicht gerechtfertigt. Der mid) richtet, ift der Herr. Darum richtet nicht vor der Zeit, ehe der Herr fommt." 1 Gor. 4, 3—5. Wie glänzend erſcheint fchon hier bie Fatholifche Kirche, bie nach ihren allen Ritualien ohne Xeichenrede das hriftliche SBegrdbnig gewährt, wo fie, menfhlich angefehen, irgend mod) Hoffnung haben kann, baffelbe aber fchlicht und einfach verweigert, wo menſch⸗ liches Hoffen feinen Raum mehr hat! Ein befannter Paftorallehrer äußert fid) in feiner eigenthümlichen Weife alfo: „O! welche Dinge Babe ἰῷ zuweilen am Grabe angehört, bei welchen, wenn ἰῷ fte hätte fagen wollen, bie Sung! im Munde mir weiß ges worden wäre vor ber Furcht, es möchte der Wahrhaftige Φ Qi Votum gegen Leichenreden. 23 mid) dafür firafen auf der Stelle!" Well’ verberblidje Geſinnungen unb Reven aud) der an fid) beredjtigfte und vorfichtigfte Tadel im MWeltmenfchen veranlaflen fann, ſchildert berfelbe febr fhön alfo: „Das Agpptifche Todten⸗ gericht war bod) mit 40 SBerfonen befegt, hier foll mein Lob unb mein Tadel,” gefprochen über mid), wenn ich nicht mehr fpredyen fann, bier foll meiner Gattin, meines Soh⸗ nes, meines Freundes Tadel, gefprochen über ihn, wo id) nicht widerfprechen darf, von bem lirtbeil eines einzigen Mannes, der eine irrige, vielleicht von feinen Affeeten ganz ſchief gerichtete Anficht, der auch nicht einmal ein Analos gon von Ürtheil, und nicht einmal bie Stellvertreterin ber Anfiht, die Gutmüthigfeit, geſchweige bie chriftliche Liebe hat, — der foll an den Särgen, an den Gräbern, der fol öffentlich fagen dürfen, was er will! Im Wochenblatt, in einem öffentlichen Blatte darf Kleiner fagen, was er will, da (debt bie Genfur derubifd) davor, hier aber ift bie völligfte Freiheit? Die blanfefte 9Billfübt? Das et» trage, wer's fann, id) aber will εὖ nicht ertragen. Allein wo will id) mit mir hin, wenn id) tobt bin und Andere mit mir (daften ? Wohin mit den Meinigen, wenn ἐδ anders Orts ein Schimpf ift, feinen Prediger bei der Leiche eines der Meinigen zu haben? Ich bin gefangen, darum will id) bie Obern bitten, daß alle &rabreben aufs hören, nidjt8 bleibe, al8 meinetwegen die Geremonie, bie Alle über Einen Kamm fcheert, und falls man bie nod) follte für zu heilig halten bei der Leiche, die ich bringe, ih will bitten: gar feinen Pfaffen bei irgend einer Leiche.“ Was Hilfs, wenn man (olde „ennifche Reden” nod) fo fhlagend widerlegt ')! 1) Baftoraltheologie von Dr. (δ. Harms. II. Bd. ©. 348 ff. nut 24 Ein Votum gegen Lelchenreben, Sd erlaube mir, einige aufflärende SBeifplele anzu⸗ führen. Ein Dann fagt einmal zu feiner xau: „Wenn der Geiſtliche bei meiner Leiche eine 9tebe hält, gibft bu ihm Einen, wenn er feine hält, zwei Thaler.” In einer württembergifchen Oberamtsftadt offenbarte fich, freilich in ber wilden Revolutionszeit, ba indeß das fonft Verborgene an'$ Tageslicht trat, eine ſolche Abneigung gegen Leichen seben, daß die Geiftlichen erflärten, Feine mehr zu halten unb ber Stiftungsrath im Namen der Gemeinde feinen . Beifall gab. Ein Bicar bemerkte einft anerfennenb, daß ein Verwandter dem PVerftorbenen auf deſſen Sterbebett die Schuld von einigen Hundert Gulden nadgelafjen unb den Schuldbrief zerriffen babe. Aber fiehe, bie Schuld war ohne Wiflen des etwas verfchwenderifhen Mannes von befjen Weib nad) und nad) bezahlt worden. Der mit Unrecht am Grabe von dem Geiftlihen in ber Predigt, ber Berfündigung be8 Wortes Gottes belobte chriftliche und fein gewiffenhafte Verwandte gerieth darüber in große Gewiſſensunruhe! Ein freilich etwas bem Trunke ergebener Bauer äußerte einmal nad) einer Leichenrede ohne jeglichen Aerger, ganz vertraulich gegen den Geiftlihen: „Mir werden Sie einmal feine foldje Leichenreve halten!“ ber was [ag wohl fill in feinem Herzen? Kür ein A6jähriges braves Mädchen wohlhabender Eltern. ſprach einft ber Redner am Grabe die Hoffnung des Entfchlafenfeins in Reinheit aus. Aber böfe Zungen redeten von bem Reich⸗ tbume der Eltern, ald dem geheimen Motive des angebs [iden Lobens, unb ein nicht ganz toleranter Betbruber ſchlimmer Sorte meinte: „Dem“ (Prediger) „wird, es Gott εἰπῇ fagen! In foldem Alter gehören fie fdjon in bie Höllel" In einem gewiſſen Gebetbuche ift zu Iefen: Ein Votum gegen Leichenreden. 25 „N. N. bielt der N. N., meiner Frau, bie Leichenrebe, fte it felig geiprochen worden.” Meine lieben Amtsbrüder! erfahren wir, was die Leute über unfere Grabreben fagen, benfen, fühlen? Welche verzweigte geheime böfe Wirkungen fie oft zurüdlaflen? Und vollends junge SBriefter, weldje die Welt nod) nicht fennen, überall nur Gutes fehen, — wer hat es nicht an fich felbft erfahren! — überfchreiten fo leicht und ohne εὖ zu wiffen ober zu wollen, die fein gezogenen Graͤnzen. Welche Rolle fpielt fobann in fo vielen 2eid)enreben das: „Ende gut, Alles gut!" Wäre e8 bod) immer ein wirklich, εν gutes Gnbe! Wie vers bádtig find bie Befchrungen auf bem Sobtbette! — Ich füge nod) einige fatalere δάϊε bei. Ein Geiſtlicher bielt einem Berftorbenen, ber notorifch lüderlich und gottesläfters (id) gelebt, jedoch während einer langen Krankheit fid zu Bott befehrt batte, bie Leichenrede. Erſteres deutete der Brediger an mit allgemeinen, jdjmadjen, fehonungsvollen Zügen, das 2eptere fob er hervor und jprad Hoffnung aus. Deffen entrüfteten ὦ ein paar Umftehende und - ließen den Prediger nod) auf dem Kirchhof mit harten Worten an. Und bod) üuferte einer der geadhtetften Männer der Gemeinde, αἷ die Predigt gebrudt wurde: „Ih will zufrieden fein, wenn einft an meinem Grabe fo gefprochen wird." „Ein junger Prediger einer Hauptftabt behandelte einen Berftorbenen ziemlih unverblümt αἱ Trinfer. Aber den es traf, war ber am Grabe ftehende Bruder des Verftorbenen, den jener mit biefem verwechlelt hatte. Daß der Getroffene ergrimmte, iſt begreiflich.“ „In N. wurde ein junger Advokat begraben. Derfelbe hatte mehre Jahre feine öfterliche Pflicht verfäumt, dieß⸗ falls nicht ganz erbauliche Reden geführt, unb fonnte 26 Ein Votum gegen Leichenreden. wegen Mangel lichter Augenblide in feiner Krankheit bie ὉΠ, Sterbfacramente nit mehr empfangen. Chriften, Namenchriſten, Widerchriften, Juden, Gebildete und Uns gebildete umftehen das Grab. Armer Pfarrer! arme fatholifhe Kirche! nicht bloß begraben, fonberm aud) pres digen mußt bu! Es gefhieht ohne Tadel, wenigftens ohne ben Tleifeften birecten, mit paffenber Hervorhebung für das dießfalls [eid)t zum Neid geneigte Volk, es fei eine Beamtenfamilie oft fo arm, wenn fid) zwei Augen fließen. Aber fiebe! alsbald find alle Geiftet der fog. gebildeten Elaffe gegen den armen Prediger losgelaſſen. Mer hat dabei gewonnen? Das geiftliche Amt, bie Kirche, ble Gemeinde? Das Gegentheill Die Kirche erfcheint in folden Fällen als niedrige Magd, ber man fonft immer Fußtritte gibt, jegt aber muß fte Dienft thun, und ber Lohn find Doppelte Wuftritte. Wahrhaftig, ble Klippen bes geiftlichen Amtes überhaupt und des Prebigtamtes im Befonderen find groß und zahlreich genug, wie Gefahr, das Menſchliche über Gebühr in das Göttliche zu mifchen, fpielt ohnehin eine fo große Rolle, daß jene Llippen und diefe Gefahren burd) bie fo unmwefentlichen Leichenreben nicht vermehrt, ja recht eigentlich verdoppelt zu werben brauden. Der Segen, den etwa Hundert Grabreben fiften, fommt nicht in Betracht gegen den Schaden, ben Eine anrichten fann. Lieber alle verbieten, ba ohne fie Kirche und Predigt gar wohl blühen fónnen, ale Eine verderblihe möglich machen. Uebrigens ift das eben Ans geführte aus dem Meer der Fälle nur ein Tropfen. Man fann nun aber glauben, die Leichenreden feien zu retten, wenn man auf dem Wege ber Theorie und bifchöfliher Weifungen jegliches oben und Sabeln Gin Votum gegen geidjenteben, 27 gänzlih und firengftens unterfagt, wie denn audj wirklich bie ſtets nothwendig gewordene Reaction gegen biefeben immer zuerſt gegen das Tadeln und 2oben in fleigender Strenge fij gewendet hat. Allein folche : Borfhriften wurden nie wahrhaft und allgemein bes folgt. Wer wird ihre Befolgung, biefe conditio sine qua non überall bewirken und überwachen! Sind bie Geift(iden nidt überhaupt im Predigen u. f. w. gerne ungebunben, voll Vertrauen auf ihre eigene Anficht und Praris? Wie fhwer hält es 3. B., alle gänzlih von unapprobirten Stitualien und Liturgifhen Sormularien abzubringen? Und ift bei Leichenreven bie Verſuchung zu Lob ober Tadel nicht gar oft eine ganz große, die zudem mit bem Scheine der Förderung und Erbauung, der Ehre Gottes u. f. w. auftritt! Ich fage nod) mehr und [ege darauf fein geringes Gewicht: Wird Lob unb Tadel von Allen und zugleich in der Meinung des. Volkes aud) nur vermieden werden fünnen, wenn nicht zugleich das Befprechen alles Gon» ereten und Individuellen des Leichenfalles ftrengftens unter» fagt wird? Wo ift denn, wenn noch folches herbeigezogen wird, bie Grenze des Tadelns und Lobens? In indirectes Qoben und Sabeín verfällt man bod) offenbar gar leicht, wenn man 3. 38. von feinen Grabreden das fonft fehr 9tüfmlide fagen kann, was Halber (l. c. X.) von den feinen fagt: „Ich behielt, ungeachtet ich es nicht auf Nekro⸗ foge .anlegte, bod) allegeit bie Berfon, welcher ber Vortrag galt, wenn fte mir je nidt völlig fremd war, burd) bie ganze Rede hindurch bald offener, bald verbedter im Auge. Ihr Bild dictirte mir ben Aufſatz.“ Aber aud) von biejem wichtigen Gefthtspunft abgefeben, ift e8 ja gerade das Individuelle, Goncrete, das [o leicht unwürdig, 28 Ein Votum gegen geldenteben, unfchön, fentimental, die Ihränenfchleußen óffnenb, in ben Jammer des Lebens verfunfen ober verfenfenb, ftatt über benfelben zu erheben, befprochen wird. Diefes Gon» crete ift. e8, worin fo oft Prediger und Zuhörer gleichſam (dipelgen, womit der Prediger, auf ben Herzen wie auf Trommeln ſchlagend, arbeitet, was ibm bie Leichenreden fälfhlih fo lieb macht, was über bie eigentlidjen Wirs fungen berjelben leicht fo gewaltig täuſcht. Wie leicht inébejonbere bewegt fi ber Leichenredner weit unter oder weit über den wirklichen Gefühlen ber Zuhörer unb Angehörigen! Oft ift der Prediger allein ergriffen, oder fallt mit Troftgründen zur Laft, ba er eben vorher alle Wunden vielleicht mit derber Hand aufgeriffen hat. Muß man fonad) aud) nod) das Goncrete und $ndividuelle Hinwegnehmen, will man nidt ben offenen und verborgenen 9lergerniffen Thür und Thor offen laffen, muß man, concreter ausgebrüdt, mit Weffenberg in feiner Verordnung vom 26. Mai 1804 bie ftrengfte Weiſung geben, „fh jeder Erwähnung der Perſon des Berftorbenen, alles Lobes ober Sabe[ó über venfelben, aller Erzählung aus feiner Lebensgefchichte und jeder Ans fpielung auf beffen Wandel und Eigenſchaften völlig zu enthalten;" was bleibt bann ben Leichenreden noch übrig? Langweilige Einerleiheit, läftige Wiederholungen, ein Ber» trödeln bet [epten Dinge, ein Abfchwächen ber Wirkſam⸗ feit ihrer ernften Wahrheiten, ein Reden an den Graͤ⸗ bern; nicht an dem Grabe, eine Gafualrebe ohne Gafué, ein Reden, das jeden Sonntag befler gehört werden fann, ein Wollen und Nichtwollen, Halbheit und linmadt ἢ. Das gerade ijt bie eigentliche Aufgabe ber 1) Durch jene conftangifdje Verordnung „wird ohne Zweifel jedes Ein Botum gegen Relchenreden. 29 Leichenrede, bie fehmwierige und im Allgemeinen, von eins zelnen Fällen und Perfönlichfeiten abgefehen, unlösbare Aufgabe, das allgemein Ehriftlihe und das Indi—⸗ viduelle des Falles auf rechte Weife burd) einander zu beleuchten, für einander zu verbrauchen. Stimmt man das eine Moment weg, fo hebt man das Wefen auf, geftebt bie Unmöglichfeit der Grabreben, zerhaut ben Knoten, ftatt ihn zu [0fen, ſchleppt Unhaltbares aus jenfeit8 der Sache gelegenen Gründen mühfam nnb verberbfid) fort, verberbs (i; fdon darum, weil die Leichenrede, als Gafualrebe, immer wieder zur Rüdfehr zu ihrem Wefen, zum Gon; ereten, zu den Klippen fid) gebrungen fühlen wird. Kurz, wer das allfeitig δ Verderbliche des wirks (iden oder bloß vermutheten, des abfichtlihen oder unabs fichtlichen, des liebevollen unb Flugen ober des leidenfchaft- lihen unb unffugen, des begründeten und unbegründeten, - des birectet und inbizecten Tadelns und Lobens, das am Grabe immer eine arge Berfönlichkeit ift, wer überhaupt das wenigftens im Großen und Ganzen immer in biefes fatale Gebiet hinüberftreifende und aud) fonft ftets fehr bebenf(id)e SBefpred)en des Boncreten des Leichenfalles nicht will, muß bie Leichenreden felbft verurtheilen, bie in ber fatholifchen Kirche weder irgendwie nothwendig find, nod) aud) durch bie angeblidhe Vorliebe des Volkes vertheidigt werden fónnen. eigenthämliche Gepräge, jedes Charakteriftifche einer Leichenprebigt und eben hiedurch dieſe ſelbſt vernichtet. Wir befommen fo zwar eine Predigt am Grabe, auf bem Kirchhofe, unter freiem Himmel, aber feine Predigt für das Grab. Der Verfiorbene muß ten Stoff zur Leichenreve hergeben. Wenn dieß nicht (ft, bann mag bie Predigt Peer unterbleiben.“ Halver, Leichenreden, ©. V. 30 Ein Votum gegen Lelchenreben, Beftätiget aber wird meine bisherige Darlegung nicht wenig durch bie geſchichtlich vorliegende Abfolge des oberhirtlihen Auftretens gegen die Grabreden. Zuerft wurden Tadel, dann Lob und Tadel, dann das Beiprechen des Individuellen und endlich bie Leichenreden fefbft vet» boten. Ebenfo ging bie Einführung ber Grabreden all» mählig vor fi. Zuerſt wurden diefelben ohne Zweifel von einzelnen Geiftlihen in außerordentlihen Fällen in befter Abficht abgehalten, bann auf Wunſch, bann wollten gegen Bezahlung alle Wohlhabenden Grabreben , andere Geiftlihe folgten oder wurden nachgezogen, das Beifpiel ber Proteftanten und eine gewiffe theologifche Zeitrichtung wirkten mit, und hatte bod) aud) Mancher das ΘΙ, feine Leichenreden gebrudt zu ſehen. — Gnblid) hielten bie Geifts lichen, um dießfalls die Kluft zwifchen Reich und Arm auszufüllen und andere Unebenheiten zu vermeiden, bet jeder Leiche eine Rede. Andere Diöcefen find vielleicht in biefem natürlichen Gang und deßhalb aud) im ober, hirtlichen Einfchreiten nod) zurüd oder hat bie Sache wies ber von vorn angefangen. Nah diefer Darlegung der Hauptmomente erhalten nun auch mehrere untergeordnete Gefichtspunfte eine weit größere, zur Sermerfung det Grabreben wenigftens πὶ wirfende Bedeutung. — Sd erinnere an eine conftante, wenn aud nicht wefentlih ausnahmslofe allgemeine Hebung ber Kirche. Die Kirche predigt nicht gern, wenn fte Gactas mente und Gacramentalien, vollends den Einzelnen ihrer Glieder, fpendet. Der Prieſter ftellt ben Prediger in den Gintergrunb, fegt Diefen voraus, wie 3. 3B. felbft im Beicht⸗ ftuhle. Sogar Meſſe und Predigt find nicht in der Weife Ein Votum gegen Leichenteden. 31 mit einander geeinigt, wie der Caſualfall und ſeine Rede. Rein Goͤttliches und kirchlich Fixirtes ſcheidet ſich ſtreng vom mehr Menſchlichen und Individuellen. Auch ſind in den Sacramenten und Sacramentalien Alle durchaus gleich. In keinem Falle gebührt dem Einzelnen als ſolchem in der Kirche ein Hervortreten, wie derſelbe in den Leichenreden jo oft erhält. Und bie kirchlichen Ritualien fordern nit» gends ſolche Predigten bei Spendung der Sacramente und Segnungen. Ihre etwaigen Anſprachen ſind da kurz, fuͤr alle Faͤlle die gleichen, beliebig zu gebrauchen, und ſelbſt dieſe uͤberſchreiten leicht ihre Grenzen, wie z. B. die im Limburger Ritual in der Taufformel zerſtreuten Belehrungen. Ich erinnere an den gewoͤhnlichen Ort der Leichen⸗ reden, den Gottesacker. „Nichts zu fagen von den Stoͤ⸗ tungen einer ungünftigen Witterung, vollends auf fo vielen Gottesädern ohne Kapelle oder anderes Obdach, hat ber Priefter ba feinen Plap, wo er von Vielen gefehen und weithin gehört werben fónnte. Wie feine Geftalt, fo ver» ſchwindet ber Ton feiner Stimme in bem engen Kreis, ber das Grab umſchließt unb größtentheild von Menfchen ans gefüllt. ift, auf die, weil fie felbe gewohnt find, bie Bes gräbniffe nicht den minbeften Ginbrud mehr hervorbringen, oder von Klagreden, welche ber Schmerz in biefem Augen bli€ für alle andere Vorftellungen taub madjt." Gewoͤhn⸗ liche Leichenreden, in der Kirche oder gar auf der Kanzel abgehalten, werden vollends gar zu feloftftändig und haben das Grab nicht mehr in fo hohem Grade zum Mitprediger. Ich erinnere an bie oft febr läftige Verlängerung ber Leichenfeier durch Grabreden, deren Dauer bod aud) nicht bis auf Minute und Secunde vorge[d)ricben 82 Ein Votum gegen Reichenzeben. werden kann. Wielleicht weites Abholen ber Leiche, Bes etbigung, Grabgefang, ein von der Kirche entfernter Gottes» ader, das Traueramt, vielleicht aud) ein Lobamt, ein langer Opfergang, das Gebet ad tumbam, etwa aud) Todtenvefper oder gar das ganze Officium pro defunctis! Sch erinnere an bie freie Terteswahl bei Leichen« reden. In einem ganz andern Lichte würden biefe bel bem Volke erfcheinen, wenn fte nad) firdjfid) firirten Terten abgehalten werden fónnten, fo daß Alles in feinen Augen hanpgreiflich Firchliche, biblifd)e, vom Belieben mehr unab« . hängige Beranlaffung hätte Das Wort: das Evangelium bat εὖ mit fid) gebracht, fpielt beim Volke eine gar bedeu- tende Role. Man kann überhaupt mit einigem Rechte fagen, was für bie Firchliche Firirung der Texte und gegen ihre freie Wahl fprid)t, fpreche an feinem Thun aud gegen bie Leichenreden. „Seien Sie behutfam in ber Mahl des Tertes," fagt ein Baftorallehrer, „oft entjcheidet der Tert allein, ben Sie wählen, über bie gute oder üble Aufnahme der ganzen Rede. Lieber werde ein minder paffenber, ein gar nicht pafjender, ein ganz allgemein ges haltener genommen, als einer, der Dorner aud) nur haben fónnte." Derfelbe deutet aud) die Schwierigfeit ber Texteswahl an, indem er auf Eoncordanz, gute Bibel fenntniß und einen bibelfundigen Freund und Nachbar hinweist. Reichenreden werben in der Regel nur auf Wunfd unb gegen Bezahlung abgehalten. Soll nun bie Vers kündigung des Wortes Gottes vom Wollen und Nicht: wollen, vom bloßen Ehren» unb Shanderhalben- Wollen der Laien, fa vom Geld abhängen! Berträgt fid Solches nod) irgendwie mit ber Würde und bem An⸗ Ein Botum gegen Keichenreben. 33 ſehen des Redens im Namen Gottes, Ehrifli, der Kirche! Es wäre bie größte Beleidigung, zu glauben, daß Geift« life folhe Schmach nicht überall tief fühlen! Und wenn man aud) unaufgefordert und ohne lange zu fragen, Jedem ohne Unterfihied eine Girabrebe hält und im Schenken aller Stolgebühren trotz Ablöfung und Undank nod) fo freigebig ift, fommt nicht dennoch leicht wirklich ober vom Bolfe vermuthet ein gewiffer fränfender Unterſchied ami» (den Reih und Arm zum Borfchein? Abgefehen, daß Reden bei jeder Leiche wieder eigenthümliche Mißſtaͤnde mit fid) führt, abfonberlid) in großen Gemeinden, in Flips penreichen oder rein Nichts fagenden Fällen. Sch Könnte aud) hinweifen auf bie gewöhnliche Bes Ihaffenheit unferer Grabreden und deren Literatur, auf die gewöhnliche Vorbereitung auf foldjeó Reden, auf bie Zufälligkeit ber Zuhörerfchaft, ba man oft ausrufen muß; ad quid perditio haec! auf mir befannte Fälle, wo ber Beiftliche bei gleichzeitiger Beerdigung mehrerer SBerfonen Standreden haltend mit feiner kleinen Falten Zuhoͤrerſchaft von Grab zu Grab wanderte, auf bie durch bie 9tatür vieler Bälle unb bie Häufigfeit ſolcher 9tepen 'gleichgültige und falte Zubörerfchaft, bie lieber gleich nad) bem erften Worte Das Amen vernähme, auf das aus Chtiſten, Namen- Hriften, Widerchriſten, Juden, Heiden, SBroteftantth, Katho⸗ lifen, Ungebilveten, Gebilveten, nur honoris causa bei einem kirchlichen Act Erfiheinenden zuſammengewuͤrfelte Grabtebenpublifum, auf hochhonorirte „Mantelleichens teben," welche ber Herr Defan, von der ganzen Stadt» geiftlichfeit als Zeigen umgeben, abhält, während am Grabe ber Armen immer’ nur der arme Vicar zu reden bat. Doch ich fchweige von dergleichen und nod mehr Theol. Quartalſchrifi. 1856. I. Heft, 3 84 Qin. Votum gegen Leichenreden. von Gefundheitsrüdfichten bei kraͤnklichen und älteren Geiſt⸗ lichen, bie bei δόξες Witterung auf offenem Gottesader prebigen zu müflen glauben. Aber zwei ſchon berührte Punkte möchte id) Hier betonen. Einmal, burd) allzuhäufige Grabreden werben Prediger unb Volk fuͤr bie eigentlidjen, &uferft wichtigen Predigten über bie legten Dinge leicht verborben. Omne nimium nocet! Alles auf bem Felde ber SBerebtfamfeit zu oft Wiederholte, Vertroͤdelte, ba ἰῷ nicht fage, Wiedergefäuete, wird alltáglid. Sodann bie rage: Werden, aud) ohne eigentliches Loben, nicht bod) durch bie ganze Haltung und Art ber geidenteben gas unmerflih die Himmelspforten immer weiter geöffnet, fo ziemlich Alle mit ziemlich großer bis großer Hoffnung des ewigen Lebens in'& Grab gefenft? Wird fo nicht ber fltt« lide Grnft des Chriſtenthums almählig ganz im Verbor⸗ genen, aber fier untergraben? Laͤßt id) nicht immer nod) eine, ewiges Leben in einige, wenn aud nur ganz (eife € erreihen? Spielen nift eins wen Neußerlichkeiten, fowie das er fo zweifelhafte Verhalten in allzu große Rolle! Sogar ein Barmherzigkeit Gottes in Bezug n kann, fo fehr es inbitecten Tadel in fih ſchließt, bod) leicht fttlich einfchläfernd wirken. . Nunmehr darf aud) Etwas urgirt werben, was unter andern Umfländen fein Gewicht in bie Wagfchale legen önnte, námlid die große Laſt, melde die Grabreben ohne wahre Nothwendigkeit, ja zu fo vielfacher Gefährliche feit auf die Schultern vieler Geiſtlichen wälzen, eine La, bie um fo flärker gefühlt wird, je mehr das Gewicht δες Gin Votum prae ‚Mekckenreben. 88 bisherigen und aͤhnlicher Gründe gegen ſolches Reden ers faunt worden if. Wer mag fid) getröften, ale Klippen umſchiffen zu koͤnnen! Wie Dart, reben gu müflen, ivenn Schweigen fo viel befftr, ja vielfagender wärel Sie wenn der Geigfie ben Goͤtzen gleich gemacht wird, μι denen man flebt, wenn man fie braudt, bie man aber, find fle nicht ganz gu Willen, prügelt! Wenn zu häufige Leichenreden, in Städten und grófetn Gemeinden häufig drei bis vier in einer Wache, entweder bie weientlichen Berufsarbeiten beeinträchtigen, ober in das Gebiet. ded Mechaniſchen und Handwerksmäßigen besabfinfen! Wenn der Prediger dort, wo bie meiften Leiden vorfommen, eben wegen ber Größe ber: Gemeinbe "das Individuelle am wenigften fennt, mühfam fuden muß unb bod) aus All« gemeinheiten und Wiederholungen fi fehwer herauszu- arbeiten weiß! LZeichenreden bleiben große aft, man mag denfelben das Boncrete des Falles nehmen oder belafs fen, im letztern Falle aud) (don batum, weil ung, namentlich auf dem Lande, in der Regel nur Alltägliches, Unerhebliches, ba6 : „Er lebte, nahm ein Weib und ſtarb,“ begegnet !). Behaupten ja aud) Biele, εὖ {εἰ eine reine 1) Was Hilft es, wenn ein Baftorallehrer fchreibt: „Es fann von jeder Leiche etwas gefagt werben. Es Ift ja bod) ein eben. gewefen lang oder furg, ἐδ iſt doch ein mit eines Andern und Mehrern Reben zufams menbüngenbed Leben gewejen, und wenn nicht, wenn feinem noch Lebens ben in der Welt oder feinem bei der Beftattung dieſer Tobte angehört bat, einen wie reichen Stoff bietet tiefer arme Solitarius bar! Gogar "von bem Gellert'ſchen Mann: „Er lebte, nahm ein Weib und farb!“ wie viel Läßt fid) von bem fagen! Alle Prediger unb bie Unzahl fol» det Faͤlle lommen in Betracht. „Zwei Mal vierundzwanzig Stunden wach bun Tode muf geprebigt . werden, während e6 binnen biefer Zeit bem Gderffinn, bem Herzen und ber Phantafie des Seelforgere nicht gelingen will, irgend einen Sug an bem Verſtorbenen oder irgend eine 3" 88 Ein Botum gegen Leichenreden Unmoͤglichkeit, Allen überall eine Leichenrede zu halten, „die 9Baftoralffugbeit müfle febren, wann und wo eine Leichenrede gehalten werden ἔδῆπε unb bürfe, unb die - Mittel an die, Hand geben, dem gemachten Antrage aus⸗ zuweichen.“ (19). Gewiſſe Vorſchlaͤge aber, z. B. nur außerordentliche, jedoch in das Ermeſſen des einzelnen Geiſtlichen geſtellte Faͤlle, ober in groͤßern Gemeinden nur je bie Ste Leiche mit einer Rede zu begleiten, ſind klare, unhaltbare Halbheiten und beweiſen an ihrem Theile eben bie Uns haltbarfeit ber Leichenrede ſelbſt. Welches find denn bie außerordentlihen Säle? und zwar aud) in den Augen des Volkes? Gans relative Dinge! Bei bem andern Vorſchlag dagegen [oll das Außerordentlihe Nichts gelten und dieß⸗ falls der Zufall berrfhen, ba bod) in ber Cafualrede gerade der Caſus bie Stelle bilden follte, was freilich nad dem Srübern bei Leichenreden in anderer Beziehung die fie vernichtende, legte, geheimfte Klippe bildet. Ziemlich unverfänglih und empfehlungswuͤrdig ift wohl nur der fBorídjlag, daß, wie im Erzbisthum reis burg, für aufetorbentfid)e, indeß von oben möglichft genau beftimmte Bälle reichen, wichtigen und unverfänglichen Inhalts Leichenreden, etwa nad) jedesmaliger Einholung befanatamtlid)er Erblaubniß geftattet bleiben möchten. Die Einholung biefer Gríaubnif würde ben einzelnen Geiſt⸗ Erſcheinung in feinem Leben und feinen Schiefalen aufgufinben, bie ein wirklich praktifches Moment zum Stoffe des Bortrages hergäbe.“ Halder l. c. VE. Die vier lebten Dinge reichen ohnehin für viele Jahre und Leichen nicht leicht aus, „es wäre denn, daß Jemand über Himmel umb Hoͤlle fo υἱεῖ zu fagen wüßte, als bie Scherin von Prevorft barüber traͤumte.“ Ein fotum gegen geldenteben, 97 fifen nod) mehr gegen Willführ, gegen ble eigene Perfoͤn⸗ fihfeit und fremde Zudringlichfeit unb fchiefe Beurtheilung fier ftellen. Nah Allem erhält fehließlich die uralse unb bis heute verhältnigmäßig mit ganz geringer Ausyahme feftgehaltene Gewohnheit der Kirche, feine Gitabrebe zu halten, eine große Bedeutung, und erfcheint biefelbe im Gane reiher Begründung und’ Weisheit, wenn man aud) nicht fagen fann, Grabreben feien geradezu unfitdjfid. Da enblid) überall Abſchaffen bedenklicher und ſchwieriger ift, als nicht auffommen laffen, fo müffen bie Gründe unb Erfahrungen gegen die Grabreben dort als febr gewichtig erfannt worden fein, wo dieſelben von ben Firchlichen Obern frog. [anger Gewohnheit und allerlei Vorliebe ftreng verboten worden find. Ceterum censeo! Pfarrer Dr. Graf In Steinberg. 2. Konrad von Megenburg unb die geiffige Bewegung feiner Zeit, Zu denjenigen Schriftfiellern des fpáteren Mittelalters, welche fif) gleich febr burd) Bielfeitigfeit des von ihnen beherrfchten Gebietes wie durch ihre volfsthümliche Hals tung auszeichneten, gehörte Konrad von Megenburg (Maideburg) 5. Im Jahre 1309 geboren, in Erfurt herangebilvet, fo bag er in Paris, der damaligen Welt univerfität, Borträge halten Fonnte, bann in ähnlicher Eigenfhaft in Wien befchäftigt, endlih Ganonicus in Regensburg und bis 3. 1374 lebend, hatte er eine ber größten Kataftrophen in Deutfchland, ben Verfall des Kaiſer⸗ thums burd) bie ftrittige ftónigemabl (1314), ben Principien⸗ fiteit unter Ludwig dem Baiern, hierauf bie Wiederaufs richtung des Kaiſerthums, fo weit biefe nod) burd) Karl IV. móglid) war, erlebt. Er war Zeitgenoffe Heinrich Seuß’s, Eghart’8 unb Tauler's, wie des berühmten Leopold von Bebenburg gemejen und batte biefer über ben Verfall des Meiches in dem Gedichte geflagt, das ben Sammer eines 1) Das Neußere der Lebensmomente Konrads und feiner Schriften ift in jüngfler Zeit von meinem. verehrten Breunde Hrn. Dir. Diemer in Wien mit dem ihm eigentüfimlidjen Takte hervorgehoben worden. (Kleinere Beiträge zur älteren deutfchen Sprache und Literatur. Siehe aud) Menzel's Lit.-Blatt 1854. p. 94.) Konrad don Megenburg und felme Zeit. 99 Deutſchland fo innig _liebenden - "Herzens auffchließt (1341) 1), fo war dieſes vielleicht hervorgerufen burd) bie Klage des ihm befreundeten Konrad von Megenburg, welche biefer nad) bem Jahre 1327 über ben Zuftand ber beut(d)en Kirche erhoben hatte. Wenigftens ift es viel wahrfcheinliher, daß ber Bifchof Leopold von Bamberg, welchem Konrad fein großes öfonomifches Werf voibmete, der flaatöfluge Leopold von Bebenburg war als der viel unbebeutenbere und außerhalb feiner Didcefe wohl nur durch feine Anhänglichfeit am K. Ludwig bem Baiern befannte Biſchof 2eopolb von Egloffttein 1336 — 1344 ?). Hatte Konrad als öffentlicher Lehrer nad) Weife ber Zeit über bie Sentenzen gefchrieben , fo [deinen fein Spiegel des menſchlichen Glüdes (felicitatis) vielleicht ein Gegen» ftüf zu dem Spiegel menfchlihem Behältnik (humanae salvationis) 3), dad Buch der Natur, bie deutſche Sphäre in bie Blüthezeit feiner Jahre (um 1349) zu fallen, wäh- rend die Regensburg betreffenden Werfe (de limitibus. parochorum, statuta et consuetudines) nebft der Ehronif der Regensburger Biſchoͤfe vielleicht der fpäteren Periode feines Lebens angehören. Bon den Quäftionen, Prebig- ten, Leben ber Heiligen, dem Leben Mariens wird εὖ fhwerer fein zu fagen, bei welcher Gelegenheit .fte ente ftanden find. In ben hiſtoriſchen Werfen tritt nad bem Seugniffe Ekhard's *) eine afteniáfige Kenntniß ber Thats fachen hervor, fo daß ber fpätere Andreas von Regensburg fid) vollfommen Darauf fruͤhte. Die beiden deutſchen Werke 1) Böhmers fontes I. p. 479. C 2) Diener 1, c. 3) Gervinus IL €. 238, - ΟΘΟὋ - 4) Corpus hist. II. ad n. XXI. . ' - 40 Konrad von Megenburg und "feine Seit. wurden Lieblingsſchriften der Nation und gehoͤren nicht bloß zu den frühern, ſondern auch zu den raſch wiederholten Drucken. Das Buch der Natur wurde im 15. Jahrhun⸗ dert (von, 1475—1499) ſechs ober ſtebenmal, bie deutſche Sphära im darauffolgenden Jahrhunderte dreimal aufs gelegt; es mußte fomit in bem Wefen Stonrabé etwas ungewöhnlich Kernhaftes liegen, das bie Nation nod) am» fprad), als bereit der Ideenkreis feiner Zeit fid) geändert, ja jelbft ungemein erweitert hatte. Suerft ift e8 bie ſtrenge und tüdtige Schulbildung, welde uns bei Konrad ent» gegentritt, die ihn aber nicht abhält, was er in fremder Zunge und auf fremdem Boden gelernt wie gelehrt, in deutfher Cprade mitzutheilen. Er ſchloß feinen Lands⸗ leuten Mathematit und Aftronomie, wie Raturgefchichte auf und lehrte fie dieſe Wiffenfchaften in deutſcher Sprache zu behandeln. Wir fehen fomit, daß während er nad) Weile der Zeit an verfahiedenen Orten, in Erfurt unb Paris, in Wien und Regensburg lebte und Verbindungen anfnüpfte, welche bis zu dem Gründer ber Wiener Uni» verfität, Herzog Rudolph von Defterreich reichten, er (id der ausländifchen Literatur bemädhtigte, dieſe felbftftánbig umgugießen und zu behandeln wußte, Wenn er daher in den beut(djen Literaturgeſchichten nod) immer als llebet» feßer des Thomas von Brabant aus dem Klofter Ganti» pratum (+ 1270, SBevfaffer des Werfes bonum universale de apibus) gilt, fo beweist biefe Angabe hoͤchſtens, daß man fid bie Mühe nicht genommen Dat, die Handichriften oder den Drud näher anzufehen, man würde fid) febr bald überzeugt haben, daß Konrad feinen Stoff dem Leben unb eigener Erfahrung rhinbeftend ‚ebenfo entnahm als fremder Auffoffung. Was aber von feinem Verhältniffe zu Thor Konrad von Megeriburg unb feine "Belt. 4 mas von Brabant gilt, gilt aud) von ber sphaera mundi, bie Konrad vor bem Bude ber Natur [d)rieb und wo er ib auf Sobann Holywood (sacro bosco + 1244 oder 1256 zu Paris) ftübte. G8 war biejeó biefelbe Weiſe, in welcher man damals Geſchichte fd)rieb. Man ſchloß fih an — ein bereit befanntes oder bod) wenigftenó vorhandenes Merk an und fügte hinzu, was man eben zu fagen hatte; allmählig fühlte man bie mijfenfdaftlide Stótbigung, ben Berband ber einzelnen Theile nicht Iofe unb willführlich zu belafien, fondern fte in ein Ganzes umzufchmelzen, ibm eine anjprechende Form zu geben. Konrad ift in biefet Beziehung auf bem Wege ber Naturwiflenfchaft vorans gegangen. In bem einen Werfe find e$ bie arabifchen Mathematiker, auf die er ft) füßte, in bem andern bie Duellen abenbländifcher Erfenntnig. Durch Aufnahme und Ueberarbeitung beider erreichte er dann fo viel, daß er zu denjenigen hervorragenden Männern Deutfhlands gerehnet werden muß, welde die fel6ftftánbige Entwidlung der Profan— wiffenfdaften vorbereitetenund ibre Eman— cipation aus der bisher alles umfhlingen- den, alles bewältigenden Theologie anbahn— ten. Freilich ‚gelingt diefes nicht auf allen Gebieten mit gleihem Erfolge und es muß bem Philologen lächerlich, vielleicht ſelbſt unwuͤrdig eríd)einen, wenn 3. Ὁ. Konrad’ in dem Buche der Natur, wo er von den Steinen fpricht, aud) der Gemmen erwähnt, unb nun auseinander debt, daß die Alten mit den eingefchnittenen Figuren eines Fech⸗ ters, Kriegers ıc. ble Natur und Kraft des Steines haben bezeichnen wollen. (ὅδ᾽ erinnert biefe8 nod) an bie Grflds rungsweiſe altroͤmiſcher Antiquitäten, wie wir fie in den míra- 42 Konrad von Megenburg unb feine Zelt. bilibus urbis Romae finden, bie aber, fo unwiflenfchaftlich fie für uns flingen, bod) fo viel beurfunben, daß bie Feind⸗ fhaft, mit welcher anfänglich das Chriſtenthum gegen bie Reſte des Heidenthums als bie Trophäen falfcher Götter aufgetreten war, vorüber, unb eine romanti[de und mährchenhafte Auffaffung an ihre Stelle getreten war, die die Refte antifer feunft, zwar mit einem gewiffen geheimen Grauen anblidte, als der Venus und ihrem Reiche vet» fallen, abet eben beffalb ber Zerfiörung ein Ziel fehte, und wenn fte fie auch weder zu begreifen noch wiſſenſchaft⸗ fif) zu erflären vermochte, bod) fie einer Zeit uͤberantwor⸗ tete, welche fte zu würdigen wußte. Es ift bief eine Hebergangsperiode, welche durchgemacht werden mußte, um zu einer Wiſſenſchaft zu gelangen. Eine nicht unwichtige Frage betrifft ferner ben perfönlichen Antheit, welden Kon⸗ tab an bem Streite nahm, welcher in ber Zeit Ludwig bes Baiern entbrannte und Deutfchland in zwei feindliche Lager fpaltete. Laͤßt fehon bie Berufung des Buches ber Natur auf Herzog Rudolph von Defterreih und fein Aufs enthalt in Wien feinen Anfchluß an bie öfterreichifche Partei vermutben, fo tritt diefe Vermuthung burd) das, was Labbe, welcher ftonrab'$ planctus ecclesiae in Ger- mänja nod) vor Augen hatte, zur Evidenz, Die Schrift, melde in Inteinifihen Herametern benfelben Gegenftand behandelt, welchen Alvarius Pelagius von Bologna uns in Proſa vorführte, wendet fid zuerſt an ben Papſt Bine, bift, XI, welcher Arnald von Verdala ἢ) an Ludwig den Balern abgejandt hatte, um perfónlid) mit bem deutſchen Könige fich zu benehmen und deſſen Schwanfen zwiſchen 4) Baynaldi annales 1338. n. 16. Labbe nennt ihn Virdelio. Konrad von Megenburg ums {εἶς Seht. 43 Unterwerfung und Trob durch freundliches Zureden ein Ende zu maden. Sie fhildert fobann den gräuelsollen Zuftand ber Dinge in Deutfhland, wie er burd ben Kits chenſtreit ὦ bildete, „als alle gute Drbnung zerflört unb auch in den Drben, welcher bie Partei Ludwigs ergriffen batte, die Flamme der Trübfale audgegoflen wurde, alſo daß der Drden der mynder pruder in regulinifcher Obfer- van, von Tag zu Tag abnahm, und er gleich ein ungeftalt Meerwunder der Geiftlickeit angefehen wurbe !).^ Gerabe biefer Verfall eines Ordens, welder fo außerordentliche Erwartungen berechtigt hatte und durch welchen in ber That ſchon fo viel Sebeutenbed geleiftet worden war, fdeint die Hauptflage der Schrift gewefen zu fein, welche uns bisher nur durch den fümmerlichen Auszug befannt ift, den Labbe ?) veröffentlicht hat und aus welchem wir außerdem nur nod) erfahren, baf der eine Theil ber Schrift dem päpftliden Legaten Arnold von 9Berbafa, der andere dem päpftlichen Zegaten Johann de piscibus (Giovanni de’ pesci) gewidmet war. Bas Gedicht, welches nad) blefem unmóglid) in das Jahr 1337 fallen Tann, bewegt fid) in den bem Mittelalter eigenthümlichen gereimten Heramer tern, die man bie feonininifdjen nennt, unb deren müh— felige Zufammenftellung der Entwidlung des Inhaltes nicht wenig Gewalt anthun mußte. Können wir fomit in Betreff diefed Werkes faum mehr fagen, ald daß Konrad die. Anzahl dev Anhänger König Ludwigs nicht vermehrte, fo dient bod) aud) btefe& zur Begründung bey Vermuthung, H undfchriftl. Ehronik bon M. Giove id Rarnberg im I. Archo zu Bamberg. 2) Nork: biblioilece. Mss. Suppl. V. m 230. 44 Konrad vom Megenburg und feine Det, Koncad von Meginburg, Magd⸗ ober Maidburg fel ſelbſt ein Deflerreiher gewefen. In ber That finden wir aud) eine Familie von Maidburg oder Magdeburg, welche diefen Namen von Berthold von Rabenswald annahm, der fid) als Erben ber Burggrafihaft Magdeburg anfah und in zweiter Ehe mit ber Wittwe des legten Grafen von Hardek⸗Pleyen vermählt, fid Hardek Maidburg nannte. Einen Grafen. Hanfen von Maybburf, mild vnb tugenthaft, von alter edel und von gepurt, erwähnte Peter Sudenwirt in der Rede von Herzog Albrehts Ritter fdjaft). Diefer war Zeitgenoffe Konrads, er(deint urkund⸗ fid) 1367—1407, fo daß alfo Konrads bedeutende Außere Stellung fid) burd) biefe Annahme feine Abſtammung ers flären ließ, wobei es Jedem frei flet, fid) Konrad als direct aus blefem Geſchlechte abflammenb, vorzuftellen, oder wie Hugo von Trimberg nur den Namen eines edeln Hauſes tragend, ohne demfelben direct angugebóren, obs wohl feine Würde als Ganonifuó in Regensburg für das exftere fprechen möchte. Was nun feine fonftige Art unb Weiſe betrifft, fo tritt uns in ber Fleinen Abhandlung gegen die SBegbarben und Beginen ?) die Eigenthümliche feit des Verfaſſers [don flärfer entgegen. Wir gewahren zuerſt aus feinen Worten, daß während Papſt und Kaifer, Predigermönche und Fratricellen mit einander im beftigften Streite [qgen, der eraffe Unglaube ungeheuere Fortfchritte gemacht hatte, und weit entfernt, daß dadurch ble meníds 1) Primiſſer's Peter Suchenwirt. n. IV. 23. Mol. auch Anmer⸗ fungen S. 197 κς. Gin Herr von Magbburg wirb auch im chronicon Ms. veteris collegiati Pragensis (scripl. rerum husiticarum Qt. I.) erwähnt. ᾿ . : 2) Apud Gretser, opp. XII. p. 2. p. 98, 1788. fol. « Konrad von Megenbürg und feine Belt. 45 fien Auswuͤchſe befeitigt wurden, welche fi im äußern Leben der Kirche gezeigt hatten, ein neuer Kampf von ben untern Schichten (rusticani et plerique mechanici) fid erhob, bie fid) im offenen Hohne gegen bie ganze facras mentale Geftaltung ber Kirche etgingen. Man ſieht, was in Deutſchland zu erwarten war, wenn bie Zünfte ohne die gewaltige Oppofttion der Gefchlechter zur raſchen Herr- haft gelangt wären; man begreift, daß zulest, nachdem alle Mittel gütliher Ausgleihung mit Ludwig bem Baiern fruchtlos geweſen waren, 3B. Elemens VI: fid) entfhließen mußte, um jeden Preis den Streit zu Ende zu führen, in deſſen Gefolge die Vernichtung aller höheren Ordnung der Dinge lauerte. Die Demofratie auf dem Fünftlihen Ges biete bedrohte freilich in erfter Reihe das Papftthum; in zweiter flürzte, fie aber Königthum und Adel befto ficherer um, je mehr biefe im Mittelalter auf ber Firchlis (jen Ordnung fuften. Wenn fid) aber Konrad gezwungen fühlte, das Unweſen ber Begarden aufzudeden, mit wels chem er ftd) in Regensburg burd) bie beichtlichen Ausfagen bet Frauen oder Mädchen befannt machen Fonnte, auf deren Verführung burd) Hervorrufung eines neuen Ger Ihlechtes fo ſtark ober ftärfer ald ber dort erwähnte Johannes B. εὖ bie reifenden Prediger abgefehen hatten . und deren Auftreten er perfönlich zu beobachten Belegen heit hatte, (o war er deßhalb nichts weniger al8 gewillt, bem Unwefen feiner Standesgenofien das Wort zu reden. Die vielfah erwähnte Stelle, welde aud Hofmann in bev Gefdidte des deutfchen Kirchenliedes aus bem Kapitel über den Kapaun jüngft. wieder von Konrad ans führt: unsere prelaten und pfaffen sind unperhaft in geist- . lichen werchen,. wan sie machent nit geistlichen chint 46 Konrad oon Megenburg unb fee Zeit. (wolt got daz sie der leiplichen auch nicht machten) beweist allein binlänglih, bag ex für bie Fehler auf ber eigenen Seite nicht blind war, nur wäre in Betreff ber angeführten Stelle erft nod) zu unterfuchen, ob der bajelbft angeführte Meifter Iordan Predigerordens nicht jener Nachfolger des HI. Dominieus war, bet durch feine Sus genden das an großen Eharaktern fo reiche 13. Jahr hundert fchmüden half. — Merfwürbig bleibt nod, daß aud) in bem Furzen Tractate über bie Begharden fid) zeig, wie bie itrige Auffafjung vom Weſen der menſchlichen Seele und ihrem Berhältniffe zur Gottheit befonders bei Sohbann von Mecdeln, welder fih für den Prieſter ber SDegbarben ausgab, zu den größten Irrthuͤmern führte, überhaupt bei biefen ber Grund ihrer SSerfebrtbeiten wohl am meiften in ber Unwiſſenheit der einfachften chriftlichen Verhältniffe lag. Um fo mehr Aufforderung für Konrad, feine Mufe fo zu benügen, daß Wiſſenſchaft befonberé jenen Kreiſen zugewendet. würbe, welche fie nod) nicht in binreihendem Maaße befaßen und ihrer vor Allem bes durften. Es ift dieß offenbar ber Entftehungsgrund des Buches von der Natur (1349). Diefes gehörte, wie bereitö hervorgehoben, burd) ben reichen Stoff,- melden Konrad feinem Buche einverleibte, die naive Behandlungsweile, ba ftonrab, was er aus bem Bereiche ber Natur aufnahm, immer in Beziehung zu den böhern Dingen zu fegen wußte, fowie durch mannigfache Seltfamkeiten, bie den Reiz der Schrift febr erhöhten, gu den anziehendften Schriften felbft einer geiftig entwidelten Zeit P. Ich fenne zwar nur amet Auflagen, die eine bon 1) Obwohl er nod) Trithemius eine Oeconomica, Mottastica ad Sonteb von Megenburg unb feine Bü. ar 4475 unb eine fpätere, deren Drudjaht wegen VBerflüms melung der legten Blätter nit mehr zu erfennen if. Beide zerfallen in 12 Kapitel und beginnen in gleicher MWeife: ,Golt beschuff den Menschen an dem sechsten Tag nach andern Creaturen, und hat ihn beschaffen also, das seines wesens sluck und seines leibes gelider seyen ge- saczt nach dem sacz der ganzen welt.* Die vor mir lies gende Handſchrift des böhmiſchen Mufeums theilt jebod) ihren Snhalt ein: „von der sel, vom menschen, vom himel und planeten, von den vier elementen, von den tieren, von dem geflügel, von den merwundern, von den vischen, von den slangen, von den tiern anderlay, von pawmen, von wolsmekenden pawmen, von den chrewtern, von edlem gesiain, von dem gesmeyd, von wunderlichen prunnen, von wunderlichen menschen.^ Kurz, welder ben Vers (affer des Buches von ber Natur mit Recht mit bem Con- radus de monie puellarum identificirt und deßhalb von ihm anführt, er fei 1309 geboren, («Domberr zu Regensburg gemorden und bió in bie achtziger Sabre des 14. Jahr⸗ bunderts als Schriftiteller tbátig"gemejen, kennt nur bie gewoͤhnliche Eintheilung in 12 Kapitel und ebenfo aud Schmeller nad ber in Aufſeß und Mones Anzeiger durch. Mafmann gemachten Mittheilung beffelben uͤber Konrad. Bon bem wichtigen Abfchnitte über die Seele fiheint amd) diefem Gelehrten nichts befannt geweſen zu fein. Kurz theift unter den Proben mur das feine Stapitel von den langen mit. Ich hätte gewiünjdt, ec wüthe eines über bie Planeten mitgetheilt haben, wo ſich Konrads Eigen⸗ ducem Austriae, quaestiones varias, tine Moral, eine Politik und viele Andere (alia multa) ſchrieb, fo Bat von dieſen legten doch nut das fud) der Natur fij auf unfere Sage erhalten. 48 Konrad von Megenburg unb feine Seit. thuͤmlichkeit fchöner zeigte. Niemals unterläßt biefer, zwei Dinge; einmal, aus den Schriften der Alten zu fanmeln, was nur immer gefammelt werden fann und mit ben Gr» fabrungen ber Alten bie der Neuen zu verbinden, wie er z. B. bei bem „Regen“ erwähnt, daß die kelheymer ein hulczin kappel uber ein roten Wasserfluss an der Tunow (oberhalb Regensburg) erbauten; daß man aus Meteore flein ein Schwert zu fchmieden verfuchte: da wollt das eisen von fewr nie gewaichen etc. Da& andere ift bie flete Beziehung auf chriſtliche Verhältniffe, wie der Ver⸗ gleich des Feuers mit ben Wirfungen des hl. Geifteó, des Mondes, ber ibm ber fiebente Planet ift, mit den Gnaben der Mutter Gottes und Achnliches, was feinem Buche den Eharafter eines Volksbuches verleihen mußte und feine Popularität begreifbar madjt. Wo er mit den Planeten fertig geworden, fügt ex nod) hinzu: Das sein die sieben Planeten als sy nach einander hye geseczt sind, recht als siben himel ob einander sten und ist ein planet als vil gesprochen in kriechischer sprach als ein irgeender stern, .oder als ein selb walzender stern, daromb das dye siben stern von im selber walzent in iren eygen himeln und nit geseczt ‘sind an den gestirnien himel. Nun wil ich nit mer hievon sagen, wann wer davon wöll wissen, der erzeug im das, les des deutsch 1) puch, das ich ge- macht hab, von. der gestali der welt und haizzt dew düulsch spera nnd hebt sich an fleuzt in mich aller gna- den runst ἀφ΄ wirdt man vil hubscher ding inne. Der gebrudte Text, welcher übrigens ben Text der. Handfchrift nicht ganz treu wiedergibt, erzählt im Anfange, daß „an 1) Fehlt fin Drude. Konrad von Megenburg unb feine Zeit. 49 diesem puch ein hochgelarter man bey funffzehen jaren colligirt und gearbeyt und hat für sich genommen die hernach benannten götllich und natürlich lerer, Poeten und ander bewert doclores der arczney, als Auguslinum, Ambrosium, Aristotelem, Basilium, Ysodorum, Plinium, Galenum, Avicennam und vil ander maister und lerer. Aus den und andern hat er diez nachgeschriebene puch allenthalben zusammengelesen und ausgezogen, welches puch mayster Cunrat von Megenburg vom latein in teulsch transferiret und geschrieben hat. Und ist gar eyn nülz- liche kurzweiligi materi, darinne eyn yeklicher mensch vil selczamer sachen unterrichtet mag werden. Zu dem ersten von der natur des menschen. dier wird Thomas Cantimpratensis, welchen aud) Karl Eiten in ben ſynchroni⸗ Rifchen Tabellen zur vergleichenden Ueberficht der Gefchichte ber beutfhen Nationalliteratur, af denjenigen anführt, beffen Werf Konrad aus dem Latein in'8 Deutfche über- trug, wenigftens namentlich, gar nicht erwähnt." Diefes Proemium fehlt übrigens in ber Prager Handſchrift ganz und eine mehr aí8 nur flüchtige Durchſicht ber letztern beweist wiederholt, daß von einer Ueberſetzung gar feine Rede ift, fondern höchftens von einer freien Behandlung eines ſchon früher von einem andern unb in anderer Zunge behan« beiten Stoffes. Hingegen enthält unfer im Jahre 1397 duch einen gewiffen Leonhard auf 142 Blättern fol. in Doppelcolumnen gefchriebener Codex folgende Einleitung: Als des puchs regel stet zuerst von der drivaltichait also wil ich churczlich sagen von der heiligen drivaltichait nach dem gelauben Anastasii (ftatt Athanasii) den so het di gancz christenhait in lob dem hymelischen got dar in Theol. Duartalfärift. 1856. 1. Heft. 4 50 Konrad von Megenburg unb feine Zeit. lob dem hochgelobten fursten Rudolf dem virten herzog in Oesterreich von wart cze wart!). Folgt nun das symbolum Athanssianum: wer da wil hail sein, wie es hinlänglich befannt ift. Dann heißt εὖ: „Sind von den engeln di natur anders wan der ge- lauben redet. und wir Christen sein, so schullen wir helen den gelauben und der hl. geschrift di da spricht das engel sein an czall und der chor neun als si hernach geschrieben stent, der Seraphine Cherubine Throni domi- nationes principalus potestales virtutes archangeli angeli. Aber maister Aristoteles in dem czwelften puch mela- phisica seczt nur acht engel nach den acht speren des hymels und den neunten haizzt er got wann der schelt wir den aechten als ein scheppher von der schepphung und wegt den hymel sam ain und wann durch in und gen im geschicht alle wegung. Aber die andern engel wegen di speren in der tat und sind gepunden nach den naturn also cze wegen und anders nicht wan da die engel erchanten ain edler Ding wenn sie warn, da waz irer wegen aller gegen demselben ding daz got ist und wie die sach der hymelischen ding sey, das schol beredem der gelaub und sein menschlich sin es nicht begreiffen chan.^ — Derjenige Gefhihtfchreiber der deutſchen Lites ratur, meldjem wir bie ausgebehntefte Kenntniß berfelben, wenn aud) nidt das größte innere Verftändniß gerne pus evfennen ?), fommt auf Konrad von Megenburg, bem Seitgenoffen Herzogs Rutolph’s IV. 1356 — 1365, tem aud) Heinrih von Müglin feine Chronif witmete, nur im 1) Regelmäßig flatt wort. 2) Getvinue, Gefchichte ter deutfchen Dichtung II. ©. 241. Konrad von Megenburg unb feine Seit. 51 Borübergehen und ba zu fprechen, wo er von bet fchlaffen Froͤmmigkeit, bie mit bem Mariendienſte verbunden geweſen [εἰ und von bem finftern Aberglauben fpridht, ber damit jufammengebangen habe. Mir will εὖ vünfen, daß es fid) bei der großen Popularität, bie Konrad nod) im 15. Jahr⸗ hunderte genoß, wohl geziemt hätte, feiner in anderer Art u gebenfen, als mit den Worten der PBarteimänner des Reformationgzeitaliers, bie jedes Verdienft herabwürdigten, fobald bie Fatholifhe Kirche davon irgend eine Börderung erlangt hatte. Konrad's den Reformatoren anftößige Vers gleihung der Mutter Gottes mit bem Monde, welche dazu Anlaß gegeben haben (off, ben Unterſchied der neuen Gótter des 15. Jahrhunderts mit dem alten Gotte ber b. Schrift in eigenen Werfchen aufgubeden, will bod) niht mehr fagen, al& wenn, wie vorher bemerft, bie Eigenfchaft des Feuers verglichen wird mit ber des DI. Beiftes. Man darf aud) nur bie Stellen felbft Iefen, fo wird fif gleich ergeben, daß von neuen Göttern da feine Rede fein fann, wo zwar die Mutter des Heilandes felbft mit der Sonne verglihen wird, aber aud) nur wegen der ihr ertheilten Ehren, und nicht fie ift Mittlerin jwifchen Gott und den Menfchen, fonbern es heißt nur, „unfere rau ift unter allen Heiligen uns aller genädigeft unb ift cine Mittlerin unb Fürfprecherin zwiſchen Gott und ben Sündern.” Hat diefes tod) ſchon Bruder Berthold gethan, während biefer felbft bie Mondflecken von ben Thräs nen der gemeinen frouve (Maria Magtalena) herleitet. Wer ohne Sünde ift, braucht fie nit; das Werf ter Erlöfung bat fie auch nicht vollbracht. Ausprüdlich meint aber Konrad, „wenn das heilig goczwort in die andächtigen herczen der menschen vellt, bringt es darinne plumen 4* 52 Konrad von Megenburg und feine Zelt. und pracht der ewigen seligkeit.* Somit zeigt fid) aud) bier, wie e8 etwas anderes ift, Dinge aus ihrem natürs [iden Zufammenhange reißen und fte in biefem aufzufafien und wiederzugeben. Steht fo Konrad dem Schüler und Beiftesverwandten der beut(den Myftifer, Dr. M. Luther, näher als Gervinus gewahrte, fo liegt ba& Moment, burd) welded Konrad von Bedeutung für bie auffeimenbe, freie Wiſſenſchaft ward, felbft nicht bloß in bem fruchtbaren Cage ber Ausfcheidung der himmliſchen Dinge für ben Giauben — folglih der irbifdjen für bie Wiſſenſchaft, fondern daß er mit zu jenen Männern gehörte, bie ben Weg ausftedten, auf welchem man in Deutfchland aus ber nebelhaft gewordenen Poefte überhaupt zur Wiſſenſchaft gelangte. Wenige Jahrzehende vorher fehien ἐδ noch, ale wenn Deutichland εὖ weber zu einer wahren Moefle, nod) zur Wiſſenſchaft, nod) überhaupt zu irgend etwas Befferem mehr bringen würde. So tief batte der Streit, welden Sriebrid) Il. erregt, in das Mark ver Nation gefreffen, fo gewaltig batte er alle eibenfdjaften entzündet, daß nad) ben uͤbereinſtimmenden Zeugniffen aller deutfchen Dichter der erften Hälfte des 13. Jahrhunderts des Reiches Siech⸗ thum eingetreten war. Reinmar von Zwetel, der am» fánglid) nod) burd) den Kaifer Heilung erwartete, ſprach diefed geradezu aug. Srauenlob hatte gefehen, wie diu swert diu werdent wider einander gen, unb [0 mande andere Worherverfündigung jener Tage wahr geworben war unb der Herrenfrieg bie Lande verdarb. Er erfannte nun, wie wahr Bruder Berthold von dem Verderbniß ber Zeit redend gefprochen, nicht aber, daß bie Dinge beffet geworden waren. Allein in einem Punkte war dennod) eine Aenderung eingetreten. Während in Italien bie Par⸗ Konrad von Megenburg und feine Zeit. 53 teien der Gelfen und Gibellinen fid) bis auf ben Tod ver» folgten, als bie alten @ibellinen zu runde gegangen, aus dem Schooße der fliegenden Guelfen neue empor: geftiegen waren und alle Berebtfamfeit eines Johann von Birenza und ähnlicher Friedensftifter faum momentane Erfolge hervorbrachten, hatte in Deutichland das Auftreten zweier hochberühmten Ordensleute, des Schwaben David und des Baiern Berthold bie Gemütber, aí8 fle auf bem Punkte ftanben, fid) ganz in bie Außenwelt zu verlieren, nad) Innen gewendet und benjelben Fernen gewiefen, deren Erflimmung lohnender war als aller politifche Kampf. Konnten biefe beiden Retter Deutſchlands aud) bie Fürften nicht von ihren Kämpfen, die bem Untergange zumanfenden Großen nidt vom Verderben zurüdhalten, fo wirfte Doch ihr tief eindringendes Wort auf bie Maflen wie ein fü» fenber, finbernber Balfam. Der Einzelne begann fid) im großen PBrinzipienfampfe allmählig wieder zurecht zu finden und nicht beffen blutige Kortfpinnung als bie einzige τοῦτ bige Lebensaufgabe zu eradjten. Das Recht, unabhängig von bem Treiben der Großen und ihrer Berufung an die Gewalt, bie einen Dttofar, Adolph, Albrecht, drei Könige raſch verſchlang "), fing an wieder etwas zu gelten und die Abfaffung des Schwaben» und Sachſenſpiegels (des Lands, Kaiſer⸗ unb PBrovincialrechts), welche in biefe Zeit fallen, ftebt in einem fefbft nachweisharen JZufammenhange u diefee Beruhigung der Gemütber, zu der Anerkennung der Rechtögrundfäße, zu der Bejeitigung der gemwaltfamen Verſuche, bie Prinzipienfragen zu durchhauen, zu ber Aus⸗ 1) Das wunderbare Gemälde im Campo santo. zu Pifa mit ben drei mobernben Königsleichen drei jagenden Fürſten gegenüber hatte auch für Deutfchland tiefen Sinn. 54 Konrad von Megenburg und feine Zeit. einanberfegung der Rechte, womit Rudolph von Gabe; burgs Regierung voran leuchtet. Das Studium der Geſchichte ward lebfafter und nahm eine pragmatifche Haltung ein, während nod) bie poetifhe orm mit ber profaifhen um die Herrfchaft firitt, Es war einer der größten Siege der chriftlihen Beredtſamkeit, bie das milde unb bod) fo Fraftvolle Auftreten zweier erleuchteten Männer erlangen konnte „es war aber damit ayd eine Richtung burd) Zuruͤckführung des Geifte& auf fid) felbft entftanden, bie zwar eine außerordentliche Tiefe des Gemüthes bei Einzelnen offenbaren, jedoh aud) auf Bódft gefährliche Abwege führen fonnte. Die fogenannte myftifche Richtung fhien feitvem überwiegend zu werden und baburd) eine Vermengung von Gebieten einzutreten, welche [darf ge» fhieden und abgegrángt werden müflen, fol nid)t Gontem» plation und Glauben alleinige Quelle ber Grfenntnif, bie freie, offene, flare Entſcheidung des menfdjliden Willens und menídliden Berftandes der Ascefe und zuletzt ber Verzüdung aufgeopfert werden. Es war bei bem beute den Volke ein Zuftand eingetreten, in welchen wohl jeber tteffinnige Menſch einmal geräth unb der durchgemacht und überwunden werden muß, foll feine Thätigfeit batmoni(d) geordnet, Far bewußt, nicht aber einfeitig ober durch finfte res Hinbrüten erftidt werden. Es fam die Zeit Meifter Ekhard's, Suſo's, Tauler's und ihrer Zeitgenoffen raſch auf die Bruder David's, Berthold's und des zu ihnen gehoͤrigen Kreiſes. Ich nehme da keinen Anſtand, die erſtere Richtung geradezu als eine wiſſenſchaftlich gefähr⸗ liche zu bezeichnen. Die gaͤnzlich innerliche Richtung, welche Heinrich Seuß von Conſtanz nahm, machte freilich keinen Anſpruch darauf, allgemeine Regel zu werden; der Konrad von Megenburg unb feine Zeit. 55 Gottesmann, welcher fih ganz auf fid) ſelbſt zurüdzog, iſolirte fih in Mitten der bewegteften Welt und glich hierin den Anachoreten des vierten Jahrhunderts, bie, je: ſchaͤrfer fid) bie driftlie Welt parteite, defto theilnahme- [ofer an den Vorgängen ber Außenwelt wurden, welche nun unter ben Nerten und Hämmern der Barbaren einftürzen konnte. Sie gaben fie fhon im Voraus für verloren unb ſuchten fid) befto ftärfer an das Brett anzuflammern, dag im allgemeinen Cdifbrude, wenn nicht zeitliche, bod) ewige Rettung bot. Nur wider feinen Willen wurde das Leben Heinrih Suſo's aufgezeichnet und, was er felbft ‚niederfchrieb, fo innig und tief gefühlt als es ift, war nur für verwandte Naturen beftimmt, bie gleich ihm, eins fam ben fteilen Weg des Kreuzes zu wandeln baden. Es war gleihfam ein neuer Orden ber Ritter göttlicher Minne, der göttlihen Weisheit, der fid) den Rittern und Knappen der irdifhen Minne entgegenftellte, und wo ben Ritterſchlag nur derjenige empfing, ber fid) von der Welt ganz. weggewandt, mit dem minnenden Herzen, mit voller Begeifterung, mit trunfener Liebe, feiner felbft vergeflend, göttlicher Weihe voll, bie ewige Weisheit umfing. Anders. aber ward bie Sache, al8 was fid) bisher auf bem Gebiete. ber Gontemplation und der Förderung des eigenen geifti gen Lebens bewegte, unter den Händen des aud) in 9855» men thätigen Meifters Ekhard's zum wiffenfchaftlichen Syfteme ausbildete und die Schulen zu beherrfchen ges tadjte. Da ward aus bem Aufgehen des gotterfüllten Gemüthes in Gott ein Aufgehen Gottes in der Welt, beren Schöpfung erft Gott zum Selbftbewußtfein brachte ; die Dreieinigfeit (anf zu fosmogonifchen Poten,en herab. An bie Stelle der freien Schöpfung trat ber ewige Aus- 56 Konrad von Megenburg und feine” Zeit, fluß aller Dinge felbft des Gottesfohnes aus dem Vater und an die Stelle der menfhlichen Zreiheit der nothwen- dige Rüdfluß in benfelben; biefer erft macht den Menfchen zu Etwas. Ertödtung des eigentlih Menfchlichen führt daher zum Göttlihen, fo bag bann Göttlihes unb Menfche liches zufammenfällt. Gà war ein tieffinniges Wehen des Pantheismus, der mit füßer lleberrebungégabe fid) in bie Herzen ftahl, bie zuerft erobert, bann bie Logik gefangen gaben. — So (der e8 ijt, fi burd) einen verftümmelten Stactat hindurchzuwinden, welchen Docen unter der Auf- fhrift von der wirklichen und möglichen Vernunft als ein Denkmal des pbilofopbiíden Strebens im 14. Jahrhun⸗ dert in ben Miscellaneen zur Gefchichte ber deutfchen ite» ratur befannt gemacht θα 1) — Gervinus bezeichnet ibn als Fragment einer polemifchen Predigt 3) (in Wahrheit dürfte e$ eine wiflenfchaftliche Vorlefung aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts fein), fo erfennt man ben» nod) fo viel, daß er zunädhft gegen den Hauptfag M. Gf, hard's gerichtet war: „der Menſch müfle fid rein pa(fiv verhalten ," Gott, beffen Wefen fein Wirken ift, fei rein actio; ber menſchliche Geift müfje ὦ daher ganz „ledig“ machen, um mit Gott vereinigt zu werben: wa no ist ein ledich Geist, der beraubet ist aller Werke (ber ganz paffiv if) der mach liden das vernunfüge Werk Gotz.* Der fRerfaffer des Tractats gebt daher vor Allem auf das Weſen der menſchlichen Seele ein, und wenn M. Efharb den Sa aufgeftellt hatte, daß bie sel in dem. teil sei ein Funkchen göttlicher Natur, fo warb ihm gegenüber ber 1) I. €. 138. 2) I. €. 120 not. Konrad von Megenburg und feine Seit. 57 Son auf bie Vernunft — das vernunftige Werde — ger legt, weldhes — allen Engeln und allen Seelen und allen Greaturen einwohne. — Gffarb, wie Tauler, fagten, Gott wirket in Wefen !), des Menfchen Geift aeiftigt, b. B. wirkt in der Ginigung mit Gott, nad) wefentlicher Weiſe. Wud) ift des Menſchen Geift ein Geift mit Gott, fo er alles das geiftigt, das Gott geiftigt, b. b. wenn er alle Dinge wirket von [auterer Liebe. — Dem feibenben Ber- falten der men[djliden Seele in ihrer beftimmungsvollen Bereinigung mit Gott (egt der uns unbefannte Philofoph bie wirkende Vernunft im Gegenfage zu der bloß moͤg⸗ lihen entgegen, welde bie Muftifer julaffen: „Ich sage das etwaz sei in der sel daz so edel sei daz sein Wesen sein vernunflich wurkchen sei?). Ja, er geht bis zu der Behauptung: und wer nicht Zuwal (freie Beftimmung) so en wer auch kein Genade, daromb ist Nature edeler den Genade, wan Genade ist gemein der Zuwallekeit meiner Crefte — — und darombe vermach das got nicht, das er mich seilich mahete und wer (enwer) ich es nicht von Natur. Diefes ijt aber nur möglich, indem er eine doppelte Vernunft unterfiheidet, zuerft eine wirfende Vers — nunft, bie ber Menſch mit den Engeln theilet und „vie felig ift von Natur, weil fie vernünftiglid aus Gott flieget und wieder zu ihm fließet vernünftiglich,” fobann eine. mögliche Vernunft: „die gemein ist dem Geist, in der Weise als er Zeit berurt in dem Leichname.* Diefe vermag zwar zu werben, was fie nicht if. Sie mag Ücherformungen von der wirklichen Vernunft empfangen. — 1) Ame, Leben Chriſti I. 96. 2) L. c. S. 144. 58 Konrad von Megenburg unb {εἰπε Slt. Könnte fie fid) einfeitig ohne Vermittlung zu ber wirken⸗ ben Vernunft febren, fo wäre ber Menſch ſchon bier fo felig als in dem ewigen Leben: „Wan daz ist Seilickeit des menschen daz er bekennet sein aigen Sein in der Weise der wirkenden Vernunft.* Diejenigen, welche bei bem Bekenntniſſe ihrer eigenen Vernunft bleiben, burd) Sünde fid ter Wirfung ber höhern Vernunft berauben, verfallen baburd) ber Hölle. Diefe ift nicht Feuer: daz ist nicht war, man muz es sagen groben Leuten die nicht baz verstehn. Soll (ich) aber sprechen, waz Hölle sei, so sprich ich alsos das ein jeclich totlich sunde ein ewi- ges Mille (si), das beravbet der Gesicht Gottes. Währ end das Wefen ber. wirfenden Vernunft darin beftebt, Gott zu Schauen ohne Mittel (darum ist sie von Natur ^ Seilich), befteht bie höchfte und wahre Höllenpein in der Entfernung von berfelben. Die Beftimmung des Mens fhen aber befteht darin, daß er aljo lebe: das er genuch werde der Gracie Goiz nach aller der Wise und nach aller Vollkommenheit. — Wann ich nu vbermilz der Ge- naden Gotz bin komen darzu das ich ledich stan von allen pilden (ideen): so vberhebt Got di mugliche Vernunft und vberformet sie von der werkenden Vernunft und also geleit si uf aller Vermugentheit und wirt beruhrt ires Leidens und ires Wirkens. Als die oberste Vernunft daz von Naturen hat, daz si seilich ist, als han ich dieser von Genaden. — In diefer Weife fudit ber Berfafler ben freien Willen zu retten, indem er bem Menfchen bie Wahl läßt, in dem Bekenntniſſe des eigenen Sinnes zu bleiben, fo daß er nimmermehr fid) mag fehren wider zu Gott, oder burd) Meberformung der möglichen Bernunft burd) Die wirfende Got schauend zu werden. — Die Myſtik Konrad von Megenburg unb feine Bett. 59 batte durch das ihr eigenthümliche Verſenken der Seele in Gott den Weg gebahnt, den von nun an fein Denker mehr verlaffen durfte; das Berhältnig der Seele zu Gott war der Cardinalpunkt des wiffenfchaftlichen. Forſchens geworden, zugleich der Ausgangspunkt, den die Philoſophie nehmen mußte unb nehmen konnte, um fid) allmaͤhlig von der Theologie zu trennen und in ihre eigenen Kreiſe ſelbſt⸗ ſtaͤndig hinüber zu gleiten. Wenn nun, wie es wirklich geſchah, bie Kirche meh⸗ tere Satze des tiefſinnigſten Myſtikers, des Mag. Ekhard, als irrig bezeichnete, oder wie es in ihrem Stile heißt, verdammte, ſo hat ſie dadurch die Moͤglichkeit einer wiſſen⸗ ſchaftlichen Entwicklung gerettet, welche aufhoͤren mußte, wenn das höchfte Streben des Menſchen darin beſtand, auf die Sinne Berzicht zu leiften ') und nur Gott ohne Hinderniffe wirfen zu laffen. Wo ber Menſch im beften Falle fid) nur wie ein Metall zu verhalten hat, das bet Blühhige wartet, um geichmolzen zu werben und im euer aufzugeben, ift für bie freie Willensbeftimmung fo wenig Raum als für die SBiffenidjaft. Das falfhe Syſtem, welches aus einer falfhen Auffaſſung der Seelenfräfte, ihrer Bedeutung und Wirffamfeit hervorging, war Daher aud nur vom pſychologiſchen Gtanbpunfte aus zu wider, legen unb biefer mußte zuerft in Sicherheit gebracht wer⸗ ben, follte es zu einer Wiſſenſchaft kommen. Sn der Er- fenntniß des Wertheg einer vcidtigen Gntmid: 1) In ber That wäre febr zu wünfchen, daß dieſes Verfahren bet Kirche von modernen Theologen und insbefondere von einem Theile unfes ser rechtmäßigen Leiter und Wüfrer der Gläubigen beachtet würde. Mancher glaubt die Kirche vor falfcher Wiſſenſchaft zu ſchützen unb ift diefer ſelbſt verfallen, Q6 gibt ein Lutherthum innerhalb der. fath. Kirche. 60 Konrad von Megenburg unb feine Seit. lung der Seelenfräfte, vor allem in ber móglidft ftatfen Betonung des freien Willens liegt daher das ganz beſondere wiffenfchaftlihe SBerbienft des Werkes unferes Verfaſſers und trägt daſſelbe aud) nidt im min» deften einen polemiichen Charafter, liegt derfelbe mehr in ber hiftorifchen Aufeinanderfolge des pfychologifhen Tracs tats Konrad’8 auf Bruder Efharv’s + 1329 felbftftändige Schriften, fo beweist bie Betonung, welche Konrad auf bie Darlegung der Geelenfráfte legt, ben. Gewinn, befjen bie Efhard entgegengefette Richtung ὦ bewußt zu werben anfing, fowie bie innere Nothwendigkeit, einen wiſſenſchaft⸗ fid) unhaltbaren Standpunft mit einem befleren unb fruchts baren zu vertaufhen. In geiftigen Dingen beruht aller Fortfchritt darauf, bag einer Richtung gegenüber, welche ausſchließlich unb baburd) einfeitig werden will, eine andere innerlich begründete fid entgegenftellt; felbft ihr bloßes Dafein ift oft fhon eine große Wirkung, ganz abgefeben von der Art, wie fie Geltung erlangt, Geftaltung annimmt. Auf bie gewaltige Weußerlichfeit des 13. Jahrhunderts war in Deutfchland eine alles überwältigende Innerlichfeit eingetreten; Stalien und Deutſchland hatten ihre Rollen gewechjelt. Zuerft hatte jenes durch Begründung eines relis giöfen Ordens ber Welt eine idealiftifchere Richtung zu geben gefuht, dann gründeten bie Deutfchen zwar nicht Drden, aber fie bemächtigten fid) der vorhandenen, ftellten ihnen ein geiftiges Zunftleben zur Seite unb nahmen theils am Bunde ber Jünger der ewigen Weisheit, Sufo’s Werk, theild an bem halbfreien, halbgebundenen Leben der Begharden den größten Antheil. In diefe religiöfen Zünfte ſchien das ganze geiftige Leben fid) auflöfen zu wollen, mußte aber zulegt aller klaren wifienfchaftlichen Ueberzeu⸗ ‚Konrad von Megenburg und [εἶπε Belt. 61: gung baar werden, allen Inhalt verlieren, wenn nidt das wiffenfhaftlide Moment im αἰεί ἐπ Grade geftärft wurde, wie das ascetifchesmyftifche fid) ausbreitete. Die Zeit nabte, in welder bie fefte Begründung von Univerfitäten eine dringende Nothwendig⸗ feit. wurde, nidt um die Wiffenfhaft zu fhaffen, fonbern um ber vorhandenen Wiflenihaft aud) ein äußeres Centrum zu geben und ihre zerftreuten Freunde unter einer Fahne zu verfammeln. Und diefes ift aud) in der Gefchichte deutſcher Bildung das enticheidende Moment. Schon vor den großen Bildungsftätten, bie bie Wiſſenſchaft in Taufende von feinen und großen Ganálen leiteten,, mußte eine Wiffenfhaft da fein, bann ſchuf fid) die Seele ihren Körper felbft. Die bloße Hülfe aber ers zeugte ned) fein geiftiges Leben, unb wo ‚diefes fehlte, fehlte auch ber innere Grund zur Hervorrufung wiſſen⸗ (djajtfíd)er Anftalten. Freilich ermangelt uns jeder weitere Behelf, um zu fagen, ob und in welder Beziehung Kons ταῦ zu Garf IV. und der erften Univerfität in Deutfchland fand; allein die Beziehungen zu Carl's Zeitgenofien, Rudolph und dem Gründer der zweiten, der Rivalin Prags, find aus der Einleitung erfihtbar. Die Abhand⸗ lung Konrad's gehört daher mit zu jenen Früchten des beut(d)en Geifte8, welche den Entfchluß intelligenter Bürs fen motivirten, der wiſſenſchaftlichen Thätigfeit ein fefteó Centrum zu geben, verdient daher von mehr als einer Seite Beherziguͤng. Sie ift wichtig fowohl als twiffens ihaftliches Document im Allgemeinen gegenüber ber vor» herrfchend ascetifchen Richtung; fie ift e8 in ihrer. Bes siehung zu einem größeren SBublifum und daher aud) zum Theile bie ascetifche Beimifhung, weldhe burd) bie Noths 62 Konrad bon Megenburg unb feine Bett. wendigfeit bedingt wurbe, bei denjenigen, auf bie man wirfen wollte, nachflingende Saiten anzufchlagen. Macht man baher, wie e8 unlängft gefhah, Konrad bíefe Θ εἰν mifhung zum Vorwurfe, fo fällt Das Unverftändige beffelben auf ben Anfläger zurüd. Sie ift weiter von Bedeutung durch ihren Inhalt felbft, indem fte bie allgemeinen wiſſen⸗ - fhaftlihen Erfahrungen als ihren Ausgangspunft nimmt und damit bie bloß perfönlicdhe Auffaffung ohne weitere Polemik ausjhließt, tie Seele aus dem Bereiche der Abs fttaction in das der Cpecufation verfeßt, bie von That ſachen unb nit von bloßen Annahmen ausgeht. ' Aus dem Befagten geht nun der innere Grund ber gewählten Methode von felbft hervor. Zuerft ftellt (id) Konrad die Frage, was die Seele ihrem MWefen, ber Aus⸗ legung ihres Weſens unb dem Aufſatz ihres Namens nad fei. Er erkennt hiebei eine breifadje Seele: des Menfchen, bes Thieres und des Baumes unb fucht fi ben πίετε [Φίεν der menſchlichen gegen bie Thier- und SBflangen(eefe klar zu maden. Hier bleibt er aber nicht dabei ftehen, daß biefelbe rationalis, Ὁ. ἢ. Seele der Beſcheidenheit — wie das Wort bei Wreibanf aud) gebraudt wird — und der Vernünftigfeit fel, fondern er erfleht ihre würbigfte Eigenfhaft darin, bag nichts „zwifchen ift zwifchen Gott und Sein," und geht mun über, ihre ,ainung^ mit bem Leibe zu erforfchen. Diefe ift nad) ihm doppelt. Einer- feits ift fie eine unleiblihe Subſtanz — nämlich ein felbft wefendes Ding unleiblih und regiert ober meiftert, führt und leitet den Leichnam; anderfeits ift fie naturlich geneigt von Notdurft der Natur mit großer Liebe zu dem Leib unb wie er bie[eó mit einem oft wiederholten gieblingós ausdrude bezeichnet, zu Erchuchung (focdhen, bilden) des Konrad von Megenburg und feine Seit. 63 ®rihnams, dem si geaint wird. Wenn aber nun, mie aud) ohne dieß hervorgeht, wiederholt auf Ariftoteles bins gewiefen wird, fo darf auch wohl behauptet werben, daß man nur an ber Leine biefcó dominirenden Verſtandes aus ber Gejübléwditung herausfommen fonnte, welcher die deutſchen Myſtiker verfallen waren; daß bie deutiche Wiſſenſchaft nur, indem fte fid) auf die vorausgegangene Cntwidlung ftüßte, nicht aber, indem fie biefelbe ignorirte, br Gefabr des Pantheismus entgehen fonnte und bie ipätere lutheriſche Bekämpfung des Ariftoteles mit bet fal» (den Myſtik Luthers ebenjo in Verbindung ftand, al& jene Beziehung auf Ariftoteled mit der Dppofition gegen bie Myſtik!). Der Zeitpunft war bereit eingetreten, in wels dem man fid von ber vorausgegangenen, (don taufends jährigen chriſtlichen Wiffenfchaft Rechnung ablegen, Klarheit verfhaffen mußte und das Refultat diefes Strebens war, die Nothwendigkeit einer encgflopábiiden Sammlung und Bewältigung aller aufgeworfenen Fragen vom Stand⸗ 1) Es wird vielleicht bier am rechten Orte fein, auf eine merfwürs dige tefle des bi. Bonaventura de reductione artium ad Theologiam (Opuscula theol. Venetiis 1611. I. p. 94 b.) Bingutoeifen, wo er fagt: lota scriptura haec tria docet scilicet Christi aeternam generationem et incarnationem, vivendi ordinem et Dei et animae unionem. Pri- mum respicit fidem, secundum mores, tertium finem utriusque. Cirea primum insudare debet studium doctorum, circa secundum studium praedicatorum, circam tertium studium contemplativorum. Primum maxime docet Augustinus, secundum maxime docet Gregorius, tertium vero docet Dionysius. Anselmus sequitur Augustinum, Ber- mardus sequitur Gregorium, Richardus sequitur Dionysium, quia An- selmus in ratiocinatione, Bernardus in praedicatione, Richardus in contemplatione, Hugo vero omnia haec i. e. omnes sequitur. Der Sinn diefer bie Bewegung ber Gieifler bezeichnenden, wenn aud) gleich vie Koryphäen berfelben nur obenhin berührenden Stelle iff doch wohl, daß feit Hugo die chriſiliche Wiffenfchaft zum Abſchluſſe gefommen ei. 64 Konrad von Megenburg unb feine Zelt. punfte der Theologie, bie, che fie ihre ausfchließliche Herr⸗ (daft aufgab, nochmal unter ihrem größten Heerführer, dem Kriftlichen Ariftoteles, Thomas von Aquino, Heerihau hielt. Iſt noch immer bie Meinung Berr(djenb, daß bie Scholaſtik fi burd) eine unnütze Heremziehung zweckloſer Fragen bemerkbar gemacht, die Myſtik aber eft bie Phi⸗ loſophie gefchaffen habe, fo ift mit der erften Anſicht bod) ein großartiges Verkennen des wahren Inhaltes einer fo lange andauernden, fo große Statuten bewegenden Rich⸗ tung, mit ber zweiten ein ebenfo großes Spiel mit Worten verbunden. Die Theologen von St. Bictor, Br. Berthold mit feinen Genoffen: Guío, Tauler, Efhard unter eine Benennung zu ftellen, als [εἰ ihnen allen ein und berjelbe Charakter jugefommen, dürfte von feinem Eindringen in das Weſen der mittelalterifhen Philofopbie zeugen. Je mehr aber bie angebahnte wiſſenſchaftliche Richtung burd) die fegtgenannten Myſtiker im richtigen Sinne des Wortes in eine rein perfonelle aufzugehen drohte, befto nothwen⸗ Diger war εὖ, auf bem Gebiete „der unio Dei et animae" mit aller Schärfe des BVerftandes zu unterfcheiden. Und tritt das piychologifhe Moment als dasjenige hervor, weld)eó, wie aus der Stelle des bl. Bonaventura erficht« (ih ift, bie vorausgegangene Bewegung zur innern Runs bung und zum Abfchluffe brachte, fo ift es aud) ber Aus⸗ gangépunft für eine neue Richtung geworben, melde von bem Wege der früheren fid) flare Rechenſchaft ftellend, fo weit die damaligen Kenntniffe ausreichten, fid) bie geiftige Errungenſchaft der hriftlichen wie ber vorcdhriftlichen Periode vergegenwärtigte. Weit entfernt alfo in der natürlichen Schücternheit, bie bei Konrad von Megenburg fi) in Betreff des Ueberganges zur Speculation zeigte, etwas Kontab von Megenburg und feine Zeit. 65 Tadelnswerthes zu erſehen, dürfte darin vielmehr die innerlich gebotene, hiſtoriſch begründete Stiftung hervor: treten, welche allmählich fid) ber Uebermacht bet Theologie entwindend, ſtufenweiſe zur fäcularen Wiſſenſchaft fortichreis tenb, bie Loͤſung ihrer Aufgabe aud) nur durch Beiziehung bet clafftihen fBbifofepbie unternehmen konnte. Der Humanis⸗ mus des 15. Jahrhunderts ift aud) nicht ohne Vorbereitung gekommen, nicht wie aus den Wolfen Berabgefallen; bie Emantipation der Wiflenfchaft von bem Dienfte der Theo» logie — der bisher einzigen und ausſchließlichen Wiffen- (aft — war (don im 14. Jahrhunderte im Gange. Was im nachfolgenden übermädhtig wurde, warb εὖ eben nur dadurch, daß εὖ (don im vorausgegangenen wurzelte. Ein Mittel aber, die Emancipation anzubahnen, war das Studium ber Ratur, im vorliegenden Falle, bie Grfore hung bet natürlichen Kräfte der Seele. Gerade deßhalb wurden bie Bücher von bet Natur in jenen Tagen fo bebeutenb, weil fie im richtigen Snftinfte ben Schwerpunft auf bie Natur legten, welche bei den Myſtikern in ben Beift aufzugeben (dien. IR e6 nun vorzugsweife bie unio animae οἱ Dei, welde bie Myſtiker beichäftigte, fo ift e& bie unio animae et corporis, weldye für ben Philos jopben Gegenítanb der Eröterung wurde; biefe aber führte von felbft dazu, ben linterídjieb zwiſchen beiden zu bes zeichnen unb bie &teibeit des Willens zu beftimmen, Bekanntlich it aber biefe der Kern der Unterfcheidung ber myſtiſchen und aus ihr gefdüpften Iutherifchen Richtung einerfeit8, der Fatholifchen .und woiflenfchaftlichen Lehre andererfeitö geworden, fo daß wir auf biefem Gebiete ſchon frühe den größten Gegenſaͤtzen der fpätern Zeit begegnen. Auf ber freien Selbfibeftimmung beruht aber aller Adel ber Weol. Duartalfärift. 4856. 1. Heft. 5 ΠῚ Konrad von Diegenburg unb ſeine 9.641. Befinnung wie der Handlungsweife, bie Würde des Men⸗ fen, man kann wohl fagen, der ungeheuere Fortſchritt ber chriſtlichen Zeit, tie ihn in ifr Brogramm aufnahme, gegen bie mit aubern Reigen geídymüdte clafſiſche Periode. €6 war aber nit etwa eine Sache von gesinger Stag: weite für bie Zeit, in welcher unfer Buch erſchien, ala bíe Erörterung den folgereihen Satz betonte: „di sel ist wrei mit irem willen und mif irer wal, si hat such di ehraff di voluntas haizzt, das ist das si mag wellem und begero und versmechen oder widerstreben. Si ist auch würkung, wann si di chrafft hat daz si wurchen und getun mag. $i ist auch mit irem willen wandelwar und wanchel’alse daz si im verchern mag eon wellen esu nicht wellen und hervider und mag dar selb getun also daz sey nichts darzu twingt. Die größte Schwierigfeit (ag darin, „was die Seele {εἰ in ir selb und in irem wesen: und in irer natur.* Indem fid) Konrad aber zur Beantwortung diefer Frage an bie Alten wendet, fteft er auf jenen Wider⸗ ſpruch, der bie antife Zeit gefangen hielt und ihn zu bem Ausiprude bewegt, „daz ist gar ungewis wann di alten philosophi manigerlay und widerwerlige red daven habems geredet.“ &ben befibalb werben zuerft bie Meinungen bet Alten in ihrer Verſchiedenheit burdgangen und dann die llebeteinfgtimmung ber chriftlichen Lehrer erwähnt, beides führt zu bem Schluſſe: also erchennet man maniger aigenhait der sel nach irer chundung und mach irem wesen oder nach irer istichait und wirt sey paz erchen- nen mit der auzzuczichail ires namens.“ Er exfíütt ba; fer, in wie ferne bie Seele anima heißen fünne, in wie ferne spirifas, animus, mens ober ratio. Erſt nad) biefem tritt bet dogmatifche Theil der Abhandlung hervor, in bem Aunt don Megenburg und Teine Belt, et Wbffnitte von der sel chrafft. Da erídeint fie in ihrer bem Siete zugewandten Geite, ald SBerfünbnip unleib« (jer Dinge, endlich als die Kraft, welche unter. vergänge Hhen Dingen zu wählen vermag. Dieſe Dreiheit wird nachher in bem letzten Abſchnitte: „von der sel ordnung nod näher befptoden, fo bag er pt dem Cage fómmt: es feien gleichfam drei Seelen: drei verfchiebenen Leibern geeinet; die &inigung aber geichieht in der ariftotelifhen Art, daß bie beiden minder ebfen dem Dreiedde und bem Bierede, die edle aber dem Zirkel gleicht, am Teichteften ju Tadfen vermag und ſelbſt als eine Tafel (tabüula rasa) etfébeint, da man anfmalen und fchreiben fol. Alſo malt man sy mit den chunsten und mit den tugenden. Macht diefe Darftellung feinen 9Infprud) barauf, ott» ginell zu fein, fo hat fie bod) ihren eigentlichen Endzweck erreicht und der ganzen Behandlungsweife den Borzug ges geben, ber Boputarität gu Liebe ὦ von ber geruöhnlichen ſcholaſtiſchen Methode entfernt zu haben. Konrad bleibt diefer treu, in wie ferne fte ihrem Weſen nad) hiftorifch, auf vorausgegangene Erörterumgen defielben Gegenftanbeó fite Rüdfiht nehmen muß. Allein von Univerfalien unb Realien ift feine Spur, von der nur zu häufig damit ver- bundenen Haanrfpalterei aud) nichts zu fehen und dennoch find die wichtigſten Fragen von bem Berhältniffe ber Seele zu Gott, von ihrer Berbindung mit dem Leibe, von ihren Kräften, vom Willen und von der Einbildungsfraft ers örtert, der Werth) auf bie rationelle Seite wie nothwendig gelegt, der gebührende Nachdruck der intellectuellen gue gewiefen. — 66 ift weber meine Abficht nod) meines Be⸗ rufes, einen Vergleich mit fpäteren Bearbeitungen beffelben Gegenſtandes zu ziehen; mir genügt hinlaͤnglich, aufmerk⸗ | 54 68 ‚Konrad von Megmburg unb feine Zelt. fam gemacht zu haben auf das, womit fi bie Denker des 14. Jahrhunderts befchäftigten, welche noch für etwas anderes Zeit gewannen, als für bie Frage in Harniſch zu gerathen, ob Chriſtus ber Herr ein Gigentbum beſaß, oder nicht. Daß aber das Leben der Seele gerade im jenen Tagen Gegenftand großer Erörterungen geworben war, unb wie tief alfo Konrad's Schrift in den ganzen Kampf der Zeit eingreifen mußte, geht aber nod) aus einem wenig beacdhteten Umftande hervor. Naͤchſt der eben berührten Frage über bie Armuth und das Eigenthum Chriſti, welche vafch zu febr eigenthümlichen Schluͤſſen über das Recht oder Unrecht kirchlichen und clericaliſchen Beſttz⸗ thums führte und Vorläuferin des Hufltismus wurde, betraf bie über das SBerbültnig der Seelen zu Gott felbft denjenigen Papft weſentlich, welcher die erft genannte Frage burd) Aufwand aller firdjfiden Mittel nad) hart» nádigen Kämpfen endlich befeitigt hatte. P. Johann XXIL, bet eifrige Gegner Kaifer Ludwig des Baiern, fühlte fid, wie uns der Prämonfiratenfer Petrus von | Qerrentbal erzählt, gezwungen, felbfi darüber zu prebigen und hatte biebei den Gag vertbeibigt, daß aud) bie Seelen der Oei» liget bie göttliche Wefenheit nicht von bem Tage des jüngften Gerichtes (djauten und bann erft die jegige 9n» ſchauung fich verflüchtigen werde (evacuabitur). Der bes rühmte Bifhof Durandus vom Prediger⸗Orden hatte dagegen gefchrieben, der Papft ihn nad) Ayignon citirt, der König von Frankreich ihn wider bie Curie geſchuͤtt. Die Branzisfaner auf Seite Kaifer Ludwig's ergriffen Burtig biejen Streit und riefen Zeter über den häretifchen Papſt 1); dieſer ftügte fi auf den heil. Bernarb unb gab 1) Cfr. libellum fratris Bonagratiae v. 1334 ; Noverint universi fideles. Konrad von Megenburg und feine Zelt. 69 auf dem Todbette, indem er feine Ausſprüche ber Cnt» ſcheidung der Kirche unterwarf, nod) folgende Erflärung ab: credimus quod animae separalae ‘a corporibus et purgatae sunt in coelorum regno seu paradiso et cum Christo in consortio angelorum congregatae, vident Deum et divinam essentiam facie ad faciem clare in quantum status οἱ conditio animae separatae patitur. — Der Streit hierüber hatte 104 fogenannten Spiritualen bae eben. ges fotet '), nod) mar et nit vollftändig beendigt, ale 15 Jahre nadbem P. Johann ben Suftanb der Seele auf ber Kanzel erörtert, Konrad von Megenburg feine Abhandlung fchrieb und es unternahm, die für fo SBiefe bereitß verhängnißvoll gewordene Frage aus dem Bereiche der Theologie in das der färularen Wiffenfchaft hinuͤber⸗ zuziehen. Auffallend bleibt es hiebei immer, daß ungeachtet der großen Verbreitung, welche das Buch von der Natur raſch nah Erfindung ber Buchdruckerkunſt gewann, der pſycho⸗ Iogifhe Theil — wenigftens nah den mir zu Gebote fehenden Ausgaben bisher ungebrudt geblieben ift. Da aber bier Richtungen bezeichnet werben, welde ben Unterfchied deutfchen Wefens von nicht deutfchem Der» vorheben Fönnen, indem bet Romane mit aller Leidenfchaft an der großen geiftigen rage des Jahrhunderts über das Berhältniß ber Seele zu Gott fid) betheiligend, raſch zur Härefle fchritt, der Deutfche in contemplativer Stille fpe» culativ voranfchreitend bid an biefefbe Grenze drang, hier aber inne hielt, fo möge es hier geftattet fein, einige Bes merfungen hinzuzufügen, welche bie NRothwendigfeit bats 1) Cod. Magliabecch. 76. p. 112. το Konrad von Megenburg unb feine Zeit. ftellen werden, bag gerade jeßt, in ber Mitte des 14. Jahr⸗ hunderts von einem ruhigen, beſonnenen, zugleich populaͤren und wiſſenſchaftlichen Standpunkte aus auf die hoͤhern Schichten des Volkes eingewirkt werden mußte. Selbſt die Zeit, in welcher das Buch erſchien, iſt wohl zu beach⸗ ten, da kurz vorher eine ungeheure Lehre den Nationen Guropa'é gegeben war, von ber Hinfälligfeit menfchlichen Wiſſens und menfchlichen Seins, als tet ſchwarze Tod Europa burdjog und bie Blüthen der Generation bins wegmähte. Eine unendliche Mafle verkehrter Mittel, Haus fegen und dergleichen mag nad) bem Stande der damaligen Wiffenfhaft und wie bie Einfiht in bie mebicinifchen Schriften des Jahrhunderts gewährt, angewendet worden. fein und wenn aud) nicht eine fo ungeheuere Verzweiflung bie Veutſchen befiel, unter ihnen auch nicht eine fo un⸗ geheure Brivolität herrfchte wie in Italien, ift much eine Befferung der Zuftände in Deutihland nad) der großen Kataftrophe nicht zu erkennen. Wenn aber in biefem Augenblide ein Mann von ausgebreitetem. Wiſſen alle bie Erfahrungen fammelte, die fid) in Betreff der Menſchen, ber Thiere, ber Steins und Pflanzenwelt ergaben, unb biefe von einem höhern Beifte durchwebt feiner Zeit über» lieferte, baute er aud) für Diejenigen, welche an bem menſchlichen Wiſſen verzweifelten, dasſelbe wieder auf, unb indem er felbft überall bie Ungulänglichkeit besfelben zur aeftanb, eine urfprüngliche Harmonie zwifchen ber moras lifchen und pbofiíden Weltordnung burdjbliden ließ, bie gefdjaffene Welt in ihrem inneren Zufammenhange zu ihrem Schöpfer darzuftellen fi) bemühte, gli er da nicht bie Anforderungen, welche man von dem höhern Standpunkte aus ftelen Tonnte, mit denjenigen aus, welche vom Stand» Konrad von Megenburg unb feine Zeit. 1k sanfte ber menfchlichen Vernunft geflellt und erhoben warbeu ? Sn diefer Weife gewann Konrad [εἴθ bet myfifchen Richtung, feiner Zeit gegenüber εἰ eine Bedeutung, bie nicht verfannt werben darf. Das SBejen biejer lange andauernden unb fo eigen» thuͤmlichen Richtung deutfcher Geiftet, bie wir mit bem Namen ber Myſtik bezeichnen, ift aber bod) wohl nur zur Hälfte bargeftelit, wenn bie tieffinnigen Schriften eines Taulers, Sufo, Eghart und verwandter Geifter darunter begriffen werben, welche in ber Vereinigung des Menſchen mit Gott bie Aufgabe des Lebens wie des Denkens εἴν bidten. Zu den Predigten und ascetiſchen Tractaten, weiche theil® in. lateinischer tbeilé in deutſcher Sprache von biejen Männern unb ihren Anhängern ausgiengen und mehr ober minder das Berfenfen der menſchlichen Seele in den Abgrund des „wiselosen“ Gottes aum End⸗ zurde hatten, muß nod) die, bem von oben ausgehenden Impulſe entſprechende Richtung von unten nad) obem hin» zugefügt werben, welche ben Privats mie ben Öffentlichen Gottesdienſt durchdrang unb eine febr. bemerlenswerthe nationale Färbung annahm. Je mehr nämlich bie Bern füánbigung des armen Lebens Chriſti wie dasſelhe der bl. Franziskus dur fein Beifpiel nicht minder als durch feine Lchre durchzuführen gefucht Batte, bie vexrſchieden⸗ artigſten Schichten Deutſchlands durchdrang, hier rine Koͤnigstochter, dort in ben Reichsſtaͤdten bie Toͤchter der Rathsherrn, auf bem Lande Bauernmaͤdchen in ben Orden traten, welchen im Geiße des hl. Franziskus bie hl. Klare begründet, warb εὖ gebieteriſche Nothwendigkeit, daß vie nad) Pſalmen unb Leetionen geordneten Taggebete für das Berſtündniß ber Ungelehrten eingerichtet wurden. Je mehr 72 Konrad von Megenburg unb feine Belt. befonders der nicht im Klofter lebende aber hoͤchſt zahl⸗ reihere dritte Orden fif) unter den Laien auébreitete, mußte die Kenntniß ter Pfalmen und fonfliger für Er⸗ bauung befonders bienfidjer Theile des alten ober neuen Teftamentes in beutfcher Sprache (i verbreiten. Und ba der Hauptinhalt der Dfficien (Tagszeiten) befonber& des fo außerorventlich verbreiteten Officitums ber Mutter Gets tes, das Myfterium der Incarnation war, fonnte εὖ nicht anbers fein, als daß Sinne unb Gefhmad für den tiefften Inhalt hriftlicher Lehre im gleichem Maße fif verbreiteten, als tie Kenntnig und das SÜerftünbnig der wichtigften Schriften des alten oder neuen Teflamentes, in wie fern fie nur nit eine Speculation in fi. fihloßen, welche aud) in fpAätern Jahrhunderten Gegenſtand der Gontroperfe felbft der Gelehrten blieb. Ein eigenthümfiches Leben mußte fid baturd) der Nation bemächtigen, und bie große Betheiligung,, weldhe hieran Statt fand, macht aud). evft den Boden begreiflih, aus weldem Sufo, Tauler ꝛc. emporfprießen, auf bem fte mit ihrer fpätern Zeiten fag unbegreifliher Tiefe wirken fonnten. Gerade befbalb if e$ nothwendig, bie Aufmerffamfeit aud) auf jene Angf- rufe gepreßter Herzen wie auf jene liebevollen Ausdruͤcke kindlicher Sehnſucht, auf ben Jubelruf ſakramentaliſch ges ſtaͤrkter Empfindung aufmerffam zu machen, welcher fid) im den beut(fjen Dificien vorfinbet und an Denen bie beutfde Literaturgefhihte vorübergugehen pflegt. Richt nur wird fij Diebei eine viel größere Bekanntſchaft mit den bi. Büchern finden, ale man ger wöhnlich vermuthet, fonbern fie find auch zur Bemeflung tiefer Gefühle wie klarer Erkenntniß des Chriflenthums, feiner Moral und feines Dogma’s, wie fie die. Zeit befaß, Konrad von Megenburg und feine Zeit, 79 ebenfo unentbehrlich als charafterikifh. Hier if nichts von allgenieinen Phrafen zu finden; alles bezieht (id) auf das unmittelbare Verhaͤltniß der Greatur zum Schöpfer, der Erlösten zum Erloͤſer und erfiheint bie Mutter Gottes als Vermittlerin, fo ift e8 nur deßhalb, weil fie durch Empfängniß und Geburt Ehrifti thatfählich Menſchliches und Goͤttliches vermittelt Dat, aus der Kogif der Incars nation dieſe ihre Stelle von felbft folgte. Man fcheute f aud nit, aus falfcher Auffaffung natürlicher und göttlicher Verhältniffe jene Arte mit dem rechten Namen u benennen, auf welchen Snearnation und Erlöfung bes ruhten und enthält der Ausdrud für unfer Ohr etwas Geltfames, fo fonnte der reinere Sinn aud) Stärferes ers tragen, während der unreine Sinn fon burd bie Um⸗ fhreibung in feiner Art unangenehm berührt wird. Ge il in biefen Dingen eine wunderfame Kraft der Empfindung und bie Stärfe des Ausdruckes dem Gefühle angemefien, tiefer der Sache, um melde es fij handelt Y. Nichte brüdt aber diefen Suflanb der Seele Flarer aus, als das befannte Gebet des Hi. Thomas, das nidt individuelle nicht Fünftlich gemachte, fondern wirklich erlebte und taͤg⸗ fif zu erfebente Zuſtaͤnde barflefit, und daher aud) eine fo rafche Berbreitung in deutſcher Zunge fand. „Ich ge ze bem heiltume des leichnams deines ein, gebornen funs Jeſus Chriſt meines herren. Ich ge ein fieches zu bem aret des lebens. Kin vnfletiges zu ben brunnem der barmhberezicheit. Gin blindes zu dem flieht ber ewigen clarheit. Ein armes zu dem herren bimels unb ber erden. Ein blocz zu bem funige ber eret, Das 1) Θίεδε. Weiteres in Beilage IL 14 Konrad von SRegenburg und feine Zeit. tomb fo bitt ich bie vberfluszichait deiner grozzen wiltichait bay tu geruecheft gefunt zu machen mein ſeuch, ze reinigen meine blintichait, rid) zu machen meine armut, bag ich bag prot ber engel den herren aller herren muezze empfahen mit fulcher er. mit fulcher vorcht mit fulcher reine. mit fulder andadıt. mit fuíder Iauterdjait. mit fulidem ge» [owben, mit fulchem vorfacz, mit ſulcher bemutideit, als eg wol zimt bem heil meiner ſel. 9er gib mir des bit id midt alein zu empfafen daz Hnilichtum meines herren, funder die chraft feines heiltumes. vil. minniclicher vater gib mir aljo zu empfaben den leichnam Jeſu Gbrigi; als er in enphieng von marien ber reinen mait. Nu lege milder vater deinen lieben fon, ben ich nun emphach under bem. ſcheine Des broteó, baa ich in mueg beſchowen bei biz von augen ae augen beg helf mir Raria eine Rofe aller vrowen. Amen.“ Wenn aber nun am diefe Richtung fif) eine andere anfchließt, welche bem apocryphen Leben Mariend eine Bedeutung verlich, wie dem Evangelium, unb das neue Zeftament auflöste in Leben, Sterben und Himmelfahrt Mariens, biefe felbft zur Erlöferin madjte, fo fann darin Niemand das Wefen der falíden Myfif verkennen. Dieſes Treiben aber δαί die Kirche weder anerlannt nod) ge» billigt, wohl aber darf man nicht verfennen, daß gerade mit biefer WRidtung Hand in Hand die populäre Be⸗ handlung bed alten Seftamentó, bie Ueberfegung ber Pfal⸗ men unb ein innerliches poeflereiches Leben ging, bad mit feiner Verirrung noch immer fo viel werih ift, ads ein Pürrec.Rattonafiémuse, welder infiuftmäßig vor jebex Erhebung und Erwärmung zurüdichaudert. Allein wenn ppn demjenigen die Rede ifi, mad an ben MyRik Bedeu⸗ Konrad ben Wegenburg und feine eif. T8 tendes war, barf auch nicht verfhwiegen werben, was ax ihr Falſches und Verkehrtes war. Der romantifhe Ginn, genáfrt durch die Tageslectüre, bemädhtigte ὦ geſchwin⸗ bec als bie Wiflenichaft abwehren konnte, der populären giteratur, wie biefe& zum Theile aud) aus Schilderungen $onrabé hervorgeht. Bald gefellte fi) zur einen Ver⸗ febrtbeit nod) eine zweite, balb eine dritte, die um baé Bild zu vollenden, gleichfalls herporgehoben werden muß. Den Handfäriften, welche huſttifche Tractate enthal- ten, ift febr häufig ein Auszug aus jenen merfwürdigen BBifonen über bit Zufunft beigefügt, welcher in ben Tagen Konrada M. bie Mebtiffin Hildegard von Bingen fi) er freute unb die (don damals das Auffehen in f» hobem Grade erregten, bag Könige und Fürften, Päpfte, Biſchoͤfe, Achte mit ihr in Verbindung traten. Im jener merfwürs digen Zeit, als ber zweite große Kampf zwiſchen bem Sacerdotium und Regnum fid) vorbereitete, der ba6 hohen⸗ ſtaufiſche Haus zum erftenmale niederwarf (1177), der Fall. Jeruſalems durch Saladin bem von Gbefja wie ein Bere hängniß nachfolgte, fa ein von tec Welt und allen großen Ereigniffen ferne ſtehendes deutfihes Mädchen bie Zukunft ihres Vaterlandes in großen gewaltigen Bildern vor fi vorüdergehen, dag man nod) jegt über bie Klarheit ber ne Ihauung und bie Beftimmtheit der eingetroffenen Begeben⸗ beiten Raunen mug. Insbeſondere if der Eintritt bet Särularfation. und eine große Berfolgung des Gleru& mit einer Gewißheit auseinandergefegt, melde um jo mehr im. Berwunderung fest, als in ber erſten Hälfte des 12. Jahr⸗ hunderts jede Gefahr diefer. Art gänzlich hefeitigt zu fein: ſchien. Man begreift, daß gerade biefe Vorherverkündis- gungen. 200. Jahre (pésmr: um fo mehr: Antlang fürden 16 Konrad von Megenburg umb fene Zeit: mußten, je größer feit biefer Zeit Macht, Reichthum unb Einfluß des Elerus gefliegen waren. Sft das ganze Wefen ber Nebtiffin Hildegard aber von fo außerordentlicher Art, bag fih ſtets hervorragende Männer unwiderſtehlich zu ihr hingezogen fühlten und die Erflärungsverfuche fid) nach den Phafen häuften, bie bie Wiflenfchaft in fpäteren Tagen bejtimmten, fo find Vorherverfündigungen in Zeiten, welche unter einer gewaltigen Schwüle feufzten, fo häufig, daß die kirchlichen Verbote berfefben, wie fle Ende des 14., Anfang des 15. Jahrhunderts Statt fanden, faum einer Erflärung bedürfen. Kurze Zeit vor bem Auftreten Luthers war in gang Deutfhland die Meinung von einem großen Blutbade verbreitet, das den Elerus treffen würde; in welcher Weiſe Savonarola bie große Wendung ber Dinge i. J. 1494 verfündete, ift befannt. Aehnliches wird fld) in gewaltigen Krifen von andern Bölfern und Ländern fagen laſſen, vielleicht von feinem mehr als von Böhmen, wo Milic 1366 bie Ankunft des Antichriſts verkündete unb bald bie Gabe der Prophezeihung — nad) dirififidem Gtanbpunfte eine der feltenften — im hufttifchen Zeitalter *) fo gemein zu werden fdien, als nur 'etwa in England im Zeitalter des großen ‚Heiligen Dlivier Cromwell's oder in Schottland zur Zeit Iohann Knor, in Frankreich in den Tagen bet Prophetenfhule in den Gevennen unter Ludwig XIV. Die Faiferliche Univerfitätsbibliothef au Prag verwahrt zwei ähnliche Prophezeibungen über Böhmen in cechiſcher Sprache, eine von 1472, eine zweite von 1520, eine dritte unter bem Namen der Sybilla cnmarda aus bem 16. oder 17. Jahrhundert. Eine vierte, welche bem ber 1) Siehe In Betreff des Que ſelbſt Bd. I. script. ver. huslt. Sourab von Megenburg und feine Belt. Kl rühmten Theophraſtus Bombaftus Paracelfus von Hohen» heim zugeſchrieben wird, enthält bie Münchner Bibliothek. Einer viel früheren Zeit gehört die des Bruders Berthold, bes berühmten SBrebigeró des 13. Jahrhunderts an, welche Ottofar von Hornek in. feiner Reimchronif erwähnt, unb die fid) auf bie legten Tage König Wenzels I. und beu Untergang des Preemislidiſchen Geſchlechtes bezieht, Nun findet fi zwar bie Prophezeihung ἢ) nicht in Bertholds Schriften, ſondern nur der Ausdruck ſeines Un⸗ willens über bie großen Streitigkeiten ber damaligen Zeit, von welchen die boͤhmiſch⸗ungariſchen nicht den geringeren Theil bilden; aud) ift bie Autoritaͤt ihres Gewaͤhrmannes namentlich in boͤhmiſchen Dingen nichts weniger als uns umfößlich 2); allein wenn man aud ber Sache feinen andern Werth als ben ber Gage verfeibt, jo bleibt fie qud fo von Bedeutung Die Zeit, welde das babens bergiſche, das hohenftaufiihe und meranifhe Haus ge» waltfam enden fab, und in welder der Untergang der Arpaden, PBrermisliven unb Askanier vorbereitet wurde, batte in der Mitte zwifchen dieſem zweimaligen Umfturze dreier Dynaftien einen Moment des Doppeljehens wie er felten in der Weltgefchichte eingetreten ijt. Wenige Jahre \päter verfünbete Abt Engelfhalf, fid) ftüpenb auf ben von bem hl. Hieronymus angeführten Methodius, in feinem wenig befannten Werfe de ortu. et statu οἱ fine romani — — — ^ c 1) Siehe Beilage IM. 2) Man kann fid) faum einen größern Gontraft verfi, als die Beurtheilung Otlokars durch H. Palady, einem fo gewiegten tüchtigen Kritiker, und durch Hofr. Gervinus, welcher Ottofar ebenfo viele Hiftorifche Bedeutung beilegt als Palady auf Thatfachen geftágt fi bu edipi, Cfr. Böhm. Θεῷ. II. 1. Ὁ. 306—314, v8 , Wonreb ton Megenburg und feine Belt. imperii den Untergang des Kaiferreiches, bei dem Herein⸗ bruche eines oͤſtlich en Volles: ullimus imperator romenus obvisbit et resistePe non valens, sceptrum ct coronam imperii ac clypeum ad erborem sitam ultra mare deponet et sic commendatum spiritum Deo ibidem committet. In eben biefe Zeit dürfte wohl auch, Hand in Hand mit bet Verbreitung der Alexanderſage tie Schenkung der Welt an die Slaven, bat Gegenſtuͤck zur Eonftantinifhen Schenfung fallen; enbfid) fene Prophezeihung die in den ectionen des bf. Cyrill und Methud in den furenburgifen Tagen su leſen war und gewiß aud) öffentlich bei ſeierlichen Handlungen am Gerächtnißtage der beiden ſlaviſchen Apoftel zumal gelefen wurbe: sancto Methudio tantam gratiam contulit, ut ducem Bohemorum Borzywoj qui in detesta- tionem sui erroris in convivio per regem Svatoplak multis principibus praeparato, sub mensa ipsius regis locatus extiterat non solum ad fidem converteret, sed hunc et successores suos majores omnibus linguae slavonicae regibus esse debere spiritu prophetico reveleret, quod etiam factum est certitudinaliter extat impletum !). Weist feine Duelle biefe Prophezeihung unmittelbar auf denjenigen zurüd, welcher fle nach einer Angabe aue» ſprach, die 500 Jahre nad) bem hi. Methodius und ἐπί gegentritt, fo beflgen wir in Bezug auf den Bruder Mobert aus dem *Drebigerotben einen gleichzeitigen Bericht ?), der von ihm erzählt, ev habe einftmals ge» Außert: fo fprady zu mir ber Geift des Herrn Gottes, gebe zu demjenigen, ber meine Taube regiert (zu 9B. Johann XXII) 1) Cod. Bibl. Cap. Prag. Ὁ. 4f. 8. 2) Cod. Vat. 3758. p. 202. e φυτοῦ Yon Megenbutg und feine Seh. v» wüb gehe gu ben. Engeln der Erbe (den Carbindlen) und fage ihren, daß wenn fle nicht ihren Pomp aufgeben, und ihren Geis, eine ſolche Sterblichkeit felgen wirb, fo daß die Blutbaͤche aus ben Gräbern hervorquellen. Als mettige Jahre fpäter ber ſchwarze Tod feine entfeplihen Verhee⸗ rungen begann, erinnerte man fi) biefer Worte. Auch Sauler, wie alle ahnungsvollen tiefen Gemüther bfieb diefer Richtung nicht fremd. In feinen Bußpredigten wies er auf die Kataftrophe '), welche die bL. Hildegard vor» bergefprochen,, wie auf ein unabweißbares Geriht bin, 1) Yatioinium D. Joaunis Thauleri de «nuo 1348. Nune igitur dilectissimi, cesti estote, quod nisi in melius vitam mopkram commu- tare studeamus, graviter nobis plagae (a. S. Hildegarde) proediqye immineant, ita quod tanta erit afflictio, ut judicium extremum nobis sd memoriam sit revecatura. Quae enim nunc pace multa gaudere videntur, in maxime tunc vexatione erunt et Dei verba perverteutur cultusque divinus pene in oblivionem ibit et unus huc, alius illuc properabit. nec facie sciri poterit, quorsum haec tandem evasura sint, Interim tamen fidelissimus Deus nidulum aliquem habebit, ubi su98 conservet protegatqne. — — Exurget — vox fallag quae omnes — patemmae (ecclesiae) voci auscultare nolentes in errorem abducet. Sonat autem nobis paterna vox per vocem sanctae matris ecclesiae in omnibus doctrinis, praeceptis atque consiliis illius. "Vae proinde ac itesum vae omnibus, voci huic obtemperere nolentibus, ut se ipsos in veritete parvipendent et studeant esae humiles. His enim deterrimae desperationis vox inspirabitur, dicentibus pseudodoctori- bus, falsum esse aique confictum , quicquid unquam priscae veri- tstis doctores hic edoewere. Quicunque igitur in fundo suo humili- ists destituti fuprim et pro ipsorum sonsu ac proprio beneplacito in suis illis vafris ac subtilibus conceptibus perduraverint, hi omnes in tantos abducuntur errores, ut cunctos ecolesiae ritus ac instituta fallacia et a veritate aliena sint credituri. Quod prefecto ex ipsorum vicis- sissimo vel maxime précedet fundo, tum etiem quod veri illius atque vios fundi penitus expertes erunt. Vere namque humilitas est Deum ex toto — et ex omni diligere etc. Qui tunc victuri sunt, cogitent, haec ipsis longe ante praedicta fuisse. 80 Konrad: yon Megenburg sub feine Zeit. wenn. nicht bald eingelenft und ein anderes Leben ergriffen werden würde. Er rief den Ceinigen bie Worte in das Gedaͤchtniß, bie ſchon vor 200 Jahren geſprochen worden waren, daß bet Gotteóbienft in Vergeſſenheit gerathen, alles was frühere Lehrer aufgefellt, als falſch und wills kuͤhrliches Machwerk bezeichnet und ebenſo aud) alle Gin» zichtungen ber Kirche als trügerifh und lügenhaft hin⸗ geftellt werden würden. Es vergingen aud) kaum 200 andere Sabre und diefe Verfimdigung war (djon zweimal und in einem Umfange in Erfüllung gegangen, daß εὖ beinahe (dien, man babe nad) ben auégeíprodyenen Worten das Werk in budjftáblide Erfüllung zu fegen geſucht. Je mehr fid) aber die Zeit der einfeitigen Myſtik bingab, bie bl Wiſſenſchaft verwarf oder bod) nur im hoͤchſt beſchraͤnk⸗ ten Maße zuließ, bildete fid bieS8orberfagung als Surrogatder®iffenfhaft aus und nahm für fid ein Recht über die Beifter in Anfpruch, welches man ihr nicht einräumen fonnte. Es hatte ebendeßhalb bereits Nicolaus von Straßburg, der Berfafler jener volfétbümtiden deutſchen Predigten, welche Pfeiffer im erflen Bande feiner Myſtiker herausgab, ídon 1326 in einer 88. Johann XXIL ges widmeten Schrift über bie Ankunft des Antichriſts unb bie ffüieberfunft Chriſti zu beweifen gefucht, taf ben Vorher⸗ verfündigungen über bie legten Dinge zumal um fo weniger zu trauen fei, a[8 man aus ber bI. Schrift nichts Näheres darüber wifien Eönne, ebendeßhalb aud) ben Prophezeihungen der "bf. Hildegarde wie jenes hochberühmten Abtes Joachim mißtraut werden müßte, ben kurz zuvor Dante Alighieri ale di spiritu profelico dotato bezeichnet Hatte. Allein die falfche Richtung der Zeit entſchied über bie Konrad von Megenburg und feine Bit. 81 befiere und zwar durch Naturen, denen man fonft feine "tung nicht verfagen konnte. Nichts deftoweniger fanden aber die Prophezeihfungen ber BL. Hildegarde von bet Berfolgung des Gferuó, der Einftellung des dhriftlichen Gottesdienftes, immer größeren Anklang, vielleicht nirgende in höherem Grade, als in Böhmen, damals bem eríten deutſchen Reichslande, wo der melandolifch » hwärmerifche Eharafter des Volkes eine geeignete Unterlage für foldye Dinge gab. An bie Gefichte ber deutfchen Aebtiffin ſchloßen ih gerade damald bie ber ſchwediſchen Königstochter Brigitta an, melde bereits im 14 Jahrhunderte, in welchem fie lebte (1302—1373) , großes Auffehen machten, aber eft in Dem darauffolgenden, zum Theile burd) Genef: migung be8 Concils zu Bafel eine weitere Geltung fanden. Findet fi) in der Mitte des 15 Jahrhunderts die hand» Ihriftliche Mittheilung, welche angeblid aus einem Schrei- ben des Girofimeifteré der Johanniter zu Rhodus herftammte, bet Antichrift (ei ganz beftimmt. erft neulich in einer Stadt Vorderafiens geboren worden, fo hatte in Böhmen ber Canonicus Milic bie Anfunft beófe[ben bereits auf bae Jahr 1366 feftgefeßt und biefe Meinung fofort behauptet, daß er felbft bie Einferferung burd) Erzbifhof Arneft eve duldete, deffen Flarer Verſtand ſolchem Treiben abhold war. Obwohl Milic feit Deutfcher war und fomit firenge ge- ‚ nommen, wo es fid) von beutíden Lehren handelte, nicht ju erwähnen wäre, fo waren bod) damals Böhmen und Deutfchland durch bie Prager Univerfttät in zu nahe Bes tübrung mit einander gefeßt, ald daß nicht bie allgemeine, Richtung der Geifter aud auf Böhmen hätte Einfluß gewinnen follen, anderfeits was in Böhmen Herrſchaft gewann, ohne Impuls auf Deutſchland hätte bleiben können. Theol. Quartalſchrift. 1856. I. feft. 6 82 Konrad bon Megenburg ünb feine Seit. Giebt tod das ganze Benehmen Milic's, das Ungeregelte, Ercentrifhe in feinen Handlungen den beften Aufichluß über die natürlichen Folgen der falíden Myſtik! Ihn batte das Schwärmerifche feines Weſens — εὖ liegt Dies von etwas in ber ebleren flavifchen Statut — 1) anges trieben, ftatt bem berühmten Erzbifhof Arneſt in Durchs führung einer Reform behüfflich zu fein, feine Stelle als Canonicus zu Prag niederzulegen und Prediger zu werben. Es genügte ihm nit in gewöhnlicher Sphäre Gutes zu thun; ohne Rüdfiht auf das Maß feiner Kräfte wollte er nad) dem Wirken und Wehen feines Gieifte& die Kirche teformiten und bald fand fib, daß wie tie Myftif des fihern inneren Halte entbehrte, ihre Anwendung auf Das praftifche Leben zu nod) größern Mißverhältnißen führe. Da war ihm K. Karl IV, wefder für die Kirche icibft fo viel gethan, der große Antichriſt, auf welchen er mit bem Finger wied. Aus bem Kerker befreit, weil Karl IV groß⸗ müthig genug war, bem fonft fo aufopferungsfähigen Manne biefe Berirrung zu verzeihen, führte er in Rom eine ähnliche Scene auf, ba er, vom Gleifte angeregt, durch öffentlichen Anſchlag verfündete, er werde predigen, ber Antichrift [εἰ gefommen. Er arbeitete ben Bortrag ſchrift⸗ {ὦ aus, um eine Entftellung der Worte zu hindern unb bie Sache mehr zu verbreiten und erlitt aufs Neue bie Kerkerhaft. Als man bereits glaubte, er habe fein Leben 1) Wie tief diefe Dinge noch fpät wurzeln, ergeht aus bem Leben des Gomenius, welcher fij bem Pfeubopropheten Nicolaus Drabik (Binge: richtet in Preßburg 1678) zuwandte unb deſſen lux in tenebris heraus gab (1650), wobei auch bie Vrophezeihungen bes Tuchfcheerere Gotter herausgegeben wurben, welche das Ehurf. Sranbenb. theologifche Collegium 4617 für göttlich anſah; ebenfo bie Viftonen der Glifa Ponintowsfa. Konrad von Megenburg unb feine Zelt. 88 verwirft,. befreite ihn PB. Urban VI aus ber Haft. Nach Haufe zurüdgefehrt unternahm er es, eine Kirche in ber Kirche zu bilden und mit Befeitigung der auf 1300jäh- tiger Beobachtung der menfhlihen Natur beruhenden Einrihtungen , Vorfchriften und Lebensregeln aufzuftellen, welde bald zu einer Ummwälzung beó auf göttlicher unb menfhlicher S rbnung Beruhenden führen mußte Nies mand wird die pevfönlihen Tugenden des Predigers in Frage ziehen wollen; allein die Fehler aus übertriebener Strenge fónnen epenfo ſchaͤdlich werden, als die aus fitt- lihen Berirrungen; ja bie Verkehrtheiten, welche fi) an Zugenden anjdjlieBen, vermögen felbft fchwerere Folgen zu haben, als gemeine Lafer, da fie nicht eine abfchredenve, fondern eine verführerifhe Begleitung haben. Es fcheint dag Milie an eine ſchon im Anfange des 14 Jahrhunderts (1315) in Böhmen 1) vorfommende Erfcheinung, die Mag- taleniten, fci es fid) anfchließend, [εἰ εὖ fie aum Vorbilde nehmend, eine Genoſſenſchaft gefallener Srauen bildete unb diefen nun nicht bloß Kleidung und Regel gab, fondern fe aud) au täglicher Kommunion zuließ, einen Priefters erben vom apoftolifhen Leben ftiftete, und aud) biefem nad Giutbünfen Habit und Regel auferlegte 3). (δᾷ gehörte nur nod) hinzu, daß aud) bie von ihm gebildeten Prediger ihn für ihr natürliches Oberhaupt anerkannten, und bald war, was göttlicher Inftitution in ber Kirche war, das Episcopat, ebenfo befeitigt, als die Difeiplin und alles von 1) Palacky, Formelbücher II. p. 216. 2) Wie das Beifpiel des Milic witfte, fibt 1 niam an Mathias von Janova, welcher bie Lehre feines Meifter aufgreifen wieder zu ber Bere fündigung des Autichriftes griff. 6“ 84 Konrad von Megmburg und feine Zelt. dem Ermeflen des Einzelnen abhängig gemacht. Damit war er aber von felbft in Wycleffs Bahnen gekommen. Man fonnte rafdá, ben Unterfchied deutſcher und nicht deutfcher Myſtik gewahren; das Ueberwiegen des jpeculas tiven und contemplativen Elemente auf der einen Seite, das Uebergewicht fhwärmerifcher Auffaflung ftatt der [pecus lativen auf der andern, verbunden mit großem Orange, das unklar Grfannte nah Außen hin geltend zu maden. Allein die falſche Myſtik hatte nod) eine andere Seite, die Hand in Hand mit der willführlihen Geftaltung bet firchlihen Lebensverhältniffe ging. Auch bieje tritt bei Milic, bem Manne voll Innerlichfeit, voll. tiefen Gefühles, voll lebhafter Auffafiungsgabe hervor. Ausprüdlic wird von ibm erwähnt, bag er vom Studium der allgemeinen Wiffenfhaften abgehalten"), diefes feldft für eine Todfünde erflärt babe, fo daß das gemeine Volk die Studierenden wie bie Lehrer der neu begründeten Prager Univerfltät deßhalb als Häretifer bezeichnete... So eigen» tbümlid) geftalteten fid) die Verhältniffe, daß während man willführlih den Pfeudoreformatoren bie Körderung der geiftigen Entwidlung zufchreibt, gerade gegen biefe bie Wiffenfhaft in Shut genommen werden mußte. — ie ronymus, Auguftinus wie bie Gloffatoren des alten Seftas mented wurden deßhalb wider einen Sag aufgeboten, welder nicht blos als irrthuͤmlich und gefährlich, fonbern aud) αἱ Anlaß vieler Häreflen bezeichnet wurde. — Es fag diefer aud) nit etwa zufällig in der Perſon des Milic, fondern in der myftifhen Richtung felbft, die ihren eignen Weg verfolgend auf den momentanen Antrieb des 1) Sexto dogmatisavit idem, quod nullus studere deberet artes liberales. Die Taboriten fiellten einen ganz ähnlichen Gap axf. Konrad von Megenburg unb feine Zelt. 85 Geiftes laufend, zwiſchen einer Wiſſenſchaft, die zur Härefie führte, und der Verachtung der Wiffenfchaft felbft bin und Berfdywanfte. Es [ag an biefer Reformation nicht, wenn Karls IV. fhöne Schöpfung nicht (don wenige Jahrzehnte nad ihrer Begründung wieder verfiel und in bet That wurde denn aud) von biefer Seite fo lange ges rütteft und. gefhüttelt, bis fie ihrem urfprünglichen Char rafter entzogen war. Die Anlage war zu großartig ger wefen, als daß untergeordnete Geiger. fie zu faflen vere mochten. Go reichten fi) Härefie und falfhe Myftif bie Hand! Es ift hiebei gar nicht nöthig, zur Erklärung ber fpäteren Creigniffe in Böhmen fi den Einfluß Wycleffs zu vers gegenwärtigen. Milic war der flavifhe Wycleff. Er hatte fib in feiner falfchen myftifchen Richtung gegen die Wiſſen⸗ fhaft gefehrt und biefer den Grund des Beſtandes abges fprochen; nod) eine Generation uud man (prad) (don ber Kirche ben Beſtand ab. 9Wilic inbivibualiftrte Glauben unb 9Biffen, feine Nachfolger inbipibualifirten die Kirche fel6ft. Huß, einen Schritt weiter gehend, erhob fid) fobann in feiner böhmifchen Schrift erft gegen Robot und ähnliche weltliche Leitungen; fprang hierauf, als er bie Unters ftügung des Adels erlangte, plöglih Davon ab und fudhte nun bie Kirche zu fäcularifiren, wobei ihm bet Adel ebens fo bie Stange hielt al8 in ber von ihm ausgehenden Vers treibung ber Deutfchen aus Prag. Bon Milic ging zwar nod) nicht tie Bewegung wegen des Kelches aud; allein ſchon geftaltete-fih aus feiner Anweifung, táglid) oder bod) mindeftend zweimal wöchentlich zu communiciren, das Ver⸗ langen feiner Anhänger, an bem Weihnachtöfefte dreimal den Leib des Herrn zu empfangen, weil bie Priefter dieſes 86 Konrad von Megenburg unb feine Zeit. thaten. Wie diefe äußerlich zur Gelebrirung confecrirt feien, feien fie {εἰ innerlich confecrirt zum Empfange der Saframente. Es lag febr nahe, aud) bie Doppelges ftalt des Sacraments zu fordern, wie der Cat von inners licher Gonfecration in weiterer Ausbildung von felbjt zu ber Annahme der Gíeidjftellung der Laien und der Geiſt⸗ fien und bem Beftande einer nur unfidtbaren Kirche führen mußte. Das XV Jahrhundert vollendete dann, . waé das XIV begonnen. Die wahre Myſtik fuchte den Vernichtungskampf jwifchen Laien und Brieftern, welcher fid) aus dem ftampfe des sacerdotium und regnum in die untern Schichten hinab» gezogen hatte, durch innerlihe VBerföhnung und geiftige Auffaffung ber Gegenſätze zu Deben; bie falfihe den weltlihen unb geiftlichen Stand in der Kitche fefbft gleich zu feben und flürzte baturd) biefe um, wie fie affe Wiffenfchaft zerftörte. As nun Milic feine Ans griffe aud) gegen das Recht des Beſitzes der Kirchengüter richtete, bie Zinfen und Gelber, weldhe der Gíeru& von feinen Weinbergen und Häufern bezog, für Wucher erffärte, bem Priefter fein GingeInbefigtfum geftattete, rief er bie Habfucht der Laien auf und bereitete fo einen Suftanb ber Dinge vor, welcher fid) zuerſt in den Angriffen ber Großen und des Königs felbft gegen die Perfonen und "Güter des Clerus zeigte, ben Erzbifhof Johann fehon nicht mehr burd) Decrete und Ganonen. aufhalten fonnte unb - bem et, τῷ Abdanfung wid: dann drang ber revolus tionäre Strom in die unterm Schichten unb ba faßte ihn Huß und warf ihn, bie nationalen Antipathien anfachend, auf bie Deutfhen und bie Univerfität zurüd, deren Wirken bereits Milie verdächtigt und untergraben hatte, Als aud) Ν Konrad von Megenburg und feine Zelt. 87 diejes Bollwerk gefallen war, ergriff ber Brand bie Bürger, und dann das übrige Volf. Unter den obſchwebenden Berhältnifien that babet aud) nidjté jo febr Noth a[8 die Begründung eines studium generale, allgemeiner höherer Bildungsanftalten, in welchen ebenfo eine natürliche Scheidung der einzelnen Disciplinen mad) verwandten Gruppen wie ihre innere und Äußere Berbindung durch den Vorrang der höheren Wiffenfchaft über bie. niedere flatt fand. Der inftinftartige Haß der falihen Myftif gegen die Univerfitäten bewieß gerade ihre innere Nothwendigfeit. Ueberhaupt fonnte erft von ihrer Begründung an, ein eigentlihes wiflenfchaftliches Leben auffommen. Religioͤſe und juridifche Streitfäge bewegten fib feibem frei innerhalb der natürlichen Schranfen; bie Methoden, welde in andern Ländern angenommen worden waren, wurden burd) Mittheilung der Hefte nad) entfernten Gegenden verpflanzt. Die Wiſſenſchaft fonnte nicht unter- gehen, feit fie ihre feften Stätten hatte; offen trat fie an das Tageslicht, und nur dafür mußte geforgt werden, daß nicht leerer Sormelfram eintrete, ein ſtets frifher Inhalt feine Stagnation auffommen [affe. Hier war aber gerade das reinigenbe Wefen ber beffern Myſtik eines Thomas von Kempen und ähnlicher Männer recht geeignet, ben Sinn vom Unwefentlichen auf das Weſentliche abzus Ienfen und fomit eine tiefere Wiffenfchaft vorzubereiten. Gerade ber Myſtik war có aber bereits gelungen, ber tomantifch poetifchen Literatur, voc[de aus bem 13 Jahr⸗ hunderte herübergefommen war, eine populär » adcetifche jut Seite zu ftellen, welche fld) unabhängig von ber ‘Pflege bes wegte, bie bie Wiſſenſchaft fpäter auf ben Univerfitäten erhielt. Unter ben Vertretern der [egtern, bie ihre eigenen eife 88 Konrad von Megenburg unb feine Seit. beſchtieb, nimmt aber neben Heinrih von Müglen fein Zeitgenofje Conrad von Megenburg einen hervorragenden ftang ein. Ihm gebührt wefentlih das Verdienſt, bag neben der von den Univerfitäten vertretenen höhern Wiffenfhaft zur felben Zeit, als bie beutfhenlUniverfitäten entftanben, aud) eine von biefen unabhängige baftanb. — — an — —2 Beilage 1. Konrad von Meginburg von der sel. (f. 2) Wie di sach der himelischen dingen sey das schol bereden der gelaub vnd sein menschleich sinn ez nicht begreiffen chan. Des ersten schullen wir schawen als ez mugleich ist waz di sel sey nach der warhait nach irm wesen vnd nach der auzlegung ' irs wesen vnd nach dem aufsacz irs namens das si ettwenn haizzt anima ain sel etiwenn Spiritus ain geist darnach waz ir vermugen sein vnd ir kraft an ir selb. darnach was ir ampt vnd ir tuü sein darnach wie si ist ain form oder ain volpringung des leichnams vnd was ir aigenschaft sey dio weil vnd als vil als czw gefügt vnd gepunden ist dem leib vnd mit dem leichnam wurcht vnd ir aigen- schaft wan si von dem leichnam wirt geschaiden mit irm werich vnd kraft. . Die alten philosophi di habent dreierlay sel gemainichleich des menschen des tirs des pawms doch hat des menschen sel die krefft all daz si ist racionalis das si erchennet daz recht daz gut daz war vnd daz nucz vnd ist sein auch enphahig. Si hat auch di kraft der sell der tir mit werich der sinn der pawm sinn mit gruenung mit ' wachsung czu nemen. Nu schullen wir des ersten von des menschen sel die di edlist ist vnd haist anima racionalis als vor gesprochen ist vnd sol fürwaz haizzen die sel der beschaidenhait vnd der vernunfiigchait die Konrad von Megenburg unb feine Zeit. 89 beschreiben alt lerer ettleich vnd ettleich muister ettwenn als ein geist ettwenn als ein sel also als si den leib kuchet, vnd ettleich als si ain geist vnd ain sell von natur haist vnd ain sel als vil als si denn leichnam chuchet vnd edelt. Als si ein geist ist beschreibet Augustinus in dem puch wider rurung des herczen die sel ist ein substancz oder ein selb wesentew sach vnleiplich vnd verstentige also daz si verstentig ist; Si ist auch der gotleichen durchleuchtichait von dem ersten gotleichen liecht enphach mit lester enphachung also daz vnder ir nicht dreatur sind di furwaz das liecht enphahen Von der beschreibung bechennen wir die ersten vnd die wirdigisten aigenschaft der sel das ist daz nichcz cswischen ist czwischen got vnd sein. Er ist selb enphahung got- leicher bechantnuf) nicht get vón gott wart in ain andrew creatur sls vil si (anima) haizt, das ist als si ist genant mit dem leib vnd in erchukchet. Die synung ist czwaierlay wan si ist mit dem leich- nam geaint als ein weg mit dem daz er wegen schol vnd ruren vnd als ein schefman mit dem scheff daz er lait vnd furt oder als si ist ein volpringung vnd ein form vnd ein edlung des.leibes Als si ist ein begerenn irs leibs den si wegen oder rurn schol von natur dez si czw geaigent vnd geaint ist beschreibt sey (sic) Remigius Also di sel ist ein vnleibleich substancz das ein selbs besencz ding vnleiblich vnd regirt oder maistert fürt vnd laittet den leichnam Augustinus spricht in dem puech des geistes vnd der sel: die sel ist ain selb besencz ding vnd tailhaftig racionis das ist wahrhaitt ezugcht vnd tugent vnd ist dem leichnam dew schichung vnd regirn selb geaint vnd geleichent Aus der beschreibung bechennen wir ain andrew aigenschaft der sel das ist daz sie naturleich ist genaigt von notdurft der natur mit grozzer lieb zw dem leib vnd erchukchung des leichnams dem si geaint wirt da von merkcht man auch das der sel chraft geprait vnd geteilt ist in den leichnam nach der praittung vnd grozz vnd tail des leichnams. Darnach die tail geschikcht sein nach der natur czu der chraft der sel vnd also wirt der gaucz leichnam gerurt vnd geregirt von der sel. Da seczt Calcidius ein gleichnuß von Er spricht als di spinn siczt mitten in irem web vnd enphindt aller (f. 3.) rurung ires webs si sey auzzrew oder inrrew also want di sel mitten in dem herczen das si sich nindert praitt in ire substancz an irem wesen vud cbukcht den leib allen als vil di sel ist ain form vnd edelung des leibs vnd sich der leib helt gen ir als ire materia der si wesen vnd form geben schol vnd im volpringung mit ir aygenung geit. e 90 Ἠ ἑ ἑΑ , Konrad von Megenburg. und feine Zeit. Beschreibt sey (sic) Aristoteles in dem puch der sel also, die sel ist endelichia daz ist ain anvanch der werich oder di erst wegung vnd volpringung des unaturleichen leibs der recht recht das czu geschikcht: vnd geformt ist gewesen an seinen tailn Vnd der hat gehabt rechte maingung fueg vnd peitung zu dem leben. Da mag man merkchen wie das sey daz di sel geaint wirt dem leben leib, daz der selb leib nucz geaint vnd geschikcht sein an den tsiln da daz leben an vnd inn cze vodrist stet wir der natur vnd naturleich da von leben die pild nicht di wir machen, als süst ain sel vnd ain geist beschreibt man sey virlay: Des ersten als si mag geleich werden zu allen creaturen gemainchleich da von spricht Augustinus in dem puch der sel vnd des geists di sel ist aller sach ein gegleichung in irer verstantnuf. da von spricht er in demselben puch: di sel ist geschepht nach der geleichnuß gancz vnd voller weishait da von enphecht si in si aller ding geleichnuß der erd des warzers des lustes des firmamencz, Auch beschreibt mann di sel nach der gleichnuß di si hat czu got als si von im gemacht ist vnd er ir scheppher vnd maister ist zo ist si ain geist-des lebens vnd geformt von got nach got da von erchennet man ain aigen- schaft der sel das si nicht wirt gemacht mit dem leib von der natur als der leib noch auz chainer materi oder sam si von got wirt ge- scheppht vnd ingegozzen dem leib darvmb daz si in erchukchet. Auch beschreibt man vnd chundet man di sel nach ordnung di si hat czu got als czu dem darvmb si geschaffen wirt, das ist di snellichait also di sel ist ain verstentiger geist der von im selber vnd mit seinem leib den er chukchet geordent ist czu der ewigen selichait. Da merkch ain aigenschaft der sel dar si ge- schaidnew von dem leib nicht allain selb von ainew mit den engeln got neuczzet si hat halt ganczew selichait mit sampt dem leichnam wann er wirt geewigt vnd chlart vnd glorificzirt. Die beschreibung vnd die bechundung der sel di vorbeschriben sint di sament Jo- hannes damascenus in ainem vnd begreift sew all mit der ainen vnd spricht in dem sechs vnd czwainczkisten capitell di sel ist ain lemptige substancz das ist ain selb besencz ding vnd ist simplex, das ist daz si gemacht ist auz ungeleichen oder menigen sachen vnd ist vnleipleich von natur von leipleichen augen vnsichtig. Si ist racionalis daz ist erchantnuf vbell vnd gut warhait vud jug Si ist auch intellectualis dez ist verstentichait gots vnd der -engel vnd ir selbs vad ander ding di aussern sinnen verporgen sind. Konrad von Megenburg -und jelne Seit. 9 Si ist auch infigurabilis daz ist daz si nicht leipleich gestalt ist noch glider noch leng noch varb noch leipleichen tail hat. Si suczet auch den leichnam czu iren werchen der haizzt organicum corpus daz ist ain leipleich sach di vil oder menigern tail hat der redleicher czw seinen besundern werich gehort als der pawm wurcz stain pleter rinten vnd chern vnd an dem tier glider die besunder- leich werich vnd ampt haben. Si geit auch dem selben leichnam merung sin vnd die kreft der merung, si hat auch in irer natur nicht tailang, denn di tailung di da intellectus haizzt daz ist ein lauterchait der verstantnuß der selb intellectus vnd die krafft der verstantnuß ist an der sel vnd in ir als das aug in dem tier. Si ist vrei mis irem willen vnd mit irer wal. si bat auch di crafft di voluntas haizzet, das ist daz si mag wellen vnd begern vnd ver- smechen oder widerstreben Si ist auch wurchung wann si di craft hat daz si wurchen vnd getun mag Si ist auch mit irm willen wanndelwer vnd wanchel also dez si in verchern mag von wellen ezw nicht wellen vnd herwider: vnd mag daz selb getun also daz sey nichts darcen twingt daz hat si alles von dem der si hat beschaffen, davon si hat daz si ist vnd daz si wol ist daz si wesen vnd gnad das spricht alles damascenus in dem vorgeschriben capitel. Das aber di sel sey in ir selb vnd in irem wesen vnd in irer natur, daz ist gar vngewis wan di alten philosophi manigerlay vnd widerwertige red da von habent geredet. Aristotiles in seinem puech sagt von der sel: Plato hat gesprochen anima est essentia se movens das ist di sel ist ein wesencz ding di sich selber rurt. - Pitegoras spricht daz di sel sey armonia das ist ain gute und ein edlew samung der den di ain süzzechait machent er maint aber ain samung di edlist von den elementen. Paphidonius haizzt di sel ydeam, daz ist ain form di wer an matery doch haizz wir ettwenn ydeas di pilder des gotleichen willen vnd der geleichnuzs aller creatur di all czeit auch vor der welt gegenwurtig ist gewesen da er d$ welt nach geschepht hat. Ezs haizzt auch ydea der vor- geund dankh des czimermans in seinem herczen da er daz czimer wach gestelt. Asclepites sprach, di sel sey exercicium quinque sensuum sive consonum, daz ist ain vbung der funf sinn vnd ain rechtew helung mit einander. Ypocras sprach di sel ist spiritus difusus per totum corpus tenuis daz ist di sel ist ain chlarer dinner vnd czarter geist der sich vberal hat geczogen in den leichnam. Eradius haizzt sey lucem et scintillam daz ist ain liecht vnd ain vanch. Damocritus spricht anima est spiritus insertüs archanus das. 92 Konrad von Megenburg und feine Zeit. ist di sel ist ain geist der in gephlanczt vnd geaint ist chlainnen , dingen di man chawm gesicht vnd ir ains nicht getailt mag werden von seiner chlain (fol. 4.) als dez in der sunn vert vnd darvmb das si geruer mag sein, sei ir leichnam aller durichsichtig als der luft davon ist si vnsichtig Permenides spricht ai sey aus der erd vnd ΔΌΣ dem feur Epicorus spricht si sey ain species vnd ain gestalt oder, ain natur aus dem luft vnd aus dem feur Ipertus spricht anima est vigor igneus daz ist ein fewreine chrafft nach dem sprich- wart igneus est vigor celestis illis origo der poeta spricht sew habent ein fewreine chraft vnd ain himelischen ursprung oder ainen annvanck. Seind di alten weysen zo manigvaltig vnd vngeleich sprechent von der sel woz si sey in irer ystichait vnd wesen sol vns genugen daz noch der heyligen lerer ler di sel ist anima est quidam spiri- tualis et racionabilis substancia ad visitandum et perficiendum corpus humanum a deo ex nihilo creata. Daz ist ain geistleichen vnd racio- nabilis vnd ain vernunftige. Daz ist verstantnuzs vbels vnd guter warhait vnd lug Substancia ist ain selb vesencz der ding vnd ist von got aus nichte geschepht darvmb daz si menschleichen leichnam schol chukchen vnd volpringen da von das si nicht ist ain substancg mag si wol genennen vnd enphahen widerwertige ding als das eysen nimpt hicze chelten liecht tunchel swarz weizs. Also en- phecht di sel chunst tumhait oder vnchunst tugent vnd. poshait Also daz ir naturleich wesen vnd ir substancz darvmb vnd davon wirt verchert noch geminnert noch gemert. Davon daz si geistleich ist hat si nicht leibs mag si auzzer sinn nicht begreiffen mit der chraft “ir bechantnuzs Si wirt auch nicht gepraittet noch gelengt noch gerecht nach dem leib in irem wesen, auch da von daz si ain geist ist. Si ist ainerley das ist simplex das si nicht czw einander chumen ist auz menigern sachen als liebleich ding als den vier elementen da von nympt si auch auzs irer natur nicht merung noch minerung. Si ist auch in ainem grozzen leichnam nicht ain merare sel noch ain minere. Also spricht Augustinus vnd wie daz sey daz si vnner- bandelte beleib in irem wesen, vnd sey simplex das ist ainvaltig an di menig der tail ires wesen si ist doch manigvaltig an irer chraft. Wann di menig der chraft macht nicht menig der natur vnd des wesen. Wann si vermag meligerlay chraft vnd hat manigerlay ampt vnd ist nicht grozzer in drein denn in ainem. Also erchennet man manigen aigenchait der sel noch irer chundung vnd noch irem wesen oder nach irer istichait vnd wirt sey pas erchennen mit der anzzerczichait ires namens. | Konrad von Megenburg und feine Seit. 93 Isidorus spricht das wart anima sey der sel des ersten geseczt von den haiden, si wolten wenen daz di sel nicht anders wer wenn ain wint vnd ein lut Darvmb daz wir in dem luft leben vnd in mit dem adem czu der nasen vnd czu dem mund in vnd auczs esiechen vnd also leben daz ist nicht gerecht. Wann di sel wirt dem leib vil ee ingegoszen den der luft wirt geaint oder gevangen in der muter leib da das chind lebt vnd di sel iren werch da er- czaigt als vil der leib ir vermag Wann das chind lebt vnd di sel iren werch da erczaigt als vil der leib ir vermag wann daz chind cze hant lebt als got di sel in dem leichnam gescheppht vnd gewzt vnd darnach vberlanch ademt di sel haizzt anima ab animando daz ist daz si selber lebt vnd den leichnam dem si ingegozzen wirt erchukcht volpringt vnd edelt. Si haizzt auz (auch) spiritus ain geist darvmb dez si in ir selben hat geistleich leben da si nicht narung czw be- dorff. Si hat auch daz leben daz si dem leib geit, davon si paidew mit einander leben vnd narung bedurffen. vnd auzzer sinn habent. vad daz naturleich leben wann sie hicz geit vnd macht den leib admen. Ex ist auch animus noster anima daz ist sel vnd mut ain ding noch dem wesen nur das animus haizzt di sel als vil si ratt phligt, aber anima haizzt des menschen sel als vil si tailhaftig ist chunst vnd tugent vnd lebens darvmb sprechent di philosophi Anima per- manet sine animo, daz ist di sel beleibt an rait, daz ist wann si beleibb vor vnd nach. Si haizzt muet animus di weil si in den menschen ist oder gedenkcht vbel vnd gut also haizzi si animus. Si haizzt auch mens dez ist di chraft da man mit wider gedenkcht vergangenern ding die ist in dem haubt. nach der sellen chraft haizzt der mensch imago dei wann er gedenkchen sol lang vergangener ding seiner schephung erlosung. Exzs hat di sel vil namen di als geleich sind nach der gebanhait daz man irer sinen fur den andern secz sam ob ez gar ain ander ding sey vnd habent ander vnd ander sach ir aufseczung vnd bedeutent all di sinen sel dach nach menigeren sachen. Si haizzt anima als-si lebt vnd leben geit vnd erchukchet, mens bedeutt als vil si vergangner ding bedenkt animus bedeutt als vil si bedenkcht vnd wil, racio bedeutt als vil si acht vnd erchennet. Spiritus bedeutt als vil si msg enphinden vnd versten vnd durch der aigenschepht willen der sel hat di chunst di der sel gestält ist. Wann di chunst ist in der eel vnleipleich als di hicz in dem eysen leipleich ist. di chunst hat ain namen sensus das bedeutt auzzer sinn aigenchleich da von er ist von der sel vnd der grünt der chunst ist von dem sinn, das 94 Konrad von Megenburg und {εἶπε Bett, allczs ist ysidori in dem aindleften vnd in dem dreuczechenten capitel, Von der sel chrefft. Nw hat di sel manigerlay vnd vil chrafft vnd ampt wi si ain vud sinvaltig sey in irem wesen wann si hat manigerlay ordnung czw manigerlay sachen Nach der ordnung mug man erchennen irew ampt werich vnd chraft. di sel ist geordent nach dem leichnam den si chukchet, si ist auch geordent czu den werichen di si wuricht oder den si chrafft geit Si ist auch geordent csu dem ende daz si vmb ist gescheppht. Als vil si geordent ist czw dem leichnam hatt si funf cbrefft. Di erst als Augustinus spricht haizzt sensualitas das hat nicht doütsch doch mag ezs haizzen ein sinnichait, als vil als si andern tiern mit vns gemain ist. vnd ist ein chraft der sel da si sich mit wegt, hebt vnd chert in leibleich sinn vnd in pegir der sache di den leib an gehoren. Vnd mit der chraft chert sich der mensch vnd das tir in di begir lustiger ding vnd fleucht schedleiche ding. Di ander chrafi haizzt sensitiva das ist haizzt enphindung auzser ding da di sel mit enphindet der ding der man enphinden mag vnd di leipleich sind in gegenwurtig sind. Di dritt baizst ymaginacio (f.6.) daz ist ain bedenchung da di sel mit siecht di form vnd di gestalt leipleicher ding mit gedeukchen vnd sind doch die selben ding gegenburtig. Di virde chraft racio das ist erchantnuzs vnd achtung wal guts pozs valschs vnd wars. Di funft baizzt intel- lectus das ist ain inrrew lesung intelligere est intus legere. vnd ist die chraft da sich di sel mit heft vber esllz das auzzer sinn begreiffen muegen vnd doch muez (sic) dew selben sachen ist vnd mit vleizz erchennent die sinn die auzzern sinn sind verporgen, als got vnd di engel da die weysen sachen dem himel vmb gen da verstunden si sich daz in etwer ruert. Die ersten drey chraft sind sensualitas sensus ymaginatio. Die sind in der sel als vil si dem leichuam ist geaint vnd er von ir hatt influzs des lebens inner vnd auzzen sind czw im volpracht. Si sind auch gemain tiern vnd leuten. Die lesten czwo chraft daz ist racio vnd intellectus die beleiben der sel dennoch als si von dem leib geschaiden ist, also des si sich nach irr natur angehoru mit dem leichnam vnd an in als si nur besundert von im als der engel. Vnd die selben czwo chraft sind czwo nach czwain ordenung. Chert sich die chraft mit der sel vber sich czu vnleip- leichen dingen mit erchantnuzs so haizzt si intellectus, chert si sich csu vergengleichen dingen mit achtung vnd. mit wäl haizzt si racio Konrad von Megenburg unb feine Zeit. 95 vnd ist ain chraft der sel in irm wesen als aber di sel wirt ge- ordent czu irm end da si beschaffen ist Also hat si drey chreft, daz ist racionalis des ist di ains bey dem andern erchennet als fewer pey dem rauch mit der chraft chert si in das war vnd in di warhait czu der chraft geleicht loyca sich der sey recht ΠΌΘΟΣ: also ist si ain. chantnuf des warn. Di ander haizzt concupiscencia dez ist ain begir da di sel mit begert hocher vnd grozzer vnd ewiger ding vnd versmehet di schedleichen. Also ist racionalis ain er- chentnuzs des warn, concupiscibilis ain begir des guten irascibilis ain flucht des posen vnd des argen. Nu-merckch di chreft als wir di recht auz nemen so ist ir isleichew | amtweder begreiffent vnd erchennent des warn oder begern des guts oder si begt (begert) vnd chert czu flucht des vbeln vnd des posen von der rationali das ist erchantnuss des warn da choment di sinn von wann si dar czw geordent sind von der di da wegt in di weg des guten daz ist concupiscibilis vnd fleucht schaden da choment vir aigenschaft der se! von die man haizt af- fectus oder affectiones vnd ligent der sel am geistleichen vnd sind in ir als leipleich vinster der nacht vhd liecht dem tag vad haizzent gaudium spes timor, das ist vrond geding vnd smerczen des herczen oder trawrichait vod vorich. Geding vnd vrond choment von begir des guten das ist concupiscibilis des wir begeren da haben wir geding csw. als ez vns wirt so haben wir vrond. Die endern czwo. das ist voricht vnd trawrichait oder smerczen des herczen choment .von der flucht des vbein, waz wir fliechen das furicht wir was wir furichten das hazz wir haz vnd voricht ge-. schiecht vo mit smerczen des herczen vnd mit trewren. Die Vier affectiones sind ain vnderstrew ain matery vnd ain grunt aller tugent vnd aller poshait darnach man sey laittet vnd czimert als man anderswo list vnd schreibt Augustinus in dem puch der sel mit dem geist do er es schon laet. Von der sel ordenung. Reden wir aber von der sel. darnach als si-ordenung hat czw iren werichen vnd zcw irer tat also hat si dreierley chreft vege- tabilem sensibilem racionabilem das ist die chraft di da geit wachsen vnd merung vnd gruenung dem leib die haizzt vegelabilis Sensi- bilis haizzt die chraft da di sel mit erchennet mit sampt dem leib waz die auzzern sinn begreiffent als sehen horen chosten smekchen vnd mit anrurn das greiffen haizzt vnd auch di inner erchantnuzs derselben sach als her chund wirt getan Die drit haizzt racionalig 96 Konrad von Megenburg und feine Zelt. oder intellectus das ist die da verstet allew ding als vor geschriben stet die nicht begreiffig sind von gemeinen sinnen vnd die hat der mensch vad ist den engeln geleich mit der verstantnuzs vnd merk daz halit ettwenn drei sel nach sind dreierlay leichnam den si geaint wern vnd ierew werich wuricht darinn die erst. Vegetabilis ist iu den pawmen chraut vnd gras. Die ander sensibilis die czu dem vnedlern sinn gehort vnd nicht czu der vernufft vnd ist in den tieren die sinn habent als wolf hunt. Di drit ist racionabilis des menschen sel die erst sel di gruenung vnd meruug geit, di geleicht Aristotelis ainer drichotten gestalt oder figur. Wann si hatt drey chreft oder drew tail die haizzent generativa nutritiva augmentativa daz ist die chraft cze peren ein sein leichzsam ez ist also, wirt nezzel von nezzel hunt von hunt. Vnd haizzt die perend chraft. Augmenta- tiva ist die chraft oder der tail da die sache praittung grozs vnd leng von hat dew sich da meren schol vncz an ir rechte grozz zu der czeit als ir natur hatt aufgesaczt vnd da von geleichent Aristo- teles di selben sel Vegetabilem einer figur di da haizzt drew eckh hab. die ander sel die da haizzt sensitiva die geleichent er einer virckkaten Wenn in der selben figur ain lini dwerchs aus ainem winchel in den andern get so bat si czwen driangell das sind czwo figur der isleichew drein ekk hat oder wenn si besleuzst in ir vnd hat der vordern drein sel chraft, Vegetative wenn wa sensibilis ist da hat si ell chraft di vegetativa hat da von gesprochen ist also waz di erst vermag als der richter vermag. Was der scherig ver- mag oder der abpt vnd prior ainer des anderen chraft vnd nicht herbider wann der munich oder prior oder der scherig vermugen nicht was der erberig vermag. Aber di edel sel des menschen di da haizst racionalis die vor beschriben ist vnd gemanichleich von damasceno die geleicht er dem czirkel. Wann der czirkel ist ain gar volprachte figur vnd ist auch irer (f. 6.) sei mer wagsent vnd innement wann chain andrew figur die winchlatt ist die in irer grozz sey vnd als di selb scheiblig figur ist wenn si leer vnd plozz ist mer den ein andrew also ist di sel. wann si geschepphet wirt plozz als ein geschabne tavel da man aufmaln vnd schreiben sol. Also malt man sey mit den chunsten vnd mit den tugenden. (Bibl. des bóhm. Museums i. g. 9.) —— — e c^ -» mm - Konrad von Megenburg und feine Zeit. 97 Beilage II. Aus einem deutſchen Officium ber fürftl. Bürftenbergifchen Univerfität zu Prag. Aller heiligiste vnd aller erlichstew vnd aller mildistew iunc- vrowe maria Ich vnwirdigew vnd sunderinne enpfilich dir mein wezen. mugen. vnd bechennen. leben vnd towgen. di gelegekeit vnd richtunge meines lebens. mein sel vnd meinep leichnam. vnd wan mir von gotes ladung chomt mein zeit, di ich vbergen nicht enmack so enpfilich in dem heiligew vnd emliczige barmherczicheit vod in di trewe di nw ist vnd immer wirt zwischen dir vnd deinem lieben son. di stat daz end vud di stvnd. meiner hinschidung vnd bit dich durich di lieb deines ainboren suns daz du mir an meinem lesten zeiten liplich vnd gutlich geruchst ze ercheinen den tivel vnd alle sein diener vertreib. O ckuniginne aller himel geweldiclichen von mir behuet mein sel di in daz iamerig fleisch gegozzen ist, behab mir von deinem lieben sun frist meines lebens vnd als fruchtbar bucz vnde wandelung an disen gegenwartigem leben daz ich von deiner gab di besuechunge vnd den trost, di ich mir bit se geschen an meinem lesten zeiten daz ich di mit guten werken mueg vor dienen di weil ich leb. Vrew dich du freud aller hei- ligen. wann von deinen wegen chomt der mensch ze der geselle- schaft der heiligen engel. erczaig mir dein begirliches antlictz e daz mein sel erlozet werd von minen leichnamen. bring mit dir sand michsel deinen erzengel. mit andern himelischen burgern der mit- wesen dir wol zimet. daz von ewrem angesicht di vinster schar der tewfel erschrek. vnd zcwar. di. abtrunnigen geist vnd alle vbel.zedringunge di entweich zelant verre von der gegenwurtichait deiner maiestat. Ich bite o kuniginne aller himmel daz si halt snellichen vor deinem antlictze vlichen vnd mich gotes creaturen dir frei vnd an alles fraisal lazen. Daz tue durich der barmher- zicheit willen mit der dw zu allen zeiten hilfest vnde si troestest. di dich anruefen. Amen. Dem der man vnd div sunne dienent zv allen czeiten den treit der maid bambe begozzen mit der himlischen genad. Des wundert div werld daz ein mait ist swanger si enphiench in durch daz öre si gelaubet mit dem herczen vnd gepar in maid wesent. Theol. Quartalſchrift. 1856. 1. Heft. 7 98 Konrad von Megenburg unb feine Zelt. Heiligev mueter der gab in deines bouches arche beslozzen ist der die werlde vmb vahet mit einer hant. Du bist gesegent von dem himelischen boten swanger von dem heiligen geist von deinem bouch ist er chomen des alle diser werld .gegeret hat. Dich got lob wir dich herren bit wir. Dich ewigen vater ert allev erd. Dir singent allev engel. di himel vnd alle div chór. Dir 'singent cherubin vnd seraphin. mit vnczergenclicher stimme — Hei- liger. heiliger. heiliger herregot sabaoth. Vol sint himel vnd erd deiner genaden. Dich lobet der erber chor der czwelfpoten. vnd die lobleich, schar der weizzagen. Vnd daz schön her der marterer Dich nennet di heilige christenheit vber alle div werlde. Den vater der grozen magenchreft. Vnd deinen vorchtsamen einborn waren sun. vnde den tröster dein heiligen geist. Du Christe bist chunic aller eren. du bist des vaters ein ewiger sun. Do du den menschen wollest erlozen Dir versmacht nicht in der maid bouch zv chomen. Do du den tot vberwunde do taet dw auf den geloubigen daz himmelrich. Do siczest zo gotes zesme in der er deines vaters. Wir gelouben dich gewaltigen richter. Darvmb bit wir dich hilf deinen leuten di du hast erloset mit deinem tevren bluet. Die ewigen freud morgengab vns mit den heiligen. Saelich mache here dein volch vnd gesegen dein erben vnd weis vnd höch si ewicleich. Alle taeglich schulle wir dich loben. vnd loben deinen namen von einer werld ze der andern. Beruech vns herre heut den tach an sunde behüten. Erbarm dich herre vber vns erbarm dich vber vns. Dein barmunge werd vber vns als wir dir getrowen. Wir getrowe ich herre daz du mich icht lazest ewicleich geschendet sein. Der Psalm: dixit dominus domino meo. Fürstl. Fürstenb. Offieium B. M. V. Fürstl. Lobkow. Bibel. (Raudnitzer Ms.) saec. XIV. . saec. XV. Der herre sprach zu meinem Min herre sprach minem her- herren. sicz her an mein czeswen ren sitz zu miner zesewe Vncz ich geleg dein veind vnder — Vntz ich gemache dine viende dein fuez zu einem schemel diner füße Di gerten deines gewaldes sen- Die rutten diner tugent, die Konrad von Megenburg unb feine Zeit. det got von syon. wis herre vber dein veind. Bit dir daz anegeng an dem tag diner chreft in dem schein der heiligen vor dem morgenstern han ich dich geborn Got hat gesworn vnd enreut in nicht du bist priester ewiclich nach der ordenunge melchisedech Got ist hei deiner czesme vnd hat gestoret di chvinge an dem tag seines czorns Er richtet in die werld vnd erfullt den val. er zeschuttet ma- Dick houbet in manigem Er trinchet des paches an dem wege. darvmb hat er daz houbet gehohet 99 sendet got von syon zw herschent, mitten diner viende. Mit dir ist das angende diner tugent in dem tag, in dem schin der heiligen ich gebar dich von dem libe vor dem tagsternen Der herre swor vnd ruvete in nit, du bist ein priester ewiclichen noch der ordenunge melchisedech Got ist zu diner zesewe er zerbrach in dem tage des zorns die künige Er urteilet in den geslechten vnd er erfüllet die velln er zer- knustet in der erden manger houbet Er- trincket in dem wege in dem bache. durch daz erhebet er sin houbet. Laudate pueri dominum. Lobet got ir chindelein. lobet vnsers herren namen Gotes nam sei gelobet. nu vnd immer ewiclich Von der sunn aufgank vncz an ir vndergank ist loblich ir nam. Hohe ist got uber alle leut. vnd sein er uber alle himel Der ist als vnser herre der in der hohe wont vnd diemutige dinch sicht in dem himel vnd auf der erd Er hohet den armen von der erd vnd hebt den durstigen aus dem mist , Daz er in secre ze den fursten vhd steten ze den fursten seines volkes Ir kint lobent den herren lobent sinen namen | Der name vnsers herren sy: gesegent, von nun unize iemer vnd iemer Von dez svnnen vífgang vntz an den vndergang ist des herren namen lobeliche. Got ist erhohet über alle diet, sin gunliche ist über alle die hiemel Wer ist alz vnser herre got, der da wonet in der hóhe vnd sicht an die demutigen in dem hiemele vnd in der erde Er erkicket den armen von der erde er richtet vff den durfftigen von dem miste Das er in setz mit den fürsten sines volckes 7% 100 Der da schaffet daz di vnber- Konrad von Megenburg unb feine Zeit. Der den vnberhafften dut wonen hafft sich frewt swanne si wirt in dem huse vnd dut frouwen kinde mueter. der kinder mutter, Cantica zachariae prophetae. Fürstenb. Gelobet sei vnser herregot wan er hat vns berucht vnd hat seinem volk losonge bracht Er hat vns des heiles czaichen aufgestacht in davijs hous seines chnechtz Als er gesprochen hat durch den munt seiner heiligen weizzagen von angenge der werlde Daz er vus hail gebe von vn- sern veinden vnd von allen den die vns haßent Er gehicz barmunge vnsern vaetern das wir gedenchen seiner heiligen geheize. Dein wares gelub daz er gelobt . abraham vnserm vater daz er vos gaeb sich saelben Daz wir an sorge vridlich im dienten. In heilicheit vnd rechti- cheit vor im an allen vnsern tagen Tu kint wirdest gotes weizzag gehaiben du verst vor seinem entlucz daz dw im seinen weck beraitest Daz du gebest des hails chunst seinem volchk zv autlaz ir sonden Durch di barmvnge vnsers her- ren gotes da mit er vns hat be- schowet der von dem himel ist entsprungen Lobkowits. Gesegent sy vnser herre ist les got wan er hat beschouwet und hát erloset sin volcke Und hat uff gericht das horne des heiles in davidcz huß sines kindes ᾿ Als er sprach durch den munt der heiligen siner wifagen die von angende sint heil von vnsern vienden vnd von aller der hant die vns haßeten Ze tunde erbermde mit vnsern vettern das er gedenke sines hei- ligen urkundes Des eides des er swure vnserm valter abraham daz er sich vns gebe Daz wir an vorchte von der bant vnser viende wordent erloset yme ze dienent In heilikeit vnd in gerechtikeit vor ym in allen vnsern tagen Vnd du kint solt eyn wißage heißen dez obersten gottez vud solt vor sinen antli gen das du ısn weg macosth Du solt geben die ckunst des heiles sinem volke zu ablas ir sunde Durch die adern der erbarm- hertzikeit vnsers gottes in den er uns beschouwet der tagstere von der hohe * Konrad oon Megenburg und feine Seit. 101 Der leuchte dich deir die in Erluchten den die in der vin- der vinster vnd in des todes sterniße vnd in dem schatten dez schaten siczent vnd cher vnser todes sitzent zu berichtene vnser fuezze an den weck des frides. füsze in den weg des frides. Mit todlicher clag bin ich vmbgeben vnd der helle smerczen habent mich bestenden. Mehr als Eine Thatfache von Wichtigkeit ergiebt (id) aus einer näheren Erwägung des dentichen Offictums unb ber Ueberſetzung ber Pſalmen. Zuerft ift es der ἔδιπίρε Ausdruck, welchen ter femitifche Ideengang hervorruft, verbunden mit einem eigenthümlichen Schwunge, einem Rhytmus, welcher in bem Wefen hebräifcher Poeſie und Dictton liegt und bem Latein des Mittelalters eine fo große Eigenthümlichkeit verlieh, daß der poetifche Hauch auch nod) bie deutfche Neberfegung durche dringt und belebt. Dann ift durch das beutfche Officium, welches für ben €. Gíarenorben bearbeitet wurde und, wie aus mehreren fehlerhaften Stellen hervorgeht, Copie eines älteren beutfchen Originales war, bie Meinung, welche jüngft nod Hofmann in ber zweiten Auflage des dentfchen Kirchenlieves S. 90 ausfprach, daß „die deutichen Nonnen täglicy fateinifd) beten und fingen mußten, ohne nur etwas zu verftehen“, binlänglich befeitigt und die Entfiehung des Kirchenliedes, welche der erwähnte Gelehrte dem aus diefer Unwiſſenheit hervorgegangenen Bedürfniſſe zufchreibt, fid) durch deutfche Bücher und Lieder zu erbauen und zu belehren, wird anders motivirt werben müffen. Da nämlich das Dfficitum wohl regelmäßig eine Ueberfegung der einfchlägigen Hymnen jedoch in Proſa enthält, wird einerfeits Alter und Gebrauch beffelben conftatirt, und beweifen, bag daſſelbe bem Gebrauche der deutfchen Hymnen, refp. ihrer Abfaffung vorherging, und anbererfeits Klar gemacht, daß ble poetifche ueberſetzung bie fpätere war. Sie ſchloß fid) am den allgemeinen Auf ſchwung des chriftlichen Lebens im XIV. Jahrhunderte an. Und wenn Ießteres als in argem Berfalle bargeftellt wird, fo ift aud) diefes nur zum Theile wahr. Das Zeitalter der Myſtik war es, welches eine Durchs bringung bes öffentlichen Lebens mit den Principien des Chriſtenthums zuerſt aufgab und bei der üblen Geflaltung beflelben nicht fowohl den Berfuch wagte, es umzugeitalten, als vielmehr dem Einzelnen ben Ge: danfen einflößte, nur fid) felbft zu retten. Die unglüdlichen Zeiten Zub» wig b. B., in welchen bie beiden einflußreichften Orden fi) fpalteten 102 Konrad von Megenburg unb feine Zeit. und befehdeten, raubten bem regulären Elerus die Möglichkeit, auf bie Maſſen einzuwirfen; ber höhere Gferus war verweltlicht, umb obwohl e8 auch damals an einzelnen tüchtigen Bifchöfen nicht fehlte, traten doch fdjon die Gapitel hemmend entgegen, fchlug das Apelsintereffe durch unb ſchied fid) bie Anzahl derjenigen, welche es teblid) mit der Kirche meinten, von der großen Mafle derjenigen aus, welche die Welt an fij geriffen batte. Wie fi die Jünger ber göttlichen Weisheit von jener Schaar wieder abfonderten, ftanbem die kirchlich firenger Gefinnten diefen gegen» über da. Der Separatismus, das Konventifelwefen — immer und überall ein fehlimmes Zeichen — hatte begonnen. Aber während aus biefem nachher der Verſuch hervorging, in Welfe des Utraquismus eine Kirche ἐπ ber Kirche zu erbauen, war in biefen Kreifen wenigftens anfänglich ein großes inneres Leben und es fam eben nur barauf an, daß baffelbe auch in bie von blefer Richtung aufgegebenen Kreife hinüber geleitet würde. Diefes verfuchten bie großen Bifchöfe unb Erzbiſchoͤfe jener Seit, wie ein Arneft von Pardubitz, bie die Myſtiker zur fBetbeiligung an ben praftifchen Fragen zu gewinnen und baburd bie doppelte Gefahr der Verweltlichuug ber Kirche wie des Separatismus zu befeitigen ſtrebten. Endlich muß in Betreff des oben Berührten noch auseinandergefeht werben, daß ble Ders ſchiedenheit ber Ueberfegung der Pfalmen im DOffictum und ín der Raud⸗ niger Bibel von felbft auf eine mehrfache Bearbeitung deflelben Gegens ftandes hinweist unb fomit die erhöhte Thätigfeit auf biefem Gebiete beutfunbet. Beilage III. Die Weißagung über Böhmen. Der minner prueder orden [het erzogen] ainen man dem het got getan gnaden genuoc an pfeflicher chunst was er chluoc man sach auch daz er waere e ain gar guot predigaere christenlicher ler, vnd waz an siner predig er chunftiger dinge seit daran hat man die warheit sit Konrad von Megenburg unb feine. Zeit. genzlichen funden. — do man nach christes geburt der jarzal spurt zwelfhundert jar vnd funf vnd funfzig forwar, do fuor er hie durch diu lant prueder perchtold was er genant; von dem ich han vernomen, do er hinze Pohem was chomen do truoc gewalticliche in demselben chunicriche wol vnd schone zepter vnd chrone der chunic mit dem ainen augen an siner predig sunder laugen der selb prueder do jach: we dir pehem vnd ach Dein er vnd dein gewalt Wirt noch ab gerzalt Untrew Ew das erwirbet Wenn diser Kunig erstirbet So wirt ain kunig drat Der vil gewaltes hat Derwirbet, so daz er zu lesten In seinen wirden den pesten Verlewset den leib, Doch gepiert im sein weib ainen sun fruet, . der alles das tuet Das pilleich pehait Got vnd der christenhait vnd demselben man vil land werdent vndertan, Des Leib auch chlunger | Stirbt auch also junger So we dir Pehem awe! Darnach gevinst du nimer mer Gewaltiger Chunig dehein Chuniglich klain Gewennet nach dem zil 103 104 Konrad von Megenburg unb feine Zeit. Pehem lant vil Der gewalt vnd chraft for dy frist Chuerz vn! vnverhaft ist. Ir Pehem nu dar Welt jr also machen war Prueder Perchtolds Weißagen So wil ich got klagen Daz ewer dhainer ye genas Do der streit an der march was. offer. 1. Mecenfionen. 1. S. Caecili Cypriani episcopi Karthagiensis et martyris libri de catholicae ecclesiae unitate, de lapsis et de habitu vir- ginum. Ad codd. mss. vetustissimorum fldem recognovit et adnotatione critica instruxit J. Georgius Krabinger. Tu- bingae 1853 in libraria Henrici Laupp. XVIII u. 183 ©, in 8. Preis: 1 fl. 21 fr. Unter den chriſtlichen Schriftftellern der afrifanifchen Kirche ift ber Zeitfolge nach Eyprianus ber zweite. Wenn wir nad) feinem Berhältniffe zu feinem Vorgänger fragen, fo ift fofort einleuchtend, daß in Bezug auf geiftige Ber gabung dem originellen Tertullian weitaus der Vorrang gebührt. Waffen wir aber die Eigenfhaften ihres Herzens und ihre Beziehung zur Kirche im Auge, fo fällt unbedingt Cyprianus die Palme vor jenem zu. Ging ja, man vers zeihe uns den Ausdruck, dem vieredigen Tertullianus jene mit Standes gemäßem Ernſte gepaarte Milde und jene Liebenswürbdigfeit des Charakters ab, die wir an Eyprianus in fo hohem Maße bewundern, bie feine Lefer fo fer an ihn feffeft. Jener ließ fid) weiter, mit fid) felbft in Wider⸗ fprud) und von fi felbft im Voraus lángft - widerlegt, von ber glatten, fdjónen AußensSeite der Lüge — denn 106 Krabinger, Cypriani opera. das ift in ber That der einzig richtige Name für jedes Schisma und für alle Häreflen — verleiten, bethören, und ſchloß die Kirche verlaffend dem fcheinheiligen Montanus fid an und beffen Ränfe reichen Weibsbildern voll blinden Glaubens in deren trugvolle Prophezeiungen. Diefer hingegen, der Kirche treu, wurde vom Herrn der hohen Ehre des Mariyrthums gewürdigt. Die Geiftes-Producte des Martyrbifchofes von far; thago genofen mit Recht zu allen Zeiten in ber. Kirche einer hohen Achtung. Daher haben fi denn aud) feit der Erfindung der Buchdruderfunft der fritijden Wieder- herſtellung und Erflärung feiner Schriften, natürlich mit ungleihem Erfolge, Männer von tiefer Gefebrfamteit, hohen Berdienften, großem Namen zugewendet. Es genügt ihre Namen zu nennen: ein Latinus Latinius, ein Jacobus van Pamelen, ein Rigaut, der für bie Förderung biblifcher unb patriftifcher Studien bei feltener Uneigennügigfeit fo opferreid)e Würdenträger ber englifchen Hochkirche, Gellue, ein Baluze und zulegt Goldhorn. Unter diefen haben fid) unbeftritten der Philologe von Biterbo und Baluze 3) weitaus die größten Verdienſte um Eyprianus erworben. Ban Pamelen dagegen hat burd) fein zu großes Vertrauen in feine interpolirten Handfchriften ihm mehr gefchabet als genügt, obwohl dadurch nicht ausgefchloffen wird, daß er an vielen Stellen das Wahre getroffen hat 3). 1) Prudentius Maranus vollendete nach Balnzes Tode deſſen Aus» gabe. Der von Baluze gefammelte Fritifche Apparat war guten Theile verloren. gegangen, wie wir von Maranus im Vorworte vernehmen. 2) Der Gober, bem van Pamelen meiftens folgte, dürfte der fein, ben er „Collegio Societatis Jesu* in Brügge fchenfte. Diefer befindet ſich itgt in ber Brüffeler Bibliothek und trägt nach ber abgefchmadten Weiſe, in der man bie Handſchriften biefer Bibliothetef numerirt Dat, bie Krabinger, Cypriani opera. 107 Ungeadhtet aller biefer höchft danfenswerthen unb für ihre Zeit unb ihren Zwed vielfach vortrefflihen Leiftungen [εἰ dem Erfcheinen ber erften Ausgabe bis auf unfere Tage herab (bie. Migne’sche Kladd⸗Ausgabe, als aller Bes afjtung unwerth, bleibt. natürlih ausgeſchloſſen) madte fb für bie gründlichen Kenner des Cyprianus das Bes- bürfniß einer Ausgabe, wie fie nur ein in der Philologie durchaus erfahrener unb in den Schriften der Väter ber Sumer 1052 und 1053.. Am Schluſſe tiefer. Pergament « Handfchrift bé XH. saeculi lefen wir in Gapitalfchrift: „Hoc Heremannus opus statuit vir relligiosus Ductus amore dei sancti quoque Pantaleonis Bene te op (da8 Uebrige ift auégefragt) et posthac sedes equiei.“ Andere Handfchriften berfelben Bibliothek (inb bie Nr. 1075 „per manus fratris Jacobi de ligno*; bie Nr. 9370 „per m. Joem pis- calorem sers 1522 vixit. marie*; bie Mr. 706 ,Sctae Barbarae in Colonia ord. Carthus. ex legato magr. pauli de gerishem sacr. theolog. profess.“ saecul. XVI. unb nod) einige aubere, deren Befchreibung une bier zu weit führen würde. Diele Hanpfchriften der Kölnifchen Klöfter finden fij in Brüffel. Hier it auch bie Handfchrift (Nr. 9845— 9848), aus der A. Schot⸗ tué, freilich nicht ganz vollſtaͤndig und treu unb mit Beränderung der Reihen» folge der einzelnen Abhandlungen ben Gunobiué herausgab. Wir lefen mitten im Werke die Worte: „das laß uns“ (natürfid) eine SBemerfung für ben Order), „das verfteh ich nit." QGbenfo ift bier ber Gorer (Mr. 1651), aus welchen er die „Homiliae Eusebii Emiseni (?!?)* herausgab, wie eine Notiz von feiner Hand vorn in. der Sandfchrift uns lehrt... Gier finden fich gleichen Balls die Codices oder deren Abfchriften, aus ober nah denen Livinejus einzelne Werfe der Kirchenväter publicite. — Gier finden fich außerdem einige. vorzügliche Handfehriften anderer Kirchen» väter oder Schriftfieller als: von Gäfarins vom Arles, von Salvianus, Drofius, Sulpitius, Severus, Gregor von Tours, von Prubentius, des Victor, Bifchofs von Urtica (libri tres de vandalica persecutione in Alrica^ Nr. 1794) u. f. f., deren Beſchreibung hier nicht an ihrer Stelle fein wäre. 108 Krebinger, Cypriani opera. wanberter Dann zu ‚liefern im Stande ift, ftets fühlbarer. Daß nun ein Mann von folder klaſſiſcher Bildung und folhen Verdienſten um bie Schriften anderer Väter, wie Herr Krabinger, wenigftens zum Theile einem fofden Ver—⸗ langen entfprochen fat, dazu ift bem Eyprianus nur Glüd zu wüníden. Freilich fiebt man fid) im Vorworte vers gebens nad) einer Aeußerung um, bie uns irgendwie zur fügen Hoffnung berechtigte, eine nicht bloß ber Kritik, fondern aud) ber Eregefe genügenbe Ausgabe aller Gy; prianus’fhen Werfe von feiner Hand zu befigen. Was an Srabingers Ausgabe vor Allem mit Recht hervorgehoben werden muß, ift: daß er fid) einen möglichft vollſtaͤndigen aus der Vergleihung der Alteften und beften Handfchriften gefhöpften Fritifchen Apparat zu verfchaffen gefud)t und gewußt hat.” Diefe Handfchriften find bie von Krabinger felbft verglichenen: 1) ber cod. theolog. Wuerz- burgensis Nr. 145 membranaceus, saec. VII charactere longobardico diversisque manibus exaratus et in íis co-. dicibus qui in Germanicis asservantur bibliothecis, vetu- stissimus ac praestantissimus; ſodann 2) der Monacensis a (Clm 4597) olim Benedictoburanus Nr. 97 membranaceus, saec, VIIL diversis manibus scriptus, partim charactere Francico, partim Anglosaxonico. Die Varianten 3) bet Veronenfer Handichrift, bie mit linciat s Buchftaben ges ídjrieben unb bem saec. VI. oder VIL. angehören, hat et bem Rande bet editio Manutiana (Romae 1563 fol.) ent» lehnt, auf bem fie „a docto Italo saec. XVI ad scriptae* waren. Dieſes Eremplar gehört jegt der Göttinger Uni verfitäts-Bibliothef. An ber Vollftändigkeit und Richtigfeit biefer Varianten zu zweifeln, halten wir uns für voll fommen beredtiget; vgl. aud) nur ftrabingeró Note 15. Krabinger, Cypriani opera. 109 €. 38 unb anderswo. Was bie vierte ber Alteftlen und beften Handfchriften betrifft, fo fagt Herr ftrabinger bat» über pag. XV: „Sermone de catholicae ecclesiae unitate typis fere descripto exopteta mihi venit leclio varians e codice Seguieriano (ober Coisliniano) 185 (nunc in Suppl. Lat. 712) ab Eduardo Wölfflino Basileensi, juvene eru- ditissimo optimaeque spei, peritissime el accuratissime in meam graliam enotata.* | Diefe mit Uncials-Buchftaben 1) gefd)tiebene Handfahrift des 6. oder 7. Jahrhunderts, eine ber foftbarften, haben wir felbft behufs paläographifcher und biblifchseregetifcher 1) Die mit den Buchftaben des Tateinifchen Alphabets gefchriebenen Handfhriften find gefchrieben 1) mit GapitalsfBudjftaben, bie faft ganz biefelben find, wie ble unferes großen latein. Drud-Alphabetes. Sind diefe Buchftaben nicht regelmäßig, fo nennt man fie „literse capi- , tales rusticae.‘“‘ 2) Mit „Uncial⸗Buchſtaben“, welche fif von ben fo eben genannten hauptfächlich nur in ben Buchflaben A, D, E, G, ἢ, M, 0, T, V umterfcheiden. Shrer erwähnt ber hl. Hieronymus int Prologus zum Buche Job: „Habeant, qui volunt libros veteres vel in membranis purpureis auro argentoque descriptos, vel uncialibus (nt vulgo aiunt) literis onera magis exarata quam codices (man möchte verfucht fein zu vermutfen literis oneratos magis quam exaratos codices; inbef ift bie Hergebrachte Lefeart fignificanter). Mit biejen Buchftaben ἰβ à. B. bet oben genennte Gober in Brüffel, welcher bie Werke des Caͤſarius von Arles enthält, faft gang gefchrieben. 3) Gin die Schriften in „Eurfivs Schrift” gefchrieben, wie 2. B. einige Solia des genannten Gober ber Werke des Gäfarius. Diefe Schreibweile hat für Ungeübte Anfangs viel Schwieriges. Man findet fie nicht febr δάμβᾳ; inbeffen müffen früher viele Handfchriften mit ihr 'gefd)rieben fein, die fpäter mit anderer Schrift wieder abgefchrieben wurden. Nur burd) biefe Annahme, die wir, durch eine lange Erfahrung belehrt, mit zahllofen Beifpielen: als wahr zu erhärten im Stande find, laffen fich unzählige Verderbniſſe in den alten Schriftfiellern genügend, ja nur einglg und allein erklären. 4) Sind bie Handfchriften mit „Minusteln” ges ſchrieben, die doppelter Art find, je nachdem fie a) für gewöhnliche Hands ſchriften b) für diplomatiſche Actenftüde angewendet find. 110 Krebinger, Cypriani opera. ‚Studien vor etwa fünf Jahren vollfländig verglichen. Dbwohl wir unfere Vergleihung dem Herrn Routh in Orford fpäter überlaffen haben, fo ift und -gleihwohl nod) fo viel freilich für ganz andere Zwecke Notirtes übrig ge» blieben, daß wir bie von Krabinger mitgetheilte Gollation bier unb ba zu berichtigen und zu bereichern’im Stande (tnb. Mas nun zuerft jene Varianten betrifft, denen ein „Sic“ beigefügt ift, fo ift biefeó „Sic“ zu flreichen (weil die Handſchriften jene Lesarten wirklich enthält) an folgen ben Stellen, bie wir jet fo anführen, daß bie erfte Zahl die Seite, die zweite bie Linie ber ed. Krabingeriana be- zeichnet: 4, 8; 8, 5; 64, 16; 71, 11; 76, 3; 93, 12; 97, 9—10; 103, 6 u. 9; 112, 1; 118, 2; 123, 7; 124, 9; 142, 6; 144, 4; 148, 10; 154, 5 u. 12; 156, 1; 159, 10; . 160, 5; 164, 4. Das Lemma in der lleberfdjvift des Werkchens „De cathol eccl unit.“ ift alfo gefchrieben: „Incipit de catolic. aecclesiae unitate“; 8, 7 hat ber cod. ,magisterii^; 13, 5 ift zu lefen „in solitum*; 87, 7 Dat ber cod. ,remitte sin“, wo man. recent. nad) remitte ein Fragezeichen interponirt hat; 93, 1—2 man. recent. fat nur ,dni* beigefehrieben ohne et; 98, 7 ift das „sic“ zu fireihen und beizufügen, daß man. recent. „fe“ bei» geichrieben hat; 112, 11 Hat ber cod. „Sola illic.% Falſch find bie Varianten an folgenden Stellen an» gegeben, wir geben hier, was der cod. hat: 10, 3 „si oui . remegeritig“ (i it a pr. m.); 58, 10 hat er „quae cumq (recent. man. delevit q)* u. f. f.; 62, 6 „p 'agen- tibus^. a pr. m.; nur fat man. recent, das | etwas auf» gefriſcht; 65, 15 hat er „praecipitem (a m. pr.; man. recent. bat em durchgeſtrichen); 18, 4 ' Salisfactionés^ Krabinger,, Cypriani opera. 111 a m. pr.; man. recent. hat i nur aufgefrifht; 87, 5 „petit“ a m. pr.; „petit“ a m. recent.; 91, 15 ,permiltendum" ; n dig 99, 7 ,manibus immundis* a man. pr. (die Punkte geigen an, daß bie Buchftaben, über denen fie ftefen, zu tilgen find); 130, 2 für „si* war nod) Pla genug, fo daß wohl brei „si“ gefehrieben werden fonnten; 142, 5 inpu- dicarum lupanarum, insignia u. f. w. Uebergangen find 3. 9. folgende Varianten: 59, 4 „eadem met (m in met hat man. recent. geftridjen) ; 61, 12 dolorem qué^ (a m. pr.); 61, 16 ,reliquia^ (a m. pr.); 62, 4 „capulo memroris* (a m. pr.); 62, 9 „immunis“ (a m. pr.); 63, 9 u. 10 fat cod. a m. pr. ,sacerdotib.* unb ,ministris^; 81, 2 ift das „et“ nad) domini beige: fügt a m. rec.; 84, 4 „peccalis nos“ (jodann eine Rüde, wo tris von ber man. recent. beigefügt ift; 86, 9 „Mandant martyres aliquid fieri^; 96, 2 ,impiae* a man. pr.; 110, 6 fehlt „cum“ a m. pr. unb fie Bat ferner ,nostros ge- mitus vestros gemitus copulate^ a man. pr., die felbft (id ‚an biefer Stelle vieffad) verbeffert hat; 125, 1 „hae cau- lio^ a pr. m.; 128, 2 „sunt mundi hujus* u. f. f. — : In Bezug auf das vom Berf. im feitifdjen Apparate eingehaltene Verfahren können wir folgende Bemerkungen nicht unterdrüden. Zuerſt hätte nad) unferer Anficht eine ganze Menge von Varianten 1) ohne allen Nachtheil wegbleiben können, 1) Wir wiffen wohl, daß Herr Krabinger fi zu feiner etwaigen Rechtfertigung in diefer Hinficht auf ben Vorgang einiger der bedeutendften Philologen unferer Zeit berufen fónnte. Allein jeder Unbefangene wird mit uns feine Darime in den Worten des Senefa bezeichnet finden. „Me non cuiquam mancipavi; nullius nomen fero; multum magnorum virorum indicio credo, aliquid et meo vindico." 112 Krabinger, Cypriani opera. da fle nichts Anderes find, als offenbare Schreibfehler bet Librarii. Sabin gehören 3. B. att. für ait, hereses, palleum für pallium, blasfemetur, medella für medela, praphanus, - phiolas, exhomologesis karilas, vendicare u. f. f. Nach diefem Syſtem mußte 6, 15 aus cod. Coisl. ,cavenda* a m. pr. 62, 15 ,antde*, 85, 2 „occansum® u. f. f. u. f. f. erwähnt werden. Es genügt, fole Schreibfehler für fich behufs paläographifcher Zwecke zu notiren und je bei der Befchreibung eines Gober zu fagen, daß er biefe unb jene Fehler gegen bie Orthographie habe. Ein Mufter- bild folder unnügen Varianten ift ber bidleibige Lennep'⸗ ſche Heftodus. Wer viel und lange mit ber Unterfuchung von Handfchriften aus allen Zeiten und Ländern (id, wie - Herr Krabinger, befhäftigt hat, weißt ja, daß bie Librarii meiftens höchft untoiffenbe Menfchen waren, bie oft genug nicht verftanben, was fie fhrieben, bie oft nach ihrem Captus und auf ihre Fauſt meiftens — verfchlimmbefjerten. | ci» den Falls hätten faft alle Veränderungen, welche bie ver» befiernde Hand im cod. Coislin. vorgenommen hat, meg; bleiben fónnen. Wenn ed ben ibrariid vergönnt wäre, aus bem Jenſeits wieder auf die Erde zurüdzufehren unb unter uns zu leben und zu feben, wie genau alle ihre Stupiditäten in der „varielas lectionum* notirt würden, wahrlich fie würden an fich.felber irre werden. Die Einen unter ihnen würben fid, wie man zu fagen pflegt, vom Kopf bis zu den Füßen befehen und fid für höchft ges lehrte Leute Halten, welde fid) bie traurige Mühe geben müßten, nicht aus der Rolle zu fallen. In den Befonner neren unter ihnen dagegen würden Zweifel an der Ge⸗ Ichrfamkeit derer entftehen, welche bie von ihnen gefertigten $anb(driften vergleichen, und fie würden denken, baf Krabinger, Cypriani opera. 113 ihre Gollatoren nicht viel mit der Feder befchäftigt gewefen fein, oder daß ber gefunbe Menfchenverftand bei aller Gelehrtheit in denfelben von feinem richtigen Tafte Manches eingebüßt babe. Solche Pedanterie nennen wir, um uns eines ihm fo naturwüchfigen zwar berben, aber wahren — Ausprudes von Reisfe zu bedienen: „stercora librariorum adorare.^ Eine Ausnahme von bem Geſagten machen Wörter, über teren Schreib-Weife „adhuc sub judice lis est.* Dahin gehören 3. 3B. „suspitio* (= suspicitio), „setius* (= sécilius), „induliae* (= induitiae), ,contio* (= conventio), „convilium® (= convocitium, wie invitare = invocitare),' „litera® (= licitera vom Sansk. likh) u f. f. Ebenfo ift bei ganz verberbten Stellen eine Aus; nahme zu machen. 2) So febr wir c8 loben, daß ter Verfaſſer nad) den beften Handſchriften eine richtige Drihographie ber Wörter zu geben überall bemüht ift, fo ift bod) aud) hier - eine nimia diligentia. im Gitiren von Auctoritäten, wie 3. 98. für vaesanus, lethale, solitura, conisus u. f. f. übel angebracht. Wie Wenigen feiner €efer wird überdieß Wagner’s große Ausgabe des Birgilius, ober Sillig’s Ausgabe des Werkes vom älteren Plinius zu Gebote fteben 9? Dazu fommt, daß eine Grenze zwifchen bem zu Gebenben und Weg- zulaſſenden höchft fchwer zu ziehen if. Da z. 9B. für bie Schreibweife „neglegere“ mitten im Buche eine Gitat ans gegeben wird, warum dann nicht gleich Anfangs des Werkes ein Citat für „Intellegere* beigebraht? Wenn 1) Ebenfo Hätte der Lefer nicht auf Baluze's Ausgabe verwiefen werben follen. Was der Mehrzahl der Lefer nicht zur Hand ober leicht zugänglich if, darauf muf im Allgemeinen behufs weiterer Belehrung nicht verwiefen werben. θεοί. Quartalſchrift. 1856. I. Heft. / 1 114 Krabinger, Cypriani opera. man für bie Schreibweife ,optinebat^, ,quorumdam* ein Eitat giebt, marum ift denn nicht aud) y. Ὁ. für bie von „genetrix“ etwa auf gadmann'é Erörterung in feinem Gommentar zum Qucretius verwiefen? Und wenn S.-30 Note 11 für bie fehlerhafte Schreibweife des Mb „ex- cedit^ nod) gar der codex Amiat. der Vulgata citirt wird, fo iff baó, um eó geradeaus zu fagen, eine ,putida et umbratilis diligentia, denn an beiden Stellen haben bie Lihrarii gefündigt. Daß Hieronymus des Apoftels „ex- πίπτει" mit „excedit* follte wiedergegeben haben, „credat Judaeus Apella^! — Und wenn GC. 119 Note 12 aus Ma „neglegeris® [üt ,neglexeris^ (was cod. Coisl und die andern codd. haben) aufgenommen ift, fo werden wir ungeachtet des Eitates von „Freund's Wörterb. Ὁ. [at. Spr. in h. v.^ bie Schreibweife für einen groben Schniger des Librarius von Ma halten, ben Herr Krabinger nicht in den Text aufnehmen durfte. 3) Koͤnnen wir uns nicht mit der Schreibwfife einiger Wörter, wenn aud) Wagner’s unb, weiß Gott, meffen Auctorität fonft nod) angerufen wird, einverftanben er» fláren. Dahin gehört 4. B. bie Schreibweife ,condicio*, an beffen Ableitung von ,condicere^ nur ein Orammatifus wie Zumpt, benfen fonnte. Es fommt von condere und (ft zu ſchreiben „conditio* = σύνϑεσις. leihen Falls muß gefchrieben werden ,nunciare^, ,renunciare^ u. f. f. Was wir 4) vermiffen, höchft ungern bermiffen, find Fac⸗ſimile's ber Handſchriften, deren Varianten dem kritiſchen Apparat eben biefer Ausgabe fo großen Werth geben. Aus Furcht nad den vorangehenden Erörterungen burd) Mittheilung von Gonjecturen über einzelne Stellen N Krebinger, Cypriani opera. 115 unfern 2ejert läftig zu fallen, nehmen wir bavon Diet Orts ein Abfehen und verjegen uns ftatt beffen auf das Realgebiet. Vielleicht wird in Manchem durch einige ber» artige Bemerfungen dad Verlangen rege gemacht, den Cyprianus in feinen Schriften näher fennen zu lernen. Was jedem aufmerffamen 2efer der Werfe des hi. Biſchofes höchft befrembenb fein wird, ift, daß à. B. ein Fellus und Andere, die nicht der einen und einzig wahren fatholifchen Kirche angehörten oder angehören, und welche ben Cyprianus wiederholt unb mit folder Genauigfeit durchlafen, zur Einfiht ber Falſchheit ihrer Gonfejfton und der Unhaltbarfeit ihres Standpunktes nicht famen. Mit wie großer Einfachheit unb bod) fo tiefer Aufs faffung (egt er uns bie Einheit der Kirche vor Augen! Wie furg und treffend bedt er ung bie Lebens-Unfähigfeit der Schismen und Häreſten auf. „Avelle radium solis .a corpore, divisionem lucis unitas non capit; ab arbore frange ramum, fractus germinare non poterit: a fonte praecide rivum, praecisus arescit.^ „Quicquid a matrice discesserit, seorsum vivere et spirare. non poterit, sub- stantiam salutis amitti.^ Kann man draſtiſcher bie Folgen des Abfalles von ber „una Christi ecclesia, ^ von bet „una Petri cathedra^ bezeichnen als Eyprianus in den 9Borten thut: „Nutet necesse est el vagelur, et spiritu erroris abreptus, velut pulvis, quem ventus exculit, ventiletur: nec ambulando proficiet ad salutem, qui salutaris viae. non tenet veritatem^? | ,Quam vero unitatem servat, quam dilectionem custodit aut cogitat, qui discordiae furore vaesanus ecclesiam scindit, fidem destruit, pacem turbat, caritatem dissipat, sacramentum profanat^? „Bei Syenen, die ba „dei traditione contempta alienas doctrinas adpe- g* 116 Krabinger, Cypriani opera. tunt et magisteria humanae institutionis inducunt (tie: bie englifche Hochkirche, die Augsburgifche Gonfeffto u. f. f.) „voluntas tenetur in scelere*, die „multos secum trahendo decipiunt^, bie da periculum plurimorum* find, ihrer Seelen Seligfeit verluftig zu werden. Ein folder ift „si extra ecclesiam fuerit occisus“, fein Martyrer; „ad ec- clesiae non potest praemia pervenire.^ „Esse martyr non potest qui in ecclesia non esl, ad regnum pervenire non poterit qui eam, quae regnatura est, dereliquit. „Macula ista nec sanguine abluitur. Inexpiabilis οἱ gravis culpa discordiae nec passione purgalur.^ O hartes Wort! Ὁ bittere Wahrheit! Was fann ben Menichen zu fo heil« Iofen Schritten verleiten? „Hinc haereses et factae sunt frequenter et fiunt, dum perversa mens non habet pacem, " dum perfidia discordans non lenet unitatem.^ Schaue bin, geehrter Qejer, auf Photius, M. Gàrulariuó, tie Häre- fiarhen aller Seiten! — O tröftendes und erfchredendes Wort zugleih! „Nemo existimet bomos de ecclesia posse discedere. Triticum non rapit venlus, nec arborem solida radice fundatam procella subvertit. Inanes paleae tempestate jactantur, invalidae arbores turbinis incursione vertuntur.* Wer fann fürge und treffender unb natures getreuer ben Proceß des Abfalles von der Kirche (diilbern, die Handlungsweife jener über alle Maßen verabfcheuenss würdigen Abtrünnigen gegen bie Kirche barftellen, ihre Mittel, Anhänger ὦ zu gewinnen, zeichnen, als es von Eyprianus geíd)eben ift? Magis ac magis adversario saeviente error fallit, extollit stupor, livor incendit, cupi- ditas excaecat, depravat impietas, superbia inflat, dis- cordia exasperat, ira praecipitat.^ Tumens in peccato suo et in ipsis sibi delictis a matre filios segregal, oves a Krabinger, Cypriani opera. 117 pastore sollicitat, dei sacramenta disturbat, cotidie peccat.* Weiter: „Adversus sacerdotes Christi facit, qui se ἃ cleri ejus et plebis socielate secernit. Arma ille. contra ecclesiam portat, contra dei dispositionem repugnat: hostis altaris, adversus sacrificium Christi rebellis, pro fide perfidus , pro religione sacrilegus, inobsequens servus, filius impius, frater inimicus contemptis episcopis et dei sacerdotibus relictis constituere audet aliud altare, precem alleram inlicilis vocibus facere, dominicae hostiae veritatem per falsa sacrificia profanare, nec scire quoniam qui contra. ordinationem dei nititur, ob temeritatis audaciam divina animadversione punitur. „Cum evangelio Christi et cum observatione ejus et lege non stantes Christianos se vocant et ambulantes in tenebris habere se lumen existimant blandiente adeersario atque fallente, qui secundum apostoli vocem transfigurat se velut angelum lucis (nid)t immer jedoch, wie Luther’s unb Zwingli's befannten Befenntniffe von den Erſcheinungen, in denen er fid) ihnen zeigte, lehren) et ministros subornat suos velut ministros justitiae, adserentes noclem pro die, interitum pro salute , desperationem sub obtentu spei, perfidiam sub praetextu fidei, antichristum sub vocabulo Christi, ut, dum verisimilia mentiuntur, veritatem subti- liate frustrentur.^ — „Nec se quidem vana interpreta- tione decipiant, quod dixerit dominus: Ubicumque fuerint duo aut tres collecti in nomine meo, ego cum eis sum.“ „Corruptores evangelii atque interpretes falsi extrema ponunt et superiora praeter- eunt, partis memores el partem subdole com- primentes. Ut ipsi ab ecclesia scissa sunt, ita capituli unius sententiam scindunt elc. 118 Krebinger, Cypriani opera. Und fann enbfid) eine entiprechendere Bezeihnung für ihre babylonifhe Kirchen» Brauerei gefunden werden, αἱ bie von Eyprianus ihnen gegebene? Et cum haereses et schismata posimodum nali sint, dum conventicula !) sibs diversa constituunt. (jebe8 Wort ift hier bedeutungsvoll) veritatis capul atque originem reliquerunt.* Wie wahr unb für alle Zeiten gültig find feine Bes merfungen gegen die Mode⸗Sucht, gegen bie, trügt ung das Getádtnig nit, aud vom älteren Plinius fo vers abfheute und in der That ab[deulide Sitte, bie Ohren ju burdjbobren, um fie mit allerlei Zierrathen zu veruns giten (de habitu virg. cap. XL). Wie aller Beherzigung werth, was er (ibid. cap. 14 und 15) über die „balneas promiscuas*, wie fie 3. B. zu Dftende und anderswo Statt finden, voll heiligen Unwillens, wie zarter Sorge für bie Sungírauen fagt? — — — Vom Herausgeber fcheiden wir mit bem Wunfche, der Bitte, Cyprianus Werfe in einer voll(tánbigen Aus- gabe zu unà zu liefern, vom Lefer in der Hoffnung, daß unfere Bemerkungen einer beifälligen Aufnahme fid) feiner Seits erfreuen werden. Drud und Papier find gut; ber Preiß mäßig. Dr. Rolte. 1) Der Blural ift befonders bebeutungévol(, ba er uns bie „varia genera“, die ,diversae: species“, die „dissensus“ recht bandgreiflich vor Augen ſtellt. Ebenſo bevient fih aud) Jeſus, der Herr, bei Mats thäus Kap. 24, Ders 26 des Plurald „er τοῖς τα μεζοις." Bautaln, Moral des Evangeliums. 119 2. Die Moral des Evangeliums in Vergleich mit den ver- ſchiedenen philofophifchen Moralfyftemen von f. Bautain, Generalvicar und Promotor der Diöcele Paris. Aus bem Sranzöfifchen überfegt von 3. fH. Gaißer, Prieiter der Didcefe Rottenburg. Tübingen, 1856. Verlag ber $. Laupp’fhen Buchhandlung. Preis fl. 2, 24 fr. Der berühmte Abbe Bautain, ber vor einigen Jahrs zehnten als Lehrer in Straßburg bie allgemeine Aufmerkſam⸗ feit (o febr auf fi) z0g, hat nad) langer Unterbrechung vor einigen Jahren burd) ben Defan der theologiichen Fakultät in Baris -und befonders durch feinen Erzbiſchof fid be: ftimmen laffen, ber alten mit fo viel Ruhm behaupteten Laufbahn fid) nod) einmal zuzuwenden und an bet Sorbonne einen auferorbentliden Curſus über Moraltheologie zu eröffnen. Wie wir hören, hat fid) um ben berühmten Mann von bem erften Augenblid an, da er bie Lehrfanzel wieder betrat, aud) ein febr zahlreiches Auditorium gefammelt, und obwohl Bautain feine Vorlefungen, wie er uns felbft erzählt, nie zuvor ſchreibt, fondern das forgfältig Durchs mebitirte flet in impropifttter Rede unter alleiniger Bes nügung einer kurzen Skizze vorzutragen pflegt, fo hat e bod) bis zu biefer Stunde nicht aufgehört, feine Zuhörers fhaft, bie überdieß gewöhnlich bie verfchiedenften Elemente, “Gelehrte und Ungelehrte, Gläubige und Ungläubige, Laien und Prieſter, ja oft Bifchöfe in fid) begreift, zu der lebs baftefien Bewunderung unb zu bem ungetheilteften Beifall fortzureißen. 3n dem vorliegenden Werf bietet uns Abbe Bautain ben erften Cyelus feiner Vorlefungen, námlid jene, die 120 Bautain, er im Lauf des Jahres 1854 gehalten hat. Er konnte ſich zu dieſem Behuf eines authentiſchen Heftes bedienen; denn ſeine Vorträge waren alle ſtenographirt worden. Indeſſen bat es Bautain, als ihn ber námlide Wille, ber ihn auf bie Lehrkanzel ber Sorbonne geführt, zur Ver⸗ oͤffentlichung ſeiner Vorleſungen veranlaßte, bod) nicht vers fäumt, ben von bem Stenographen gelieferten Text einer zweimaligen Correctur zu unterziehen und erſt nachdem dieß geſchehen, beförberte er benfefben zum Druck. — Es iſt von Werth, bei Beurtheilung des Buches ſich an dieſe feine Geſchichte zu erinnern. Obgleich naͤmlich Bautain, wie er ung fagt, febr Vieles geändert, „um bie mündliche Rede zum eigentlichen Styl umzufchaffen”, fo athmet une bod) überall bie Weife eines freien und münblichen Gt» guffes entgegen, und wenn damit allerdings wefentlidh aud) bie Schönheiten des Buches zufammenhängen, fo vers . banfen wir es doch auf der andern Seite biefem Uniftand, daß der Styl nicht nur fo gern in begeifterte Declamation übers geht, fondern auch nicht felten in jener forglofen franzöftfchen Art fid) bewegt, neben ber bie bei ung uͤbliche Liebe zur Praͤ⸗ eifton faft wie eine Scrupulofttät erfheint. Wer ſich erinnert, wie das Buch entftanden, wird das Eine wenigftene natürlich finden und das Andere nicht gar zu übel aufnehmen. Aber was ift es, was Bautain in ben 14 Vorlefungen, bie er veröffentlicht, zu entwideln geftrebt bat? Sie bilden Nichts mehr als eine Einleitung in die eigentlide Moral. Was ber Verfafler in berfelben erreichen will, ift, fid ein fiheres Fundament für feine moralifchen Vorträge zu gründen, b. i. den Beweis Derguftellen, daß bie hriftliche Sittenlehre, nod) ganz abgefebem von ihrem eigentlichen Detail an fid) bie wahre fei. Der Lefer hat alfo von unferem Moral des Evangeliums. 121 Buche nicht etwa eine einläßliche Entwicklung der chriſt⸗ lichen oder im engſten Sinn gefaßt evangeliſchen Grund⸗ füge, ſondern weſentlich eine Apologie der Sittenlehre, wie ſie unſere heilige Religion aufſtellt, zu erwarten. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß ein ſolches Beginnen, nachdem es bis jetzt Sitte geweſen, der Dogmatik mit einer gewiſſen Ausſchließlichkeit eine ſolche Unterlage zu geben, aͤhnlich wie fte allein bis jetzt eine geſchichtliche Behandlung gefunden, überall nur mit Freuden begrüßt werden kann, unb wenn aud) Bautain bei feinen Vorträgen flet fpecififch franzoͤſiſche Zuftände im Auge hat, fo wird man bod) nicht anftehen zu behaupten, daß feine diß⸗ fallfigen Erörterungen einen allgemeinen Werth für fid) in Anfpruch nehmen dürfen. | Um aber ben Beweis für bie Wahrheit ber dift» lihen Moral zu führen, bemerkt B., öffnen fid) bem Lehrer mei Wege. Entweder zeigt er, daß biefe Moral eine geoffenbarte fei und entwidelt dann aus ihrer formalen Eigenfchaft al8 einer von ber Gottheit ftammenben Lehre die Bürgfehaft für ihre materiale Wahrheit; ober aber er fieht von ihrem übernatürlichen Urſprung vollfommen ab, tefleetirt nur auf ihren Inhalt, wie auf ben Inhalt jedes‘ andern hiſtoriſchen Syſtems und beweist, daß fte unter allen Syftemen durch ihre innere Vortrefflichkeit ben erſten Rang behaupte und bag wir fomit ihr als ber gefundenen Wahrheit zuftimmen müflen. Ὁ. entſcheidet ih für biefe leptere Methode als die philofophiichere und fomit diejenige, bie fid) für feinen gemifchten Zuhörer, fteid am beften eigne. Aber nad)bem man diefen Weg gewählt, bietet fid, wie εὖ uns (deint, wiederum nähers bin eine doppelte Möglichkeit dar, philoſophiſch vorzugehen. / 122 fBautatn, 98. felbft fagt am berfditebenen Stellen feines Buches, daß bie Moral ftets bie ftebrfeite einer beftimmten theos retifhen Weltanfhauung fe. Die wahre Moral wird alfo diejenige fein, bie ber wahren Metaphyſik entfpricht, unb fol dem Gbriftentbum die Palme zuerfannt werben, fo wird es nichts Anderes als ben Nachweis brauchen, daß eben es in feinen fittlihen Beflimmungen den SPrincipien ber wahren Metaphyſik, {εἰ e allein ober bod) am Voll⸗ fommenften, fatiöfacire, während bie übrigen Moralfyfteme mehr oder minder auf falfhe metaphnfifche Grunb[dpe zu⸗ rüdweifend damit ftd) ſelbſt verurtheilen. Aber 9B. ifl nidjt biefen Weg gegangen. Nicht in die Metaphyfik, fondern in das fittlide Bemwußtfein verlegt er das Kriterium, an bem er bie einzelnen Moralſyſteme mil. „Aus dem gefunden Sinn, bem Gemifjen und Glauben ber Menfchheit, bemerft er, au& der allgemeinen Mebereinftims mung bet Völker” [gt ſich unſchwer das Ideal ber Sittlich⸗ feit deduciren. Worin die SittlichFeit beftehe, fo argumentirt $B., das fteht uns Allen feft; aber wenn bem alfo ift, fo leuchtet aud) ein, daß wir an biefer fittlichen Sybee den beiten SBrobirftein für den Werth aller Gittenfpfteme be figen. — Jedes Syſtem wird unridjtig fein, weldes bie felbe verlegt und umgefefrt das das wahre, welches fie nicht nur als feine Vorausfegung .[onbern aud) als das. Ziel betrachtet, auf beffen Erreihung alle feine Beſtim⸗ mungen abzuzwecken haben. Bautain zeigt nun wirklid, daß alle hiftorifchen Syfteme dieſes fittliche Ideal entweder wenigftens nicht voll in fid aufgenommen haben, ober baéfefbe geradezu negiren; tag nur in ber chriftlichen Moral dasfelbe zur Anerkennung fomme, ja baf es auó Ihr und in einer wahrhaft verflärten Beftalt entgegenftrahle; Moral des Evangeliums, . 123 unb nun zieht er den Schluß: aljo if bie driftlide Sittenlehre unter allen die vorzüglichfte, biejenige, bet wir und zu unterwerfen haben. Dieß der allgemeine Jeeengang unferes Buches. Wir haben mur nod binzus ufügen, daß B. von der wahren Moral nicht nur biejeó wahre SBrincip, fonberm in zweiter Linie fofort auch bie Erfüllung einiger weitern „Bedingungen“ verlangt. Die wahre Moral, fagt $8., muß nicht zufrieden das fittliche Bentrum feftzuhalten, erftens aud) bie ſittliche Idee im betaillirte und klare Beftimmungen ausftrahlen faffen, jweitens muß fie den Menſchen das befte und fiherfte | Motiv zur Realifirung der fittlihen Idee und nidt nur dieß, fondern aud) drittens ihnen bie nothwendige Kraft dazu geben, und viertens endlih muß fie wahrhaft uniberfell fein, fie darf fid) nicht bloß an Einzelne wenden, fie muß Alle in den großen fittlihen Proceß hereinziehen und wirklich, Allen Alles fein. Bautain findet, daß bie chriſtliche Moral aud) biefe Probe allein vollfommen bes feb. — Es fei und geftattet, ehe wir zu einer concreten Darftellung der Bautainfchen Ideen fortgehen, diefes All» gemeine an feiner Beweisführung mit’ einigen Bemer⸗ fungen zu beleuchten. Zunächft erlauben wir uns bie Ans Acht auszufprechen, daß wir feinen der beiden genannten Wege, bie Wahrheit der hriftlihen Moral philoſophiſch ju bebuciren, weder ben erften, noch den weiten, für allein zu biejem Zweck ausreichend anzuerkennen vermögen. Sollte aber fe eine von beiben Methoden geopfert werden, fo geftehen wir gerne, daß wir einen fo geiftvollen Mann wie Bautain viel lieber nad) ber erften hätten greifen und in ihr fid) verfuchen feben. Das fittliche Bewußtfein bildet viel weniger, wie es und ſcheint, für bie philofos 124 fBautain, phifhe Deduction eine felbftftànbige Inftanz, als dieß mit den Refultaten einer metapbyfifden Unterfuchung ber Fall ift. Wie bem aber immer fet, jedenfals befriedigt bie Berufung auf die unferem fittliden Bewußtfein eins wohnende Idee als das ausſchließliche Kriterium in tiefer Unterfuhung nit. So hat e8 gewiß für jeden etwas 9Befrembenbeó, bei Bekämpfung 3. B. ber materia» (igifd)en Moral bie eigentlichen Angriffe des fcharffinnigen Verfaffers nicht auf die Grundlage diefer Weltanſchauung, bie ausbrüdliche oder thatfächlihe Leugnung der Gottheit ‚ und des Geiſtes überhaupt gerichtet, vielmehr bie officielle Polemif auf den Beweis befchränft zu fehen, daß biefe Moral in ihrer Spige (id) feindfelig gegen unfer fittliches Bewußtfein febre. Aber fo [ange bie Metaphyſik bee Materialismus nit auóbrüdlid) befümpft und widerlegt ift, bie ganze Frage vielmehr einfad) babingeftellt bleibt, wird Niemand, aud) wenn er nod) fo fügfam ift, fif des Gefübíeó erwehren, daß diefes angerufene fittlihe Ber wußtfein in der Luft ftehe und eine im Grund unbewiefene Wahrheit für dasfelbe in Anfprudy genommen werde. Umger fehrt erfcheınt e8 bei biefer Methode als cin nicht hinlängs lid) motivixter, ja al8 ein enormer Schritt, wenn uns ber Verfaſſer einfabet, auf hriftlihen Boden mit ibm zu treten unb ber erhabenen Moral, die uns hier geboten wird, unfere Zuftimmung zu geben. Wenn wir aud) fehen und aufs Klarfte überzeugt find, daß hier bem fittlichen Ideal unfers Herzens vollauf Genüge geſchehe, — bie theoretifchen Praͤ⸗ miffen, au& denen diefe Moral fließt, ftehen fo coloffal vor unfern Augen, daß, nachdem wir bod) einmal philofophifch tbátig find, an eine volle Befriedigung aud) nur im Sinne » des Berfaffers nicht zu benfen ift, folange jene Prämiffen Moral des Evangeliums. , 125 ung nicht irgend wie näher gebrad)t und geiftig vermittelt find. — Diefe wenigen Hindeutungen mögen genügen, um unfere Behauptung zu rechtfertigen, daß um ein mitt» {ὦ gelungenes Refultat in unferer Frage herzuftcllen, zum Mindeften beide Methoden einander gegenfeitig unterflügen folten. Freilich hatte der Hochverehrte Verfafler πο - Anderes als die Wünfche der Wiſſenſchaft, vor allem die Intereffen und geiftigen Verhältnifie feiner Zuhörer zu berüdfichtigen, und ohne. Zweifel entfchloß er fid) Dielen [egten zu lieb, der mehr experimentalen Methode, in der er ohnehin ídjon einmal früher unfern Gegenftand bes handelt, wiederum den Vorzug zu geben. Was die {ἐξ cundären Bedingungen betrifft, welchen bie wahre Moral genug zu thun Dat, fo beihränfen wir "uns auf die Bemerkung, daß und diefelben etwas zu äußerlich fefte geftellt zu fein ſcheinen; insbefondere find wir der feftem Meinung, daß jene Anforderung an die wahre Moral, au bie Kraft zum Vollbringen des Geíegeó zu geben — man ftebt, dieß iſt von B. nicht einmal ganz logiſch geſprochen — einer viel tieferen Begründung wäre werth gewefen. Aber davon abgefeben ift e8 uns an ber Darftellung etwas ſchleppend vorgefommen, ein Sys fem, das unmiberruflih íd)on wegen feiner Grundrichtung verurtheilt war, gewöhnlih aud) nod) burd) alle biefe vier Bedingungen Spießruthen laufen zu lafien. Wir werden Gelegenheit haben, über den Ort und auszu⸗ Iprehen, wohin nad) unferer Ueberzeugung fireng ges nommen eine einläßliche Erörterung über biefe f. g. Ber dingungen am Platz gewefen wäre. — Wir dürfen übrigens unfere Bemerkungen über die allgemeine Bes weisführung Bautain’s nicht ſchließen, ohne noch . auf Ι' 426 fBaütain, einen Dritten unb wie es uns ſcheint nicht unmidjtige fBunft aufmerkiam gemadjt zu haben. Der Berfafler geht, wie wir bereit6 angegeben und wie aud) aus bem Mitge- theilten einleudhtet, ausprüdlih auf ben wed aus, feine Zuhörer zu überzeugen, daß man ber chriſtlichen Moral und feiner andern feine Sufimmung geben bürfe. Alle Syſteme werden der Reihe nah verurtheilt und zuleht (läßt B. uns nur nod) bem Ehriftenthum gegenüber. Aber bleibt uns denn wirklich Nichts übrig, als, wenn wir einmal Wahrheit wollen, und biefem wunderbaren und geheim⸗ nißvollen Syſteme zu unterwerfen? ift. e8 eine Noth- wenbigfeit für uns, hier jeglichen Zweifel fallen zu faffen und zu glauben? — giebt e8 in Wahrheit fein Syſtem zwifhhen jenen falfhen und dem chriſtlichen, ein Syſtem, das meinem fittlihen Bewußtſein fatisfacizt, ohne einer übernatürlihen Ordnung anzugehören? Bautain muß offenbar biefe fegtere Frage, wenn er confequent fein will, befahen. Oder woher nimmt er denn Das Kriterium, an dem et alle fittlihen Anſchauungen prüft, wen nicht aus unferem natürlihden Bewußtſein? Wir hielten εὖ wenigftené für fehr ungerecht, bei jener Stelle, wo er die Quelle nennt, aus der er das fittlihe Ideal fhöpft, an eine irgend wie ben Sxabitionaliften. verwandte Auffaffung feitenó 2B. zu benfen. Wenn aber das Sybeal der Sittlich- feit ober was auf das Gleiche hinausfommf, die fittliche Idee bem menfchlichen Geift eingeboren ift, wie fann man dann leugnen, bag e8 bemje[ben aud) möglich ift, ihres nähern Inhaltes, fei e unmittelbar ober unter benfenber Bermittlung, Bbabbaft zu werben unb (o biefe Sbee zu einem Syſteme auszugliedern, weldje das ganze Leben mehr oder minder vollftiändig umfpannt? Alle Gyofteme find Moral bed. Evangeliums. 127 falfh, fo fann man B. entgegenhalten, weil fte den fttt: lichen Centralgedanken verlegen, über den nunmehr, Alle wie bu fagft, eins geworden find unb ber einer Gonne gleich aus bem fittlichen Bewußtfein der Menfchheit durch alle Umnachtung durchgebrochen ift, ohne je wieder unters gehen zu können. Wohlan, diefer Gedanke {εἰ es, unter beffen Schatten wir ruhen wollen; das Syftem, das wir damit erwählen, wird an deinem Kriterium nicht δι Schanden, ba es vielmehr baéfelbe zu feinem Princip er» hebt. Bautain kann tiefer. Gonfequeny und will ihr, wenn er gleich gegen die auf fid geftellte Bernunft immer noch etwas verflimmt fcheint, auch ohne Zweifel nit entgehen. Aber, bemerkt er gelegentlih, ba ihm diefer oder ein ähnlicher Einwand fih im Geiſte entgegen» Rellte, abwehrend gegen benjelben, daß ja eine foldje natür: life Moral, bie als Theorie unb in abstracto immerhin ihre Wahrheit babe, jedenfalls fid) unfähig ermeije, bie concrete Fragen des Lebens ausnahmelos zu löfen, ges Ihweige denn bie ganze Gefellidjaft zufammenzuhalten und iu regieren. Dieß [egtere bat. nun obne Zweifel viel Richtigkeit, obwohl wir uns nicht ganz in derfelben Weife gegen die natürlihe Moral erklären möchten. Wie bem aber aud) immer fei, wir würden es für feinen gerade überflüffigen Vorzug des Buches halten, wenn biefe ganze jo wichtige Stage einlüßlich behandelt unb befonders gezeigt worden wäre, was uns benn treibe, über eine bloß natürs lie Sittenlehre hinmweggufchreiten. Hier wäre bann aud, wenn uns nicht Alles täufcht, der rechte Ort gewefen, nachdem feitens der natürlichen Moral allerdings der principalen Forderung vielleiht im Allgemeinen Genüge getban, mit weitern Bedingungen herauszurüden und bes 128 Bautaln, ſonders hätte hier der Recurſus auf die zur Sittlichkeit aud) nothwendige Kraft von ent(djeibenber Bedeutung fid) erwiefen. Wir hätten eine foldhe Erörterung, abgefehen von der größeren Korrcetheit, bie baturd) wäre erzielt worden, befonberó barum gewünfht, daß der Schein vermieden würde, a[8 wolle der Vernunft nicht ba& ihr Gebübrenbe volífommen eingeräumt werden. Es ift bei einer uns befangenen Würdigung des natürlihen Könnens und qBifené im Menſchen fiherlih Nichts für eine Apo⸗ logie des Chriftenthums zu fürdten. Selbft wenn man nod) bie mehr metaphyfifche Methode außer ber von 98. befolgten zu Hilfe riefe, fo würde fid) und zwar zweifels- ohne aud) auf tiejem Wege eine natürfide Moral, fo zu fagen, unter der Hand confteuiren; aber wie wir oben fhon angedeutet, ließe fid) bier fo gut als dort bod) ber Beweis liefern, daß bie hriftliche Sittenlehre, zumal wenn jene Bedingungen hereingegogen werben, ben Orundfägen ber wahren Metaphiſik am reinften unb in gewiffer Weife allein voll und wahrhaftig entfprebe. Die Zufimmung, zu ber $8. feine Zuhörer fortzutreiben fucht, möchte fid) dann aud klarer formuliten, und weder al8 ein Sprung nod) ale eine firenge Nothwendigkeit erfcheinend, würbe (le eine Mitte behaupten, die in bem Buche vielleicht — und wäre ed aud) nur dem Scheine nad) — nad beiden Seiten überfchritten if. — — — Geben wir nun aber, indem wir auf die erhobenen An- fände nicht weiter zurüdfommen, daran, bie Beweisführung Bautains in ihrer concreten Ge ftalt zu befpredhen. Das Erfte was und bier ins Auge fällt, ift bie SBeftimmung des flttlichen Ideals burd) Bautain; nad) ihm offenbart fid) Moral des Evangellums. 129 dasfelbe in ber negativen unb pofitiven Gerechtigfeit und vollendet fid) im Opfer. Dabei ift offenbar das Verhaͤlt⸗ nig des Menfchen lediglich zum Nebenmenfchen berüdfichtigt und nicht nur bie Pflichtbeziehung des Einzelnen zu fid) felbft, fondern- befonderd aud) bie Krone der Gittlid)feit, bie ideale Stellung zu Gott aufer Acht gelafien. Als die Negation des fittlihen Ideals erfcheint der Egoismus, und confequent nur der Egoismus παῷ ber genannten Richtung. — Man fann, um biefe auf den erften Blick auffallende Gr[deinung zu rechtfertigen, nicht behaupten, baf bie fittliche Sbee, bie Bautain im Auge hat, nur bie von ibm nambaft gemadhten Momente und nicht aud) bie andern in fid) fehließe; wir berufen uns biebei auf εἶπε fhon früher gemachte Bemerfung. Und fo fcheint e$ denn, taf der geiftvolle Verfaffer zum Voraus einen febr ein» feitigen Standpunft eingenommen habe. Beim Lichte bes - iehen verhält ὦ aber bie Sache bod) anders. Wie die fte Idee felbft, fo ift offenbar aud) jedes Moment an ihr ein negatives Kriterium in bem Sinn, daß jedwedes Syſtem, welches nur Diefem einzelnen Punft feinbfelig fid) entgegenftellt, damit von felbft ὦ a(8 unrichtig erweist; unb Bautain mochte allerdings gerade bie ibeafe Beziehung des Einzelnen zum Nächften, wie fle in der fittlichen Idee fif ausfpricht, erwählen, weil baburd) bie Unterſuchung niht nur überhaupt fid) vereinfacht, fonbern weil biefe Seite ber Idee aud) am Leichteften zum SBerflánbnif unb pt Anerkennung gebracht und der Darftellung, die fid) darum bewegt, bie größte Popularität gegeben werben kann. Immerhin aber zweifeln wir nicht, daß bie 9tüd» fihten, bie ber SBerfaffer hier zu refpectiven hatte, zu bes Hagen find; denn wenn aud die Beweisführung auf Theol. Duartalſchrift. 1856. I. Heft. | 130 Bautafn, biefem Wege nidjt unrichtig wird, fo fann fle bod) aud nimmer erfchöpfend fein, und ba bie Lüge eines Moral⸗ ſyſtems gewöhnlich in der Beziehung culminitt, bie εὖ zwiſchen bem Menſchen und der Gottheit feftíegt, fo ift ihr zum Voraus fogar oft bie Möglichfeit genommen, aud) nur vom fittlihen Bewußtfein aus in der SBolemif das Schwarze zu treffen. Das fittlihe Ideal in der genannten Begrenzung wird nun von Bautain zum Maapftab genommen, um daran die großen hiftorifchen Syfteme zu beurtheilen. Zus etf wird die fenfualiftifche Moral, dann die Gefühlsmoral, fofort die Moral des Intereſſes, bann die bed reinen, weiterhin des transcendentalen Rationalismus, zuletzt bie des Scepticismus, Eflefticismus und Pantheismns be» handelt, allen aber endlich bie Hriftlihe Sittenlehre gegen» fübergeftellt. Die Abfolge, in bet biefe Syfteme hier aufge führt werben, hat nicht minder al8 ber faum angeregte Punct etwas Befremdendes. Nur einer kurzen Erwägung bedarf εὖ, um einzufehen, daß ble Diet nambaft gemachten Anihauungen auf das Mannigfachſte zufammenfließen, daß ihrer Aufzählung überhaupt Feine firenge Logik zu Grunde liegt. Allein man darf wiederum nicht vetgeffen, daß Bautain in feinen Vorlefungen überall practifche Zwecke verfolgt und fo ſcheint er denn aud) bie Forderungen, bie eine ängftliche €ogif hier ftellen möchte, praktiſchen Intereffen geopfert zu haben. Den Verſuch, den Bautain befonders butd) feine Bemerkungen über die Senftbilität an fid) und ihr Berhältniß zur Vernunft madjt, feine Gliederung wiffen- fhaftlich p retfertigen, halten wir deßwegen aud) für faum ernftlih gemeint. Um was εὖ Bautain zu thun war, baé war bie verfhiedenen irrigen Lebensrichtungen, Moral des Evangeliums. 131 bie gewöhnlich der Vergangenheit fdjon befannt aud) heute noch bie Schaubühne biefe8 Lebens beherrfchen, zu pore itaitirem unb zu beurtheilen. Daß aber biefe Richtungen nicht in einem ſtreng logifhen Verhältniß zu einander fieken, wird jedermann zugeben und war ἐδ einmal bie Abſicht des Verfaffers, in dieſer Weife practifch zu werben, jo müffen wir es ihm zum Werdienft anrechnen, daß er nicht pebanti[d) verfahren ift, unb einer bem Leben ents nommenen Gruppirung, das fieht Sebet. gleichfalls ein, fonnte aud) nur eine mehr auf das Aeußerliche berechnete Motivirung unterbreitet werben. Nah tiefen. Bemerkungen können wir nunmehr mit vollem Genuß bem Verhöre Taufchen, das der geiftvolle Abbe mit den einzelnen Eyftemen vornimmt. Die Grften, mit denen er fid) befchäftigt, find bie Materialiften oder Senfualiften. Ohne einen eigentlich fireng wiffen- ſchaftlichen Hintergrund, wenn aud) thatfächlih auf theo- tetifchen Praͤmiſſen fußend, fragt biefe Richtung in allen Faͤllen des Handelns nur ihre finnlihe Empfindung um Rath. Die Sinnenluft ift das Ziel, nach bem fte jagt. Es verfteht fid) von ſelbſt, daß Bautain von feinem Kriterium aus eine Anfhauung verdammt, bie den Egoismus recht eigentlich zu ihrem Mittelpunft hat. Folgt eine theilweis mit der vorigen verfchwifterte, aber viel fublimere Richtung : fie erholt fid) ebenfalls bei ber Empfindung, nur nicht bei bet-niebern, fenbern bei bem Gefühle Nathes, und’ hieher zählt Bautain bie fentimentalen Seelen aller Art. Auch fie erhalten einen verurtheilenden Spruch, weil das Gefühl, von allem Andern abgefehen, feine Autorität in fif trägt, um die Gerechtigkeit wie das Opfer ficher zu fielen. Befonders intereffant i es, was Bautain hiebei 0* 132 - - * fBautaln, über den Quietismus bemerft. - Um diefer wie τό ſcheint, immer nod) in Frankreich Tebendigen Richtung zu begegnen, entwidelt B. zuerſt den Begriff des Myſtiſchen überhaupt und das Wefen des wahren Myſticismus. Wenn in biefe Erörterung aud) einige ſpecifiſch Bautain⸗ (de Gebanfen, wie Jeder leicht finden wird, fid εἰπε mijden, fo rechnen wir fie bod) zu dem Schönften unb Vortrefflichften des ganzen Buches. Die Entwidlung des Quietismus παῷ feiner Gefdjidte und feinem Weſen offenbart uns überall das gründliche Berſtändniß diefer verwidelten Gríd)einung, unb fo fehr wir glauben, daß bie Stellung Fenelons in dem großen quietiftifchen ftampfe etwas mehr zu feinen Gunften hätte präcifirtt werben können, fo halten wir es bod) für Das Zeichen einer gefunden und unbefangenen Anfhauung, wenn $8. im Unterſchied von früheren Behandlungen Licht und Schatten nicht mehr fo ausſchließlich zwiſchen Fenelon und Bofjuet vertheilt. — 9tadjbem bie beiden genannten Richtungen abgefertigt, ruft Bautain bie Repräfentanten einer andern Weltanfhauung vot fein Tribunal, im Allgemeinen die Vertreter ber rationellen Richtung in der Gefellijaft. Die Moral der politifhen Köpfe mit ihrem Beftreben, ſtets Die goldene Mitte zu wandeln und mit bem unverrüdten Blid auf das eigene Intereſſe, müffen wir ale trefflich charakteri⸗ firt bezeichnen, wenn e8 uns aud) fcheinen will, daß eben die beiden genannten Merkmale diefer Moral etwas mehr, a[8 dieß gefchehen, hätten unter einander vermittelt werden follen. An viefen Punkt fnüpft Bautain aud) fhlagende Bemerfungen über das Erſcheinen diefer Moral auf bem Schauplah des öffentlihen Lebens, über bie bes tüdtigte Regierung des juste milieu. — Daß das fittliche » Moral des Evangeliums, 133 . Kriterium unſers Verfaſſers gegen biefe ganz felhftfüchtige, opferunfähige Richtung fid) erflärt, verfteht fid) von felbft; und nicht beffer ergeht e8 ber Moral be8 reinen Rationas. lismus. Gteigt bel ber vorigen Richtung bie Vernunft von ihrer Höhe herab, um in der finnlichen Welt fid) tDeoreti[d) und practifch zu verfeftigen, fo bleibt fie bier auf ihrem Throne unb in fid) felbft ben flttlihen Schwerpunft finbenb, gelangt fie zu einer Moral, wie fie hiftorifch im Stoicismus und im Fantifhen Syſtem aufgetreten if. Das Schöne an ber Stoa ift vortrefflih und wahrhaft glänzend ges fhildert. Dagegen halten wir die Darftellung des eigents lihen ftoifhen Syſtems nicht für ganz genau. Nicht fo faft ber SBiberfprud) zwiſchen ber Metas phyſik und ber Moral der Stoa ift es, was erörtert werden muß, als der Unterfchied zwifchen der foftematifdjen ftoifchen Moral und dem Stoicismus als einer Lebensrichtung. Wenn wir nicht ganz irren, liegt in dDiefem Punft bie Schwierigkeit und es ift bie Aufgabe zu zeigen, daß beide Seiten der merfwürbigen Grídjeinung auf das SBebeutenbfte von einander abweichen, aber andererfeits aud) in ihrem Ausgangs» und Endpunkt wieder einander berühren. — Die &antifdje Philoſophie ift von Bautain, foweit es für feinen Zuhörerfreis nothwendig war, erichöpfend, praͤcis und klar vorgetragen. Die Moral der Stoa wie des Kantianismus und noch eine dritte Richtung, die B. anfuͤhrt, die der ſouverainen Vernunft, finden keine Gnad vor der ſittlichen Idee, weil ſie jedenfalls alle auf das Opfer ſich nicht verſtehen. Nun aber zieht eine glaͤnzende Erſcheinung unſere Aufmerkſamkeit auf fh, der Platonismus oder das Syſtem des trans—⸗ sendentalen Rationalismus, Die Vernunft ers 184 Bautaln, ſchwingt fid) auf biefem Standpugft über fid) felbft, fie ift nicht mehr raison, fondern intelligence (ein fpecifiih Bau⸗ tainfcher Ausdruck), fie ift das Vermögen, burd) das wir bie Ideen erfaffen und mit diefer ganzen transcendentalen Welt in bie innigfte, wenn aud) vorzugsweis nur receptive und paflive Beziehung treten. fBautain fchildert uns das platonifhe Syſtem mit einer wunderbaren Barbengluth, dabei aber aud) mit einer meifterhaften Klarheit und Durchſichtigkeit. Wir fürchten nur, daß er etwas gar zu viel Licht in ben Platonismus gebracht bat und ſtimmen befonders nicht zu, wenn er ben großen griechiſchen Vhilofophen feine Ideen in eine fo lihtvolle Beziehung zur Oottheit ftellen läßt. Wir müffen überhaupt dem H. lleberfeger Recht geben, wenn er bee merkt, daß die platonifche Philofophie von unferem Ders faffer etwas gar zu günftig beurtheilt werden fe. — Uebrigens bie Probe vor bem fittlichen Kriterium hält fie bei ihm feineswegs aus; 9B. verurtheilt fie, weil aud) ihre Moral feine. Ahnung jener Liebe hat, bie im Opfer, wie in ihrem Elemente Iebt. Es folgen fofort nod) einige Syſteme, in denen ber Rationalismus fi abſchließt; zuerſt zwei baftarbartige Richtungen. der Vernunft, der Scepticiömug, der Alles aerwirft, und bet Efleftictsmus, der Alles bejaht und billig. Der Proceß ift beiden Syftemen bald ges madt, ba fie entweder gar feine oder bod) gar feine bes ftimmte Moral haben. Wir machen hier aber auébrüdlid) auf bie Föftliche und geiftreihe Manier aufmerffam, mit ber B. bei biejem Verhoͤr den Eklekticismus geißelt: εὖ bildet dieß vielleicht den Glanzpunkt des ganzen Buche. Endlih beſchließt 38, feine. richterlihe Thätigfeit, Moral des Evangeliums, 135 indem et ben Bantheismus, in melden nad) ibm aller Rationalismus confequenterweife ausläuft, einer Beurtheis lung unterzieht. B. zeigt aud) Hier die gründlichfte Kenntniß dießer Anſchauung, fowohl mad) ihrem ins nerftien Mittelpunkt als ihrer Geſchichte. Er verurtheilt ihre Moral um (o mehr, ala der Pantheismus es eigent- id — wie wenigftens B. glaubt — zu gar feinem Sittenfyftem zu bringen vermag. So hätten alle €pfieme — Schöpfungen, auf die der men(djide Geiſt theilweife fo ftofy ijt, ihre Ders urtheilung gefunden. In feinem fchlägt Als die lebende Bulsader bie reine und unverfümmerte fittlihe Sbee: fle alle verlegen biefelbe vielmehr, [εἰ e8 in höherem ober niedererem Grade. Und wir fónnen bier nod) hinzufügen, daß auch Fein einziges bie untergeordnete Probe ber vier Bedingungen vollfommen zu beftehen im Stande war. Aber wohin nun unfere Schritte lenfen? Was nod) übrig it, das ift blos das Ehriftenthum; feine Moral allein harmonirt mit dem ſittlichen Ideal, das in unſern Herzen lebt. So bleibt uns Nichts, als uns dieſer Lehre in die Arme zu werfen und mit dieſem Entſchluß ſind wir in den Vorhof der chriſtlichen Moral getreten, würdig und vorbereitet, ſofort von unſerem Fuͤhrer in das Allerheiligſte dieſes wunderbaren Tempels geleitet zu werden. — Wir wollen an dieſem Punkte nicht wiederholen, was wir ſchon oben bemerkt und wünſchen nur, daß recht Viele von den Zuhoͤrern des berühmten Mannes auf dieſem Wege ben etwa verlorenen Glauben wieder gefunden haben: mögen, der, menn er aud im Unterfhied vom ungebrochenen- Glauben nicht ganz das Lob verdient, das ihm DB. irgend» wo in feinem Buche fpendet, bod) das Gíüd ihres Lebens 136 Sud, toieberberflellen und begründen wird. Wir zweifeln aud) nidt, bag das Buch in weitern Streifen unter Beihilfe ber göttlichen Gnade vielfah dazu beitragen mag, ben Gíauben zu erneuen oder bod) zu Fräftigen. — Alle Erörterungen des Buches find mit Geift und Gelehrſamkeit durchgeführt und befonders ſchlagen wir den gefchichtlihen Werth desfelben nicht nieder an, und fo fónnen wir fchließlich feinen Anftand nehmen, um unfere Bemerfungen in einem Gefamturtheil zufammenzufaffen, diefe Vorleſungen fowohl für wiſſenſchaftliche als practifche Zwede beftens zu empfehlen. Möge der gelehrte Verfaſſer aud). feine weiteren Vors lefungen nicht verfäumen, einem größeren Bublicum zus gänglich zu machen! Die Ueberfegung des franzöfifchen Tertes ift durchaus flichend und gelungen, unb wir glauben, dag H. Baißer fid) ein Verdienft erworben, inbenv er ein fo interefjantes Buch in bie deutſche Litteratur einges . führt hat. 9tepetent Rudgaber. 4. fiatbolifd)e fiturgik von Dr. Iacob Fluck, ordentlichen pro» feffor der Theologie an der Eatholifchstheologifchen Facultät in Gießen. Megensburg, Verlag von Georg Joſeph Manz. Erfter Theil 1853. ©. 570. Pr. 3 ff, 30 Er. Zweiter Theil in zwei Abtheilungen 1855. ©. 900, Pr. 5 fl. 30 fr. Die Liturgif von Sr. Xav. Schmid Bat bisher unter ben neuern Bearbeitungen diefer Disciplin mit Recht ben * etften Plaß eingenommen. Die „Liturgia sacra“ Ὁ. Sof. Mahrzoll unb Sof. Schneller ift nur ein Sammel: werk mit allerdings fhägbarem hiftorifchem Material; ἐπ katholiſche Liturgik. 137 δεῖ „chriſtkatholiſchen Liturgik“ von Hnogek vermißt man ziemlich ſtark die für den Gegenſtand wuͤnſchenswerthe Ordnung und geiſtige Durchdringung des Stoffes; die viel verſprechende wiſſenſchaftliche „Darſtellung des kath. Kul⸗ tus von Joh. Bapt. Lüft“ iſt nicht uͤber das Legen der Fundamente hinausgekommen unb ſcheint leider für immer unvollendet zu bleiben; die in neuerer Zeit auch in Deutſch⸗ fand viel verbreiteten „institutiones lilurgicae ad usum se- minarii Romani^ von Fornici erfüllen ihren Zweck fehr gut, laffen. aber für. eine auégebebntere Behandlung des Gegen» flanbe& wohl nod) Raum. Bei biefem Stand der Dinge war e8 ein ſehr rühmliches Unternehmen Fluck's, feine Stufe und Kräfte einer wifienfchaftlihen Bearbeitung der giturgif auguroenben. Referent hebt das Verdienſt diefer Arbeit um fo lieber hervor, je mehr jene Difeiplin eine bem Stande der andern theologiſchen Difeiplinen entfprechende Ausbildung bedarf, und er bie Meberyeugung ausiprechen | su dürfen glaubt, daß fie burd) vorliegendes Werk rühmlich gefördert worden fet. Fluck ift fid feiner Aufgabe, eine wiffenfchaftliche Li⸗ turgif zu fchreiben, ffar bewußt, und fudt demgemäß in der „Idee des Kultus” ein das Ganze beherrichendes Princip und ein fefte8 Fundament für feinen Bau. „Die Liturgik, fagt er, hat ihr Object, bie Liturgie ober den Kultus als ein Syſtem darzuftellen. Dies gefchieht aber nur bann, wenn es ihr gelingt, bie Gefammtbeit ber [is turgifchen Formen als ein Ganzes barguftellen , das von einer Grundidee durchdrungen unb getragen wird, fo daß deſſen einzelne Theile gleichfam als Ringe einer Kette, ale Glieder Eines Leibes erfcheinen, bie wie mit ber Grundidee, fo aud) unter -fih auf das Engfte gufammene 438 Fluck, haͤngen; mit andern Worten, wenn es ihr gelingt, den Kultus als eine Art geiſtigen Organismus nachzuweiſen.“ (S. 4. Dieſe Idee iſt ihm nach dem Weſen des Kultus eine zweitheilige, naͤmlich eine Idee des Kultus nach ſeiner göttlichen oder objectiben unb nad feiner men ſch⸗ (iden ober fubjectiven Seite. Nah jener Seite. bezeichnet er bie Sbee des Kultus „ald Vermittlung der Erlöfung ſelbſt, als Einführung derfelben in das Geſchlecht oder ihre Subjectivirung,” nad) diefer „als bie Außere Darftellung der innern Religiofität der Gemeinbe." Diefem gemäß befommt er zunächft zwei Haupttheile der fpeciellen Liturgif, einen faeramentalen und einen latreutiſchen, von denen der Erſte eine Reihe von Kultacten umfaßt, in denen Gott durch den Prieſter als fein Organ thätig ift, gleichfam zu ben Menſchen gnaden⸗ voll herabfommt, ber zweite eine Reihe folder Kultacte, in denen bec Menfch (die Gemeinde) thätig ift und von der Gnade Gottes turdbrungen in. Glauben, Hoffnung und Liebe zu Gott emporbringt. Als facramentale Kultacte zählt der Verfaſſer auf: Mefle, Predigt, Sa- -sramente und Benedictionen, als latreutifche: das Bes fenntniß des Glaubens, das GCünbenbefenntnig, das Gebet nad) feinen verfchiedenen Arten, das heilige Qieb, vers ſchiedene fymbolifhe Handlungen. In der Wusführung des zweiten Theiles Bat febod) ber Verfaſſer bie Beftands theile des latreutifchen Kultus etwas anders geordnet. Er behandelt in einem erflen Abſchnitte bie wefentlichen oder Grundbeftandtheile des Tatreutifhen Kultus unb τε net dazu: Gíaubenbefenntnig, Gebet in feinen verſchiedenen Arten, das heil. Lied; in einem zweiten Abfchnitte „die katholiſche Liturgik. 139 außerweſentlichen Beſtandtheile oder die Ceremonien des latreutiſchen Kultus;* unb in einem dritten Abſchnitte „die kirchlichen Andachten, welche aud ben weſentlichen Bes ſtandtheilen des latreutiſchen Kultus ſamt ihren Ceremonien entſtehen,“ nämlich Breviergebet, Meßandachten, Nach⸗ mittagsandachten, Prozeſſtonen und Wallfahrten. Ein dritter Theil unſerer Liturgik iſt ſaeramental latreu⸗ tifher Kultus uͤberſchrieben und handelt von ben heil. Zeiten und Orten. Wir begnügen uns dieſen allgemeinen und kurzen Aufriß des Werkes gegeben zu haben und wenden und zum Einzelnen. Der Berfafler. ſucht der iturgif in bem Esmplere der theologifihen Difeiplinen eine andere Stel« lung anzuweifen, als fie bisher einnahm. Er will fie afe wiffenfdafttide Darftelluug des Ficdfide2e bens von ben Difciplinen der practifchen Theologie, „welche bie Sortbifbung der Kirche in bie Zufunft hinein mittelft ber Thätigkeit der Geiftlichen als eines Organes ber Kirche zum Gegenftanbe haben,” unterfchieden und in die Reihe ber ftreng ſyſtematiſchen Theologie geftellt wiſſen . (6. 8 ἢ). Wir betrachten diefes als eine fünfilide Er⸗ Debung ber Liturgif, bie ihr nur fohaden fann. Denn wenn von practifchen Difeiplinen der Theologie überhaupt die Rede fein fann, fo ift bie Liturgik unter biefe zu ftellen. Sie hat wahrhaft kirdliche, oder wenn man will göttlich“ menichliche Thätigfeiten barguftellen, bie in der Kirche zur Erloͤſung und Heiligung der Menfchen im Namen und Auftrage Jeſu Ehrifti von eigens dazu beflimmten Organen vollführt werden, unb die deßhalb wie bie andern kirch⸗ lihen Thätigfeiten, das Katecheten⸗ und Predigtamt , au der Erhaltung und Yortfährung der Kirche in bie Zufunft . 140 E gud, hinein beitragen. Fluck fagt fef6ft S. 10, taf die Pafto- tal neben andern aud) „die rechte Verwaltung des hohen⸗ priefterlihen Amtes durch ben Beiftlichen” zu Ichren habe. Nun aber kann der Liturgif nicht wohl ein anderes Ges biet zugewieſen werden, als bie hohenpriefterlihen Thätig- feiten Ehrifti, wie fie zur Erfüllung des Zwedes der Kirche unb zu ihrer beftánbigen Belebung und Erhaltung unter der Obhut der firchlichen Obern ftellvertretend fortgefeßt werben. Der VBerfaffer fiheint die veraltete Anficht zu haben, daß bie Aufgabe der Paftoral ausſchließlich darin beftehe, Anz leitung zur Beforgung eines geiftlihen Amtes zu fein. Meber diefe Sphäre glaubt. er mit Recht feine Disciplin erheben zu follen. Aber er wollte biefe Erhebung Auf . Koften der ebenbürtigen Schweftern, der Katechetik und Homiletif, vollziehen. Diefe von bem 9Berfaffer etwas unflar aufgefaßte Stels fung raͤchte fid) in der Ausführung mitunter ziemlich flarf. Einmal glaubte er nad) feinem Begriffe von Liturgif dies felbe von Stubriciftif, von der Beichreibung und Gefchichte der Liturgie, von der Theorie und Reformirung des Kultus .«G. 4) ftreng unterfcheiden zu muͤſſen. Ihre function ift allerdings in feiner der: genannten Behandlungen liturs gifcher Stoffe befhloffen, aber bie Liturgif ijt unvollkommen, wenn fie fid) gegen Rubriciftif, Gefchichte ber Liturgif u. f. τὸ. abfchließt. Das bat nun det. Berfafler in der Aus» führung thatfächlich nicht getban, aber es ift ihm durch Fefthaltung der einfeitig beftimmten Aufgabe der Liturgif nicht möglich geworben, das rechte Maag unb Verhaͤltniß zu treffen, nad) welchem die Rubriken, das Hiftorifche, Ars chaͤologiſche und Rationelle am Kultus in einer ihre Aufgabe ganz erfüllenden Liturgif berüdfichtigt fein follten, G6 katholiſche Liturgik. 141 ſcheint fag, als ob fid) ber Verfaſſer in ben. genannten Beziehungen mehr vom Zufall als von einem wiſſenſchaft⸗ lichen Kanon babe beſtimmen laſſen. So findet man bei dem einen Kultgegenſtande einlaͤßliche hiſtoriſche und archäo« logiſche Studien, bei einem Andern vermißt man fte, ober find fie ungenau. — Saft durchgängig find aber bie Rubriken unbead)tet geblieben. — Dan vermißt daher nicht felten eine vollitändige und ebenmäßige Behandlung der liturgi- [hen Gegenflände und Acte. Wir werben fpäter nod Einzelnes beſonders hervorheben. Jene einjeitige Begriffsbeflimmung der Liturgif hat weiter auf ben Mißſtand geführt, daß bie Perfon des fitutgen ganz in den Hintergrund tritt oder ganz θεῖν ſchwindet. Im Befondern ift nirgends von einem Liturgen bie Rede. Streng. genommen ift nad) der Ausführung 51.8 ein folder nur beim facramentalen Kulte nothwen⸗ dig, indem der Kult nad) feiner göttlichen Seite von bent Prieſter ald Organ Gottes und in beffen Namen ausges führt wird. Nach feiner menfchlichen Seite aber erfcheint er ald Gemeinde »Thätigfeit, ald Gemeinder Gotteébienft, und ein Liturge fommt hier weiter ‚nicht in Betracht, als daß ganz allgemeinhin einmal bemerft if, „die menſchliche Seite am Kulte umfafle. bie Beftand- theile, welche als ZThätigfeiten der Gemeinde erfcheinen, fti e$ nun, daß fie von der. Gemeinde als folder, {εἰ es daß fie von bem Spriefter als ihrem Repräfentanten aud» gehen G. 47. — Es ift aber fiherlih eine mangelhafte und ſchiefe Behandlung der katholiſchen Liturgil, wenn ber iturge in der fatf. Kirche nicht genau gewürdigt wird in feiner Stellung zur priefterlichen Thaͤtigkeit Chrifti, zur Kiche und Gemeinde — 148 Bud, Ref. fart nicht umhin darauf aufmerffam qu. machen, daß die zu ftarfe Auseinanderhaltung der göttliden unb menfhlichen Seite im Kultus mannigfad) flörend auf bie Ausführung im Einzelnen eingewirft hat. Es läßt fid) nicht laͤugnen, daß im fatf. Kultus göttliche und menſch⸗ fiche Thätigfeiten fid) unterſcheiden, aber fte greifen fo febr in einander über und ftehen in einer ſolchen Wechſelbe⸗ giehung gu einander nicht blos im Großen und Ganzen, fenberm aud) in den einzelnen Acten, daß eine firenge Scheidung ber Kultacte mit göttliher oder menfchlicher Thätigfeit nicht vorgenommen werden kann. Entweder muß in biefem alle ein und diefelbe liturgiſche Handlung doppelt bargeftelt werden, oder fie kann nicht eine all; feitige Behandlung finden. Das erfte ift bei unferer 9i» turgif wiederholt ber Fall 3. B. bei der Mefle Thl. I. S. 97—191 und Thl. II. €. 506—514. Bei der Predigt Th. J. S. 391—415 unb Th. IL. €. 9—11. Auf leßteres ließe fid) ba und dort nachweiſen. Es wäre ſicherlich befier gethan geweſen, wenn ftatt das Goͤttliche und Menſchliche an den Kultacten fireng zu fcheiden und fie barnad) gu charafterifiren, mehr der Zweck derfelben Det» vorgehoben und biefet zum Eintheilungsgrunde gemadt worden wäre. Man befommt darnad) aud) factamentafe und Iatreutifche Kulttheile, und wenn man will aud) ethifche, infofern einzelne Acte im Kulte vorzugsweife auf Erbauung und fittlihe Erweckung abzielen. Hiebei würde aber bei dem farramentalen Kulte nicht die göttliche Thätigfeit, fondern die Gnabenvermittfung betont, bei weldher nad) bem Fath. Lehrbegriffe Gott unb Menſch thätig find; bei bem latreutiſchen nicht bie menſchliche Thätigkeit, fenbern bie religiöfe Verehrung, bie wohl vorzugsweife katholiſche Liturgik. 443 von ber menſchlichen Seite ausgeht, aber burd) die Kirche und ihre Organe geregelt und geleitet ift und die Wechfels wirfung Gottes beziehungsweife ber Heiligen nicht nur nicht ausfchließt, ſondern herbeiführt oder herbeiführen will €8 will übrigens damit bie von Fl. befolgte Eintheilung nicht ale eine unbraudjbare bezeichnet werben, fondern mit als eine ſolche, bie noch nicht genug vermittelt ifl und in ber Behandlung einzelner liturgiſcher Stoffe εἴς hebliche Schwierigkeiten darbietet. Darüber will Ref. nicht reiten, ob bie wiffenfdafte (ie Behandlung dadurch gewonnen habe, daß Bl. in einem erften fogenannten allgemeinen Theile nur von ber Idee und ber Form des Kultes redet, unb die Darftellung ber HI. Orte und Zeiten in einen dritten Theil. der fpes ciellen Liturgtt verweist. Jedenfalls ift aber die Bezeich⸗ nung dieſes [egtetn Sbeiló ald „[acramental-Tatreus tifher Kult“ unerklärlih wie unerflärt. Denn weil Kd) ber faccamentale wie der latreutifhe Kult innerhalb von Seit und Raum bewegt, fo find Zeit und Raum, jo weit fle bem Kulte dienen, doch nicht facrramentalslatreutifcher Kult ſelbſt; fe find nur die allgemeinen Bedingungen zu einer geregelten und gedeihlichen Vollziehung des Kultus. Darum wäre wohl die Darftellung der bf. Zeiten und Orte, auf welche im faccamentalen und latreutifhen Kult fo oft Bezug ges nommen werben muß, befier in bem allgemeinen Theile vorausgefchidt worden. Diefer Abmangel εἰπε ausführ, lichern allgemeinen Theiles, ber nun einmal nidt um» gangen werden. fann und ben aud) Fluck nicht ganz ums gehen‘ fonnte, führte aud) zu einigen andern Uebelftänden, (6 Bat fid) nirgends Platz gefunden, von den Kultperſonen ju reden, ebenfo if nirgends von ben Kultmitteln in 144 . GSluck, specie die Rede. Nur anläßlich der Erklaͤrung des Ritus der bi. 3Xeffe ift Thl. I. Ὁ. 113—114 von den priefter« lien Kleidern und von ben Geräthfihaften zur Dar« bringung des hi. Meßopfers bie Rede. Don den andern Stuítfleibern und ©eräthfchaften ift nirgends mehr etwas zu finden. Die Naturfymbole als weſentliche conftitutive Elemente der liturgiſchen Acte find ganz weggeblieben. (ὁ ift vom Wafler, Del, Salz u. f. τὸ. nur als Gegen, ftänden ber S8enebictionen bie Rebe. Bei der Gefchichte ber abendländifchen giturgien hätte bie . verbienfivolle Arbeit Mone’s ἢ) aud Erwähnung und Berüdfihtigung verdient. Ueber bie wichtige Ams broftanifhe Liturgie ift aud) ganz Fury weggegangen. Was bet Berf. über bie liturgifchen Kleider bei der Meßfeier Thl. 1. ©. 114 fg. fagt, ift nidt gang genau und far. &r hätte fih am beflen an die gründlichen Unterfuchungen Zomaffins 3) in biefem Punkte angefchlofien. Auch in mans hen andern SBuncten vermißt man eine ganz verläßliche Ges nauigfeit; 3. B. ift nicht gefagt, wann bte blaue Yarbe zu den vier andern Kirchenfarben hinzugefommen — fei, während εὖ aus Durandus 3) unfchwer zu erheben ges weien wäre. Bei der Application ber Meflenifür Anderes‘ gläubige hätte aud) auf den Unterfchied von Appflicationen für Lebendige und Abgeftorbene hingewiefen werden follen. Das Geſchichtliche über bie Sequenzen ©. 161 ift offen» bar zu mager ausgefallen; es ift das Verdienſt Notker's 1) Lateiniſche tmb griechiſche Mefien aus bem zweiten bis fechsten Jahrhundert. Herausgegeben von Br. Sof. Mone, Archivdirektor in Karlsruhe 1850. | 2) Vet. et nov. eccl, discipl. Pars I. lib. II. cp. 45 nr. 1 fig. 8) Bation. lib. III. cp. 18 nr. 8. * katholiſche Liturgik. 145 in Sachen der Sequenzen nicht hervorgehoben, der An⸗ ſpruch ber Franzoſen 1), daß fle vor den Dichtungen Not⸗ ker's Sequenzen gehabt haͤtten, nicht beruͤhrt. Die Frage, ob das pater noster in der Meßliturgie noch zum Kanon gehoͤre oder als entferntere Vorbereitung zur Kommunion anzuſehen [εἰ 3), ift ganz umgangen. Während das Ge ſchichtliche der kirchlichen Leſungen mit großer Genauigkeit unb Grünblidfeit verfolgt wurde (Thl. I. 362 ffg.), ift dagegen ihre jetzige Stellung unb Function (n ber Liturgie nift präcifirt, fondern nur ifr Inhalt angegeben. Dem Ref. ift. ferner aufgefallen, bag Thl., J. 5. 391 bid 415 ein Fleiner Auszug aus der Homiletif geboten wird, während es genügt hätte, fid) Hier auf bie liturgifche Bes deutung unb Stellung der Predigt zu befchränfen; nur hätte dabei aud) ifr Verhältniß zur. Meßfeier ins Auge gefaßt werben follen, denn „sacram concionem intra misserum solennia, evangelio scilicet recitato, haberi, anti- qui instituti est“ ?). €6 ift [εὖτ anerkennenswerth, bag δ. in bie Materie über bie SBenebictionen burd) eine genaue Hare Eintheilung unb Aufzählung Ueberſichtlichkeit zu bringen fucht, aber hierin fehlt er fiherlih, wenn er den objectiben Gfarafter bet Sacramentalien oder Benedictionen fo gut als ganz überfieht, unb fle nur unter bem Geftchtspunfte von kirch⸗ [iden Fürbitten auffaßt, deren Wirkfamfeit ganz von bem Zus ibun des Menfchen (des SBenebicirenben námlid) und des Denebicirten) abhängt. Es ift biefe Auffafjung um .fo 1) cf. Guéranger, institutions liturgiques tom. I. p. 260. 2) Probſt, Verwaltung der hochh. Gudjariftie, S. 362. . 3) Carl Borr. pastorum instruct. ed. Weſthoff, p. 32. Teol. Duartalfärift. 1856. 1. Heft. 10 x 146 &ud, weniger zu erwarten gewefen, als aud) bie niebern Weihen einfchließlih das Gubbiaconat zu den bifhöflichen Perſonal⸗ benebictionen gerechnet werden. Man fann zugeben, daß bie Sacramentalien ober Benedictionen als Fürbitten aufs gefaßt werden, aber muß dabei annehmen, daß die Yürs- bitte von einem Liturgen im Namen der Kirche vorges nommen an unb für fij fchon irgend eine menn aud) nicht irrefiftible fo bod) bis auf einen geteiffen Grad übers natürlich wirkfame Kraft in fid) fchließe, ba bie Kirche nicht bloß in den Sacramenten fondern aud) anbermárté und vorzugsweife in den Sacramentalien Gnaben(penberin ift. Eine obfectivere Anſchauung der Sache hätte ben Verf. vor der faben Erklärung des großen Berlangens nad) bem Primiziantenfegen bewahrt und ihn wohl aud) veranlaßt, bie Sarramentalien im Anfchluffe an bie Ga» cramente zu behandeln. (δ᾽ wäre aud) zu wünfden ges weien, daß auf bie Benedictionen, weldje fid) weder im. Miffale, nod) Bontificale, nod) rituale romanum vorfinden, aber in Folge ihrer Aufnahme in Didcefan-Benedictionalien (ἡ. 98. das große Benedictionale Constantiense) im ®e- braudje waren, unb zum Theile nod find, Stüdfid)t ger nommen worden wäre. Die Behauptung, daß „die Verbindung des Bater- unfers mit bem englifhen Gruße im Mittelalter ihren Anfang genommen", XL IL ©. 79 ift zum minbeften ungenau, ba biefe Verbindung zum erftenmale in bem Srancidcanet =» Brevier von 1525 erſcheint. Diefelbe muß auch nicht fogleih in allgemeine Aufnahme gefommen fein, ba Wicrlius in feinem deutſchen Katehismus v. ἢ. 1542 feine 9totig davon nimmt. Mit Recht hat ber. Verfaffer der Litanei Th IL ©. katholiſche Liturgik. 147 107 — 134 eine beſondere Aufmerkſamkeit zugewendet, beſonders ber Geſchichte der Allerheiligenstitanei. Indeſſen hätte doch über deren Abſchluß, nachdem bie Zahl unb Gattung der Heiligen in derfelben lange gefhwanft, Ge; naueres berichtet werden Tónnen. Deßgleichen hätte ihre Beziehung zu ben dies litaniarum erörtert werden dürfen. — Bekanntlich verbot Clem. VIII. im 3. 1601 ben Gebraud) aller Litaneien außer der Allerheiligens und Tauretanifchen Litanei; eine andere follte liturgifch nur dann gebraudyt wer: ben, wenn bie congr. rituum die Genehmiguug ertheilt hätte. Fluck meint, biefe Vorfchrift fet in Deutfchland nie practi[d) geworden (Thl. II. ©. 132). Gerrariué berichtet ung aber eines Andern, indem er fagt: Herzog Wilhelm von Bayern habe 27 Litaneien, welche von der congr. rituum approbirt worden feien, in ein Buch fammeln laſſen "). Ueber die Meßandachten von Seite des Volfes (Th. IL S. 506) ift zu leicht binmeggegangen. Als Ueberfeßer des [iturgifdjen Werkes von Bueranger hätte Wlud fid) wohl aud) veranlagt fühlen follen, darüber etwas zu fagen, 06 ἐδ angebe, bem Bolfe Anpachtsbücher in bie Hand zu geben, in welchen bie Liturgie in die Landesſprache über- [δὲ if. Gueranger hat fid) entfchieden dagegen ausge⸗ fprodjen, und mißbilligt überhaupt das private Lefen aue Büchern während ber 9Xeffe und wiün[djt allgemeinen Ge⸗ fang der Antiphonen, Grabuale ac. in lateinifcher Sprade?). Die Durchführung diefer Idee ſcheint uns unmöglich, eine Theilnahmsloftgfeit tes Volkes aber bei der Mefle febr nachtheilig, daher halten wir es für vollftändig gerechts 1) Litaneuticum lib. II. cp. 1. 2) l. c. B. III. ©. 165 ἢ. 10 * 148 Sud, katholiſche eiturgik. fertigt, wenn dem Volke Meßandachten in der Mutter⸗ ſprache in die Hand gegeben werden. Waͤhrend ber Verfaſſer bem Breviergebete die größte Sorgfalt gewidmet hat, kann dieſes weniger von den Ge⸗ meinde⸗ und Volksandachten geſagt werden. — Ref. wollte durch Hervorhebung von Ausſtellungen, bie er an bem liturgiſchen Werke Flucks in einzelnen Punkten machen zu fönnen glaubte, ein guͤnſtiges Urtheil über das Ganze nicht abſcheiden, ba er wohl weiß, welche Schwierigkeiten bei der ſyſtematiſchen Behandlung der Li⸗ ^ furgif zu überwinden find, unb wie viel nod zu leiſten übrig ift, bis eine allen Anforderungen entfpredjenbe Litur⸗ gif zu Stande gebradht fein wird. Das. Streben des Verfaſſers, bie Fatholifche Liturgif der bloßen oder vor; zugsweife empirifhen Behandlung zu entheben und ihr wiſſenſchaftlichen Charakter und Syftematif zu geben, vet» dient volle 9fnerfennung. €6 muß ihm das VBerdienft zugeſprochen werben, bie Löfung der Aufgabe, welche der giturgif in wiſſenſchaftlicher Beziehung geftellt wird unb geftellt werden muß, um ein Namhaftes geförbert zu haben. Dr. Bendel, Gonvictébirector. HI Actenfüde betreffend das oͤſterreichiſche Goncorbat. 1. Alloention Sr, Heiligkeit be8 Pabſtes Pins IX. vom 8. Nov. 1855. Venerabiles Fratres! Quod pro Apostolica Nostra de universo Dominico grege sollicitudine, ac paterna erga omnes fideles populos Imperiali et Regiae Austrigcae Dominationi subjectos caritate vel ab ipsis supremi Nostri Pontificatus primordiis omni studio curavimus, et maxime concupivimus, "Venerabiles Fratres, ut nempe sanctissimae nostrae religionis rebus ac rationibus in vastissimo illo imperio con- sulere possemus, id singulari Dei Optimi Maximi beneficio, et in- "signi Carissimi in Christo Filii Nostri Francisci Josephi Austriae. Imperatoris et Regis Apostolici pietate, Nobis tributum esse vehe- menter laetamur. Namque idem religiosissimus Princeps ubi aviti sui imperii gubernacula tractanda suscepit, justissimis Nostris ac Praedecessorum Nostrorum votis quam libentissime obsecundans, ac probe noscens, ex divina nostr& religione ejusque salutifera doctrina veram populorum felicitatem, incolumitatem tranquillitatemque omnino pendere, nihil sibi antiquius habendum esse duxit, quam id amplissimis suis ditionibus Catholicae Ecclesiae libertatem cüm maxima sui nominis gloria, et ingenti bonorum omnium gratulatione asserere ac tueri. Nostris deinde curis omni alacritate et filiali prorsus pietate magis in dies obsequutus a Nobis enixe efflagitavit, ut cum ipso Couven- tionem inire vellemus, qua et ecclesiastica in suo imperio negotia componere, et spirituali illorum populorum utilitati Auctoritate Nostra Apostolica majorem in modum prospicere valeremus. Vos ipsi, Venerabiles Fratres, vel facile intelligitis, quanta animi Nostri ju- 150 Bäpftliche Allocution. cunditate exceperimus has Caesareae et Apostolicae Majestatis posta- lationes, omni certe laude dignas, quae Nostris ac Decessorum Nostrorum optatis studiisque plane respondentes luculenter ostendunt quo religionis amore idem praestantissimus Princeps eniteat. Nulla igitur interposita mora, curas omnes cogitationesque Nostras ad tam salutare conficiendum negotium convertimus, ac Deo bene juvante, exoptatam cum eodem Carissimo in Christo Filio Nostru Conventionem . absolvimus. cui ex utraque parte delecti Plenipotentiarii subscripserunt, nomine scilicet Nostro Dilectus Filius Noster Michael S. R. E. Pres- byter Cerdinalis Viale Prelà, Noster et hujus Sanctae Sedis apud ipsum Caesaream et Apostolicam Majestatem Pro-Nuntius, ac nuper a Nobis Bonóniensium Archiepiscopus renunciatus, nomine vero ejus- dem clarissimi Imperatoris et Regis Venerabilis Frater Josephus Othmarus Archiepiscopus Vindobonensis. Quam quidem Conventionem jam a Nobis ipsoque Imperatore et Rege ratam babitam Vobis ex- hiberi jussimus cum Nostris Apostolicis Litteris, quibus illam rite solemniterque confirmavimus. Nunc vero non possumus, quin palam publiceque in hoc am- plissimo vestro consessu summam illam Vobiscum communicemus laetitiam, quam ex hoc faustissimo eventu percepimus cum datum Nobis fuerit ea statuere, quae in vastissimo illo imperio tum ad Catholicae Ecclesiae et:hujus Sanctae Sedis dignitatem, auctoritatem, doctrinam, ac jura tuenda, tum ad spirituale illorum populorum bonum quotidie magis procurandum fovendumque maxime pertinent. Etenim, Venerabiles Fratres, illud in primis eadem in Conventione cautum fuit, ut Religio Catholica Apostolica Romana in univero Austriaco Imperio, et in singulis, quibus illud constituitur, Ditionibus sarta tectaque semper sit servanda cum iis omnibus juribus et praerogativis, quibus ex Dei ordinatione et canonicis sanctionibus ipsa frui ac potiri omnino debet. Cum autem Romanus Pontifex Christi hic in terris Vicarius, et beatissimi Apostolorum Principis Successor pri- matum tam honoris quam jurisdictionis in universam, qua late patet, Ecclesiam divino obtineat jure, tum catholicum hoc dogma in ipsa Conventione luculentissimis fuit verbis expressum, ac propterea simul de medio sublata, et radicitus evulsa, penitusque deleta falsa illa perversa et funestissima opinio eidem divino primatui ejusque juribus plane adversa, et ab hac Apostolica Sede semper damnata atque proscripte, de habenda scilicet a civili Gubernio venia, vel executione eorum, quae res spirituales et ecclesiastica negotia respiciunt. Quo- circa sancitum fuit, ut prorsus libera, et nulli unquam cujusque Bapftlihe Allocutton. 151 genetis regiae veniae obnoxia esse debeat mutua omninm Austriacae Ditionis sacrorum Antistitum, Cleri, et fidelium populorum cum hac Apostolica Sede communicatio in rebus spiritualibus, ecclesiasticis que negoliis, Neque minori certe studio consultum est, ut sacrorum Antistites in episcopali munere fungendo plenam habeant libertatem, quo in proprii gregis salutem procurandam magis in dies incumbere possint, Siquidem inter alia statutum est, ut Archiepiscopi et Epis- copi omnimoda libertate possint non solum cum suo Clero populo- que fideli communicare, verum etiam pastorales epistolas, instructiones, et mandata de ecclesiasticis rebus publicare: et clericos ad sacrorum Canonum normam ecclesiasticae militiae adscribere, eosque sacris ordinibus initiere, et quos indignos existimaverint ab illis arcere; beneficia minora erigere; paroecias fundare ac ordinare; publicas preces, supplicationes praescribere, et indicere; et Synodos cum provinciales , tum dioecesanas cogere; ac pestiferos libros religioni morumque honestati perniciosos censura perstringere, et ab illorum lectione fideles deterrere. Et quoniam rei cum sacrae tum civilis mexime interest, ut adolescentes pietatem sanamque doctrinam mature addiscant, idcirco cautum est, ut in singulis publicis privatisque scholis omnis catholicae juventutis institutio cum catholicae Ecclesiae doctrina plane congruere debeat. Quapropter Episcoporum erit ex proprii officii munere non solum religiosam juventutis educationem in omnibus quibusque instructionis locis dirigere, verum etiam studiosissime advigilare, ut in quavis tradenda disciplina nihil unquam doceatur, quod catholicae religioni morumque honestati adversetur; adeoque catholicae omnes primordiorum scholae ecclesiastico inspectori erunt subiiciendae. Praescriptüm quoque est, ut Episcopi ex Sacro- rum Canonum sanctione Clericorum Seminaria omni prorsus libertate regant, moderentur, administrent, ac pro eorum prudentia et arbitrio in iisdem Seminariis tum Rectores, tum humaniorum litterarum se- veriorumque disciplinarum Professores et Magistros statuant, eligant, sique alumnos admittant. Nemini vero fas unquam erit absque Epis- coporum auctoritate vel theologicas disciplinas, vel canonici juris scientiam, vel catechesim alicubi tradere. Jam vero omnes ecclesiesticae causae, et illae, praesertim quae fidem, sacramenta, et sacri ministerii jura respiciunt, atque ad Ec- clesiae forum unice spectant, ab ecclesiasticis judicibus erunt cognos- cendae, qui ad sacrorum canonum normam et Concilii Tridentini praescripta de matrimonialibus etiam causis sententiam ferent, remissis tantum ad laicos judices iis rebus, quae civiles dumtagat matrimonii - 152 Papſtliche Allocution. effectus attingunt, Atque ab eadem ecclesiastica auctoritate iudicium quoque erit profereudum de sponsalium existentia, deque effectibus quoad matrimonium impediendum, iis tamen sedulo servatis, quae idem Tridentinum Concilium, et Apostolicae felicis recordationis Pii VI. Decessoris Nostri Litterae, quarum initium Auctorem fidei* provide sapienterque constituunt. Sacrorum Antistites suo pleno fruentur jure infligendi Clericis reprehensione dignis poenas a canonicis legibus statutas, vel alias, quas ipsi congruentes existimaverint, ne- que ullo detineantur impedimento, quominus censuris animadvertere possint in quoscumque fideles , qui ecclesiasticas leges et canonicas sanctiones violare et frangere non dubitant. Etsi vero caussae de patronatus jure ab ecclesiastico judice erunt cognoscendae, tamen consensimus, ut quando agatur de laicali patronatu, saecularia tribu- nalia possint judicare quoad eumdem patronatum. Ac temporum ratione habita concessimus, ut causas mere civiles clericorum laici ᾿ judices cognoscant, atque indulsimus, ut ad laicum judicem deferantur causae circa crimina et delicta a Clericis admissa, quae imperii legibus animadvertuntur, ita tamen, ut in hisce crimiualibus causis Epi- scopus, nulla interiecta mora, de rebus omnibus quam diligentissime cer- tiorfiat, iique omnes habeantur respectus, quos clericalis conditio requirit. Cum autem Dei domus summo religionis et venerationis studio ab omnibus sit colenda, tum Templorum reverentiae eorumque im- munitati, quod fieri potuit, provisum est. Ipse vero religiosissimus Imperator et Rex nunquam patietur, ut Catholica Ecclesia, ejusque fides, liturgia et sacra instituta qua verbis, qua scriptis, qua factis ullo modo laedantur, despiciantur, et Episcopi sacrique ministri im- pediantur, quominus proprium obeant officium ac munus in fide prae- sertim morumque doctrina tuenda, atque in ecclesiastica disciplina servanda. Insuper validissimo suo auxilio efficiet, ut executione de- mandentur sententiae ab Episcopis contra clericos latae, ac vehe- menter sollicitus de honore, qui sacris debetur ministris, non solum nunquam sinet aliquid fleri, quod illis dedecori esse possit, verum etiam mandabit, ut omnes imperii sui magistratus debitum Archiepi- scopis, Episcopis, et^Clero honorem exhibeant. Inter alias res sancitas huic Apostolicae Sedi fuit integrum in- violatumque suum jus servatum alias erigendi Dioeceses, novasque illarum peragendi circumscriptiones, cum ipsa ad fidelium utilitatem id redundare cognoverit, atque Caesarea et Apostolica Majestés in exercendo privilegio sibi ab eadem Sancta Sede concesso, praesen- faudi scilicet ac nominandi Episcopos, in posterum comprovincialium Papftliche Allocution. 153 Antistitum consilio in primis utetur. Prima cujusque Metropolitanae, Archiepiscopalis, et Episcopalis Ecclesiae dignitas a Nobis et Suc- cessoribus Nostris erit conferenda, nisi illa ad privatum laicalem patronatum pertineat, nam tunc secunda erit substituenda. Ad ceteras vero Dignitates et canonicales Praebendas Caesarea Majestas Sua nominare perget, iis tamen exceptis, quae ad liberam Episcoporum collationem vel patronstuum jus legitime acquisitum spectant. Quae quidem canonicales Praebendae iis erunt sacerdotibus tribuendae, qui dotibus ex canonum sanctione insigniti, vel in animarum cura exercenda, vel in ecclesiasticis negotiis tractandis, vel in sacris dis- ciplinis tradeudis fuerint cum laude versati. Constitutum etiam fuit, ut in Metropolitanis et Episcopalibus Ecclesiis, ubi desint, canonicus tum Poenitentiarius, tum Theologus, in Collegialibus vero Theologus Canonicus ex Concilii Tridentini praescripto quamprimum constituantur, stque secundum ejusdem Concilii sanctiones ac Pontificia Decreta hujusmodi munia cópferentur. Cum autem ad animarum salutem vehementer conducat dignos atque idoneos Parochos eligi, sancitum est, ut omnés Paroeciae, publico indicto concursu, ac Tridentinae Synodi praescriptionibus diligenter servatis deferantur, et ad paroecias ecclesiastici patronatus unum ex tribus, quos Episcopus enunciata forma proposuerit, patroni praesentare teneantur. Summopere vero optantes perenne singularis Nostrae benevolentiae testimonium cla- rissimo Imperatori et Regi exhibere, quam libentissime Ipsi, ejusque catholicis in Austriaco Imperio Successoribus indultum concessimus nominandi ad omnes canonicatus et parochias subjectas patronatus juri, quod ex fundo religionis seu studiorum promanat, ea tamen lege, ut unus ex tribus deligatur, quos Episcopus publico babito experimento digniores iudicaverit, Neque omissum est prospicere, üt pro rerum ac temporum ratione indigentes paroeciae congrua in- struantur dote. Cum vero canonica tantum institutio jus in ecclesia bona tribuat, tum sancitum est ut omnes, qui ad quaecunque seu mejora seu minora beneficia fuerint nominati, bonorum ad illa per- tinentium administrationem nunquam suscipere possint, nisi postquam canonicam institutionem rite fuerint consequuti ; itemque cautum est ut in cathedralium Ecclesiarum, illarumque bonorum possessione ineunda sedulo δὴ serventur, quae a Canonicis Sanctionibus, ac praesertim a Pontificali et Caeremonisli Romano praescripta sunt, quovis usu et consuetudine in contrarium omnino sublatis. Quod vero attinet ad Religiosas Familias, quae recte administratae mazimo christianae οἱ civili reipublicae usui et ornamento semper 154 Papſtliche Alloeution. esse solent, statutum est ut ipsae ex proprii cujusque instituti legibus 8 Supremis suis Moderatoribus penes hanc Apostolicam Sedem mo- rantibus regantur, salva tamen semper Episcoporum auctoritate, juxta Sacrorum Canonum et Concilii Tridentini praescripta; ut ipsi Supremi Moderatores cum iisdem Religiosis Familiis sibi subjectis libere communicare, easque pro potestate visitere possint; utque omnes Regulares Ordines absque ullo impedimento et proprii- In- stituti seu Congregationis regulas observare, et candidatos in tyro- cinium adsciscere, et ad religiosam professionem admittere queaut. Dmnes sacrorum Antistites libere poterunt in propriis Dioecesibus Religiosos utriusque sexns Ordines seu Congregationes constituere, iis servatis, quae Sacri Canones sapientissime praescribunt. Neque vero praetermissum est omni cura οἱ studio asserere ac tueri nativum, quo Ecclesía pollet, jus possidendi scilicet quaecum- que bona. Siquidem in easdem Conventione constabilitum est, ut ipsa Ecclesia legitimo quovis titulo novas possessiones libere acquirere possit; et proprietas bonorum, quae in praesentia possidet, vel in posterum acquiret, integra et inviolabilis omnino esse debeat. Atque idcirco neque antiquae, neque novae ecclesiasticae fundationes absque bujus Apostolicae Sedis venia vel extingui, vel simul conjungi um- quam poterunt, sarlis tamen tectisque facultatibus, quas Tridentina Synodus Episcopis hac iu re concessas voluit. Ecclesiastica bona ab illis erunt administranda, quibus Sacri Canones ejusmodi admini- strationis jus tribuunt. Cum autem pientissimus Imperator Ecclesiarum indigentiis subsidia ex publico aerario praebeat, ac praebere non desinet, tum eadem bona nec vendi, nec notabili onere gravari poterunt sime hujus Apostolicae Sedis et Majestatis Suae consensu, aut illorum quibus hoc munus demandandum duxerint. Praeterea cum bona ibi existant, quae fundos religionis et studiorum appellant, quaeque ex eorum origine ad Ecclesiae proprietatem spectant, id- circo bujusmodi bona ipsius Ecclesiae nomine erunt administranda, et Episcopi ín illa inquirent juxta normam ab bac Sancta Sede cum Majestate Sua praefiniendem. Ac reditus, qui religionis fundum con- stituunt, in divinum cultum, in templorum aedificia, in Seminaria, atque in omnia opera ecclesiastici ministerii propria erunt erogandi, donec fundus ípse, collatis inter hanc Apostolicam Sedem et im- periale Gubernium consiliis, in ecclesiasticas stabiles dotes dispertiatur Reditus vero fundi studiorum in catholica institutione unice erunt .collecandi, atque ex pia fundatorum mente. Ad religionis fundum fructus quoque vacantium benefüciorum pertinebunt, estque in illis Paͤpſtliche Allocution. 155 Austriaci Imperii provinciis, ubi fundus idem minime existit, mixta Consilia seu Commissiones instituentur, quibus bona erunt admini- siranda, tum cujusque episcopalis mensae, tum omnium beneficiorum quamdiu vacaverint, ad formam et regulam ab hac Apostolica: Sede cum Caesarea Majestate Sua praescribendam. Porro cum ob trístis- simam temporum conversionem in plerisque Austriacae Ditionis locis ecclesiasticae decimae civili lege de medio fuerint sublatae, atque ob peculiaria rerum adjuncta in universo Imperio illae restitui haud possint, tum Majestatis Suae postulationibus obsecundantes, ac pub- licam tranquillitatem, quae religionis vel maxime interest, prae oculis bsbentes, concessimus atque statuimus, ut salvo et integro permanente jre exigendi decimas, ubi illud in praesentia existit, in aliis locis earumdem decimarum vice, seu compensationis titulo, ab Imperiali Gubernio adsigneutur dotes in bonis fundisque stabilibus, seu super Imperii debito fundatae, et iis omnibus ac singulis attribuantur, qui petiebantur jure exigendi decimas; atque bujusmodi dotes, veluti Majestas Sua quoque declaravit, prout fuerint assignatae, habendae sint titulo omnino oneroso, atque eodem prorsus decimarum, quibus succedunt, jure percipiendae ac tenendae. Denique sancitum fuit, ut alia omnia ad ecclesiasticas personas ac res pertinentia, de quibus nulla in Conventionis articulis habita fnit mentio, sint dirigenda et administranda secundum catholicae Ec- desise doctrinam, ejusque vigentem disciplinam ab hac Apostolica Sede spprobatam; ac simul constitutam, ut leges, ordinationes, de- creta quovis modo et forma in Austriaco Imperio ac singulis quibus constituitur ditionibus hactenus lata, quae initae Conventioni ad- versantur, de medio plane sublata atque abrogata habeantur, et Conventio ipsa in ommibus Austriaci Imperii ditionibus veluti lex Status vigeat atque sérvetur. Praecipua heec sunt novissimae hujus Conventionis capita, quae nunc Vobis breviter recensuimus, Venerabiles Fratres, ut summas in- simul agamus gratias Patri misericordiarum, et Deo totius consola- lionis, qui dedit Carissimo in Christo Filio Nostro Francisco Josepho Austriae Imperatori et Regi Apostolico cor sapiens atque intelligens. Eidem Omnipotenti Domino per merita Sanctissimae Matris Suae Mariae ab omni originalis peccati labe praeservaiae, omuiumque beatorum Caelitum, quorum sub una solemnitatig laetitia mox cele- bravimus festivitatem, humiliter supplicemus, ut ab ecclesiae finibus errores. omnes calamitatesque depellai; atque ut majora ubique servienti sibi populo christiano tribuat propitius incremenla gratiarum. 156 Katferliches Patent II. Kaiferliched Patent vom 5. November 1855, ' witffam für bem ganzen Umfang bes Reiches, womit bas zwifchen Seiner Heiligfeit Papſt Pius IX. und Seiner kaiſerlich⸗ Königlichen Apoftolifchen Majeflät Franz Joſeph L, Kalfer von Oeſter⸗ reih, am 18. Auguft 1855 zu Wien abgefchlofiene Uebereintommen (Goncorbat) funbgemad)t unb angeorbuet wird, baß bie Befimmungen beffeben, mit Vorbehalt der in den Artikeln I und II dieſes Patentes angebeuteten Anorbnungen, im ganzen Umfange bes Reiches von bem Beitpunfte der Kundmachung dieſes Batentes an in volle Geſetzeskraft u treten haben. Wir Franz Joſeph der Erfte, von Gottes Gnaben Kaifer von Defterreich; König von Hungarn und Böhmen, König ber Lombarvei und SBenebige, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Balizien, £obomerien und Illirien, . König von Serufalem ꝛc.; Erzherzog von Deſterreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Gteyer, $£ürntfen, Kran unb der Bukowina; Großfürſt von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober und NiederSchlefien, von Modena, Parma, Piacenza und Guaftalla, vou Anfchwig und βαῖσι, von Tefchen, Friaul, Ragufa unb Zara; gefürfleter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Börz unb Gradiska; Fürft von Trient und Briren; Markgraf von Ober⸗ und Nieder⸗Lauſitz unb in Iſtrien; Graf von Hobenembs, δεν τῷ, Bregenz, Sonnenberg 365. Herr von Trieh, von Gattaro und auf ber windifchen Mark; Großwojwod ber Wojwod⸗ Schaft Serbien 1c. ıc. Seit Wir, turch ble Sügung des Allerhoͤchſten, ven Thron Unferer Ahnen beftiegen haben, war Unfere unabläffige Bemühung darauf ges richtet, die ſittlichen Grundlagen der gefelligen Orbnung und des Glückes Unferer Bölfer zu erneuern und zu befefligen. Um fo mehr haben Wir es für eine heilige Pflicht erachtet, die Beziehungen des Staates zu bet katholiſchen Kirche mit bem Geſetze Gottes und bem. woflverflanbenen Vortheile Unferes Reiches in Einklang zu feßen. Zu biefem Ende haben Wir für einen großen Theil Unferes Meiches, nad) Ginvernehmung der Bifchöfe jener Länder, Unfere Verordnungen vom 18. und 23. April 1850 erlaffen, und durch diefelben mehreren bringenben Bedürfniffen des firchlicden Lebens entfprochen. vom 5, November 1855. | 151 Um das fegensreiche Werk zu vollenden, haben Wir Uns δέεται mit bem Beiligen Stuhle ins Einvernehmen gefeht, unb am 18. Auguft L 3. mit dem Oberhaupte der Kirche eine umfaffenbe Vereinbarung geſchloſſen. Indem Wir dieſelbe hiermit Unſeren Voͤlkern Iunbmadjen, verordnen Pir, nach Vernehmuug Unferer Miniſter und nach Anhörung Unſeres kteicherathes, wie folgt: I. Wir werben das Möthige verfügen, um bie Beitung b des Fatholifehen Echulweſens in jenen Kronländern, wo fie bem achten Artikel nicht ente ſpricht, mit ben Beftimmungen beffelben in Ginfíang zu feßen. Bis dahin iR nach bem beflebenben Verordnuugen vorzugehen. Il. Ge id Unfer Wille, taf bie bifchöflichen Ehegerichte auch in jenen kindern, wo biefelben nicht befteben, fobalb ale mógli in Wirkfamfeit teten, um über bie Eheangelegenheiten Unferer katholiſchen Unterthanen gemäß Artikel X des Goncorbatet zu erkennen. Die Zeit, ἐπ welcher fie ihte Wirkſamkeit zu beginnen haben, werben Wir, mad) Einvernehmuug νεῖ Bifchöfe, befannt geben laſſen. Imzwifchen werben auch ble nöthigen Aenderungen ber bürgerlichen Gefege über Eheangelegenheiten kundgemacht werden. Bis dahin bleiben bie beſtehenden Geſetze für bie Ehen Unferer fatpolifdjen Unterthanen in Kraft, und Unfere Gerichte Haben nach bene felben über bie bürgerliche Geltung diefer Ehen und bie daraus fetvor* gehenden Mechtswirkungen ἐπ entfcheiven. III. Im Uebrigen haben bie Beflimmungen, welche im bem, von Uns mit bem püpftlichen Stuhle abgefchloffenen Uebereinkommen enthalten fub, iu dem ganzen Umfange Unferes Meiches, von bem Zeitpunkte ber Kundmachung diefes Patentes an in volle Glefegfraft zu treten. Mit der Durchführung biefec Beſtimmungen iſt Unfer Minifler des Eultus und Unterrichtes, im Vernehmen mit den übrigen betheiligten Niniflern und Unferem Armee⸗Ober⸗Commando, beauftragt. Gegeben in’ Unferer Eaiferlichen Haupte und Mefidenzfladt Wien, ben fünften des Monates November im Eintauſend achthundert fünfundfüufs defen, Unferer Meiche im fiebenten Jahre. Stanz Joſeph m. p. Graf Suo. Gdjauenfteit m. p. Graf Thun m. p. Auf Allerhoͤchſte Anordnung anſonnet m. p. 458 Nos Franciscus Josephus Primus, divina favente clementia Austriae Imperator ; Rex Hungariae, Bohemise, Lombardiae et Venetiarum , Dalmatiae, Croatiae, Slavonise, Galiciae, Lodomeriae et Illiriae; Rex Hiero- solimae etc.; Archidux Austriae; Magnus Dux Hetruriae et Cracoviae; Dux Lotharingiae, Salisburgi, Styriae, Carinthiae, Carniolise et Buco- vinae; Magnus Princeps Transilvanise; Marchio Moravise; Dux superioris et inferioris Silesiae, Mutinae, Parmae, Placentiae et Quastelae, Osveciniae et Zatoriae, Teschinae, Forojulii, Ragusse et Gaderae etc.; Comes Habsburgi, Tirolis, Kyburgi, Goriciae et Gra- discae; Princeps Tridenti et Brixinae etc.; Marchio superioris et inferioris Lusatiae et Istriae; Comes Altae- Amisiae, Feldkirkiae, Brigentiae, Sonnenbergae etc.; Dominus Tergesti, Cattari, Marchiae Slavoniae; Magnus Wojwoda Wojwodinae Serbiae etc. etc. Notum testatumque omnibus et singnlis, quorum interest, tenore prae- sentium facimus: Postquam inter Suae Sanctitatis Nostrumque Plenipotentiarium ad certum stabilemque ordinem rerum rationumque Ecclesíae Catho- licae in Imperio Nostro constituendum conventio solemnis die decima octava Augusti anni labentis inita οἱ signata est tenoris sequentis: Kaiferliches Patent Ürtert. Conventio inter Sanctitstem Suam Pium IX. Summum Pontificem et Majestatem Suam Caesareo-Regiam Apostoli- cam Francisenm Josephum I. Im- peratorem Austriae. (Cui subscriptum Viennae die 18va Augusti 1855, ratificationes mutuo traditae ibidem die 2514 Septembris 1855.) In Nomine Sanclissimae et Individuae Trinitatis. Sanctitas Sus Summus Pontifex Pius IX. et Majestas Sua Cae- Weberfegung. Bereinbarung zwifhen Seiner Helligkeit Papfl Pins IX. und Seiner Faiferlichskönig- lichen Apoflolifhen Majeſtaͤt Franz Sofeph L, Kaifer von Defterreich. (Unterzeichnet zu Wien am 18. Augufl 1855. Sm den beiderfeitigen Ratis ficationen ausgewechfelt ebenbafelbg am 25. September 1855.) Sm «amen ber allerheiligften und uns theilbaren Dreifaltigfeit. Seine Heiligkeit Papſt Pius IX. und Seine Faiferlichefönigliche Apo⸗ serea-Regia Apostolica Franciscus ſtoliſche Majeflät Franz Joſeph L, vom 5. November 1955. Josephus I. Austriae Imperator, concordibus effecturi studiis, ut fides, pietas et omnis recti ho- nestique vigor in Austriae Imperio conservetur et augescat, de Eccle- siae catholicae statu in eodem Imperio solemnem conventionem inire decreverunt. Quapropter Sanctissimus Pater in Plenipotentiarium Suum uomi- mvit: Eminentissinum Dominum Micha&lem Sacrae Romanae Ec- desiae Presbyterum — Cardinalem Viale-Prelà, ejusdem Sanctitatis Suse et Sauctae Sedis apud prae- fatam Apostolicam Majestatem Pro- Nuntium, et Majestas Sua, Impe- rator Austriae. Celsissimum Do- minum Josephum Othmarum de Rauscher, Principem Archiepisco- pum Viennensem, Solio Pontificio Adsistentem, Caesarei Austriaci Ordinis Leopoldini Praelatum et magnae Crucis Equitem, nec non ejusdem Majestatis Caesareae a consiliis intimis. Qui post plenipotentiae ipsis collatae instrumenta mutuo sibi tradita atque recognita de sequen- tibus convenerunt: Articulus: F. Religio catholica Apostolica Ro- mana in toto Austriae Imperio et singulis, quibus constituitur ditio- nibus, sarta tecta ronservabitur semper cum iis juribus et prae- 159 Kalfer von Oeſterreich, deren eine ‚müthiges Streben darauf gerichtet ift, bag Glaube, Frömmigkeit unb füttliche Kraft Im Kaifertbume Defter- reich bewahrt und gemehrt werde, haben befchloffen, über die Stellung bet. Fatholifchen Kirche in demſelben Kaiſerthume einen feierlichen Dertrag zu errichten. Demnach Hat zu Seinem Bevoll« mächtigten ernannt: der Heilige Dater Seine Gmineng Herrn Michael bet heiligen römiſchen Kirche Carvinal⸗ Driefter Viale⸗Prela, Diefer Seiner Heiligkeit und bes heiligen Stuhles Pronuntius bei vorgebachter Apoftolifher Majeflätz und Seine Stajeflát der Kaifer von Defterreich Seine fürftliden Gnaben Herrn Jo⸗ feph Othmar von 9taufdjer, Für: ſten⸗Erzbiſchoſ von Wien, päpftlichen Toron » Affiftienten, Prälaten und Großkreuz des Faiferlich » öfterreichie ſchen Leopold Ordens, wie aud) Der⸗ felben kaiſerlichen Majeftät wirklichen geheimen. Rath. Und diefelben find, uachdem fie ihre Bevollmächtigunge « Urfunden andgewechfelt und richtig befunden haben, über Nachftehenves übetelns gekommen : @rfter Artikel. Die heilige römifchefatholifche Mes ligion wird mit allen Befugniffen und Vorrechten, deren blefe[be nach der Anordnung Gottes und den Bes fimmungen der firdjengefege ger rogativis, quibus frui debet ex | niefen feli, im ganzen &aifectbume 160 Katferliges Patent ᾿ Dei ordinatione et canonicis san- | Oefterreidg und allen Ländern, aus ctionibus. Articulus II. Cum Romanus Pontifex prima- tum tam bonoris quam juris- dictionis in universam, qua late patet, Ecclesiam jure divino ob- tineat, Episcoporum, Cleri et populi mutua cum Sancta Sede commu- nicatio in rebus spiritualibus et negotiis ecclesiasticis nulli pla- cetum regium obtinendi neces- sitati suberit, sed prorsus libera erit. Articulus III. Archiepiscopi, Episcopi omnes- que locorum Ordinarii cum Clero et populo dioecesano pro munere officii pastoralis libere communi- cabunt, libere item suas de rebus ecclesiasticis instructiones et or- dinationes publicabunt. Articulus 1V. Archiepiscopis et Episcopis id quoque omne exercere liberum erit, quod pro regimine Dioece- sium sive ex declaretione sive ex dispositione sacrorum — Canonum juxta praesentem et a Sancta Sede adprobatam Ecclesiae disciplinam ipsis competit, ac praesertim: e) Vicarios, Consiliarios et ad- jutores administrationis suae constituere ecclesiasticos, quos- cunque ad praedicta officia idoneos judicaverint. welchen bafielbe befiebt, immerdar aufrecht erhalten werben. Sweiter Artikel. Da bet rönıifche Papſt ben *Drimat ber Ehre wie der Gerichtsbarkeit in δεῖ ganzen Kirche, fo weit fie reicht, nach göttlichen Geſetze inne bat, fo wird ber Wechſelverkehr zwifchen ben Bifchöfen, der Beiftlichkeit, bem Volke unb bem heiligen Stuhle in geiftllichen Dingen uud kirchlichen Augelegen- heiten einer Nothwendigkeit, bie landesfürftliche Bewilligung nachzus fuchen, nicht unterliegen, fonbern vollfommen frei fein. Dritter Artikel. Erzbiſchoͤſe, Bifchöfe unb alle Orbinarien werben mit der Beiftlich- feit und dem Volke ihrer Kirchen fprengel zu dem Bwede, um ihres Hirtenamtes zu walten, frei vet» fefren, frei werben fie auch Bele tungen und Berorbnungen über ἔτ» liche Angelegenheiten kundmachen. Bierter Artikel. Eben fo werden Erzbiſchofe und Bifchöfe bie Freiheit haben, Alles zu üben, was benfelben zu Megierung ihrer Kicchenfprengel, laut Erklärung oder Verfügung ber heiligen Kirchen gefeße, nach der gegenwärtigen, vom heiligen Stuhle gutgeheißenen Dies ciplin ber Kirche gebührt, und ind befondere: a) Als Stellvertreter, Raͤthe unb Gehilfen ihrer Verwaltung αἴξ jene Geiftlichen zu beftellen, welche fie zu befagten Aemtern als taug: lich erachten. vom 5. November 1855. 161 5) Ad statum clericalem assumere | b) Diejenigen, welche fie als ihren et ad sacros ordines secundum Canones promovere, quos ne- cessarios aut utiles Dioecesibus suis judicaverint, et e con- trario, quos indignos cen- suerint, a susceptione ordinum arcere. c) Beneficia minora erigere atque collatis cum Caesarea Majestate consiliis, praesertim pro con- venienti redituum assignatione, Parochias iustituere, dividere vel unire. d) Praescribero preces publicas, aliaque pia opera, cum id bo- num Ecclesiae aut Status populive postulet, sacras pa- riter supplicationes et peregri- | _ nationes indicere, funera alias- que omnes sacras functiones servatis quoad omnia canonicis praescriptionibus mioderari. €) Convocare et celebrare ad sacrorum Canonum normam Concilia provincialia et Syno- dos dioecesanas, eorumque acia vulgare. Articulus V. Omnis juventutis catholicae in- situtio in cunctis scholis tam publicis quam privatis conformis erit doctrinae Religionis catho- licae; Episcopi autem ex proprii pastoralis officii munere dirigent religiosam juventutis educationem Theol. Quartalſchrift. 4856. I. Heft. Kirchenfprengeln nothwendig oder nüglich erachten, in ben geifllichen Stand aufzunehmen und zu den heiligen Weihen nad) Borfchrift bet Kirchengeſetze zu befördern, und im Gegentheile die, welche fie für unwürdig halten, von Empfang der Weihen auszus fchließen. c) Kleinere Pfründen zu errichten, und nachdem fie mit Seiner Kaiſerlichen Majeſtaͤt vorzüglich wegen „entiprechender Anweiſung der Ginfünfte fi) einverflanden haben, Pfarren zu gründen, zu theilen oder zu vereinigen. d) Deffentliche Gebete und andere fronme Werfe zu verorbnen, wenn e8 das Wohl der Kirche, des Staates oder des Volkes erfordert, ingleichen Bittgänge unt Wallfahrten auszufchreiben, die Leichenbegängnifie und alle anderen geiftlichen Handlungen ganz nach Borfchrift bec Kirchens geſetze zu ordnen. e) Provinzialconcilien und Diöces fanfynoden in Gemäßheit der heiligen Kircchengefeße zu berufen unb zu Balten, und die Verhand⸗ lungen. derfelben Fundzumachen. Fünfter Artikel. Der ganze Unterricht der katho⸗ liſchen Sugend wird in allen fowohl Öffentlichen als nicht öffentlichen Schulen der Lehre der Fatholifchen Religion angemeffen fein; die Bis fchöfe aber werden fraft des ihnen eigenen Hirtenamtes bie religiöfe 11 162 in omnibus instructionis locis el publicis et privatis atque dili- genter advigilabunt, ut in quavis tradenda disciplina nihil adsit, quod catholicae Religioni, morumque honestati adversetur. Articulus VI. Nemo sacram Theologiam, dis- ciplinam catecheticam vel Reli- gionis doctrinam in quocunque instituto vel publico vél privato tradet, nisi cum missionem tum auctoritatem obtinuerit ab Episcopo dioecesano, cujus eamdem revo- care est, quando id opportunum censuerit. Publici Theologiae pro- fessores et disciplinae catecheticae magistri, postquam sacrorum An- tistes de candidatorum fide, scientia ac pietate sententiam suam ex- posuerit, nominabuntar ΟΣ iis, quibus docendi missionem et aucto- ritatem conferre paratum se ex- hibuerit. Ubi autem theologicae facultatis professorum quidam ab Episcopo ad Seminarii sui alumnos in Theologia erudiendos adhiberi solent, in ejusmodi professores nunquam non assumentur viri, quos sacrorum Antistes ad munus praedictum obeundum prae ceteris habiles censuerit. Pro examinibus eorum, qui ad gradum doctoris Theologiae vel sacrorum Canonum adspirant, dimidiam partem exami- nantium Episcopus dioecesanus ex doctoribus Theologiae vel sacrorum Canonum constituet. Kaiferliches Spatent Erziehung der Jugend in allen öffentlichen und nicht öffentlichen Lehranftalten leiten und forgfam darüber wachen, baf bei feinem Lehre gegenftande Etwas vorfomine, was dem Fatholifchen Gíanben umb ber fittlichen Reinheit aumiberiánft. Sechster Artikel. Niemand wird bie heilige Theo» logie, die Katechetik oder die Reli⸗ αἰοπδίεδτε in was immer für einer öffentlichen oder nicht öffentlichen Anftalt vortragen, wenn er dazu nicht von dem Bifchofe des betreffen» ben SKitchenfprengels die Sendung und Ermächtigung empfangen Dat, welche derfelbe, wenn er εὖ für zweck⸗ mäßig hält, gu widerrnfen bevechtiget ig. Die öffentlichen Vrofefloren ber Theologie unb Lehrer der Katechetif werben, nachvem ber Biſchof über ben Qíauben, bie Wiffenfchaft unb Frömmigkeit ber Bewerber fich aut gefprochen hat, aus Jemen ernannt werben, welchen er bie Genbung und Vollmacht des Lebramtes zu ertheilen bereit ift. Wo aber einige Profeſſoren der theologifchen Facul⸗ t&t von dem Biſchofe verwendet ἐπ werben pflegen, um bie Böglinge bes bifchöflichen Seminares in der Theo» fogie zu unterrichten, werden zu folchen sBrofeffoven immerbar Männer beftellt werben, welche ber Bifchof zu Verwaltung gebadten Amtes für vorzugeweife απο! ὦ bill. Bei Prüfung Derjenigen, welche Kd) für das Doctorat ber Theologie ober des canonifchen Rechtes Sejáóigen wollen, wir der Wifchof ble Hälfte bont 5. November 1855. 163 der Prüfenden aus Dortoren bet Theologie oder besiehungsweife de& canoniſchen Rechtes beftellen. Artículus VII. @iebenter Artikel. In gymnasiis et omnibus, quas| In den für bie Fatholifche Jugend medias vocant, scholis pro juven- | beftimmten Gymnafien und mittleren tute catholica destinatis nonnisi | Schulen überhaupt werden nur fas virj catholici in professores seu |thulifen zu Profefloren oder Lehrern magistros nominabuntur, et omnis ‚ernannt Werben, und bet ganze institutio ad vitae Christianae legem | Unterricht wird nach Maßgabe des cordibus inscribendam pro rei, quae | Gegenftandes dazu geeignet fein, tractatur, natura composita erit. das Geſetz bes chriftlichen Lebens Quinam libri in iisdem scholis ad | tem Herzen einzuprägen. Welche religiosam tradendam instructionem | Lehrbücher in gedachten Schulen bei sdhibendi sint, Episcopi collatis | tem Bortrage der Religion zu ges inter se consiliis statuent. De | brauchen feien, werben die SBifdyofe Religionis megistris pro publicis | fraft einer mit einander gepflogenen tymnasiis mediisque scholis de- | Beratung fefifegen. Hinfichtlich bet putandis firma manebunt, quae hac | fBefteflung von Sicligionelebreru für de re salubriter constituta sunt. Artiesius VIII. Omnes scholarum elementarium pro catholicis destinatarum ma- gistri inspectioni — ecclesiasticae subditi erunt. Inepectores scho- larum dioecesanos Majestas Sua Caesarea ex viris ab Antistite dioecesano propositis nominabit. Casu, quo iisdem in scholis in- siructioni religiosae baud suffi- cienter provisum sit, Episcopus virum ecclesiasticum, qui discipulis catechismum tradat, libere con- situe. In Judimagistrum Assu- mendi fides et conyersatio inte- merata sit oportet. Loco movebitur, qui a recto iramite deflexerit. - Gymnaſien und mittlere Schulen werben bie beilfamen darüber er» offenen Verorduungen in Kraft vers bleiben. Achter Artikel. Alle Lehrer der für Katholiken beſtimmten Volksſchulen werben bet kirchlichen Beaufſichtigung unter ſtehen. Den Schul⸗Oberaufſeher des Kirchenſprengels wird Seine Majeſtaͤt aus ben vom Biſchofe vorgeſchlagenen Männern ernennen. Balls in ges badjten Schulen für ben Religions» unterricht nicht binlánglid) geſorgt wäre, fiebt εὖ bem Bifchofe ftel, einen Geiftlichen zu beftimmen, um den Schülern die NAnfangsyründe be8 Glaubens vorzutragen. Der Glaube und die Sittlichkeit des zum Schullehrer zu Beftellenden muß makellos fein. Mer vom rechten 11 * 164 Articulus IX. Archiepiscopi, Episcopi omnes- que locorum Ordinarii propriam auctoritatem omnimoda libertate exercebunt, ut libros Religioni morumque honestati perniciosos censura perstringant et fideles ab eorundem lectione avertant. Sed et Gubernium, ne ejusmodi libri in Imperio divulgentur, quovis opportuno remedio cavebit. Articulus X. . Quum caussae ecclesiasticae om- nes et ín specie, quae fidem, sa- cramenta, sacras functiones nec non officia et jura ministerio sacro annexa respiciunt, ad Ecclesiae forum unice pertineant, easdem cognoscet judex ecclesiasticus, qui perinde de caussis quoque matri- monialibus juxta sacros Canones et Tridentina cumprimis decreta judiciüm feret, civilibus tantum matrimonii effectibus ad judicem saecularem remissis. —Sponsalia quod attinet, auctoritas eccle- siastica judicabit de eorum exi- stentia et quoad matrimonium im- pediendum effectibus, servatis, quae idem Concilium Tridentinum et Apostolicae Litterae, quorum ini- tium : , Auctorem fidei* constituunt. Kaiſerliches Patent Pfade abirrt, wird von feiner Stelle entfernt werben. runter Artikel. Erzbifchöfe, Bifchöfe und alle Or» dinarien werben die denfelben eigene Macht mit vollfommener Freiheit üben, um Bücher, welche der Religion und Sittlichfeit verderblich find, 'als verwerflich zu bezeichnen und — bie Glaͤubigen von Lefung derfelben abe jufalten. Doch auch die Regierung wird durch jedes bem Zwecke ento ſprechende Mittel verhüten, taf verlei Bücher im Kaifertfume verbreitet werden. Zehnter Artikel. Da alle kirchlichen Rechtsfaͤlle und insbeſondere jene, welche den Glauben, die Sacramente, die geiſtlichen Ver⸗ richtungen und die mit dem geiſtlichen Amte verbundenen Pflichten und Rechte betreffen, einzig und allein vot das kirchliche Bericht gehören, fo wird fiber biefelbeg der kirchliche Stidjtet erfennen, und es hat fomit diefer aud) fiber die Ehefachen nach Borfchrift der Heiligen Kirchengeſetze und namentlich der Verordnungen von Trient zu urtbellen und nur die bürgerlichen Wirfungen ber ὅθε an ben weltlichen Michter zu vers weifen. Was die Eheverlöhniffe bes trifft, fo wird ble Kirchengewalt über beren VBorhandenfein und ihren Ein⸗ fluß auf die Begründung von Ehe⸗ Binberniffen entfdjeiben und fid) dabei an bie Beflimmungen Halten, welche daffelbe Gonrilium von Trient und das apofolifche Schreiben, welches vom 5. November 1855. Articulus XT. Sacrorum Antistitibus liberum erit, in Clericos honestum habitum clericalem eorum ordini et digni- tati congruentem non deferentes auf quomodocunque reprehensione dignos poenas a sacris Canonibus. statutas et alias, quas ipsi Episcopi convenientes judicaverint, infli- gere, eosque in monasteriis, Se- minariis aut domibus ad id destinandis custodire. Iidem nulla- tenus impedientur, quominus cen- suris animadvertant in quoscunque fideleles ecclesiasticarum legum et Canonum transgressores. Articulus XII. De jure patronatus judex eccle- sigsticus cognoscet; consentit tamen Sancta Sedes, ut, quando de lai- cali patronatu agatur, tribunalia saecularia judicare possint de suc- cessione quoad eumdem patro- nalum, seu controversiae ipsae inter veros et suppositos patronos agantur seu inter ecclesiasticos viros, qui ab iisdem patronis designati fuerint. Articulus. XIII. Temporum ratione habita Sancti- tas Sua consentit, ut Clericorum caussas mere civiles, prout con- ractuum, debitorum, baereditatum 165 mit ,auctorem fidei^ beginnt, ers [offen Dat. Eilfter Artikel. Den Bifchöfen wird es frei flehen, wider Geiftliche, welche feine anftäne _ tige geiftliche, ihrer Stellung unb Wuͤrde entfprechende Kleidung tragen oder aus was immer für einer lits fache der Ahndung würdig find, bie von ben heiligen Kirchengefeßen auds gefprochenen Strafen oder auch ans dere, welche die Bifchöfe für anges meffen halten, zu verhängen unb fie in Klöftern, Seminarien oder diefem Zwecke zu widmenden Häufern, unter Aufficht zu halten. Ingleichen follen biefelben durchaus nicht gehindert fein, wider alle Gläubigen, welche die Firchlichen Anordnungen und Ges feßeübertreten, mit Eirchlichen Strafen einzufchreiten. Bwölfter Artikel. Ueber das Batronatsrecht wird das kirchliche Gericht entſcheiden; doch gibt der heilige Stuhl ſeine Einwilligung, daß, wenn es fi um ein weltliches Batronatsrecht handelt, die weltlichen Gerichte über bie Nach⸗ folge in demfelben fprechen fónnen, bet Streit möge zwifchen den wahren und angeblichen Patronen oder aii» ſchen Geiftlichen, welche von bicfen Batronen für die Pfründe bezeichnet wurben, geführt werben. Dreizehnter Artikel. Mit Rückſicht auf die Zeitverhälts niffe gibt der heilige Stuhl feine Ins flimmung, daß die bloß weltlichen Nechtöfachen der Geiftiidjen, vole 166 judices saeculares cognoscant et definiant. Articulus XIV. Eadem de causa Sancta Sedes haud impedit, quominus caussae ecclesiasticorum pro criminibus seu delictis, quae poenalibus 1m- perii legibus animadvertuntur, ad judicem laicum deferantur; cui tamen incumbet, Episcopum ea de re absque mora certiorem reddere. Praeterea in reo depre- hendendo et detinendo ii adhibe- buntur modi, quos reverentia status clericalis exigit. Quodsi in ecclesiasticum virum mortis vel carceris ultra quinquennium dura- turi sententia feratur, Episcopo nunquam non acta judiciaria com- municabuntur, et condemnatum audiendi facultas fiet, in quantum necessarium sit, ut de poena ec- clesiastica eidem infligenda cog- hoscere possit. Hoc idem Amti- étite petente praestabitur, si minor poena decreta fuerit. Clerici car- ceris poenam semper in locis a saecularibus separatis Juent. Quodsi autem ex delicto vel transgressione condemnati fuerint, in monasterio vel alia "ecclesiastica domo re- elüdentur. ' In hujus articuli dispositione minime comprehegduntur. ceussse | Kaiſerliches Patent Verträge über das Eigenthumorecht, Schulden, Erbſchaften, von bem welts lichen Berichte unterfucht nnb. ente ſchieden werben. Bierzehnter Artikel. Aus eben dieſem Grunde hindert der heilige Stuhl nicht, daß die Geiſt⸗ lichen. wegen Verbrechen oder anderen DBergehungen, wider welche bie Straf⸗ geſetze des Kaiſerthums gerichtet find, vor das weltliche Bericht geftellt mers ben; bod) liegt εὖ bemfelben ob, hiervon den Bifchof ohne Verzug in Kenntniß zu feßen. Bei Berhaftung und Feſthaltung des Schulpigen wird man jene Nüdfichten beobachten, welhe bie dem geiſtlichen Gtanbe gebührende Achtung erheifcht. Wenn das wider einen Gieiftlicgen gefälfte Urtheil auf Tod oder auf Kerfer von mehr als fünf Jahren lautet, fo wird man jeberzeit dem Bifchofe die Gerichteverhandlungen mittheilen und ihm möglich machen, ten Schul⸗ digen in fowelt zu verhören, alb εὖ nothwendig iff, damit er über bie zu verhängende Kirchenſtrafe ent ſcheiden fünne. Daffelde wird auf Verlangen des Biſchofes aud) dann gefchehen, wenn auf eine geringere Strafe erfannt worden ift. Geiſtliche werden bie Kerkerſtrafe ſtets an Drten erleiden, wo fle von Weltlichen abgefondert find. Im Waffe einer Verurtheilung wegen Vergeben ober Vebertretungen werben fie in ein Klofter oder ein anderes geifllidhes Hans eingefchloffen werben. In ben Verfügungen biefes Ar⸗ tilele find jene Nechtefälle, über vom 5. November 1855. majores, de. quibus Sacrum Con- eilium Tridentinum sese. XXIV, c. 5. de teform. decrevit. lis pertractandis Sanctissimas Pater et Majestas Sua Caesares, si opus fuerit, providebunt. Articules XV. .Ut bonoretar domus Dei, qui est Rex Regum et Dominus Domi- nantium, sacrorum templorum im- munitas servabitur, in quantum id publica securitas et ea, quae justitia exigit, fieri sinant. Articulus XV]. Augustissimus Imperator non patietur, ut Ecclesia catholica ejusque Ades, liturgia, institutiones sive verbis, sive factis, sive scriptis contemnantur aut Ecclesiarum An- tistites vel Ministri in exercendo munere suo pro custodienda prae- sertim fidei δὲ morum doctrina et disciplina Ecclesiae impediantur. Insuaper efficax, si opus fnerit, suxilium praestabit, ut sententiae ab Episcopis in Clericos officiorum oblitos .Jatae executioni deman- dentur. Desiderans praeterea, ut debitus juxta divina mandata sacris Ministris honor servetur, son sinet quidquam fieri, quod dedecus eiadem afferre, aut eos in contemptum adducere possit, immo vero mandabit, ut omnes Imperii Sui Magistratus et ipsis Archiepiscopis sen Episcopis et Clero qnacunque occasiqae reve« 161 welche das Concilium von Trient in der vierundzwanzigſten Sitzung (c. 5. de ref.) verordnet hat, feineds wegé einhegriffen. Für Behandlung derfelben werden ver heilige Vater und Seine kaiſerliche Diajeftät, fo εὖ nöthig fein follte, DBorforge treffen. Süufsebnter Artikel. Damit dem Haufe Gottes, welcher der König der Könige und der Herr⸗ íder der Herxfchenden ift, ble [ἀν bige Ehrerbietung bezeigt werde, foll die Immunität der Kirchen in ſoweit beobachtet werden, als bie öffentliche Sicherheit und die Forderungen ber Gerechtigkeit es verftatten. Sechzehnter Artikel. Seine Majeftät der Kaifer wird nicht dulden, baf bie Fatholifche Kirche und ijr Glaube, ihr Gottesdienſt, ihre Einrichtungen, fei es durch Wort oder That unb Schrift, der Ber achtung preisgegeben, ober ben Vor⸗ fiehern und Dienern der Kirchen in Uebung ihres Amtes, vorzüglich, wo εὖ fid um Wahrung des Glau⸗ bens, des Sittengeſetzes und der Firch« lichen Ordnung handelt, Hindernifle gelegt werben. Subem wird Gr nöthis genfalls wirkſame Hilfe-leiften, bamit die Urtheile, welche der Bifchof wider pflichtvergefiene Geiftliche fällt,. in Vollſtreckung fommen. Da εὖ übers dieß Sein Wille ifl, daß ben Dienern des HeiligthHums bie ihnen nach gütts fidem Geſetze gebührende Ehre bes zeigt werde, fo wird Gr nicht zugeben, daß Etwas gefchehe, was biefelben herabſetzen oder verächtlih machen fünnte, vielmehr wird Gr verorbuen, 168 rentiam atque bonorem eorum dignitati debitum exhibeant. Articulue XVII. Seminaria episcopalia conser- vabuntur, et ubi dotatio eorum haud plene sufficiat fini, cui ad mentem sacri Concilii Tridentini inservire debent, ipsi augendae congruo modo providebitur. Prae- sules dioecesani eadem juxia sacrorum Canonum normam pleno et libero jure gubernabunt et administrabunt. Igitur praedicto- rum Seminariorum rectores et professores seu magistros nomi- nabunt, et quotiescunque neces- sarium aut utile ab ipsis censebitur, removebunt. Adolescentes et pue- ros in iis efformandos recipient, prout Dioecesibus suis expedire in Domino judicaverint, Qui studiis in Seminariis hisce vaca- verint, ad scholas alius cujuscun- ; que instituti praevio idoneitatis examine admitti nec non servatis servandis pro qualibet extra Se- minarium cathedra concurrere po- terunt. Articulus XVIII. Sancta Sedes, proprio utens jure, novas Dioeceses eriget ac novas earumdem peraget circum- scriptiones, cum id apirituale fide- Kaiſerliches Patent daß alle Behörben bee Reiches für wohl ben @rzbifchöfen oder Biſchofen feíbft ale auch ber Geiftlichleit bei jeder Gelegenheit die ihrer Stellung gebührenne Adytung und Ehrenbe⸗ jeugung erweifen. Siebenzehnter Artikel. Die bifchäflichen Seminare werben aufrecht erhalten, unb wo ifr Qin fommen für den Swed, welchem fie im Sinne des heiligen Gonciliumé von Trient dienen follen, nicht vol» fommen genügt, wird für befien Ders mehrung in ongemeflener Weiſe ge forgt wergen. Die Bifchöfe werben diefelben nach Richtfchnur der heiligen Kirchengefeße mit vollem und freiem Mechte leiten unb verwalten. Daher werden fie die Vorſteher unb Pros fefoten ober Lehrer gebachter €e minare ernennen und wann immer fie εὖ für nothwendig oder näglid halten, wieder entfernen, auch Zünge (inge und Knaben zur Heranbildung in diefelben aufnehmen, fo wie fie zum Frommen ihrer Kirchenfprengel im Herrn es für bienlid) erachten. Diejenigen, welche ihren Unterricht in biefen Seminarien empfangen haben, werben nach vorausgegangener Prüfung ihrer Befähigung in al’ und jede andere Lehrauftalt eintreten und mit Beobachtung ber betreffenden Borfchriften um jede Lehrkanzel außer denn Seminare fid) bewerben können. Uchtzehnter Artikel. Der Heilige Stuhl wird fraft des Ihm zufichenden Rechtes Kirchen⸗ fprengel neu esrichten ober nent Gränzbefchreibungen derſelben vote vom 5. Rovember 1655. lium bonum postulaverit. . Verum- tamen quando id. contigerit, cum Gubernio Imperiali consilia con- feret. Articulus XIX. Majestas Sua Caesarea in seli- gendis Episcopis, quos vigore privilegii Apostolici a Serenissimis Antecessoribus Suis ad Ipsam de- voluti a Sancta Sede canonice instituendos praesentat seu no- minat, imposterum quoque Anti- situm imprimis comprovincialium consilio utetur. Articulus XX. Metropolitae ac Episcopi, ante- quam Ecclesiarum suarum guber- macula suscipiant, coram Caesarea Majestate fidelitatis juramentum emittent sequentibus verbis ex- pressum: „Ego juro et promitto ad Sancta Dei Evangelia, sicut decet Episcopum, obedientiam et fidelitatem Caesareo-Regiae Apo- stolicae Majestati et Successoribus Suis; juro item et promitlo, me nulam communicationem habitu- rum nullique consilio interfuturum, quod tranquillitati publicae noceat, nullamque suspectam — unionem meque intra neque exira Imperii limites conservaturum, atque si publicum aliquod periculum im- minere resciverim, me ad illud avertendum nihil omissurum.“ Articulus XXI. In cunctis Imperii partibus Archi- episcopis, Episcopis et viris eccle- 169 nehmen, wenn bas gerfliche Wohl bet Gläubigen es erfordert. Doc wird er in einem foldjen. Galle mit der Taiferlichen Regierung in'6 Qiu vernehmen treten. Meunzehuter Artikel. ( εἰπε Shejeftát wird bei Auswahl der Bifchöfe, welche ες Fraft eines apoftolifchen vou Seinen Allerdurch⸗ lauchtigften Vorfahren überlommenen Vorrechtes dem heiligen Gtuble aut eanonifhen Ginjegung vorſchlaͤgt ober benennt, auch in Zukunft bes Rathes von Bifchöfen, vorzüglich der⸗ felben Kirchenprovinz, Sich bedienen. Zwanzigſter Artikel. Die Metropoliten und Bifchöfe werben, bevor fie bie Leitung ihrer Kirchen übernehmen, vor Seiner Faiferlichen Majeflät den Ein bet Treue in folgenden Worten ablegen: „Ich fchwäre uub gelobe auf Gottes beiliges Syangelium, wie es einem Biſchofe geziemt‘, Eurer Faiferliche fóniglijen — Apoſtoliſchen 99) αἰεβὰϊ unb Allerhoͤchſtihren Nachfolgern Ges horſam und Treue. Ingleichen fchwöre und gelobe ich, an feinem Verkehre oder Anfchlage, welcher bie öffentliche Ruhe gefährdet, theilzunehmen und weber inner noch außer ben Bränzen bes Meiched irgend eine verbächtige Berbindung zu unterhalten; follte ich aber in Erfahrung bringen, daß dem Stuate irgend eine Gefahr brobe, zu Abwendung berfelben wichte au unterlaflen”- Ginundzwanzigfier Artikel. Sn allen Theilen des Reiches wird e$ Erzbifchäfen, Bifchöfen und ſaͤmmt⸗ 170 siasticis omnibas liberum erit, de his, 4880 mortis tempore re- licturi sint, disponere juxta sacros Canones, quorum praescriptiones et a legitimis eorum haeredibus ab intestato successuris diligenter observandae erunt. Utroque tamen in casu excipientur Antistitum dioecesanorum ornamenta οἱ vestes pontißesles, quae omnia veluti meneae episcopali propria erunt habenda et ídeo ad Successores Antistites transibunt. Moc idem observabitur quoad libros, ubi usu receptum est. Artioutus XXII. In omnibus Metropolitanis seu Archiepiscopalibus suffraganeisque Écclesiis Sanctitas Sua primam dignitatem conferet, nisi patronatus laicalis privati sit, quo casu se- cunda substituetur. Ad caeteras dignitates et praebendas canoni- cales Majestas Sua nominare perget, exceptis permanentibus lis, quee liberae collationis epi- scopalis sunt, wel juri patronatus legitime adquisito subjacent. In praedictarum Ecclesiarum Cano- nicos nom assumentur, nisi sacer- dotes, qui et dotes habeant a Canonibus generaliter ptaescriptas et in cura animarum aut in ne- ‚gotils ecclesiastis seu in disciplinis ‚sacris tradendis cum laude versati fuerint. Sublata insuper erit na- talium -nobiliun sive nobilitatis titulorum necessites, salvis tamen -conditienibus, quas in fundatione ᾿ Kaiferliches Patent den Geiſtlichen frei ſiehen, über ba6, was fie zur Beit ihres Todes hinterlaſſen, nach den Heiligen Kir⸗ chengeſetzen am verfügen, deren Bes fimmungen aud) von ben gefeglichen Erben, welche ten Nachlaß verfelben ohne (etwillige Anordnung antreten, genan zu beobachten find. In beiden Fällen werben bei Bifchöfen, welde einen Kirchenfprengel leiten, bie bis fehöflichen Abzeichen unb Kirchenge⸗ wande ausgenommen ſein; benn dieſe find als zum bifchöflichen Tafelgute gehörig anzuſehen und geben auf bie Nachfolger im Bisthume aber. Dat felbe wird von ben Büdern dort, wo 06 in Uebung ift, beobachtet werben. Sweiundzwanzigfier Artikel. An ſaͤmmtlichen Metropolitaus ober erzbiſchoͤſtichen und Suffragan⸗Kirchen vergibt Seine Heiligkeit bie erſte Würde, außer wenn biefelbe einem weltlichen Privat⸗Patronate unter liegt, im weldem alle bie zweite an deren Stelle treten wird. Qt die übrigen Dignitäten und Doms berenpfründen wird Seine Majeſtaͤt zu ernennen fortfahren, währen» bies jenigen ausgenommen bleiben, welche zur freien bifchöflichen Verleihung gehören oder einem rechtmäßigen Batronatsrechte unterfiehen. 92 Domberren können nur Spriefet bes ftellt werden, welche fowohl ble von den Kirchengeſetzen allgemein vov gefchriebenen @igenfchaften befipen, ale auch in der Seelforge, bei kirch⸗ lichen Gefchäften ober. im kirchlichen Lehramte fig mit Auszeichnung vers wendet haben. Zudem If die Roth⸗ -— — — — — — — — — — — -. --- ν wont 5. November 1855. bdjectas esse constet. Laudabilis vero consuetudo, — Canonicatus publico iadicto concursu confe- rendi, ubi viget, diligenter con- servabitur. Articulus XXITI. In Ecclesiis Metropolitanis οἱ Episcopalibus, ubi desint, tum Canonicus Poenitenliarius tum Theologalis, in Collegiatis vero Tbeologalis Canonicus juxta modum a sacro Tridentino Concilié prae- scriptom | (ens. V. c. 1. οἱ sem. XXIV. c. 8. de reform.), ut primum feri potuerit, comstitaentur, Epi- scopis praefatas praebendas se- cendum ejusdem Concilii sanctio- ues et Pontilicia respective decreta conferemtibus. Articulus XXIV. Parochiis omnibus providebitur publico. indicto concurau et ser- vatis Concilii Tridentibi prae- scriptionibus. Pro parochiis ec- desiastici patrotiatus praesentabumt pstroni utum ex tribus, quos Bpi- »copus entntiata supdalus [orma proposaerit. Articulus. XXV. Sétictitas Sua, nt singularis beaevolóntige "Vestithoniiin Apo- mi wenvigfeit abeliger Giebutt ober abe⸗ (iger Titel aufgehoben, jedoch nube» ſchadet jener Bebingungen, welt als in ber Stiftung beigeſetzt erwieſen find. Die loͤbliche Gewohnheit aber, bie Domberrenftellen in Folge öffent (ter Bewerbung zu vergeben, wird, wo fie befleht, forgfam in Kraft et» alten werben. Orekundzwanzigſter Artikel. An den Metropolitan⸗ umb bie fchöflichen Kirchen werben, wo fi fehlen, ver Ganonicue Poͤnitentiarius unb ber Theologalis, an den Golles giatkirchen aber der Ganonicus Theo» fogelie in bet durch das Heilige Goncilium von Trient in ber fünften Sitzung (c. 1. de reform.) unb in der vierundzwanzigften Sigung (e. 8. de reform.) vorgezeichneten Seife, fobald εὖ möglich fein wird, einge⸗ führt, und diefe Pfründen von ben Biſchofen nach den Belchlüffen des⸗ felben Gonciliums und beziehungs⸗ wetfe den paͤpſtlichen Snorbnungen vergeben werben. Bierundzwanzigfter Artikel. Alle Vfarren find in folge einer öffentlich ansgeſchriebenen Bewerbung und mit Beobachtung der Borfehriften σεῦ Conciliums von Trient qu vete geben. Bei Pfarreien, welche dem geiftlichen Patrunatsrechte untere liegen, werben bie Patrone Einen ans dreien präfentiren,, welche bet Bifchof in der oben bezeichneten Weife vorfchlägt. Fünfunbswanzigfter Urtikel. m Seiner ves Haifers und Könige Feanz Sofepty Apoſtoliſchen SRaj it 172 stolicae Francisci Josephi Impe- ratoris et Regis Majestati praebeat, Eidem atque catholicis Ejus in Imperio Successoribus indultum concedit, nominandi ad omnes Canonicatus et Parochias, quae juri patronatus ex fundo Religionis seu studiorum derivanti subsunt, ita tamen, ut seliget unum ex tribus, quos publico concursu babito Episcopus ceteris digniores judicaverit. Articulus XXVI. Parochiis, quae congruam pro temporum et locorum ratione sufficientem non habeant, dos, quem primum fleri poterit, auge- bitur et psrochis catholicis ritus orientalis eodem ac latini modo consuletar. Ceterum praedicta non respiciunt Ecclesias parochiales juris patronatus sive ecclesiastici sive laicalis, canouice adquisiti, quarum onus respectivis patronis incumbet. Quodsi patroni obli- gationibus eis a lege ecclesiastica impositis haud plene satisfaciant, et praesertim, quando parocho dos ex fundo Religionis constituta sit, attentis pro rerum statu atten- dendis providendum erit. Artiouius XXVII. Cum jus in bona ecclesiastica ez canonica instiutione derivet, Kaiſerliches Patent einen Beweis befonberen Wohlwellens zu geben, verleihen Geine Heiligkeit Demfelben und Seinen katholiſchen Nachfolgern im Kaiſerthume bie Er⸗ maͤchtigung, für alle Canonicate und Dfarreien zu präfentiven, welche einem auf dem Religions» oder Studienfonde beruhenden Patronats⸗ rechte unterfiehen, jedoch fo, daß Einer aus den breien gewählt werde, welche der Biſchof nad) vorausgegangener öffentlicher Bewerbung für würbiger als bie übrigen erachtet. Schöundswanzigfter Aretikel. Die Ausflattung der Pfarren, welche Keine nach den Berhältuiffen bet Zeit und des Ortes genfgende Congrua haben, wird, fobolb εὖ möglich ig, vermehrt, und für bie katholiſchen Pfarrer des orientalifchen Ritus in derfelben Weile, wie für die des Inteinifchen geforgt werben. Doch etfiredt fij dieß keineswegs auf die Bfarren, welche unter einem rechtmäßig erworbenen geiftlichen ober weltlichen Batronate ſtehen; denn bei dieſen iſt bie La von ben bes treffenden Batronen zu tragen. Wenn bie Batrone den durch das Kirchen, gefeg ihnen auferlegten Verbind⸗ lichkeiten nicht volllommen genügen und ínébefonbere, wenn ber Pfarrer feinen Gehalt aus dem Religions fonde bezieht, fo wird mit Rückſicht auf Alles, was nach der Sachlage zu berüdfigtigen ig, Borforge ge» troffen werben. Siebenundzwanzigſter Artikel. Da a6 Stet auf den Genuß δες Kirchengäter aus bec kirchlichen boni 5. November 1855. omnes, qui ad beneficia quaecun- que vel majora vel minora nomi- meti seu praesentati fnerint, bo- morum temporálium eisdem an- nexorum administrationem nonuisi virtute canonicae institutionis as- sumere poterunt. Praeterea in possessione Ecclesiarum cathe- dralium, bonorumque annexorum, quae in canonicis sanctionibus et praesertim in Pontificali et Cere- moniali Románo praescripta sunt, adcurate observabuntur, quocun- que usu sive consuetudine in con- trarium sublata. Artieulus XXVIII. Regulares, qui secundum Or- dinis sui constitutiones subjecti sunt Superioribus Generalibus penes Apostolicam Sedem residentibus, ab iisdem regentur ad praefa- farum constitutionum normam, salva tamen Episcoporum auc- toritate juxta canonum et Triden- tini praecipue Concilii sanctiones. lgitur praedicti Superiores Gene- rales cum subditis cunctis in rebus ad mihisterium ipsis incumbens spectantibus libere communica- . bunt, libere quoque visitationem in eosdem 'exercebunt. — Porro regulares absque impedimento respectivi Ordinis, Instituti seu Congregationis regulas observa- bunt, et juxta Sanctae Sedis prae- ecriptiones candidatos ad novi- tium οἱ ad professionem reli- tioeum admittent. Haec ómnia pariter observabuntur quoad mo- 173 Einſetzung entfpringt, fo werben Alle, welche für eine wie immer bes fdjaffene größere oder fleinece Pfrunde benannt oder prüfentict worben find, bie fBerwaltung der zeitlichen, au felber gehörigen Güter nicht anders ale in Kraft der kirchlichen Gin» feßung übernehmen fónnen.. Webers dieß werben bei Befigergreiiung ber Domfirhen und der Damit verbune denen Güter alle Vorſchriften ber firchlichen Satzungen und insbefondere bie des römifchen Bontificales und Ges remoniales genau beobachtet und alle gegentheiligen Bräuche und Gewohn⸗ heiten befeitigt werben. ^ Achtundzwanzigſter Artikel. Jene Ordensperſonen, welche laut der Satzungen ihres Ordens General⸗ oberen, die bei dem heiligen Stuhle ihren Wohnfitz haben, unterſtehen, werden von denſelben in Gemäßheit der gedachten Satzungen geleitet werden, jedoch ohne Beeintraͤchtigung der Rechte, welche nach Beſtimmung der Kirchengeſetze und insbeſondere des Conciliums von Trient den Bi⸗ fhöfen zukommen. Daher werben vorbenannte Genetaloberen mit ihren Untergebenen in allen zu ihrem Amte gehörigen Dingen frei verkehren unb die Viſitation berfelben . frei vote nehmen. Ferner werben alle Ordens⸗ perfonen ohne Hinderniß bie Regel des Ordens, des Inflitutes, der Con⸗ gregation, welcher fie angehören, beobachten unb in Gemáffrit bet Vorſchriften des Heiligen Stuhles die darum Anfuchenden in’s Noviziat und zur Gefábbeablegung zulaffen. 174 niales in iis, quae ipsas respiciunt. Archiepiscopis et Episcopis libe- rum erit, in propriis Dioecesibus Ordines seu Congregationes reli- giosas utriusque sexus juxta sacros canones constituere; communi- esbunt tamen ea de re cum Gu- bernio Imperiali consilia. Articulus XXIX. Ecclesia jure suo pollebit, novas justo quovis titulo libere acqui- rendi possessiones ejusque pro- prietas in omnibus, quae nunc possidet, vel imposterum acquiret, inviolabilis solemniter erit. Proinde quoad antiquas novasque eccle- siasticas fundationes nulla vel suppressio vel unio fleri poterit, absque interventu auctoritatis Apo- stolicae Sedis salvis facultatibus a Sacro Concilio Tridentino Epi- scopis tributis. - Articulos. XXX. Bonorum ecclesiasticorum ad- ministratio apad eos erit, ad quos secundum Canones spectat. At- tentis autem subsidiis, quae Au- gustissimus Imperator ad Eccle- siarum necessitatibus providendum ex publice aerario benigne prae- stat οἱ praestabit, eadem bona vendi vel notabili gravari onere mon poterunt, nisi tum Sancta Sedes, tum Mejestas Sua Caesarea aut ii, quibus hoc munus deman- Naiferlichen Patent Dieb Alles hat auch vou ben weib⸗ ligen Orden in foweit zu gelten, ale εὸ auf biefelben Anwendung leidet. Den Erzbiſchoͤſen und Bifchöfen wirb e8 frei fliehen, in ihre Kirchen⸗ forengel geißliche Orden und Gon» avegationen beiderlei Geſchlechtes nad den Heiligen Kirchengefehen einzu» führen. Doch werben fie fi) hierüber mit ber kaiſerlichen Regierung in's Einvernehmen fehen. Neunundzwanzigſter Artikel. Die Kirche wird berechtigt fein, neue Befigungen auf jebe gefeßliche Weiſe frei zu erwerben und ihr Eigentum wird Hinfichtlih alles Deffen, was fic gegenwärtig befigt oder in Zufunft erwirbt, unver (egli) verbleiben. Daher werben weber ältere noch neuere Tirchliche Stiftungen ohne Ermächtigung von Gite des heiligen Stuhles aufge hoben oder vereiniget werben, jedoch unbefchadet der Vollmachten, welche das heilige Goncilium von Trient ven Bifchöfen verlichen hat. Dreöitigfter Artikel. Die Berwaltung ber Kirchengüter wird von Denjenigen gefüßet werben, welchen fie nach beu Kirchengeſetzen obliegt. Allein in Anbetracht ber Unterflügung, welche Geine Majeftät zu Beſtreitung ber fivdjiigen Bebürfs niffe aus bem ἀξεπι ει Schatze huldreich leiſtet unb legen wird, follen diefe Güter weder verkauft nod) mit einer beträchtlichen gag beichwert werben, ofne daß fowohl der Heilige Stuhl ale aud) Geine vont 5. November 1855. dandum duxeri&t, consensum tri- buerint. Articulus XXXT. Bona, quae fundos, uti appellant, Religionis et studiorum constituunt, ex eorum origine ad Ecclesiae proprietatem spectant, et nomine Ecclesiae administrabuntur, Epi- scopis inspectionem ipsis debitam exercentibus juxta formam, de qua Sancta Sedes cum Majestate Sua Caesarea conveniet. Reditus fundi Religionis, donec collatis inter Apostolicam Sedem et, Gu- bernium Imperiale consiliis, fundus 4pse dividatur im stabiles et eccle- siasticas dotationes, erunt erogandi in divinum cultum, in Ecclesiarum aedificia et in Seminaria et in ea omnis, quae ecclesiasticum re- spieiunt ministerism. Ad supplenda, quae desunt, Majestas Sua eodem, quo hacusque, modo imposterum quoque gratiose snecurret; immo si temporum ratio permittat, et ampliora subministraturus est sub- sidia. Pari modo reditus fundi studiorum unice impendentur in cathelicam | institutionem et juxta piam Temdamenterum mentem. Articulus XXXI. Fructus beneficiorum vaeantium, in quantum hucusque consuetum fuit, imferentur fundo Religionis, eique Majestas Sun — Caesarea Proprio motu assignet quoque 175 Majeſtaͤt der Kaiſer oder Sene, welt Diefelben hiemit zu beauftragen fiu» ben, bazu ihre Einwilligung gegeben haben. @innndbdrefkigfter Artikel. Die Güter, aus welchen ber Reli⸗ gions⸗ und Gtublenfonb beſteht, ſind kraft ihres Urſprunges Gigenthum bet Kirche umb werben im Namen der Kirche verwaltet werten, wähe rend bie Bifchäfe ble ihnen gebährende Auffiht nach den Beſtimmungen fiben, über welche der Heilige Stuhl mit Seiner kaiſerlichen Majeſtaͤt fibereinfommes wird. Die Ginfünfte des Religionsfondes werben, bie tiefer Bond durch ein Einvernehmen zwifchen dem apoflolifchen Stuhle und bet fatferlichen Regierung im bleibende und Firchliche Ausſtattungen getheilt wird, für Gottesbieng, Kirchenbau lichfeiten, Seminare und Alles, was die Tirchliche Amtsführung betrifft, verausgabt werben. Zu Ergänzung des Fehlenden wird Seine Mafeflät in derfelben Weiſe wie bisher aud fünftighin gnábig Hilfe leiten; ja, woferne die Seitverhältmiffe e& ge» flatten, fogar größere Unterflügung gewähren. Ingleichen wird das Cine fommen bes Stubienfondes einzig allein anf ben katholiſchen Unterricht unb nach dem fronmen Willen ber | Stifter verwendet werben. Swelunbbreifigfter Artikel. Das QGrtr&gniB der erledigten Pfrüunden wird, in foweit e6 bisher üblich war, bem Steligtenefonbe zus fallen, und Gene Majeflät Über weifet demſelben aus eigener Ber 176 ' Episeopstuum et Abbatiarum sae- eularium per Hungariam et ditiones quondam annexas vacantium re- ditus, quos ejusdem iu Hungariae regno Praedecessores per longam saeculorum soriem tranquille pos- sederunt. In illis Imperii pro- vinciis, ubi fundus Religionis haud extat, pro quavis dioecesi insti- tuentur commissiones mixtae, quae juxta formam et regulam, de quibus Sanctitas Sua cum Caesarea Ma- jestate conveniet, tam mensae episcopalis quam beneficiorum ^ Kaiferliches Patent : wegung das Einkommen ber erlebigten fBietfümer und weltgeiftlichen Abteien in Ungarn und bem vormals dazu gehörigen Ländern, in beffen ruhigem Befige Allerhoͤchſtihre Vorgänger im Königreiche Ungarn fi während einer langen Reihe von Jahrhun⸗ derten befunden Gaben. In jenen Thellen des Kaiſerthums, wo frin Religionefond belebt, wird für jeden Kirchenfprengel eine gemifchte Gon» mifftion beflellt werben und bie Güter des Bisthums, fowie aller Pfründen zur Seit ber Erledigung nach Ber omnium bona vacationis tempore | ſtiumungen verwalten, über welche administrabunt. Articulus. XXXIII. Cum durante preeteritarum vi- cissitudinum tempore plerisque in locis Austriacae ditionis ecclesia- sticae decimae civili lege de medio sublatae fuerint, et attentis pecu- liaribus circumstantiis fleri non possit, ut earumdem praestatio in toto Imperio restituatur, instante Majestate Sua. et intnitu tranquil- litatis publicae, quae .Religionis vel maxime interest, Sanctitas Sua permittit ac statuit, ut salvo jure exigendi decimas, ubi de facto existit, aliis in locis earumdem decimarum loco seu compensationis titulo ab imperiali Gubernio as- signentur dotes seu in bonis fun- disque stabilibus, seu super Im- perii debito fundatae iisque om- nibus et singulis tribuantur, qui jure exigendi decimas potiebantur; itemque Majestas Sua declarat, der heilige Vater unb Seine Maje flàt Sich einzuverflehen gebenfen. BDreiunbbreigigker Artikel. Da zur Zeit der vorübergegangenen Erfchütterungen an fehr vielen Orten des öfterreichifchen Gebiete ver Kirch» liche Zehent durch ein Staatsgefch aufgefoben wurde, und es in Aube tradjt der befonderen Verhaͤltniſſe nicht möglich id, bie Leitung be& felben im ganzen Kaiſerthume wieder berzuftellen, fo aeftattet unb befimmt Seine Heiligkeit auf Verlangen Seiner Süajegát und in Anfehung der öffentlicden Ruhe, welche für die Religion von Höchfter Wichtigkeit ifl, daß unbejdjabet des Mechtes, ben Zehent bort eingufotbern, wo et noch wirklich befteht, an ben übrigen Orten flatt des gebachten Zehents und ale Entſchaͤdigung für den felben von ber Eaiferlichen Megierung Bezüge aus liegenden Gütern. ober verfichert auf die Staatsfchuld am gewiefen, und Allen und Jedem vom 5. November 1855. dotes ipsas habeudas omnino esse, prout assignatae fuerint, titulo oneroso et eodem ac decimae, quibus.succedunt, jure percipiendas tenendasque esse. Articulus XXXIV. Cetera ad personas et res eccle- siasticas pertinentia, quorum nulla in his articulis mentio facta est, dirigentur omnia et administra- buntur juxta Ecclesiae doctrinam et ejus vigentem disciplinam a Sancta Sede adprobatam. Articulus XXXV. Per solemnem hanc Conven- tionem leges, ordinationes et de- creta. quovis modo et forma in imperio Austriaco οἱ singulis, quibus constituitur ditionibus, hac- 4enus lata, in quantum illi adver- santur, abrogata babebuntur, ipsa- que Conventio ut. lex Status dein- ceps eisdem in ditionibus perpetuo vigebit. — Atque. idcirco . utraque contrahentium pars spondet, se successoresque suos omnia εἰ singula, de quibus conventum est, sancte servaturos. Si qua vero in posterum supervenerit diffi: cultas, Sanctitas Sua οἱ Majestas Caesarea invicem conferent ad rem amice componendam. Theol. Duartalichrift. 1856. 1. Heit. 177 auégefolgt werben, welche das Recht, ven Zehent einzufordern, befaßen. Zugleich exflárt Seine Majeität, daß viefe Bezüge, ganz fo wie fte anges wiefen find, fraft eines entgeltlichen Titels und mit bemfelben Rechte, wie bie Sebente, an deren Stelle fie treten, empfangen und befefjen werben ſollen. Vierunddreifigfter Artikel. Das übrige vie kirchlichen Set» ſonen und Sachen Betreffende, wo⸗ von in dieſen Artikeln keine Meldung gemacht ift. wird fämmtlich nach der δεῦτε ber Kirche unb ihrer in Kraft ftehenden, von dem heiligen Gtuble qut geheißenen Disciplin geleitet und | verwaltet werben. Fünfunddreiftigſter Artikel. Alle im Kaiſerthume Oeſterreich und den einzelnen Ländern, aus welchen daſſelbe beſteht, bis gegen⸗ waͤrtig in was immer für einer Weiſe und Geftalt erlaſſenen Ge: fete, Anordnungen und Berfügungen find, in foweit fie diefem feierlichen Vertrage wiverftreiten, für durch venfelben aufgehosen anzujehen, und bet Vertrag felbft wird in benfelben Ländern von nun an immerdar bie Geltung eines Staatsgeſetzes haben. Deßhalb verheißen beide vertrag fließenden Theile, daß Gic umb Ihre Nachfolger Alles und Jedes, worüber man fich. vereinbart bat, gewiflenhaft beobachten werben. Wo⸗ ferne ſich aber in Zufunft eine Schwierigfeit ergeben follte, werden Seine Heiligfeit und Seine faiferliche Majeſtaͤt Sich zu freundfchaftlicher 12 178 Kaiferliches Patent vom 5. Movember 1855. Beilegung der Sache in'6 Einver- nehmen feßen. Articuins XXXVI. GedbunbbreifigRer Artikel. Ratificationum hujus Conven-| Tie Auswechelung der Ratifi⸗ tionis traditio fiet. intra duorum | cationen biefe$ Bertrages wird binnen mensium spatium a die hisce ar- | zwei Monaten, von bem biefen Ar⸗ tienlis apposita aut citius, si fieri | tifeln beigefeßten Tage an gerechnet, potest. oder wenn e$ möglich ift, auch früher ftattfinden. In quorum fidem praedicti Pleni-| Zu deſſen Beglaubigung haben potentiarii huic Conventioni sub- | die vorgenannten Bevollmächtigten scripserunt, illamque suo quisque | diefe ebereinfunft unterzeichnet unb sigillo obsignaverunt. . | Beide ihr Siegel beigebcüdt. Datum Viennae die decima| Gegeben zu Wien am adjtgegnten octava Augusti anno reparatae | Auguf im Jahre des Heiles taufenb Salutis millesimo octingentesimo | achthundert fünfundfänfzig. quinquagesimo quinto. ' Mich. Card. Joseph. Othmar. Mich. Carb. Sof. Othm. Viale-Prelà m. p. de Rauseher m. p., | Piale-Prelaäm.p. v. Rauſcher mi. p. (L. S.) Archiepiscopus Viennensis. (L. S.) Erzbiſchof von Bien. (L. 8.) (L. S.) Nos visis et perpensis Conventionis hujus articulis íllos omnes et singulos ratos hisce confirmatosque habere profitemur ac decla- ramus, verbo Caesareo-Regio pro Nobis atque Successoribus nostris adpromittentes, Nos omnia, quae in illis continentur, fideliter exe- cutioni mandaturos neque ulla ratione permissuros esse, ut illis contraveniatur. 'In quorum fidem majusque robur praesentes rati- habitionis Nostrae tabulas manu Nostra signavimus sigilloque Nostro Caesareo - Regio nppenso firmari jussimus. Dabantur in Ischl die vigesima tertia mensis Septembris anno Domini millesimo octingen- tesimo quinguagesimo quinto Regnorum Nostrorum septimo. Franciscus Josephus. (L. 8.) Comes a Buol-Schauenstein. Ad mandatum Sacr, Caes. ac Reg. Apostolicae Majestatis proprium: Otto Liber Baro a Meysenbug m. p. —N — Literarifeher Anzeiger Nr. 1. Die bier angezeigten Schriften findet. man in ver H. Saupp' ídem Buche handlung (f&upp & Sicbed) in Tübingen vorräthig fo wie alle Gv» fdeinunget der neueften Litteratur. Stolberg’s Gefchichte der Neligion Zefn. Fünfzigfter Band ! Go eben ift erfchienen und durch alle ſoliden Buchhandlungen des Ins und Auslanves zu beziehen: Geſchichte der Religion Jeſu Gbrifti Von J Friederich Leopold Grafen zu Stolberg, fortgefegt von Dr. Johaun Nepomuk Briſchar. 3309 Yünfzigfter Band. Der fortfebung fünfter Band. Hamburger Ausgabe gr. 8. geb. 2 fl. 24 fr. rhein., 2 ff. ... 2A fr. (δ, M. oder 1 9ttblr. 10 Ser. Wiener Ausgabe. kl. 8, geb. 2 fl. rhein., 2 fl. G. 3X. x oder 1 Rthlr. 5 Sgr. ' ‚Nachdem im Jahre 1853 ber [ete Band biefeó unvergleichlichen Nationalwerkes der Deutfchen erfchienen, ift e8 jet bem gelehrten unb geiftreichen Herrn Berfafler wieder möglich geworben, fid) ganz der Stols berg’fchen Religionsgefchichte widmen zu fónnen und ten dringenden Dünfchen nicht wur ber bieherigen zahlveichen Abnehmer des Werkes, tondern aller Freunde der unverfälfchten chriftlichen Gefchichte überhaupt zu entfprechen. Nach einer zweijährigen Pauſe, welche baburd) hervor⸗ gerufen wurbe, daß Herr Dr. Briſchar einem Rufe nad) Wien gefolgt wat, um dort die Redaction der „Katholifchen Literaturzeitung‘ zn übernehmen, liegt nunmehr ver fünfzigfte Band vollfländig vor und, und wird, da reiches Material bereits gefammelt, aud ver nächte Band binnen Kutzem erfcheinen, indem fid) der Herr Berfafler in ver Lage befindet, ausſchließlich kirchenhiſtoriſchen Studien fig widmen zu fönnen. — Wie feft das wiffenfchaftlich gebilvete Publicum ſich hierzu Glüt wünfden darf, das befunden die vier vorhergehenden Bände 2 (Band 46-- 49.) mehr ale zur Θεπίμε, da diefelben vie fpredyenbften Belege dafür liefern, daß Herr Dr. Brifchar der übernommenen, feywierigen Aufgabe vollftändin gewachfen und viefelbe auf das Glüngenbfle gelöfet. Alle namhaften Eritifchen Inftitute Deutfchlande, namentlich die „hiftorifchepolitifchen Blätter,“ Haben ver feitherigen Fortſetzung Stolberg's durch Heren Dr. Brifchar die glänzenpfte Anerkennung gezollt! Gin * Sleiches gilt von viefem fünfzigften Bande, der einen für Deutſchlands Gefchichte höchft wichtigen Abſchnitt enthält: bie Regierung Heinrichs VI, die Thronftreitigkeiten zwifchen Philipp und Otto IV. und ves legteten ntfernung vom deutſchen Kaiſerthrone durch Innocenz Ill. und Briederich II. Auch die Sefchichte ber Errichtung des Latet: nifhen Kaiſerthums zu fRonftantinopel, des Reiches θὲ Ὁ πὶ» nia, dürfte in gegenwärtiger Seit, da bie orientali(dye Wrage vic allgemeine Aufmerffamfeit auf fid) gezogen hat, von großem Sntereffe fein, unb tem Lefer reihen Stoff zum Nachtenfen und zu Bergleichen batbieten. Der nächſte Band wird bie noch übrige Firchlichepulitifche Ges ſchichte währen des SBontiffcate& Junocenz HI. enthalten, jenes glor⸗ reiches PBontificates, welches einen der hervorragenpften Gíanjpunfte der Sefchichte des Mittelalters bildet, und. fpäteflens in 8 bid 4 Qo: naten erfcheinen. Die Fortfegung folgt, wie wir wiederholt νεῖν fihern, ununterbrochen, und es werben im Laufe zweier Jahre mindeftens für bie Zukunft Drei Bände ericheinen. — Auch für einen nothwendig gewordenen neuen Megifterband zu dem bändereichen Werke bat bie Berlagshandlung bereits Borforge getroffen und wird bet: [εἴθε mit dem nächften Bande ausgegeben werben. Mainz, im November 1855. Franz Kirchbeim. 3n ver Fr. Hurter’fchen Buchhandlung in Schaffbhaufen erſchien fo eben: Urgeichichte des menfchlichen Geſchlechts, durch 9f. Sr. Gfrörer, otb. Profeſſor der Gefchichte an der Univerfität Freiburg. Zweiter Band. fl. 3. tfein. u. Rthlr. 1. 21. Auch diefe Abtheilung wird nicht minder als die erfte, das Inter⸗ effe der gebilveten Theologen auf fid) ziehen. Bei Ed. Anton in Halle ift focben erfchienen: Tholuck, Dr. A., Sommentar zum Krief an die Römer. Sonfe neu auégearbeitete Ausgabe. gr. 8. brofd. 3 Thlr. Aũs der Vorrede zu blefer neuen Auflage nur folgende Worte: „Ich konnte bem Bedürfniß nicht wieberfteben, eine durchaus neue und noch eingehenvere Bearbeitung an die Stelle der früheren zu fegen. — Q6 erfchien mir bringenb wünfhenewerth , nicht blos ein Gompenbium aus Vorarbeiten, fonbetn ein Werk eregetifcher Forſchung zu liefern, welches zur Selbfiforfchung eine Anregung geben Fönnte.“ Theologiſche Quartalſchrift. — — P In Verbindung mit mehreren Gelehrten herausgegeben von D. v. fum, D. v. Hefele, D. Welte, D. Zukrigl unb D. Aberle, Profefioren ber fatp. Theologie an ber K. Univerfität Tübingen. Achtunddreißigfter Jahrgang. Zweites Quartalheft. - gübingen, 1856. Berlag der H. Laupp’fchen Buchhandlung. - — Lauyp & Sichel. —- Drud von ᾧ. Yaupp jr. I. Abhandlungen. 1. Zur Lehre von ber Unfterblichkeit des Geiftes. Es ift befannt, daß Strauß bie bisherige Lehre ber jenfeitigen perfönlichen Unfterblichfeit des Menfchengeiftes in feiner Olaubenslehre, II. Bd. S. 697 — 739, aufzulöfen verfucht bat. Er fagt ΘΙ. IL, ©. 699: Sofern das Ich „noch nicht fpeculatives ift, faßt es feine Unendlichkeit ale die endlofe gerade Linie der unauffórlid)em Wortbauer: und ba zeigt fid) freilich, daß εὖ ber kirchlichen Denkweiſe, deren Gehalt es in fid) aufgezehrt Dat, bod) ber Form παῷ noch verfallen ift. Denn wenn das allgemeine Schema der firchlichen Borftellung bie Entäußerung war, fo ift ja das Beginnen dieſes gebildeten Ich, ftatt feine Unendlichkeit friſch⸗ weg in fid) zu ergreifen, ihr lieber im endlofen Progreſſe nadaulaufen — dieß ift ja baffelbe Außerfichfommen, beffen firhlihe Producte zwar das Ich aufgelöft hat, ohne tod) von ihm felbft fi [oómaden zu fónnen.^ Diefe Bes hauptung von Strauß wird ung nicht befremben, wenn wir bebenfen, daß auf feinem moniftifhen Gtanbpuntte 13 * 482 Bur. Lehre ber pantheiftifchen Immanenz eine perſoͤnliche unendliche Fortdauer bed Gifted. nicht denfbar ift, ba es nad) feiner Meltanfhauung fein Senfeits gibt. — Indeß anders vet» hält fid) bie Sache, wenn e8 ein Jenſeits wirklich gibt. Dieß läßt fid) aber erweifen. Denn Geift und Natur find wefentlich verſchieden. Der Geift eriftirt ald ein einfaches Sein, die Natur als ein Reals Allgemeines im Minerals, Pflanzen» und Thierreihe. Der Geift ift. perfönlich, bie Natur unperfönlih. Der Geift ift frei, ble Natur unfrei. Sind aber Geift und Natur contrát » contradictorifche Begenfäge, fo fónnen fie nicht durch Gmanation aus Einem und demfelben Principe (au8 Gott) hervorgehen, da auf biefe Weife nur ein gradueller Unterfchied zwifchen beiden ftattíánbe. Sie find bemnad) nur durch Greation aus Nichts von Gott gefegt, mithin ift Gott von ihnen quali» tatio verfhhieden, unb nicht ihr immanentes Orundwefen, daher übers und aufermeltfid)). Es gibt fomit ohne Zweifel aud) ein Jenſeits (εἰπε intelligible Welt). If aber eine intelligible Welt wirklich, fo ift aud) eine jenfeitige unendliche perfönliche Wortbauer des Geiftes benfbar unb móglid. — Es wird fid) daher nur fragen: ob bie von Strauß vollgogene Auflöfung ber bisher geführten Beweiſe für bie jenfeitige unendliche perfönlihe Wortbauer des Beiftes Stich Hält ober nidi? Wir wollen beffjalb feine Auflöfungsgründe prüfen und feiner Kritif eine Metakritik entgegenfegen. Strauß beginnt feine Auflöfung zuerfi an dem Be weife, ber ba Eurz lautet: I. Das Verlangen nad) Wiederſehen als Grund der 1) Val. unfere Schrift: „Wiſſenſchaftliche Rechtfertigung der chriſtl. Trinitaͤtelehre. 1846. €. 12 — 125. von ber Unſterblichkeit des Geifles. 183 yerfönlihen Fortdauer des Geiftes nad) bem Tode ‘des Leibes. Er äußert fid) hierüber, ΘΙ. IL, S. 699, alfo: „Daß ber wichtigſte Punkt in der aufgeflärten Unſterblichkeits⸗ lehte das ſogenannte Wiederſehen, die Wiedervereinigung mit den vorangegangenen Lieben, mit Gattinnen und Kindern, Freunden und Freundinnen if. Damit legt das Ich ben Willen an ben Tag, nicht blos feine Gubjectivitàt überhaupt, fondern aud) deren particuläre SBeftimmungen und Verhältniffe, in alle Ewigfeit fortzuführen, b. b. aus feiner Endlichkeit feinen Schritt herauszugehen." Dann Il. S. 100 f.: „Hiebei iR fogleid) ber Fall ſchwierig, ber oft genug eintreten muß, wenn nämlich von zwei Seelen, die bier durch Liebe verbunden waren, nad) dem Tode bie eine in den Himmel, bie andere in bie Hölle fommt. Ziehen bie Bande des Bluts auch dort nod) fo flarf an, daß εὖ das Glüd einer Mutter erhöht, in der Geligfeit ihren Sohn um fid) zu haben, fo muß ἐδ fie in demfelben Orabe ungfüdiid) machen, den andern Sohn in der Hölle ju wiffen; und Bat fie nun gar mehr Kinder und Ange: hörige, bie in bie Hölle gefommen find, als die in ben Himmel, oder ift fie allein von ihrer ganzen Familie in den Himmel gefommen, fo wird bie gute Frau von einer felgen Seligfeit um fo weniger Genuß haben, je mehr fie ihrer würdig ift, da ja felbft dem gottlofen Praffer in bet Hölle das Fünftige Schidfal feiner Hinterbliebenen Brüder fo fehr zu Herzen ging (uc. 16, 27. f.).. Soll aber bie Mutter im Himmel fid) fo fehr auf den göttlichen Standpunkt geftellt haben, daß fie ihre Kinder ebenfo gleihmüthig wie fremde Perfonen in den Händen bet göttlichen Strafgerechtigfeit fehen fann, fo wuͤrde theilg 184 Zur Lehre ein fo entmenfchtes Wefen gerade zu ihnen in bie Hölle gehören; hauptſaͤchlich aber müßte dann derſelbe abfolute Standpunft fie aud) dagegen gleichgültig madjen, ob bie fie umgebenden Seligen zufällig ihre Kinder wären ober nit: unb bod) war bie Vorausſetzung, daß bief eben nicht gleichgültig fein werde, ber Hauptbeweis- für das )ieberfeben. Doc geftehen wir: hier ift biefe moderne Hypotheſe aus der kirchlichen Vorausſetzung ewiger Höllen- ſtrafen heraus widerlegt, welche ſie doch in der Regel nicht theilt, und ſich daher durch die Hoffnung jener Muter, einſt auch ihre jetzt Strafe leidenden Kinder beſeligt bei ſich zu ſehen, notbbürftig aus ber Schlinge ziehen kann.“ Soweit die Kritik von Strauß. — Wir wollen nun die Hauptgedanken des obbeſagten Beweiſes noch einmal kurz zuſammenfaſſen. Sie heißen: Da der Menſch in ſich die heißeſte Sehnſucht traͤgt, ſeine abgeſchiedenen Lieben einſtens wiederzuſehen, und da dieß Verlangen des menſch⸗ lichen Herzens geſtillt werden muß, weil jeder Trieb der menſchlichen Natur feine Befriedigung findet, fo folgt hieraus nothwendig, bag ber Geift unfterblih ift. — Auf biefe Weife finden wir bie Unfterblichfeit des Geiſtes bewiefen bei Engel in feiner Schrift: „Wir werben uns tieberfeben;" bei Thiele von Thielefeld: „Alfred und Ida, Briefe über Wortbauer und MWiederfehen"; bei Grävell: „Briefe an Emilien über die Fortdauer unferer Gefühle nad dem Tode". — Nehmen wir ein wirkliches Wieder fehben an, wendet Strauß nun dagegen ein, fo wird bie Seligfeit des Wiederfehens zweifelsohne oft getrübt werben müffen, ba von den abgefdiebenen Lieben aud) SRandet ben Höllenftrafen verfallen fann. Der Geift des Frommen fónnte bemnad) beffentbalb feine perfönliche unendliche von bet Iinfterblichkeit des Geiſtes. 185 Fortdauer im Jenſeits nicht wuͤnſchen, alfo ift er aud) nicht unferblid, ba bie ungetrübte Seligfeit für das menfchliche Herz jenfeitö nicht immer erreicht werden faim. Dagegen bemerken wir Folgendes: Allerdings hat das menfchliche Herz in fid das Verlangen, εἰπῇ bie Seinigen wiederzufehen, und es ift auch von Gott zu erwarten, daß er biefeó Verlangen, weil er es anerfchaffen, im Senfeits ftillen wird. Nur muß aber hier zugleich aud) bieß bervorgefehtt werden: Da Gott δῶ heilig ift, fo fann bloß bie vernünftige und ſittlich zuläffige Sehn- fud bed Frommen befriedigt werden. Es fann babet bet Fromme nur begehren, mit feinen fromm abgefchiedenen Lieben jenfeits in feliger Liebesgemeinfchaft vereint zu werden!) — Der befagte Beweis ift demnach nicht ohne allen Halt, nur dürfte er richtiger fo geführt werben: Der Θεὶβ des Frommen bat das Verlangen nad) feliger jen- feitiger Wiedervereinigung mit allen eben: ©eiftern. Da nun Gott. biefen Trieb, weil er ihn eingepflanzt, zufolge feiner Güte befriedigen wird, und zufolge feiner Heiligfeit auch befriedigen fann, fo wird ber Gift ohne Zweifel im Jenſeits forterifticen. — Was aber jenen Einwurf von Strauß betrifft, bag für den Srommen bei feinem Wiffen der Verdammniß eines feiner Lieben eine felige Unfterbs 1) Dieb behauptet ſelbſt Dr. Er. Richter, der fonft die individuelle - jenfeitige Unfterblichfeit des Geiftes Tängnet, in feiner neueften Schrift: „Vorträge über die perfönliche Qortbauer.^ Hamburg, 1855. ©. 139: „Bird einmal das Senfeit8 für vie höhere Sphäre des geifligen Lebens genommen, nicht für eine mäffige Repetition des Erdenlebens in vers änderter Einrahmung: fo kann Gott auch im biefem Jenſeits auf bie irdiſchen Familien⸗ und Freundfchaftsbande nur Rückſicht nehmen, foweit fie von höherem geiftigen Gehalt erfüllt und bamit vetewigungefahis geworden find. “u 186 Zur Lehre lichkeit jenfeits nicht möglich fei, fo ift die Antwort: Die Anfhauung der Trennung ber Geredjten von den linges rechten vernichtet bie jenfeitige Seligfeit der Erſteren nod) feineswegs, und träte die Scheidung aud) zwifchen Aeltern und Kindern ein. Denn ber Menſch ift ja nidt blos Natur⸗ fondern aud) Geiftmefen. Die finnlidje Zuneigung ber Natur muß bemnad) ſtets geregelt und beherrſcht werden nad) ber fittlihen SBernunft des Geiſtes. Gin vernünftiger und fittliher Vater fann daher jenfeits feiner Geligfeit hiedurch nod) nicht verluftig werben, wenn er feinen Sohn von bem Himmel ausgefchlofien weiß. Denn hat legterer auf Erden die (dünblidften Frevel gegen Gottes Heiligkeit und Güte verübt, fo muß ja felber der Vater im heiligen Eifer gegen ihn fld) exgütnen, daß er nicht blo feine Ermahnungen, fonvdern auch bie göttliche Gnabe, bie ihn fo oft retten wollte, bi8 zum letzten Augen blide (djnóbe, ftolz unb verhöhnend von fid) gewiefen. G6 fann deßhalb fein Mitleid nimmer von ber Art fein, - Daß εὖ feine Geligfeit in Gott gänzlich aufbebt. Der fittliche Geiſt des Menſchen fann im Senfeité nur das Zufammen- fein mit den Gerechten wünfchen; aud) fann berfelbe nur das wollen, was Gott, der Allbeilige, Allgerehte und Allweife will. — Dazu fómmt noch, daß nad) der allge- meinen Auferftehung ber Tobten ber Charakter der Ger fchlechtlichfeit unb der Bande des Blutes mobiftcirt fein wird. (ὁ heißt ja Matth. 22, 30: „Denn bei der Auferftehung heirathen fie nicht, nod) werben fte verheirathet, fondern find wie bie Engel Goftes im Himmel.” Hierauf fagt Ehriftus, (Matth. 12, 49 — 50): „Wer ift meine Mutter und wer find meine Brüder?" „Wer irgend den Willen meines Vaters im Himmel thut, der ift mein Bruder unb von ber Unſterblichteit bes Gef. . 487 Schwefter unb Mutter.” — Eine Mutter, welche das Bewußtfein Bat, für bie fittlihe Rettung ihrer Kinder alles gethan zu haben, fann daher immer im Himmel feltg fein, wenn auch biefefben, weil fte in der Unbußfertigfeit verharrten bi. ans Ende, von dem Himmel ausgefhloffen find. Sie ift deßhalb nod) nicht entmen(dt, wenn ihr “Mitleid ein vernünftig gemäßigtes ift. Denn zur Menfch- lichkeit gehört ja nicht der Charakter, den im Böfen Ver⸗ fleften, den durchwegs Unverbefferlichen fortan zu lieben, und mit ibm auf ewig in der innigften Gemein[djaft [eben p wollen. Es ift demnach bie . jenfeitige yperfönliche Seligfeit des frommen ©eiftes immerhin möglih, wenn aud) nicht alle feine abgefchiedenen Lieben in'8 immelreid) aufgenommen werben follten. IL Die Nothwendigfeit einer fittlihen Vergeltung al8 Grund für bie Fortdauer nad) bem Sobre. Diefer Beweis ward bisher (nad) Strauß’ Darftellung, Gl. IL, S. 706 (.) auf folgende Momente gegründet. 1) „Des Häufige Mißverhältnig des Außern Zuftandes der Menfchen in biefem Leben mit ihrem innern Werthe gleicht fid) mittefft ber Ivee eines gerechten Gottes ig ber Borftellung. eines künftigen PVergeltungszuftandes aus (nad) Athenagoras de resurrect. mort. 18.)." 2) „Für die Frommen ift bie Ausficht auf jenfeitige Schabloshaltung der einzige Troſt in den Leiden biefe8 Lebens." — (Calvin, instit. IIL, 9, 6,). 3) „Ohne die Ausfiht auf die Preife eines ewigen Lebens würde der Menſch nicht im Stande fein, ben Forderungen Gottes nachzukommen (F. Socin. Christ, relig. breviss. instit. Bibl. Fr. Pol. I. p. 651.)." 4) „Auch Leibnig war ber Meinung, ohne bie Ueberzeu⸗ gung von einer Vergeltung nad dem Tode zur Grund» 488 Zur Lehre lage zu nehmen, laſſe fif feine Sittenlehre zu Stande bringen, und fomme der Glaube an Gott und feine Vor⸗ fehung in Gefahr, ba fid) bie göttliche Gerechtigkeit in diefem Leben nicht bethätige.” (Epist. ad Bierling. Leib- nilii epp. ad divers. ed. Kortholt, IV., p. 80.) Strauß fudit nun das Argument von 2eibnig aljo zu widerlegen (Θ΄. IL, S. 707 f.): a) Bierling fagt: „Er ^ wünfchte „die lebtere Aeußerung von Leibnitz“ mit ber Einfhränfung verftehen zu dürfen, daß bie Gottheit in biefem Leben nicht immer Vergeltung übe; denn oft fei bie bod) gewiß recht augenſcheinlich ber Fall, und wenn wir ed nicht immer wahrnehmen, fo fei wohl nur bie Schwäche unferer Vernunft daran Schuld, welde bie Mittel und Wege der göttlichen Vergeltung night gehörig fenne.^ b) „Auch €eibnig felbft fa) gar wohl ein, daß Luft am Guten als foldem und Unluft am Böfen bie wahre, und wo fie fid) entwidelt finde, für fid) zureichende moralifche Triebfeder fei; aber nidt Alle ftehen durch Natur und Erziehung auf diefer Stufe, und für folde, meinte er, fei bie Ausfiht auf die jenfeitige Vergeltung ein unentbehrlicher Zügel.” (Leibnit. diss. epislolica ad Hanschium de philos. Platonica (epp. ad div. III, p. 68.) c) Spinoza enbfid) äußert fid) hierüber: ,Gemif, wer „ein Verbrechen“ nur aus Furcht vor Strafe unterläßt, ber handelt nidjt aus Liebe, unb ift nichts weniger ald tugenb» Baft.^ (Spinoza, epist. XXXIV.) Nun ruft Strauß triumphirend aus, ΘΙ. IL, €. 710: „Dieb ift bae moderne Tugendevangelium, gegen voeldjeó bie aus ber Vergeltung gezogenen Unfterblichfeitsbeweife wie ſchmutzige Waͤſche gegen Schnee fif ausnehmen.“ (I?) Hierauf faßt Strauß, GL IL, ©. 712, feine Gegenbemerfung « don der Unfterblichkeit des Geiſte. — 189 noch fury fo zufammen: „Wer bie Behauptung nod) üt den Mund nehmen mag, daß es in biefem Leben bem Guten fo oft ſchlecht, dem Gdedten gut gehe, und darum eine fünftige Ausgleihung nothwendig fei, ber jeigt nur, daß er das Aeußere vom Innern, den Schein vom Wefen, noch nicht unterfcheiden gelernt hat." „Ebenſo, Wet für fich felbft noch der Ausficht auf fünftige Vergel⸗ tung al8 einer Triebfeder bedarf, ber fteht nod): im Vor⸗ fefe der Sittlichkeit, und febe zu, daß er nicht falle." Dann ΘΙ. I.,-S. 713: „Wer immer nur fhafft, daß et felig werde, ber handelt bod) nur aus Egoismus." Schließlich ftellt Strauß fid) felber die Frage: „Aber ift (ὁ denn möglich, daß der Menſch ohne alle Rüdfiht auf fein eigenes Wohlergehen handle? Nein! fagen aud) wir mit Qeibnib; aber ſittlich ift ein folhes Handeln, wenn ἐδ, abgefehen von ben endliden Zweden, welden es dient, in moralifcher Hinfiht Selbſtzweck ift, b. b. die Glüdfeligkeit als immanentes Moment, ald das von der Kraftäußerung unjerttennlide Kraftgefühl, in fid (hließt; fudt cà dagegen für feinen moralifhen Werth einen außerhalb feiner liegenden Lohn, fo ift es unflttlich, ohne Unterfchied, ob es diefen Lohn in biefem ober in einem andern Leben erwarte. Denn was ift Unfittlichkeit anderes, als daß Tugend und Glüdfeligfeit in einem Menfchen noch zweierlei find.“ Wenn Strauß meint: er fönne den Unfterblichfeitsbes weis aus der Vergeltung durch die Behauptung auflöfen, daß die fittliche Vergeltung auf Erden fid) bereits jederzeit und vollftändig vollziehe, fo dürfte ihn bie Gefchichte wohl eines Andern belehren, nicht minder aud) ftant (ber bod) gewiß für. die Reinheit der fittlihen Triebfeder geeifert), 100 Zur Lehre und ebenfo bie Stoifer, bie den Selbfimorb fogar für erlaubt hielten, fobald εὖ einem Weltweifen nicht länger mehr möglich wäre, fid mit Würde unb heiterer Seelen⸗ tube in gebrüdten Berhältniffen behaupten zu fónnen. Man muß vielmehr bieB fagen: Gerade befbafb, weil bie Vergeltung fid) nicht vollftändig in biefem Erdenleben vollzieht, verfiel ja der Menfchengeift auf ein Jenſeits, ba et einen feinen fittlichen SBerbienften entfpredenben Zuftand durch feinen Glüdfeligkeitstrieb zu beanfprudyen follicitirt "wird. — Uebrigens ift Strauß im Irrthum, wenn er bie Anfiht begt, bie Glüdfeligkeit beftehe nur im Innern, und nit aud) im Aeußern. Denn Frage: Wie fann da ein glüdfeliger Zuftand des Frommen ftattfinben, wenn er in feinen äußern Lebensverhältnifien veradhtet, vers láumbet, verfpottet und verfolgt wird? wenn er in Armuth, fBebrüdung und Krankheit ſchmachtet? Wohl Fann ein Märtyrer innern Frieden des Geiftes in reichlicher Bülle genießen, b. ἢ. er kann felig fein, aber beffentbalb ift er nod) nidt glüdfelig, wenn äußerlih die Qualen der Genfer. ihn peinigen. Oder fonnte Polycarpus — bie brennenden Schmerzen feines Leibes auf dem flammenben Scheiterhaufen negiren? Oder hat etwa Chriftus, ver vollfommene Gerechte, am Kreuze feine großen förperlichen Leiden verhehlt? Der Menſch ift ja nicht blos Geiftwefen, fo, daß er fid) mit bem Bewußtfein: recht gehandelt zu haben, und mit bem innern freudigen Beifall des Ges wiffene ἢ), allein begnügen Eönnte: er ift aud) Naturweſen 1) Auch Richter meint („Borträge über Ὁ. perſoͤnl. Fortbauer” ©. 292): „Bott ift vielmehr darin immer unb überall ber Berechte, daß er an die Natur des Guten die Seltfivereblung beffen, der es vollbringt, an bie Natur des Schlechten die Selbfiverfchlimmerung gefnüpft Hat. von ber Iinfterblichkeit des Geiſtes. 191 und feine geiblid)feit feufzt gleihfalls nad) SBefefigung und Befreiung von jeglichem äußern drüdenden Zuftande. Ins deß aud bie innere Geligfeit des fittlichen Geiftes ſeldſt fann in folchen agen ber Qualen nimmer eine vollendete, b. b. eine ganz ungetrübte fein. Denn es ift zu beachten, baf ber Gift bod) das obwaltende Mißverhältniß zwifchen feinem ſittlichen Verdienſt und feinem Außern Leidens zuſtand fühlt, wenn er fid) aud) hierbei in den göttlichen Willen ergiebt. Dieß Fühlen des Mißverhältniffes aber iR immerhin unangenehm. — Hierauf ift der Geift αἱ intelligente Greatur zur Bollendung feines Daſeins an Gott angewiefen, da er nur in Gott, feinem Schöpfer, fein höchftes Gut finden fann. Der Geift wird bemnad) nur in der Vereinigung mit Gott vollfommen felig. Deß- bald muß er allerdings feinen abfoluten Lohn außer fid) fuhen. Nah Strauß ift freilih biefe Vereinigung des Geiftes mit Gott in einem Jenſeits nicht erft nöthig, ba fie παῷ ihm ſchon zufolge feines moniftifchen Gtanbpunfteé im Diefjeitö ftattfindet, aber nur ergiebt fid) bei feiner Anfiht das Ungereimte, daß Gott felber auf diefe Seife in einem unfdjulbig verfolgten Menfchengeifte Ieibet, und Ein höherer Lohn ift für die Engel im Himmel, eine höhere Strafe für be Teufel in der Hölle nicht zu erfinnen, als bie Bergeltung, womit jede That auf ibren Urheber felbft zurückwirkt.“ Hierüber nur foviel: If die reale Verbindung des reinen fittlichen Geiſtes mit Gott, bem Urquell aller Heiligkeit, felber für ihn nicht auch eine Selbftvereblung und ale Zielpunkt nicht ein höherer Lohn, οἵδ᾽ das alleinige Bewußtfein: recht gehandelt zu haben ὃ — Berner tft die freithätige vollendete Selbſt⸗ trennung des böfen Θείβεδ von Gott, feinem Schöpfer, für ihn nicht auch eine Selbftverfchlimmerung, und feine gänzliche Ausfchliefung von Bott, als dem hoͤchſten Gute, nicht noch eine härtere naf ale das bloße Bewußtſein feiner Schlechtigkeit 9 192 Zur Lehre fif felber biefür auch belohnt, da fein Wefen fi in bem» felben perfonificirt bat. — Iſt jedoch das Jenſeits gegründet, wie wir gleich anfangs erwiefen, wer wird alsdann bei gefundem 9Berftanbe dieß nod) „Unfittlichkeit“ nennen: wenn der fittliche Geift außer fid) von bem überweltlichen Gott, der allein das alfereofífommenfte Wefen ift, eine Befeligung et» wartet? Sft ber Geift von Gott gefchaffen unb fomit von ihm bedingt, voie follte er bann fid) felber vollfommen zu befeligen vermögen? So (ange der Geift nicht Gott feinen Schöpfer, ben Unbedingten, unmittelbar (djaut, (o ift fein Erfenntnißs ftreben nicht vollendet, und fo lange der Geift nicht das Bewußtſein und die Verfiherung hat, von Gott geliebt zu werben, welche [ebtere nur in ber realen unmittelbaren Bereinigung mit Gott erreicht werben kann; fo lange ift er nimmer vollfommen fefig. Das Ziel ber Liebe ift ftets Bereinigung mit einem Wefen außer fid) 5). Daher firebt aud) ber Geift in feiner Liebe Gottes zur Bereinigung mit ihm. Daß her innere Beifall des Gewiſſens wohl jederzeit Folge von einer fittlihen Handlung und ein Theil ber Seligfeit des Geiſtes ift, dieß läugnen wir nicht, aber 1) Richter fagt (Vorträge über b. perfänl. Fortd. S. 322): „Daß es für ble Tugend überall feinen. andern Lohn, für Lafler und Muchlos figfeit feine andere Strafe geben könne, als die, welche im Verdienſt wie . in der Schuld fdjon an und für fid) {εἰδῇ liegen, biefer Gebaufe Bat fif Bereit vor Hunderten von Jahren benfenben. Männern von {εἰδῇ aufgebrángt." Allein wir fragen bier: Soll man den Werth der Bers bienfte Anderer nicht zur äußern Anerkennung bringen? Wozu fett man bann edlen Charakteren Denfmálet? — Hierauf: Würde ble innere Strafe allein genügen, wozu ftraft der Staat nod) äußerlich ble Ver⸗ brecher ? Handelt er etwa Hierbei ungereht? Oder foll man ben Haubmörder frei laufen laſſen ohne äußere Strafe, deßhalb weil ev fchon innerlich durch Bewiffensvorwärfe beſtraft if? von ber Linfterblichkeit des Geiſtes. 193 deßhalb find Tugend und Glüdfeligfeit bod) nod) nicht einerlei. Denn Tugend ift Kampf für das Gute, Streben nad) Sittlichkeit, Gtüdfefigfeit dagegen äußerer und innerer angenehmer Genuß des Fittlich Errungenen. Es ift daher ber Sittlihe nicht immer [don zugleich aud) glüdfelig. Nur dieß ift wahr, daß der Sittlihe immer zugleich innerlich felig iff. — Unftttlich ift jebod) nur der, welcher das göttliche Gefet entweder factifch ober im Gedanken verlegt, oder es nicht mit ber ihm gebührenvden Gefinnung der Achtung volljieht, aber keineswegs jener, der Gott und fein Gefeg achtet, und hiebei für fein fittliches SBerbienft im Jenſeits einen Lohn von Gott erwartet. Wie follte dieß „egoiftifche” (bloß felbfüchtige und mercantilifche) Gefinnung fein? Der Gerechte biefer Art macht ja nimmer fein Sd) zum alleinigen Mittelpunfte all feiner Beftrebungen? Auch fhägt er fein Ich nicht höher, als Gottes abfolutes Ih. Er erkennt vielmehr in Demuth nur in Gott feinen wahren Befeliger. Es ift demnach bie Tugend des Menfchengeiftes nod) keineswegs eigennüßig, wenn er bei der Selbftbeflimmung feines Willens zur guten Handlung aud) auf den Lohn bei Gott Rüdfiht nimmt. Denn wozu hätte Gott ihm den Glüds feligfeitstrieb wohl eingefchaffen ? G8 hat (omit Gott ibm bien Lohn felber beftimmt. Der Menfchengeift Danbeft daher nut der Sybee Gottes gemäß, wenn er barnad) vers langt unb ftrebt. Denn ohne alle Rüdfiht auf jenfeitigen Lohn fann ber Menfchengeift nie handeln, eben deßhalb, weil er Kreatur ift, und feine Vollendung in Gott hat. Abfolute Uneigennübigfeit ift nur bei Gott, weil er das allervollfommenfte Wefen ift, und demnach Feines Gutes von Außen bedarf. Bei bem Ffreatürlichen Menſchengeiſte aber wird das Motiv der Achtung und Liebe Gottes 194 .. But Lehre immer aud) mit bem Motiv der Glüdfeligfeit vereint fein müffet, fo lange er feiner MWefenheit gemäß zu glauben follieitirt wird, daß Gott fein höchftes Gut ift. Eigen- nügig würde ber Geift des Frommen nur alddann fein, wenn er Gott rein als Mittel gebrauchen wollte zur Gr» reichung des feligen Zuftandes jenfeits, ohne alle Achtung und Liebe gegen Gott, und feinen heiligen Willen!) Wer demnach alle Rüdfiht des Menfchen auf fein Ich abſchnei⸗ den wollte, der müßte ihm aud) bie ‚vernünftige Gelbfts liebe verbieten. Strauß entgegnet I. ©. 714 weiter: „Der Vergel⸗ tungsbeweis führt für fid) nur unbeftimmt auf eine Ver⸗ längerung des menfchlihen Dafeins nah bem Tode. Denn weil er vor dem Vorhang nod) feine Ausgleihung des Zuftandes mit δεν. Würbigfeit wahrzunehmen behauptet, fo will er, daß fte hinter bemfelben vor fid) gehe; daß fie aber in’8 Unendliche fortgebe, fann er nidt verlangen. Sondern gar wohl fónnten bie Seelen drüben, nachdem fie gehörig abgelofnt und abgeftraft wären, fofort abge» than werben." Allerdings berüdfichtigt der Vergeltungs⸗ beweis, wie er bisher geführt worden, nur das Moment, daß das Mißverhältnig zwifchen Tugend und Glüdfeligfeit, das hier auf Erden oftmals flattfindet, aufgehoben, oder 1) Richter hat Unrecht, wenn er („Vorträge über b. per(ónl. Wottb.," Φ. 55) behauptet: „Dex falfche Unfterblichkeitsglaube‘‘ (b. i. an eine jen» feitige perfönliche Bortbauer des Geiſtes) „verdankt fein Entſtehen weniger bet Unwiffenheit, der Unkunde und bem Irrthum, als der egoififchen, nies dern Denkweife der Menfchen.” Wäre tle wahr, wie kömmt e$ dann, baf aud) die Böfen bie perfönliche Unfterblichkeit bes Gieifte glauben, ba fie bod) im Senfeits nichts weniger als einen Lohn zu erwarten haben ? Oder glauben fie etwa nicht daran? Wozu fürchten fle banm das Syenfeite? - bon ber Unfterblichkeib des Geiſtes. 195 bag ein unfchuldig 9eibenber wenigſtens jenſeits belohnt werden müffe. Man hat hiermit freilih nod) nicht bat» gethan, daß die Vergeltung jenfeits aud) in's Unendliche fortgeben müfle. Alleih, bag Lebteres ftattfinden werde, bief zu fchließen, veranlaßt unà ber Gedanke: daß bie Vergeltung für den flttlihen Geift jenfeits nur in ber (eligen Bereinigung mit Gott beftehen fónne, weil bie das Endziel ber vernünftigen und freien Greatur ift. Denn fo wie fie aus Gott burd die Schöpfung hervorgegangen, (o muß fte wieder in Gott, ihren Urheber, eingeben, um bie Vollendung ihres Dafeins zu gewinnen. Iſt nun bie Vollendung ber fittlihen Creatur bie Bereinigung mit Gott, fo muß der Geift nothwendig ewig fortbeftehen, ba aud) fein hoͤchſtes Gut ewig fortbeftebt. Hierauf hat ber fittlihe Geift fid) durch feine Tugend und Frömmigkeit ja Gott, ben Unendlichen, als Befeliger verdient, mithin muß confequent fein Lohn aud) unendlich fein, weil eben fein Lohn der ift: bie Vereinigung mit Gott, bem Unendlichen. — Diefe Vereinigung des fittlihen Geiftes mit Gott muß aber aud) aus dem Grunde ewig fortwähren, indem ber Geiſt nimmer fonft bei bem Bewußtſein einer fünftigen Auflöfung feiner Eriftenz in Gott feine vollendete Befelis gung finden fónnte. Diefe foll er jedoch erreichen, ba fte line Beftimmung if. Das hatte bereits Tullius erfannt, ta er L. 2. c. 27 fagt: „Si amitti vita beata potest, beata esse non polest. Quis enim confidit sibi semper illud slabile et firmum permansurum, quod fragile el caducum si? Qui autem diffidit perpetuitati bonorum suorum, limeat necesse est ne aliquando, amissis illis, sit miser. Beatus autem esse in maximarum rerum timore nemo potesi.^ — Endlih fragen wir: Würde es nicht ber Virol. Quartalſchrift. 456. II. Heft. 14 190 aut. δεῦτε unendlichen Güte Gottes widerfprechen, wenn er das Sein eines fittlihen Geifleó, ber ihn innigft liebt, nad) einiger Zeit der Belohnung wieder vernichten wollte? Gewiß. Der Geift des Wrommen trägt ja das Verlangen nad) ewiger Glüdfeligfeit, und nicht bloß von langer Dauer in fib. Das ijt bie Stimme far aller Völker, Mithin ift bie Verlangen nad ewiger Glüdfeligfeit Fein zufälliges, fondern ein natürliches, ein von Gott felber anerſchaffenes. Daher wird Gott ohne Zweifel es aud) befriedigen, ba er fonft fid) felber widerſprechen und aufhören würde, hoͤchſt gütig zu fein. — Was aber die Demerfung Strauß’ über bie perfönliche Unfterblichfeit des bofen Menſchen⸗ geiftes betrifft, fo erwidern wir: Würde bie Strafe des Boͤſen jenfeit& aud) lange Zeit währen, fo wäre er hier⸗ mit bod) nicht genügend abgefltaft. Denn εὖ ijt zu er: wägen, daß er die unendliche Würde Gottes verlegt, unb fomit eine unendlihe Schuld fid) zugezogen, daher denn aud) die Strafe unendlih fein muß; umjomebr, ba er in feiner troßigen und hochmuͤthigen Unabhängigfeitsfucht nie ben Sinn hat, zu Gott zurüdzufehren, wenn er ihn aud) erlöfen wollte. Iſt aber die Strafe eine unenblide, fo muß aud) ber Geift des Böfen unendlich, b. b. ewig fort- eriftiren. Würde uns aber bier Strauß die Frage ftellen: Allein wie reimt fid) bie Worterifteng eines ewig unfeligen Geiſtes mit der abfoluten Liebe Gottes? fo ift unfere Antwort: bie abfolute Liebe Gottes wird hiedurch nidi verleßt. Denn aud) bie Eriftenz, welche der böfe Menfchen- geiſt zwar venwirft, und welche Gott ihm bei alledem läßt, ift nod) etwas Poſitives, eine Wohlthat in einer gewifien Beziehung, D da fie ein Seugnig ift, bag Gott ihn feiner Wefenheit gemäß als frei gewähren ließ. — 1) Joannes Damasc. Contra Man. c. 69. von δὲς Unſterblichkeit bes Geiſtes. 197 Ill. Der teleologifche Beweis für bie unendliche Forts bauer des Menfchengeiftes von Seite feiner unendlichen Anlage. Diefen Beweis Dat 3. H. Fichte (in f. Werk: „Die See der Perfönlichkeit und ber inbipibuellen Fortdauer,“ S. 107 f. 1. Aufl.) in folgender erneuter Faſſung gefuͤhrt: „Die Beſtimmung des perſoͤnlichen Individuums iſt, ſeine geſammte Anlage zu verwirklichen, ſich auszuleben. Dieß geihieht nun bei feinem Menſchen in dieſem Leben: folg— (i muß nod) ein anderes nachkommen, worin εὖ geihehen wird.“ | Strauß entgegnet hier IL, Ὁ. 715: „Diefes Argument berubt auf bem allgemeineren, daß bie Entfaltung ber Anlagen der Gefchöpfe göttlicher Zweck if, ein göttlicher Zweck aber nicht verfehlt werden fann. Allein von ber lintidjtigfeit biefe& Schluffes Fönnen wir uns an jedem Ehriftbaum überzeugen, den wir anfteden, an jeder Portion | Caviar, die wir verfpeifen: da in biefer bie Anlage zu Dunberten von Fiſchen, in jenem zur himmelhohen Tanne lag, bie nun beiderfeits nicht zur Entwidelung kommen, ohne daß wir uns beffalb bemüfftgt fähen, eine jenfeitige für fie zu pofuliten.^ Hierauf bemerft Strauß weiter 1,6 715 f: „Doch man madt uns aufmerffam, daß ja nit von ber Anlage aller Naturwefen überhaupt, fonbern beftimmt "nur von dem intelligenten Individuum gefagg fei, ihr müffe nothwendig Frift zu voller Entwider — lung gegeben werben; unb zwar feßt man hinzu, [εἰ ihre Anlage eine unendliche, fte fehließe eine unerſchoͤpfliche Fülle innerer Lebensheftimmungen in fij." (Sul. Müller, theol. Stud. u. frit. 1835, €. 774). — „Allein woher heiß man denn von biefer Unerfehöpflichkeit der menſch⸗ 14* 198 2 fur gef lien Anlage? Aus der Erfahrung nicht; biefe lehrt vielmehr, bag bei denjenigen Individuen, welde bem Marimum der phyſiſchen Lebensdauer nahe fommen, aud tie geiftige Anlage fid) erfchöpft. Mit 80 Jahren hatte felbft ein Goethe fid) ausgelebt." — „Doch an und für fij ift die Behauptung einer Unendlichfeit der geiftigen Anlage des Individuums cine leere Abftraction. Gerade in den Schranken der Anlage beflebt ja die Individualität." — Dann II, €. 717: (δ bliebe fomit vom teleologifchen Beweife nur fo viel, „daß Individuen, deren Geſammt⸗ anlage fid) nachweislich bis zum Tode nod) nicht vollftánbig entwidelt hatte, nod) nad) bemfelben bis zur Vollendung diefer Entwidelung fortbauern müßten.” — „Allein fofern fie an einer Krankheit geftorben find, fo war, bod) wohl ihr Lebenskeim ebenfo nur für eine fürgere Entwidelung angelegt, wie der jener Anderen für eine längere.” Aber wendet man ein: „Welder Entwidelungen mußte nidt bie Seele eines Spinoza nod) fähig fein! — Wenn nur nicht biebei ſchon wieder vorausgefeht würde, was bod erft bewiefen werben foll, daß bie Seele ein vom Körper jo gefhiedenes Wefen fei, um, wenn biefer fid) auegelebt bat, nod) etwas für fid) übrig zu haben.” Endlich II, €. 718: „Nur die Anlage der Gattung ift unendli und unerfhöpflih (obwohl aud) fie nur im relativen Sinne, da abfolute Unendlichkeit allein dem Univerfum zufommt): bie des Einzelweſens, als Momentes der Gattung, | fann nur eine enblid)e fein; und ebenfo ift nur bie Entfaltung von jener ſchlechthiniger, bie von biefet blos beziehungs⸗ weifer Zwed. Mithin aud) hier von Seiten des. Glaubenó dieſelbe Verwechſelung zwifchen Gattung und Individuum, wie- in der Chriftologie.” von ber Unſterblichkeit des Geiſtes. 199 Dagegen bemerkt Jul. Müller (a. a. Q. ©. 773): „Im eigentlichen Naturgebiete ift es nicht das Individuum, fondern bie Gattung, welde ihre Fülle offenbaren und fi) ausleben will im Gntfteben und Bergehen bet Einzelnen: in der Sphäre des Geiſtes, der Perfönlichkeit, muß biefe Nothwendigkeit, bie innere Anlage zu verwirfe lihen, dem Individuum zugeſchrieben werden." Strauß erwidert jedoch IL. ©. 719: Es befteht „der Unterfchied zwiſchen dem Berhalten des menfchlichen und des Naturs individuums zu feinem Gattungóbegriffe lediglich darin, baf diefer im Menſchen nicht blos als feienber, fonbern zugleich als fid) wiflender, mithin al& Begriff, lebt; wor⸗ aus aber für einen Unterſchied in ber Dauer der beibets feitigen Individuen nicht baa Mindefte folgt.“ Wir fagen: Allerdings ift Wahres an bem richtig geführten "tefeologi[djen SBemeife für bie perſoͤnliche Un- Rerblichkeit des Geifteó. Denn richtig ift ber Ausgangss punft, bag bie Entfaltung der Anlagen der Gefchöpfe ein göttliher Zwed fei, Gin folcher fann nicht verfehlt werben. Nur muß hiebei zugleich bemerft werden, daß bei bem Menfhen die Entfaltung der einen Anlagen relativ, ber andern dagegen abfolut nöthig (ei. Schon Ehriftus fagte (Luc. 10, 42): „Nur Eines ift nöthig." Es ift bemnad) ohne Zweifel bie Beftimmung des perfönlichen menfchlichen Individuums, feine gefammten Anlagen für bie höhere intelligible Welt, b. b. bie refigiófe und fittliche Anlage zu verwirklichen ἢ), da εὖ als freies Sein Gott bem moras 1) Sene. Anlagen, welche bloß für bie zeitlichen Bedürfniſſe des Erdenlebens nöthig find, brauchen allerdings nicht von jedem Ginzelgeifte im Jenfeits entwicelt zu werben. — Wenn dagegen ein einzelnes Statute individnum frühzeitig vergeht, ohne feine Anlage ganz entfaltet zu haben, , 200 Zur Lehre (fen Weltregenten ja aud) 9tedjenfdjaft über bie Erreis dung feines höchften ebenógmeded ablegen muß. Da nun diefe Entfaltung auf Erden durch den leiblihen Tod bei manchen menfchlichen Individuen unterbrochen wird, fo muß εὖ nod) ein anderes Leben geben, wo diefe Entfal- tung erzielt werden Fann. Dieß anzunehmen, ift ber gótts [iden Weisheit entiprehend. — Es ift bei biefem Argus ment vor allem Rüdfiht genommen auf Kinder, bie da frühzeitig oft vom Tode dahingerafft werden, bevor fie nod) zum Gebrauch ihrer Vernunft gefommen. Es läßt fid) hier mit Recht fließen, daß bie Entwidelung ihres δεῖς nünftigen Selbſtbewußtſeins und ihrer ethiſchen Freiheit jen⸗ ſeits vor ſich gehen werde, da nur ein intelligentes Weſen, welches ſich frei für Gott entſchieden, der ſeligen Vereinis gung mit Gott fähig und würdig ift!) — Allein εὖ werden uns hier Manche fragen: Wie fann aber ber teleologifche Beweis für bie Unfterblichkeit folder Menſchen⸗ geifter gelten, bie auf Erden bereits ihre Bildungsſchule durchgemacht? Diefe haben ja im Diesfeits das Ziel bet felbftbewußten und freien Gntídeibung für Gott don erreicht. Für fte ift demnach bie gefammte höhere Anlage entwidelt, und es giebt feinen Grund mehr für ihre jen» feitige unendliche Fortvauer. Hierauf ift unfere Antwort: Die religiöfe und flttliche Anlage des frommen gereiften fo wird beffen Zwed durch ein anderes Naturindividuum erreicht im Organismus ber Gattung; es braucht daher beffjalb nicht, wie Strauß haͤmiſch folgert, eine jenfeitige Untwidelung für baffelbe poſtulirt zu werben, umfoweniger, da es nur Anlage für die Zeitlichkeit befigt, unb als nicht felbfibewußt und unfrei davon Feine Rechenſchaft abzulegen Bat. 1) Daß jedoch ber Geiſt ein vom Körper unabhängiges Leben befige, und fomit nach bem Tode beficlben noch forteriftiren könne, werben wir weiter unten bewelfen. Hier fegen wir es inbef voraus. von ber Unfterblichkeit des Geiſtes. 201 Geiſtes hat allerdings ihr Ziel im Diefleits der Hauptfache nad) erreicht — nämlich in der felbftbewußten, freien und pers manenten Entſcheidung für Gott. Allein hiermit hat fid) aber bie religiöfe und fittfid)e Anlage des Geiſtes noch keineswegs ausgelebt und erfchöpft, ba Gott, fein höchftes Gut unb Ideal bet Heiligkeit, ja ein unenbliches Wefen ift. (6 ift mithin im Senfeità ftet& ein Wachsthum ſowohl für bie Grfenntnif, ale für bie Liebe Gottes von Seiten des Beiftes benfbar. Je tiefer aber ferner ber Geift das Wefen Gottes erfaßt, befto inniger fühlt ex fid) follieitirt, Gott zu lieben ; und befto tiefer erfaßt et qui) bie Weltereatur. G6 ift daher für ben Geift bei.ewiger Gris ftenz nichts weniger als langweilige Einförmigfeit zu fürchten. Wenn aber Strauß meint: Es folge aus bem Uns . teídjiebe zwifchen bem Naturindivivuum und bem menfch- lihen Geifte nidt das Mindefle für bie Dauer des letzteren: fo irrt er gewaltig. Denn er überficht Folgendes: Jn der Naturwelt ift das Einzelne (das Individuum) nicht firenge für fidj, fondern mehr ein Sein für Anderes (Mitte). Die Totalität der Natur muß daher ftets blos ihren Zwed erreichen; hiebei fann das Einzelne, wenn εὖ niht mehr als foldhes, als Mittel, bem Allgemeinen (dem Ganzen) zu dienen fähig ift, allerdings vergehen, unb in ein anderes Mittel fid) transformiren. Deßhalb wird das Einzelne (das Naturindividuum) von vergänglicher Dauer fein. Denn das Einzelmwefen hat Bier nur die Beftimmung: eine vorübergehende Erſcheinung zu fein, weil es blos ein Moment in der Entwidelung des ganzen Naturlebene ift. — Aber nit fo ift e8 bei bem Geiſte. Jeder Einzelgeift (ft Selbſtzweck, weil er eine Monade und nicht eine Bes fonderung (ein Individuum) einer allgemeinen Beiftesfub- Ranz ift, mithin ein Sein für fid) ftrenge, wie das Bewußtfein 202 - But Lehre feiner Sreibeit bezeugt. Er ift Einheit und Gangbeit. Er muß fid) daher .aud) fe[bft vollenden. Ex ift nicht ein bloßes vorübergehendes Mittel für die Menſchheit. — Kann er fid nun im Dieffeits nicht vollenden, fo muß er es im Jenſeits können, ba er nicht blos Anlagen für bie Zeitlichfeit, wie das Thier (das fubfective Raturindivivuum), fondern auch für bie Ewigfeit befitt. Er weiß nicht blos um die Erfcheinungen der Sinnenwelt, wie bie Thierfeele, fondern aud) um bie überfinnlihe Welt, ba er Sinn für Gott und göttlihe Dinge hat, b. b. Vernunft, die Anlage für das Unendlihe. Er fann zwar Gott als Sein durd Cid) nicht audbenfen, aber doch immer mehr und mehr begreifen, und infofern ift feine Anlage unenbíid. Somit (t er nicht blos für bie irbifhen Sroede ber bieffeitigen Menſchengattung, fondern aud) für eine höhere Welt, für das jenfeitige Leben in Gott beftimmt. Er muß eben deßhalb unfterblid) fein’). Würde man ben Charakter ber Naturgattung aud) auf bem Geiftesgebiet geltend machen, auf fo[dje Weife: baf nur bie menſchliche Gattung ihre Beftimmung, mithin ihre Entwidelung forie ben Fortſchritt zu erreichen brauchte, fo 1) Mit uns fiimmt auch Dr. Uſchold (in bem von ihm fortgefeßten und vollendeten „Philoſophiſchen Real⸗Lexikon von Furtmair, 1855." IV. $85. ©. 11) überein. Gr fagt mit Recht: „Da die menfchlice Seele in gelfliger und fittlicher Beziehung Anlagen und Kräfte befikt, weldje über dieſes Erdenleben binausweifen, fo muß fidy auch ihr Leben über daſſelbe hinauserſtrecken, es muß, da jede Kraft unb Lebensäußerung im ganzen Univerfum ihren Zwec Bat, auch ihr bie Möglichfeit geboten fein, ſenen Zuſtand der geifigen und fittlihen Vollkommenheit, der Gt» fenntniB und Liebe Gottes, beffen fie fähig ift, zu erreichen, welchen fit in biefem Zeitleben, wenn fie auch zu ber höchften Bildungsftufe gelangt, und durch weife Benützung aller Berhältniffe noch fo weit fortfchreite, nie erreicht.” von ber Unfterdlichkeit des Gelftes. 203 wäre hiermit ohne Zweifel das Wort dem moralifchen Indifferentismus für ben menfchlichen Einzelgeift geſprochen, ba es alddann für ihn gleichgültig wäre, ob er mehr oder weniger veredelt, oder ob er gar fittlidh verberbt in das Jenfeits überginge, indem ohnehin, wie Weuerbad) e8 wirf- ih behauptet, bie Mängel unb Lafter der Einzelnen burd) bie entgegengefeßten Tugenden der Andern ausgeglichen werben, ohne daß jene e8 benöthigen, freithätig aud) mit ver Gefinnung in diefelben einzugehen. Strauß geht nun zur Erörterung der einzelnen Haups momente des teleologifchen Beweifes über, U. ©. 719: „Nah den verfchiedenen Seiten der geiftigen Anlage des Menfhen läßt fid) der teleologifche Beweis für feine lin» ferbfichfeit in verſchiedene Barticularbeweife zerlegen.“ Er ftellt zuerft den tefeologiíd)en Beweis dar, wie ders felbe a) von der Seite des Wiffeng geführt wird. IL ©. 719: „Zwar weiß ich viel, bod) möcht' id Alles wifen, fagt Wagner, und hofft darum auf unendliche Fortdauer nad) dem Tode.” Hierauf eriwidert Strauß, II. €. 719: „Der Mann wäre auf dad non multa, sed mullum zu verweifen. Wer Eins recht weiß, weiß Alles, und fann in biefer Rüdficht getroft fletben.^ — Indeß die Bemerfung Wagner’ hat aud) etwas Wahres an fij. Denn, daß der creatürliche Menfchengeift bie Sehnſucht hat, feinen Wiffenstrieb zu befriedigen, läßt fid wohl von Riemand laͤugnen. Und ebenfo gewiß ift εὖ, daß diefe Befriedigung für ibn nur in ber unmittelbaren 9n» ſchauung des Abdfoluten felber, a(8 des Ichten rundes - alles Weltdaſeins möglih ift, ba er nur bann erft bie - Harmonie unb ben Zufammenhang des Weltganzen zu überf hauen, und vollfommen zu begreifen, fowie aud) zu 204 | Zur Lehre erfennen im Stande fein wirb: warum er felber gerade biefe und feine andere Stelle im Organismus der Welt: gefibid)te einnahm. Iſt nun biefe vollendete Grfenntnif im Erdenleben nicht erreichbar, fo muß fte für ben wiſſens— begierigen Geift im künftigen Leben eintreten, bamit er feine volle Befeligung finde. Daher muß er denn aud unfterbfih fein. — Denn warum follte Gott ben Wiſſens⸗ trieb des Geiſtes im Jenſeits nicht befriedigen, wenn er ihm benfefben tod) eingepflanzt bat? Dazu kommt: ber Geiſt erfchließt und trägt wohl bie Sbee des unbebingten Weſens in fid), aber er wünſcht auch daſſelbe, weil es fein fhöpferifches SBrincip ift, unmittelbar zu fdauen, unb mit ibm in einen realen Lebensverfehr zu treten. — — Auch hat der Geift al8 Sein nicht burd) Sich das Verlangen: Gott als Sein ſchlechthin, welches fein eigenes Wefen unmittelbar ſchaut in der Dreiperfönlichkeit, in Tebendiger Gegenwart unmittelbar nod) deßhalb zu fdauen, weil er fein Sein im Ichgedanken wohl aus der Erfheinung : cogito, ergo sum, erſchließt, aber ob feiner SBebingbeit nicht unmittels bar zu fhauen vermag. Er fucht demnach hiefür in ber uns mittelbaren Anſchanung Gottes, ala des Seins burd) Sid oder als des Seins ſchlechthin feine Entfhädigung. Sollte unn dieß höchfte Erfenntnißftreben des Geiſtes ungeftillt blei- ben, wenn Gott die Erfenntniß der Wahrheit will? Gewiß nit. Somit wird der nad) höchfter Erfenntniß ftrebende Geijt aud jenfeits forteriftiren, ba biefe nur im Syenfeità erreichbar ift. Strauß befpricht weiter ben teleologifhen Beweis b) wie er von Seiten des Willens geführt wird (IL €. 719 f): „Die praktiſche Bernunft, fagt Kant ' (in feiner Kritif ber praftifh. Vernunft, €. 187 f.) fordert fdlechthinige Angemefienheit der Gefinnung zum Sitten von bet Unſterblichkeit des Θεἰβεϑ. 205 gefebe, b. b. Heiligfeit von uns. Diefe muß nad bem Grundfage: bu fannft, denn du follft, aud) möglich fein. Ebenfo febr erhellt jebod), bag ber Menſch, fo lange er neben feiner Vernunft bie Sinnlichfeit als eine mit ihr ftreitende an fih bat, b. ἢ. aber fo lange er Menfch bleibt, ber Heiligkeit nicht fähig ift; denn fie wäre ja eben das unterfchiedslofe Aufgehen der Sinnlichkeit in Vernunft. Da fie indeffen gleichwohl mit praftifher Nothwendigfeit gefordert wird, fo fann fie nur in ber Worm eines uns endlihen Progrefies fid) verwirflichen, welcher felbft nur unter der Vorausſctzung unendlicher Sortbauer der menfch- lihen Perſoͤnlichkeit ftattfinden fann.^ Darauf fagt Strauß H ©. 720: „So ift der moralifche Beweis für bie lin» ferblichfeit eine Unterart des teleologifchen. Allein wenn nad) feinem eigenen Geftánbnig bie fehlechthinige Anges mefienheit des menfchlichen Willens an das Gittengefeg von dem Einzelnen nur in enb[ofem Progreß, b. b. niemals wisflich, zu erreichen ift: fo fáme auch bei unenblidjer orte bauer nicht mehr heraus als (djon in diefem Leben heraus- fommen kann.“ — Uns fcheint e8, daß Strauß hier gegen ftant Recht habe. Allein würde Kant's Beweis in etwas mobificirt, fo fónnte er immerhin ein verftärfendes Moment zu ben andern Unfterblichfeitsbeweifen abgeben. Er müßte nämlid uad) unferm Dafürbalten fo geführt werden: Die Idee des, Menichengeiftes fordert es, daß er eine vollendete Sittlich- fcit, d. i. bie indefictible Heiligkeit erreiche. Nun wird felbe auf Erden von ihm wohl infoweit erreicht, daß er bie Einheit feines ereatürlid)en Willens mit dem göttlichen mit Hülfe der göttlichen Gnade, zu behaupten im Stande iR, aber nicht vermag er in bet Zeitlichfeit auch ben Streit zwifchen Bernunft und Sinnlichkeit vollends zu. 200 Zur Lehre befeitigen, weßhalb denn immer Gefahr für feine Tugend it οὐ ber Berfuhung, und bod) fol feine Tugend nicht immer im Kampfe, in ber Prüfung verbleiben, fonbern auch zu, einer fihern Stabilität, b. 5. zur Sinbefictibilitát gelangen. Dieß zu erreihen im Dieffeits, ift ihm jedoch nicht möglich, da bie Verfuchungen von Seiten der Sinn- {ἐφ εἰς ihn beftántig bedrohen). Alfo muß es nod) ein anderes Leben geben, wo die Prüfungszeit und die Vers fudungen für ihn aufhören, da jede Prüfung ein Ente nimmt, mithin muß er auch im Jenſeits forteriftiren. Strauß fährt fort IT. S. 720: „Wie vom Wiflen unb Wollen, fo fann der telcologifche Unfterblichfeitsbeweis c) aud) vom Gefühl, von der Beftimmung des Mens fden zur Glüdfeligfeit, ausgehen. Wenn er eben feine Hand nad) den Gütern diefes Lebens ausftreden will, fo fommt dem Menfchen feine fittlihe und refigiófe Anlage in bie Quere, unb heißt ihn ben augenblidfiden Genuf höheren 9tüdfidten in Ausficht auf ein fünftige8 Leben aufopfern. Gaͤbe e8 nun ein foldhes nicht: wozu hätte der Schöpfer ibm die Hoffnung beffefben eingepflanzt? At ber Menfch nur für biefe8 Leben beftimmt: wofür ihm die Freuden deffelben durch bie Vorfpiegelung verfümmern, e8 fei nod) ein anderes für ihn aufgehoben, beffen Anfors derungen mit denen des jebigen fid) vielfach freugen? Viel beffer wahrlich wären bann die Thiere daran, welche, blos für dieſes Sinnenleben beftimmt, beffen Luft aud 1) Daraus folgt aud, daß ble Sinnlichkeit der menfchlichen Natur⸗ individualität bei der Palingenefie wieder in Einklang mit dem Geiſtes⸗ [eben gefeßt, ober daß das caro concupiscit adversus spiritum aufge: hoben werben muß, menn die Idee des Menfchen, als einer karmonifchen Behenseinheit von Geifi unb Natur volltommen wieder hergeſtellt werben foll. Yon der Unfterblichkeit des Geiſtes. 207 ungeftört genießen dürfen!" — „Leider,” fügt Strauß hinzu, „hat fid zu der Niedrigkeit diefes Argumente, das in feiner legten Wendung im eigentlihften Sinne ein epnifches zu heißen verbient, nicht bloß ein Schubert (im Morgenblatt, 1830, Mär), fondern aud) ber gottlofe Reimarus (Betrachtungen über bie vornebmften Wahrheiten ber natürlichen Religion, Abhdl. X., ©. 651 f.), herab⸗ fallen laſſen.“ Und nun fließt er mit Richter’d Bemer- fung: „Ich follte bod) meinen, εὖ wäre immerhin ber Mühe werth, aud) wenn es fid) bío8 um dieſes Leben handelt, lieber bie Sabre hier auf Erden in menſchlicher Geftalt Hinzubringen, und nicht als eine Beſtie.“ (Die δεῦτε Ὁ. b. lebt. Dingen, €. 100.) — Mlein Strauß hat mit diefer Gegenbemerfung von Richter keineswegs dad Argument gewürdigt, unb nod) viel weniger vernichtet. Denn daß der. Menfch eine höhere Würde befipt, als das Tier, dieß wird wohl aud) Schubert erfennen. Es ift temnad) bier nur davon die Rede, bag aud) ber Menſch, wenn das niedrigere Thier bereits im Dieffeits feine Lebens freude findet, erwarten darf, daß fein Glückſeligkeitstrieb ienfeitS werde befriedigt werben, umfomehr, ba er oft ber Tugend bie Annehmlichkeiten des irdifhen Dafeins zum Opfer bringen muß. — Üebrigens hat ja Strauß ftd) ſelber, wenigften für das Diefjeits, zur Niedrigfeit diefed Argumente ferabgelafjen, indem er feine Seligfeit, den Lohn für fein tugendhaftes Handeln, IL, ©. 714, „in das mit der Kraft: äußerung ungertrennliche Kraftgefühl" fegt. Darum fanu man vom Standpunkte des Gefühles folgender Maßen nod) immerhin bie jenfeitige Unfterblichfeit des Geiſtes beweiſen: fünbigt (id) bie Forderung des Sittengefeges im Gewiſſen des Menſchen ald unabweisbar an; nnb gebietet dieſes bet 208 Zur Lehre Berwirklihung der Tugend bie Annehmlichkeiten des zeitlis den Dafeins, ja felber das leibliche eben, wenn die Vers haͤltniſſe εὖ erheifchen, zum Opfer zu bringen: fo muß er allerdings hoffen dürfen, daß jenfeits fein Glüdfeligkeits- trieb befriedigt werde, und daß all die wegen ber Tugend erduldeten Leiden ihm alldort werden - vergolten werben. Denn fonft wäre ja die Erhaltung des phyſiſchen Lebens unb bie höchfte Foͤrderung beffen Wohlfeins fein höchfter Zweck und fein hödftes Gut. Auch wäre er ohne Hoffs nung dieſer jenfeitigen Seligfeit nimmer im Stande, ftetó befonders in großen Leiden das Sittengefeb zu vollziehen "). Mithin muß fein Geift aud) unfterblih fein. : Endlich bemerft Strauß IL, S. 722: „Eine feltfame ' orm des teleologifchen Argumente ift noch diejenige, welche man ben fosmifchen oder aftronomifchen Beweis für bie Unſterblichkeit genannt hat." Er giebt feine Faſſung alfo: 1) „Sieht man zum geftienten Himmel auf, und erwägt bie ungeheuren Räume, welche die Himmelskoͤrper dars bieten, fo fann man von dem weifen Weltbaumeifter nicht 1) Dieß befennt felbft Richter (Borträge über b. perſoͤnl. Fortb., ©. 186): „Wird man davon überführt, daß es mit bem Traum vom individuellen Sortleben nad) dem Tode nichts ift, und daß ber auf bem Schlachtfelde Vererperimentirte als Individuum für immer um das Leben gebracht wird: fo wird man einerfeits bie Luft verlieren, fein Dafein leichtfinuig aufs Spiel zu fepen, anbererfeits es nicht mehr wagen wollen, um bloßer Eroberungs⸗ und Herrſch⸗Gelüſte willen Taufende umb Sunberttaufenbe der Bernichtung preis zu geben.” Hieraus erhellet zur Genfge: Wird die individuelle jenfeitige Unſterblichkeit bes Geiſtes negirt, fo Hört die Aufopferung für das Vaterland im Kriege auf; kurz bie heroiſchen Tugenden, 3. Ὁ. bae leibliche geben für den Glauben zu opfern, verlieren ihren Stüßs und Haltpunft. Ein Jever wird jegt aus dem Beugniffe von Wichter felber bie foloffale ' Dunftform ber reinen Tugend von dem mobernen Evangelium Gtrauß' erkennen. von ber Unfterblichtelt des Geiftes. 209 annehmen, daß er bieje bimmlifchen Locale werde leet fiehen laffen, fondern er wird fte zu bevölfern wiflen — mit wem anders, aíó mit ben von bier ab[djeibenben Menfchenfeelen ?" 2) „Oder befcheidener nur als Hülfs- beweis für bie Möglichfeit der Kortvauer des Menfchen nad dem Tode gefaßt: Um Raum für bie fid) anhäufen- den Seelen darf es uns nicht bange fein, wenn wir zu den vielen Wohnungen in des Vaters Haufe hinaufbliden.” 3) „Endlich wird biefe& Argument aud) mit dem Wag⸗ nerifchen in Berbindung gebracht: Wie viel Merkwürdiges mag es nicht auf jenen Weltförpern geben, was für bem Menfchen verloren wäre, menn er nicht bereinft auf Dies leben verfeßt zu werden, mithin nad) bem Tode fortzu- dauern, hoffen bürftel (Streithorft, Gründe für unfere dortdauer aus ber Aftronomie, Deutfche Monatfchrift, 1792, - Nov.)“ Nun erfolgt feine Stritif: —, Gegen bie lebtere Wendung ift nad) bem oben Bemerkten nichts mehr bins zuzufuͤgen; bie erfte fällt durch das gleichfalls ſchon früher Semerfte weg, daß jene Weltförper, wenn bemobnbar, bann aud für fid) fdjon, ohne Golonien von der Erde, bewohnt fein werben ; ja fofd)e Transporte laffen fid) überhaupt nijt denfen — womit aud) bie mittlere, befcheidenere Wendung abgefhnitten if. Wenn nod) ein anderer Stern ald die Erde Bewohner hat, fagt Daumer ganz richtig, fo fónnte er biefe nicht anderswoher befommen unb aufs nehmen, fonbern fie müßten aus feinem Drganismus tefentfid) hervorgegangen und unabtrennlid) von ihm fein, da er eine in fid) geſchloſſene organifche Individualität ift: fowie der Menſch mit allen feinen Kräften απ bem Or⸗ ganismus der Erde als beffen höchfte Frucht hervorgegangen, und mit feinem Leben unjertrennfid) an fie gebunden ift, _ 210 Zur Lehre Der andere Stern hätte bemnad) fchon feine nothwendigen wie einzig möglichen Bewohner; und fremde auf ihn ver- pflanzen fann nur bie Träumerei, der {τε ὦ nidjt& un⸗ mögli if.” Wir meinen: Ob die Himmeldförper die MWohnflätte der abgeidjiebenen Menfhengeifter find? bar: über läßt βῷ vorderhand nichts Beflimmtes fagen. Wahr: ſcheinlich ift εὖ, daß ein Planet, wenn er bemobnbar ift, fhon feine eigenen Bewohner habe. Auch würde nidt jeder Planet von Menſchen bewohnt werben fónnen, va ‘die Aımofphäre von mandem bem Naturleben des Men: fhen nicht entſprechen dürfte. Aber möglid ift εὖ bod, daß unter ben “Planeten irgend einer geeignet wäre, tie MWohnftätte von leiblich verflärten Menfchen zu fein. Denn es muß ja immerhin ein Zufammenbang unter den Welt körpern fattfinben, alío aud) zwifchen der Erde unb ben . Himmelsförpern,, da nur, fo ein ganzer 9Beltorganiómué denkbar iſt. Es würde bemnad) biejer Beweis nur tic Möglichkeit zeigen, taf für bie ewige Fortexiftenz ber vielen abgefchiedenen Geifter nod) immer genug Raum im Univerfum vorhanden wäre, aber, daß bie Geifter deßhalb wirklich unfterblih find, folgt [τε ὦ noch keineswegs hieraus. — Ein eigentliher Beweis würde ετῇ fo ent fteben, wenn man fagte: Der Menidengeift bat den Wiffenstrieb, dad Weſen des ganzen Weltalls, wenigſtens der Grunbibee uad, kennen zu lernen, um fo die Allmacht und Weisheit Gottes gebührend würdigen und verehrten zu fönnen. Da diefer Erfenntnißtrieb des Geiftes im SDieffeit nicht vollſtändig befriedigt werden kann, indem die Beobathtung eine zu befchränfte ift, unb da der Geiſt nur bieburd fid velllommen befeligt fühlt: fo muß «6 jenfeitö gefchehen, tabe muß denn aud der Geift jenjeité von der Unfterblichkelt des Geiftes. 211 fortexiſtiren. — Uebrigens gibt es urjprünglid Natur: wefen auf einem Himmelsförper, fo find fle ohne Zweifel aus feinem Drganismus hervorgegangen. Aber [αἴ ift e, wenn Daumer deßhalb meint: der ganze Menſch [εἰ ein Product der Erde. Denn der Geift ift ja immateriell, daher mwefentlich verfdjteben von der Natur. IV. Der metaphufifche Beweis für die Unfterblichkeit der Seele. Leibnig führt biefen Beweis (nad) Strauß’ Darftellung, IL, S. 723 f.) auf folgende Weife: „Die Materie ift für fb etwas rein Paſſives, dem fowohl bie äußere Bewer gung, als aud) bie innere der Gmpfintung und des Ber wußtfeins, nur von anbermürtó Ber, von einem activen Principe, fommen fann. Ein ſolches Princip nennen wir Seele. Dieſe fann nun nicht ausgedehnt fein; denn fonft wäre fie Materie, mithin dasjenige, aus beffen Unfähigkeit, die Bewegung und Empfindung hervorzubringen, ihr Dafein . erſchloſſen worden war: ift fle aber nicht ausgedehnt, b. 5. befteht fle nicht in außereinander fetenben Theilen, jo ift fie aud) unauflöslich und ungzerfiörlih, b. b. als felbftbewußte Menfchenfeele unfterblih.” (Leibnit. Diss. de anima brutorum, $. 1—5. Leibnit. epist. ad div. edit. Kortholt, L p. 190 ff.) Strauß äußert fid) hierüber IL, ©. 124 alfo: „Auch biefem Argumente ijt unſchwer nachzu⸗ weifen, daß ἐ6 fid im Kreiſe dreht. Um bie: Seele ale rein Actives herauszubefommen, wird bie Materie als rein Paſſtves gefaßt: bief ift fle aber nur dann, wenn ich zum Voraus alle Activität aus ihr herausziehe und auf bie Seite der Seele ftele. Diefen Dualismus von Geift und Materie, Kraft und Stoff, Seele und Leib, übers wunden zu haben, ift nun aber ber Kortfchritt der neueren Theol. Duartalfprift. 1856. I. Het. 15 212 Zur Lehre Philoſophie. Ja auch Leibnig felbft war infofern an fid) über benfelben hinaus, als er feine Seele ohne Leib fid) benfen fonnte, fofern das Thätige dieß nicht fein Tönne, obne durch ein eibenbeó ergänzt zu fein. Eine durch Paflivität vermittelte Wetivität ift aber feine ſchlechthinige Activitätz; ift aber bie bie Seele nicht, fo ift fle nad ber eigenen Vorausſetzung des Beweiſes aud) weder (dleditbin einfach nod ungerfiörlih.” — Strauß tadelt an biefem Argumente allerdings mit Recht, daß Leibnig die Materie als rein Paflives auffaßte. Denn aud) die ftofflihe Natur ift nicht bloß receptio (paffi» — in bet Attractionsfraft), fondern aud) reactiv, wie bie Repulfionsfraft genügend begeuget. Allein Leibnig mochte hier wahrjcheinlih wohl bet Gedanke vorfchweben, daß bie Reartivität ber Natur eine unfreie ift, weil das Individuum, befonberó Das obfective im Mineralreiche, zu feiner Kraftäußerung immer erſt einen Impuls von Außen erhalten muß, unb burd diefen notbmenbig in feiner Thaͤtigkeit beftimmt wird. Und aud) bie Aetivität des fubjectiven Individuums (des Thieres) ift bebingt durch ben Snftinct, daher unfrei. Es verhält fi) gleihfam mehr paſſiv. Dagegen ift der Geift reine Aetivität infofern, weil er freie Selbftbefiimmung feiner Thätigfeit bat. — Deßhalb ift er aud) ein Sein für fif, mithin eine Monade, unb darum nicht ausgedehnt, fondern einfad); indem er nur als Monade, als Sein für fid), frei fein und Rechenſchaft von feiner fittlichen Hand⸗ Iungsweije ablegen kann. Iſt et aber ftrenge einfach, fo ift er aud) nicht auflöslich, und demzufolge unfterblih. — Strauß meint zwar: die neuere Hegel'ſche Philofophie {εἰ ‚ über diefen wefenhaften Dualismus von Geiſt und Natur bereits hinausgelommen. Indeß Bat er blef noch nicht von ber Unflerblichkeit des Geiftes. 213 bewiefen. Denn fann wohl ein an ftd) Unperfönlicdes und Unfreies (bte Raturfubjectivität) fid) alfo potenzieren, daß εὖ m Berfönlichen und Freien, b. i. zur Geiftesfubjectivität werde? Rimmermehr. Wenn aber Leibnis fagt: „Ex hisin- telligi potest, animas separatas naturaliter non dari; quum enim sint mere activae, opus habent aliquo principio passivo, per quod compleantur^ (a. a. Ὁ. $. 9): fo ift bief nur in bem Sinne wahr, daß ver Menfchengeift für einen Leib geihaffen, weßhalb er fij nad) feiner Verbindung mit ihm fent, um burd) ibn als fein Organ auf die Außen- welt zu wirken. Allein darum ift ex noch nicht bie Ins nerlichfeit des Keibes, wie Strauß es will. Dein er hat auch für Kd) ein ſelbſtſtaͤndiges Sein und eben, wie [don der Ichgedanke, fowie fein überfinnliches (ideelles) Denken, unb feine Reflerion in f) bezeugen. Er bedarf zur Gir» faffung der Ideen des Religiöfen, Sittlihen und Recht⸗ lihen keineswegs der Mitwirfung der Sinnesorgane. WRitbin hat er allerdings aud) eine vom Leibe unabhäns- gige Activität, und erweift ftd) hiedurch eben al$ Sein für fid. Wud) wird biefe unabhängige Denfkthätigfeit des Geifteó keineswegs baburd) aufgehoben, daß vermóge der Lebend- gemeinfchaft der finnlich befeelte Leib auf ihn einwirfen fann; oder daß er bei feiner Wirffamfeit auf bie 9tufene welt fi ber Tchätigfeit der Sinnesorgane bevient. Er bleibt ja Hierbei immer das freie Sein für ih. Denn er lenft bie ganze Thätigfeit des finnbegabten Leibes, al& beffen höheres Lebensprincip und prägt derſelben exft bie menſch⸗ fife Form der Vernünftigfeit auf. — Wenn aber Strauß mit Kant ferner behauptet: Man dürfe nicht „Die fubjective Einheit des „(geiftigen)* Selbſtbewußtſeins für objective Einfachheit des Seelenweſens „(des Geiſtes) Nehmen, fo 15* 4 214 Zur Lehre fragen wir: ob das Wiffen (m Ichgedanken etwas anderes ift, ober fein fann, ale der Reflex ober das Abbild des geiftigen Seins, wenn Denfen und Sein eins (infeparabel verbunden) find? — Wahrhaft fomifch ift ἐδ, wenn Strauß 1.©.725 fagt: „Die Seele vermöge ihrer ſchlechthinigen Einfachheit unfterblid) fein laſſen, heiße nichts Anderes, als behaupten, fie fónne nicht fterben, weil fte an ihr felbft (don etwas Todtes fei.^ Schließt denn der Geift beffalb, weil er einfad) ift, bie Mannigfaltigfeit feiner Thätigfeiten aus? Gewiß nicht. Einfach ift ber Geiſt nur barum, weil er ein Sein für ftd, eine Monade ift. Run muß abet aud) das Sein für fid gebadt werben mit zwei Grundfräften: mit Receptivität für bie Einwirkungen von Außen, und mit Reactivität, um auf die Einwirkungen von Außen zurüdwirken zu koͤnnen. Sf bann ber Geijt ob feiner Einfachheit nod) ein todtes Sein? Strauß jagt außerdem IL. ©. 725 f.: „Nach jener dualiftifchen Theorie fommt es ferner ganz fo heraus, ale ob Leib unb Seele zwei Individuen wären, bie felbftftändig gegen einander Beftand hätten: ba bod) nicht hier der Leib, und dort daneben oder darin oder daran eine Seele exiftirt, fondern beide mit unb in und durcheinander find, und eben biefe durchgängige Einheit beiber. den ganzen Menſchen bildet." Dann: Ebenfo unangemeffen ift „bie Borftellung vom Tode als einer Trennung der Seele vom Leibe. — Sft die Seele bie Innerlichkeit, bie lebendige Idee, oder, mit Ariftoteles zu reden, Entelechie bes Leibes; biefer bie Weußerlichfeit; beide mithin baffelbe, nut vers ſchieden angefhaut: fo famn von einer Trennung beider, bei welcher bod) bie Seele bliebe, fo wenig bie Rebe fein, als παῷ ber Auflöfung des Umkreiſes ein Mittelpunkt — von der Unſterblichkeit des Geiſtes. 215 uͤbrig bleibt.“ — Wohl hat Strauß Recht, wenn er dieß auf ſeinem moniſtiſchen Standpunkte behauptet, aber nicht auf dem dualiſtiſchen, welcher der wahre in der Specu⸗ lation iſt (wie wir dieß in unſerer Schrift: „Wiſſenſchaft⸗ liche Rechtfertigung der Trinitätslehre, S. 12 — 84 erwieſen haben). Auf dieſem laͤßt (id) genügend zeigen, daß der Geift ein Leben für fi, ein vom Leibe qualitativ verfehiedenes und unabhängiges Dafein hat. Denn der Geift felber unterſcheidet fid ja vom Leibe, auch befigt er Kräfte und Thätigfeiten, bie nichts weniger als im Leibe wurzeln. Denn fo vermag er das Ueberfinnliche aud) bann nod) fharffinnig zu benfen, wenn bereit8 all die Sinnes- organe durch das Alter des Leibes abgeftumpft find; oft fogar nod) tieffinniger, weil er durch die Sinneseindrüde alsdann weniger zerfireut wird. Werner: er betrachtet ſelbſt bie Förperlihen Dinge nicht blos burd) bie Sinnes- organe des Leibes nach ben finnlichen Einzelbilvern, wo er nur mitwirft duch bie fchärfere Bregränzung unb Gr hellung derfelben, fondern aud) für fib, nad feinen uns finnlihen, vom Bildlichen abgeftreiften allgemeinen Bes griffen. — Auch vermag er den Sinneswahrnehmungen entgegengefeßt zu urtheilen. Denn ift à. 99. ein gerader Stab zur Hälfte im Wafler und zur Hälfte in der Luft, fo erfcheint er unferer Sinneswahrnehmung an der Wafler- fläche gefnidt, unb tod) urtheilt der Geiſt entgegengefeht ; mithin fann bie höhere intellectuelle S/pátigfeit unb bie Sinnenthätigfeit nicht von demfelben Lebensprineipe, b. D. leßtere nicht auch vom Geifte unmittelbar, fondern nur mite telbar ausgehen, ober ἐδ fann bie höhere intellectuelle Thätig- feit, welche bie Sinneserfcheinung tranfeendirt, unb zwifchen Sein, Erſcheinung und Schein unterfcheidet, nicht zugleich 216 Zur Lehre die Wirfung ber feiblid)en Sinnesorgane fein, da fonft das entgegengejebte Mrtheil des Geiftes nicht möglich wäre. Nur ber ideell benfenbe Geift, und nicht der Förperliche, die Außere Erfcheinung wahrnehmende Sinn, hat das Gejeg ergründet, daß bie verſchiedene Brechung des Lichtes uns bie Begenftände oft in einer andern Geftalt ericheinen läßt, ale in welder fie fid) wirklich befinden. Es ift alfo der Geift (bie anima rationalis) ein Sein für fif, und wejentlid) verfchieven vom finnlid) wahrnehmenvden Leibe, daher auch nicht „die (weienhafte) Innerlichkeit des Leibes,“ wie Strauß e8 verfündet. Mithin muß der Geift nicht mit dem Tode des Leibes zugleich fid) auflöfen, da ber Leib feineswegs die wefenhafte Aeußerlichkeit des Geiftea it. — Anders ift εὖ freilich mit ber Thierfeele (bie eine Naturs oder Sinnenfeele if). Ihre Thätigfeiten wurzeln blos im Naturwefen des finnbegabten Leibes, und dienen aud) nur zur Erhaltung und. Regierung des leiblichen Lebens; fie reichen daher über das Sinnliche nit hinaus. Diefe ift allerdings bie wefenhafte Innerlichfeit des Leibes und nicht qualitativ, fondern nur formell verfchieden von ihr, daher fie auch mit bem Tode beffefben zu Grunde gehen muß, da fie aud) außerdem feinen. Zwed des Das feins mehr hat. Indeß ber Geift eriftirt nicht blos wegen der fittlichen Regierung des Leibes, er bat aud) nod) eine höhere Beftimmung: die Bereinigung mit Gott im Syene ſeits. Er bat bemnad) aud) einen überirdifchen Zweck des Daſeins. Mit Recht fagt Hirfcher ): „Wenn es fid um nichts weiter handelte, al& daß wir eine Reihe von Sahren das uns verliehene Dafein biernieben fortbringen, 1) „Erörterungen über die großen religiäfen Bragen der Gegenwart." 1855, 3. Hft. Ὁ. 193 f. von ber Linfterblichkeit des Geiſtes. 217 und ung dafielbe fo viel ale tbuniid, angenehm machen, wozu bann ein Fragen des Geiſtes nad) überfinnlichen Dingen? Wozu ein Gedrängtfein über das Irdiſche unb Sichtbare hinaus? Wozu namentlih ein Forſchen nad) : dem Urgrunde aller Dinge? — Das Alles ijt ja für den Menſchen eitel und leer, wenn fein Leben auf diefes Dafein befchränft ift. Und man fragt bann mit gerechter Vers mwunderung: was hat der Schöpfer für rege unb bod nußlofe Strebungen in die Menfchenfeele gelegt? Wie bat er ihr Fragen anerfchaffen, deren Löfung völlig werthr (o8 für ibn ijt?" Soll daher bie Weisheit des Schöpferd ihre Rechtfertigung finden, fo muß ber Geift aud) forts eriftiren nad) bem Tode des Leibes. Und ift der Gieift wefentlich verfchieden vom Leibe, und ein Sein für fid, fo Tann er allerdings bann durch den Tod des Leibes von felbem getrennt werden. — Wohl wendet uns Strauß hier neuerdings ein, daß der menfchliche Geift nicht ein Sein für fid) (eine monas diſche Gubjtanj) ift; indem er fagt (I. ©. 726): „Die fpeculative Weltanfiht ber neueren Zeit weiß nicht mehr von vielen, fonbern nur von Einer Subftanz; fie verjebt das Subftanzielle nicht in bie Einzelwefen, fonbetn jenfeits ihrer in ben abfoluten Beift, zu welchem fid) die Snbis viduen als wechfelnde, mithin wie entftanbene fo aud) vergánglid)e Accidentien, als vorübergehende Actionen feiner immanenten Negativität, verhalten. Wie nun in dieſer (Spinozifch » Hegel’fhen) Weltanficht bie linftetbs [id)feit nod) eine -Stätte finden folle, ift nicht einzufehen.“ — Dieß geftehen wir gerne zu, daß auf diefem moniftifchen Standpunkte confequent die perfönliche jenfeitige Unſterb⸗ lichkeit des menfdliden inzelgeiftes nicht möglich if. 218 Zur Lehre Aber Strauß fehlt ja eben darin, wie wir fdon oben gezeigt, bap er nur Eine Subftanz, nämlich bie abfolute im Univerfum fennt. Wohl haben aud) bie Alten gefehlt, daß fie im Naturreihe eine Vielheit von. monadiſchen Subftanzen behaupteten, ba bed) nur Eine Raturfubftanz it, und bie. vielen Dinge nichts anderes find als bie fubftantiellen Fractionen des Einen differenzirten Raturs yrincipé. Gibt es aber nad) Strauß nur Eine Cubftan, nämlich die göttliche, fo fann allerdings ber menſchliche Einzelgeift nur ein wechſelndes Accidenz, ober ein vorüber⸗ gehendes, zeitweiliges Offenbarungsmoment des allgemeinen abſoluten Geiſtes ſein. Auf dieſe Weiſe kann freilich von einer perſoͤnlichen jenſeitigen Unſterblichkeit des menſchlichen Einzelgeiſtes nicht die Rede ſein, da das Leben des Abſo⸗ luten und der menſchlichen Einzelgeiſter hier mit dem Leben der Naturſubſtanz und ihrer Individuen gleichgeſetzt iſt. Im Gebiete der Natur aber iſt das Vergehen der Einzelindividuen zu Hauſe, eben weil das Einzelweſen hier keinen Selbſtzweck hat, ſondern nur die Natur als allgemeines Princip. Die Natur jedoch bedarf einer δὲς ſtaͤndigen Erneuerung, um ſich in der lebendigen Friſche zu erhalten, mithin muß fie immer neue Formen (neue Individuen) erzeugen, da bie alten mit ber Zeit fid) abs nügen; deßhalb müffen aud) alle Individuen, fobalb fte als Mittel gedient, wieder vergeben. — Da nun Strauß fein Syitem nad) dem Typus des NRaturlebens conftruirt hat, jo wird jeglicher leicht begreifen, weßhalb er fagt: daß nur bie Menfchengattung unfterbfid), bie individuellen Menfchengeifter dagegen fterblich feien. Allein wären bie menfchlichen Einzelgeifter wirklich Feine monabifdjen Gub. ſtanzen, fondern blos accibentelle Dffenbarungsmomente von δεῖ Unſterblichkeit des Geiſtes. 219 des allgemeinen abſoluten Geiſtes, wie Strauß behauptet, wie fómmt ed bann, daß dieſelben von ihrem Fürſichſein ein Bewußtfein haben, und fid) balb für, bald gegen bie Bollziehung des von ihnen erkannten göttlichen Willens enticheiden? Wie fómmt es bann, fragen wir weiter, daß diefe Einzelgeifter fi Gewiflensporwürfe machen, unb Reue empfinden bei der SBerlepung des göttlichen Willens, wenn bof) Gott, ihr immanentes Grundweſen, fi in ihnen inbividualifirt, und allein ihr Handeln beftimmt ? Bezeugen fie fid) bieburd) nicht thatfächlih als von Gott wefentlich verfchiedene und als felbftftánbige, perſoͤnliche, monadifhe Gubflangn? Gewiß! Strauß befpridt nun bie Verſuche, bie ba ger maht worden find, von bem Standpunfte der modernen Speculation aus, die Unfterblid- feit des Beiftes nad ihrer Anſchauungsweiſe zu begründen. Sn Bezug auf das Refultat [affen fid drei Verfuche unterfcheiden. Strauß unterwirft zuerfi A) den Berfuh von Fr. Richter feiner Kritif. Wir bemerken vorläufig, bag Richter auf dem moniftifhen Standpunfte der pantheiftiihen Sym» manenz ftebt. Strauß fagt I. &. 727: Nach Richter „fönne das Ewig⸗ und Geligmerben bem Menfchen nur im Sterben gelingen, ba mit bemfelben bie lebte Scheidewand, die. ihn von Gott trennte, bie Individualität, zufammen- falle.” (Die Lehre Ὁ. b. lebten Dingen, ©. 209, 238). Nah biefer Anfiht ift das einzelne geiftige Menfchen- individuum nur infofern ewig, unfterbli und felig, αἱ es zurüdgeht in den allgemeinen abfoluten Weltgeift, ober beffer, als es zurüd» und zerfließt in bie allgemeine goͤtt⸗ lihe Subſtanz. ‚Allein hiemit wird ja bie Perfönlichkeit 220 Zur Lehre des menſchlichen Einzelgeiftes verfchmolzen mit ber allges — meinen göttlihen Subftanz, mithin ift fie als foldhe (als Sein für (id) darin untergegangen, wie läßt (id) ba nod) behaupten, daß fie ihrer Geligfeit als Beſonderheit ſich bewußt ifi? Es ift auf biefe Art nut der allgemeine abfolute Weltgeift (beſſer Weltprineip) als immanentes allgemeines Grundweſen ber Welt unfterblih. Eine folche Unfterblichfeit, wie fte Richter vom menſchlichen Einzelgeifte präbieirt, bat aud) das einzelne NRaturindividuum, da ἐδ gleihfalls in das allgemeine. Naturleben zuletzt zurüdgeht, unb im allgemeinen Naturfein unbewußt aufbewahrt ift. Waͤre bic richtig, fo gäbe es alsdann feinen wefentlichen Unterfchied mehr zwifchen einem geiftigen Einzelwefen unb einem Naturindividuum. Wir haben aber bewiefen, daß der menfchliche Gingelgeift von Gott weſentlich verfähieden und felbfiftändig ift, mithin Tann er im Syenfeitó mit Gott nur als felbftbewußte Perfönlicyfeit vereint werden, aber nimmer in Gott. untergehen al8 Befonderheit, b. b. in das allgemeine göttliche Weſen fid) auflöfen. Enpliches (Greatürlihes) an fib kann ja nie Unendliches im Wefen werden, b. i. in Gott fid) verwandeln. Dieß ift wibers fprehend. Denn Sein durch Sih fann ὦ nie in ein Sein nidt durch Sich, oder in ein Sein durch ein Anderes verwandeln. Und nur dieß ift bie wahre Idee des Abfoluten: „Sein durch fid." Hierbei wird keineswegs gefordert, daß das göttlihe Sein — alles Sein, daher aud) das Endlihe (die Welt) fein müffe. — Strauß tabeít weiter, II. &. 738, daß Richter bie Unfterblichkeit des Einzelgeiftes „nad antiker Weife in ben Nachruhm, in das Fortwirfen edler SBefirebungen^ febt. Und aud) wir ftimmen im bei. Denn bie ift nid)t ber wahre Begriff von ber Unſterblichkeit des Geiſtes. 221 ber eigentlichen Unfterblichfeit. Diefe ift ja eine allgemeine Qualität aller menſchlichen Einzelgeifter, und ift felbfiftän« bige und felbftbewußte. Sorterifteng derfelben geiftigen Per⸗ fönlichkeit im Jenſeits. Sie ift eine Wefensqualität, aber nid)t eine accidentelle Beftimmtheit, wie der Nachruhm. Denn nicht jeglicher in der Welt findet eine Anerkennung feiner Beftrebungen. Und aulegt würde ber Geift eines armen Holzhackers im Gebirge, der feine Epoche in der Weltgefchichte macht, nicht unfterblich fein. — — Auch rügt Strauß, IL S. 727, an Richter, daß nad) ihm „das unperfönliche Allgemeine dem Individuellen und Perfönlichen gegenüber das Höhere, biejeó nur eine unangemeflene Dafeinsform von jenem wäre.” Denn nad Strauß ift bie abfolute Gubftang das Perfonbildende Prineip unb die Allperfönlichkeit in der Allheit bec Menfchengeifter ἢ. Die abfolute Subftanz it eben der abfolute Geift, und diefer das Höhere nur dadurch, „fofern er fid) ewig in einzelnen Seelen indivi⸗ puelle Eriftenz gibt." Daher fagt er auch bafelbft: „So wahr aljo Gott emig ift, werden ewig aud) Individuen fein: unb bie Stage ijt nur, ob bief ewig btefefben fein werden, ober immer andere unb andere?“ Strauß ent» ídeibet (if für das 9eptere. Und er hat auf feinem moniftifhen Gtanbpunfte vollfommen 9tedt. Nur Schade für ihn, daß biefer Standpunft unridjtig iſt. B) Der zweite SBerfud) ift von Goͤſchel. Er unter 1) Nach feiner neueften Schrift: „Borträge über b. perf. Fortdauer“, ifl indeß Richter berfelben Anficht, wie Strauß. S. 28 lefen wir daſelbſt: „Ein unperfönlicher Gott ift fein Gott mehr, fondern ein Goͤtze oder eine Naturmacht, höchftens eine SBeltíeele. — Sp bleibt uns in Wahre belt nur übrig, Gott als bie Alle „FI unb Urperfon zu faflen, von bex ἐδ andere Weien erſt haben, aud) Perſon zu fein.‘ 222 Zur Lehre nimmt es, aus ben Principien ber Hegel’fhen Speculation zu beweifen, bag bie menſchlichen geiftigen Individuen nad) bem Tode des Leibes nicht untergehen, fondern ewig bie» ſelben im Senfeits bleiben werden. Dieß beftreitet ibm Strauß, unb aud) wir fagen: daß auf dem Gtanbpunfte Goͤſchel's bie jenfeitige perfönliche Unfterblichkeit ber menfch- lichen Einzelgeifter nimmer flringent wird erwiefen werden fónnen. Dieß wird uns jedoch erft. deutlicher einleuchten nach der vollendeten fritifd)en Prüfung ber Gründe, die Gófdel zur Behauptung feiner Anfiht zufammengeftellt bat. Diefe Gründe aber lauten: 1) „Hegel nennt die begriffene Geſchichte bie Schädel« ftätte des abfoluten Geifteó, bie Wahrheit und Gemifbeit feines Throne, ohne ben er das leblofe Einfame wäre: wie Fönnte fie aber, fragt Gófdel (in feiner Schrift: von den Beweifen für die Unfterblichkeit der menfchlichen Seele, im Lichte der fpecuf. Philofophie G. 173), Gott dem Tode unb der Ginfamfeit entreißen, wenn fie wirklich nur ein Sobtenfe(b vernichteter Geifter, und nicht nad Ezech. 37, lebendig, mithin bie Individuen als folde in Gott erhalten wären?! — Daranf antwortet Strauß, 16. 728: „Daß das Lehtere nicht folgt; daß vielmehr zum Behufe ber Lebendigkeit des NAbfoluten der Wechſel von Individuen, bie ὦ als geichichtlihes Continuum verhalten, binreidt.^ — „Was fönnte aud), fragt Weiße „(Geheimlehre S. 25)" in Hegel’8 Sinne mit 9ted)t, bie Fortdauer eines Individuums nod) für einen Zwed haben, nachdem durch baffelbe der Weltgeift hindurchgegangen ift, nachdem et biefe frühere unvollfommene (abgenügte) Form feiner zeitlichen Berwirflihung durchbrochen, und andere, reihere und vollfommnere (menigftens frifchere) Bormen ven ber Unfterblichkett des Geiſtes. 223 fid) geihaffen bat? Wo fände fid) aud) nur ein Platz, b. b. nicht eine Förperliche, räumliche, fondern eine geiftige Stelle, für eine foldhe Fortdauer, wenn bie irdiſche (ges nayer: auf jedem Planeten die dieffeitige) Weltgefchichte die vollftändige, bie einzig mögliche Verwirflichung bes abfoluten Geiftes, das Wirfliche durchaus und erfchöpfend das Bernünftige, wie umgefehrt it?! — Strauß ift hier ohne Zweifel im Rechte gegen Böfchel. Denn ift Gott bie allgemeine und einzige Subftanz, fo ift er allerdings nur in ben Geihöpfen (in den Individuen) der Welt wirklich; aber deßhalb unterliegt er felber als Realprincip bod) nidt bem Tode, wenn aud) bie einzelnen Snbipibuen vergeben; denn et ift ja bie allgemeine Gattung (baé allge- meine Grundweſen) des Univerfums und biefe befteht ftetó lebendig fort, ba fie nie ohne Individuen ift, menn aud) Iegtere nicht diefelben bleiben. Denn Bat bie Gattung in einem einzelnen Individuum ihren Zwed erreicht, fo muß - fle notbgebrungen wieder ein neues fhaffen, ba (te eben eines neuen Mittels zu ihrer Selbſtverwirklichung bedarf, ‚und fofort. Hieraus erhellet, bag auf biejem Gtanbpuntfte εὖ gerade ber beftändige Wechfel der Individuen ift, welcher bie Lebendigkeit des Abfoluten bedingt. Ganz ähnlich ver» hält fi) bie Natur. Auch fie ift, ungeachtet 3. 3B. bie einzelnen Thierindividuen fterben, baburd) lebendig, daß fie in der Thiergatitung immer neue Individuen dafür herausſetzt. Es reicht alfo zur Lebendigfeit des Abfoluten der (tete Wechfel der Inpividuen ohne Zweifel bin. — Richt minder richtig ift ferner auf diefem Gtanbpunfte aud) bie Behauptung: Sft alles Wirkliche unb SBernünftige nur im Dieffeits, und gibt es fein Ienfeits, fo üt für einen abgefhiedenen Menfchengeift aud) gar feine Stelle. 224 Zur 2ebre im Jenſeits aufzufinden, mithin gibt e& aud) feine Jeníeitige Unfterblichkeit. 2) Göfchel argumentirt weiter (a. a. DO. ©. 171): „Aber der menfchliche Geift ift bod) ein göttlicher Gebanfe; ein Gedanfe des ewigen Gottes fann Fein vergänglicher, fondern muß ein ewiger fein: was Gott eimal gedadıt, biemit einmal gefchaffen hat, das bleibt und befteht, aud) in Gipigfeit." Hierauf erwibdert Strauß, IL ©. 729 f.: „Allein wäre bie Aufbewahrung der inbivinuellen Geiſter im Gedaͤchtniß Gottes eine wirkliche Fortdauer, bemerkt Fichte b. f., fo müßten aud) bie Naturobjecte unfterblich fein, weil gleihfalld bewahrt im Gebádjtnig Gottes. Soll aber Gott nur bie Gubjecte fo aufbewahren, fo beruht der Beweis für ihre Wortbauer auf dem Begriffe des Subjerts, nicht auf dem der göttlichen Erinnerung.” (J. H. Fichte, bie Idee der Berfönfichkeit und der individuellen Wertbauer. S. 16 f.) — „Auf beiden zufammen, ent gegnet Goͤſchel. Das göttliche Denfen, als ein bem Weſen ber Dinge adäquates, oder das vielmehr diefes erft feßt, fann bie Dinge nur als diejenigen, bie fle wirklich find, verewwigen. Run iff der Ratur wefentlih bie Anderheit, die Sleichgültigfeit gegen das Anderöwerben : wenn ein Raturobjeet untergeht, und ein anderes dafür entfteht, fo (ft υἱεβ nur für das beobachtende Subject eine SBeránbes rung; das Objert ift geblieben was es war, nämlich eben Object. Umgekehrt ift bem Geifte ble Selbftheit und Dies fefbigfeit wefentlich; müßte ec zu Grunde gehen unb. einem andern Plag mahen; fo wäre bie eben nicht mehr er felbft. Wie daher Gott bie 9taturobjecte in ihrem Weſen erhält, wenn er fte im Wechſel entfiehender und vergebenber Individuen erhält: jo muß er, um ebenfo das geiflige von ber Unfterblichkeit des Geiſtes. 225 Gubject in feinem 9Befen zu erhalten, e8 als ebendaflelbe Subject erhalten.” (A. a. Ὁ. ©. 43. 132; Jahrb. für tiff. Kr. 1834, Januar, €. 132 f.) Dagegen bemerkt rauf, IL. ©. 730: „Aber woher weiß denn Goͤſchel, daß bie Naturwefen gegen ihr Anderswerben, ihre Ver⸗ nidtung, fo gleichgültig find? Er verfude einmal im Gebiete be8 Drganifchen nur einen Hund, eine fate, in'8 Andersfein zu vetfepen, fo wird ihm jener bie Zähne, biefe nod) dazu die Klauen weifen, unb fich mithin gegen ein folded Bornehmen nichts wentger als gleichgültig bezeigen. Alfo nicht erft im Bewußtfein, fondern (don in ber Empfindung, ja im Drganismus überhaupt, wird baé Sein ein innerlihes, in fid) gefchloffenes, das gegen fein Anderswerden fortan nicht mehr gleichgültig ift: und will Gófdel Hieraus die Unfterblichfeit ableiten, fo muß er jedes Thier, jeden Baum, mit dem Menfchen veremigen." Auch wir find der Anficht mit Göfchel, daß der menjd» fide Geift ein realiſirter Gebanfe Gottes, und infofern aud) unvergänlich ift, ba Gott ihn als monadifhe Subftanz, als Sein für fih unb als Selbftzwed, wie fein Selbft- bewußtfein unb feine Freiheit bezeugen, daber als firenge einfah und mithin als nicht auflösbar gedacht haben muß. Der Geift iff aud) eben deßhalb, weil er eine monadifche und unauflöslihe Subftanz ift, eine ftrenge Gelbftbeit (ein. Beharrliches) und eine Diefelbigkeit (ein fid Geld» bleibendes im Wechſel feiner Ericheinungen), wie er ſich wirklich auch in Bezug auf ſein Sein immer als denſelben weiß: im Kindes⸗, Jünglingss, Mannes« und Greiſenalter. Denn nur bie Zuftänplichfeit feines Seins wechfelt, aber nidt fein Sein fefbft,. wie der Ichgedanke e8 genügend beweift. Nimmer könnte er ja fonft bie Suͤndenſchulden 226 Zur Lehre feiner Kindheit felbft, wie Auguftinus e$ that, Confessionum lib. I. Cap. XIX., auf fi) αἱ Realgrund nod) im fpäteren Lebensalter beziehen. Oder wie hätte David in feinem fpäteren Lebensalter ſprechen fónnen, Psalm XXIV. V. 7: „Delicta juventutis meae ne memineris ?* Jeder Einzelgeift ift daher unftecblid), weil Gott ihn gedacht hat, als ein fireng einfaches Sein, al& eine Selbftheit unb Diefelbigfeit, mithin als ein unveränderliches, und fonad ale ein uns vergängliches Subject. — Aber nicht fo ift es bei bem einzelnen 9tatuvinbipibuum.: Dieß ift vergánglid), eben weil e8 Fein einfaches Sein (feine Gelbftbeit und Dies felbigfeit), fondern nur ein fubftantieller Bruchtheil des differenzirten Naturprincips ift. Gott hat nicht das εἰπε zelne Naturindivivuum, fondern nur das ganze Naturs princip als Selbftftändigfeit und Selbſtzweck in einer gewiffen Beziehung gedacht; wie bief uns bie Erfahrung über ben Typus des Naturlebens bezeugen fann, indem bie Gattung ale Selbftzwed wohl fortbefteht, aber bie einzelnen Individuen immerhin vergehen. In Betreff beffen, daß Göfchel ber Natur bie Indifferenz gegen ihr Ginjelinbivibuum , oder die ©leichgültigkeit gegen das Anderswerden; dem geiftigen Subjecte dagegen bie Selbft- heit und Diefelbigfeit alà weſentlich vindieirt, find aud wir einverftanden. Nur fügen wir hinzu: daß es Θό[ᾧ εἰ nicht gelingen werde, feine Behauptung in Bezug auf ben Geiſt auf feinem moniftifhen Standpunkte gegen Strauß zu rechtfertigen. — Die Negativität muß allerbings ber Natur zufommen, eben weil fie ein Selbftpotenzirungs- ptoceB ift, wie dieß bie Ernährung ber Pflanzen» unb &bievinbibibuen offen barlegt. Indeß ſtraͤubt fid) freitich aud) im Naturgebiete das Einzelweſen gegen feine Vers bon bet Unfterblichlelt des Geiſtes. 201 nidtung, unb dieß in Folge feines Triebes der Gelbft bebauptung. Doch ijt ed Geje& ber Natur, daß das Einzelindividuum, fobald ed nicht mehr als Mittel nótbig ift für das Ganze, bem Allgemeinen, ber Gattung, weichen muß. Das lehrt die täglihe Beobadhtung. Auch fann es in der Lebensfphäre der Natur nicht anders fein, ba fie nad) ihrer Differenzirung ein Reals Allgemeines ift, daher fiet8 in ber DBefonderung begriffen. Irgend ein beftimmtes Einzelwefen ift demnach für bie Gattung nur relativ, aber nicht abfolut nothmwendig, weßhalb ber bes ftánbige Wechfel der Individuen eintritt. Der Einzelgeift ift jedoch nicht eine individuelle (befonderte) Dafeinsform, oder eine Modification eines andern Princips, oder einer geiftigen Gattungsſubſtanz. Daher fann er von bem Andern aud) nicht wieder zurüdgenommen werden, ba er ein in fidc Stehendes (monadifhe Subftanz) iſt. G8 ift fonadh eine Auflöfung des Seins des Einzelgeiftes von einem allges meinen geiftigen Sein, deſſen Gehörigfeit er etwa bilden möchte, nicht denkbar, indem es Feine geiftige Gattungs— fubftanz gibt, weil fo feine Freiheit des Einzelgeiftes mögs lid wäre. Der Einzelgeift ift nie bloßes Mittel, weßhalb er aud) nidt wie das Naturindividuum, in eine andere Dafeinsform umgewandelt werden fann, um fobann wieder einer andern Allgemeinheit zu dienen. Das Naturindi- vibuum ift demnach nicht ein Sein für fi, fondern nur eine Action des allgemeinen Naturprincips; e8 fann deß⸗ halb untergehen, fobald jenes feiner al8 Mittels nicht mehr bedarf. Göfchel braucht (omit nidjt8 weniger, αἱ jedes Thier und jeden Baum, wie Strauß ihm auferlegen will, zu verewigen. 3) Göſchel ift gegen bie Verewigung jedes einzelnen Theol. Quartalſchrift. 1856. Il. Heft. 16 526 Zur Lehre Naturindividuums, und behauptet mit Recht, bag tief nur von bem geiftigen Subjerte gelte, da er zwifchen beiben einen qualitativen Unterſchied ftatuit. Deßhalb äußert et: „Doch fagt denn nicht Hegel, auch in ben höchften Kreifen des Naturlebens bleibe die innere Allgemeinheit gegen bie natürliche Eingelheit des Lebendigen bie negative Macht, von welder εὖ Gewalt leide und untergehe, weil fein Dafein als folded nicht ſelbſt biefe Allgemeinheit in fih habe, nicht deren entfprechende Realität {εἰ (Encyel. ©. 383 der 3ten Aufl.), und muß nicht im Gegenfage ba; von in ber Sphäre des Geiftes das Individuum ein ſolches fein, deflen einzelnes Dafein jene Allgemeinheit in fid ſelbſt trägt, folglich nicht von ihr Gewalt zu leiden, nod) den Untergang zu befürchten Bat, fondern als deren entiprecdhende, mithin dauernde, Realität fi erweift ?" (Goͤſchel, Sabrbüd). f. wiſſ. Kr. a. a. Ὁ. ©. 140.) Indeß Strauß fährt befümpfenb fort (I. ©. 730 f.): „Allein als Seele, als Gntefedjie des Körpers, ifl der Gift nad Hegel in die Leiblichkeit, bie Natürlichkeit, verfenkt, mithin deren Gefegen, aud) den fo eben erwähnten, unterworfen. Der Geift, das Gelbftbemuft(ein, das Ih — 3d, fo δι nächft allgemeines, wird individuelles nur fofern es bieje particulären Beftimmungen, welde meine, deine u. ſ. f. organische Individualität ausmachen, als Gegenftánbe in fid) aufnimmt: ſchwinden biefe, fo ift nicht eingufeben, wie nod von einem einzelnen Sch bie Rede fein kann.“ — G6 ift bier ohne Zweifel das Raifonement von Strauß eonfequenter ald das von Goͤſchel, weil beide auf dem moniftifhen Standpunkte ftehen (nur mit dem Unter fchiede, bag Göfchel bie Tranfcendenz Gottes noch fefthält, während Strauß fie negirt und nur bie Immanenz als von bet Unfterblichkett des Geiſtes. 229 richtig erkennt). Denn ift der einzelne Geift auf biefem Standpunfte fowie das Naturindividuum, eine Befonderung des allgemeinen abfoluten Geiftes, eine Verwirklichung beffen, alfo ein vereinzelte® Allgemeine, fo trägt ex auf bieje Weiſe wohl feine göttliche Allgemeinheit in fid, jedoch nur als fubftantieller Bruchtbeil beffelben. Er ijt daher gleichfalls eine unangemeffene und mithin nur eine vor« übergehende Daſeinsform, b. ἢ. ein fließendes unb vers gängliches Einzel» Offenbarungsmoment des allgemeinen abfoluten Geifteó. Er muß deßhalb ſchwinden, fobald bie äußere individuelle organifhe Beftimmtheit des, Leibes vergeht. Denn die Seele (der Geift) kann auf diefem Standpunfte nur die wefenhafte Innerlichkeit von der S euferlid)feit der-organifchen leiblichen Individualität fein. Wenn demnach meine Leiblichfeit aI8 Peripherie, als ber äußere Ausdrudsfreis von meiner befondern Seele (Geift) . fdminbet, fo muß aud) biefe felbft αἰ innerliches Gen» trum ſchwinden. — Hieraus erbellet: Soll der Geift unfterblid) fein, fo muß er ein Sein für fi, unb weſent⸗ lid) verfihieden vom Leibe fein. Daher abnte Gófdel mit Recht, bag bet Geift beBbalb nicht ein [ubftantieller Bruch— theil, wie das Naturindividuum fein fónne. 4) Göfchel beftritt die Behauptung: daß bie bes ftimmte Einzelperfönlichfeit des Geiſtes fterblich fei. „Aber wo bleibt dann — ruft er hier — das Uebergreifen der Subjectivität? greift fie aber über das Object über: wie follte fie in ihm untergehen, ober wie im Gubjecte, dag fie ja felbft iſt?“ (Jahrb. f. wiff. ft. a. a. Ὁ. ©. 18. 133 ἢ. Beiträge zur (pecul. Philoſ. von Gott u. f. f. ©. 24.) Darauf antwortet Strauß (IL ©. 731 f.): „Auch bier ift wieder auf bie Seele angewendet, was nur bem Geilte, | 16* 290 Zur Lehre bem Begriffe, zufommen fann, unb aud von Hegel nut diefem beigelegt wirb.. Wenn in feinem Syſtem ter Be⸗ griff als bie abfolute Negativität, a( bie über allen Stoff übergreifende Macht, bargeftellt wird: was in aller Welt folgt daraus für bie einzelne Seele, welche nicht ber abjolute Begriff fefbft ift, fonbern ibn zu ihrer Gubftang hat, ober in ibm als Moment begriffen ift? — Der Goͤſchel'ſche Gag, εὖ fei nichts al8 der Geift mit feinen Unterfchieden (Jahrb. f. wiſſ. Kr. a. a. D. ©. 145), ift bereits dahin zu berichtigen, daß flatt beffen gefagt werben muß: mit feinem Unterfheiden; unb wenn es nun weiter bie Macht des QGeifle& fein foll, daß biefe Unterſchiede (mithin auch die Individuen) in ibm fletig beflehen, fo if vielmehr nur bie Actuofität des Unterfcheidens fletig, bie geſetzten Unterſchiede aber find fließende Momente, und e8 wäre ein Zeichen der Unmacht des Geifteó, wenn er fie als feftgewordene Infarctus in fid) befteben laffen müßte.“ — Goͤſchel bat hier einen richtigen Blid in das Wefen des creatürlichen Geiſtes getban, nämlich, daß diefer fid) aus den Erfcheinungen feiner Differenzirung als Prineip und Gaufalität zurüednimmt, und infofern feine vorüber- gehenden Erfcheinungen tranfeendirt (übergreift), und fid) αἰ das gleichbleibende Sein weiß" und behauptet. Er geht alfo bei feiner Subfectobfectivirung blos in eine fors male, aber nicht in eine reale (wefenBafte) Entzweiung, wie das Naturprineip ein. Daher ift der Geift nicht ein fließendes Moment, fonberm ein fefled (unveränderliches) Sein, ein Sein für fid. Er ift mithin vom Natur indivivuum (dem Thiere) weſentlich verfchieden, das fid) nur als Erfcheinendes denft und weiß, nicht abet über feine Erfheinungen überzugreifen, b. B. zu teflectiren, unb von ber Unſterblichkeit des Geiſtes. 231 fo zum Gedanken von feinem Sein unb Weſen vorzu⸗ dringen vermag. Diefen Proceß: das Sid Zurüdnchmen des creatürfidjen Geiftes aus feinen Erfcheinungen als ſich gleichbleibendes Realprincip, hat Hegel auf den abfos [uten Geift übergetragen, ber fid) nad feiner Conftruftion in der MWeltwerdung fubjectobjectivirt, und dann ale tranfcendentes 9Beftprincip (Weltgeift) erfaßt. Allein bief Zurüdnchmen des abfoluten Beiftes aus feiner Weltwer- dung als Weltgeift ift auf Hegel's moniftifhem Gtanbpunfte inconfequent, da fein Syftem zum Theile nad) dem Typus des Naturlebens conftruirt if. Das Naturprincip Tann fi aber aus feiner Subjectobjectivirung nimmer als reale munerifde Einheit zurüdnehmen und als foldhe in irgend einem Thierindividuum erfaffen, da ἐδ Ja durch bie Differen- zirung ein RealsAllgemeines geworden tft, mithin nicht mehr als monadifhe Subftanz befteht. Goͤſchel ftellt daher hier Behauptungen auf, die auf feinem moniftifchen Gtanbpunfte nicht gerechtfertigt werden fónnen. Denn ber menfchliche Einzelgeift fann auf biejem Standpunkte nidt als Sein für ih aufgefaßt werden, ba e$ ja nur das Eine Sein des Adfoluten gibt. Deßhalb fann er aud) als bloßes Aceidenz des abfoluten Seins, confequent weder feine eigenen es. benserfcheinungen, mod) bie eines fremden Princips (ber Natur) tranfcendiren. Er wäre confequent hier nur eine Raturfubjectivität. Goͤſchel müßte demnah zum weſen⸗ haften Dualismus zurüdfehren; denn nur bann fónnte er jenen Grund des Mebergreifens der Subjectivität im . Geiſte für beffen Unfterblichfeit geltend machen, weil fid) eben in jener Tranfcendenz der Geift als ein einfaches, unveränderliches unb fid) gleichbleibendes Sein erfaßt und erweift. Auf bem buali(tifden Standpunfte find alle eins 232 Zur Lehre zelnen Beifter einfache Monaden, weil burd) die Schöpfung aus Nichts, aber nicht durch bie Emanation des Abfoluten gefeht ; deßhalb müffen fie auch alle unfterblich fein, wenn fie fi) fdon durch verfchiedene Grade der Anlagen fonft von einander unterfcheiden. Auf bem moniftifchen Stand» punfte dagegen find alle einzelnen Geifter blos unterſchie⸗ dene und wechſelnde Accidenzen des abfoluten Geiſtes, daher müfjen fie aud) vergänglich fein. Deßhalb räfonnirt Strauß richtiger, wenn er fagt: Nur „die Actuofität des Unterfcheidens“ im abfoluten Geifte ift ftetig; die gefebten Unterſchiede aber find fließende Momente; biefe mögen fobann natürliche oder geiftige Individuen fein. Dieß ift hier gleichviel. Denn weder bie Einen nod) bie Andern find Monaden, jonbern nur Accivenzen der allgemeinen göttlichen Subſtanz. — Die höchfte Tranfeendenz des cratürlid)en Geiſtes ift jebod) ber Bottesgedanfe. Diefen zu erfaffen ift er aber nur befbalb fähig, weil ev fid) felbft. als Sein, nämlih als Sein nift turf Gif im Ichgedanken zu ergreifen, und daher aud) über fif) bins auszugreifen vermag in das Sein durch Sich, als ben ſchoͤpferiſchen Grund feines bedingten Seine. C) Endlich befpriht Strauß nod) einen dritten Verſuch, die Unfterblichfeit vom Gtanbpunfte ber modernen Sperus lation aus zu begründen, nämlich ben 9Berfud) von Weiße. — Sad) Lehterem „verlichert bie innere Erfahrung ben Gläubigen und Sittlihen feiner Unſterblichkeit. Kinder einer diefes Bewußtſein nicht im fid) vor, fo wird ihm erflärt, daß er bemnad) nicht zu der Zahl jener Erwählten gehöre." (Geheimlehre, ©. 59). „Keineswegs,“ fagt Strauß I. ©. 733, „hat Weiße das Geſchenk unenblicher Sortbauer allen Menfhen ſchon als fofden zugedacht, von ber Unfterblichkeit des Geiftes. 233 fonbern nur ben 9Biebergeborenen;" (Geheimlehre &. 36 ff.) „10 τοῖς anbererfeit — feltfam genug — derfelbe Vorzug aud) den rechten Höllenbränden, ben Menfchen von tämo- nifher Verruchtheit jufommt, der orbinäre Mittelfchlag Dagegen der Sterblichfeit verfallen fol." (Geheimlehre, €. 32). — Strauß bemerft nun hiergegen, II. &. 734 f.: Dem Fauftus Sorinus „war die Erhaltung und Wieder: erwedung einzelner Seelen“ (der Frommen) „ein Wunder der Allmadıt: bei Weiße foll fie ein natürlicher Erfolg fein. Damit aber wird bie Cadje nur nod) irrationaler, Denn daß durch einen morali(djen Proceß (und zwar näher auf zwei ganz entgegengefegten Wegen) eine meta» phyſtſche Beftimmtheit erworben würde, wäre ein Wunder; daß e8 aber ohne Wunder gefchehen (oll, ift ein zweites. Scotus Erigena fand ſchon das unthunlih, unter bem» ſelben Gattungsbegriffe des animal zwei species mit cons tradictorifchen Eigenfchaften, wie Cterblidfeit und Un— fterblichfeit, zu befaffen, und badte Daher mit ben Menſchen aud) bie Thiere unfterblih: Weiße dagegen trägt Fein Bedenken, fogar durch das engere Gebiet der menſchlichen Gattung diefen Riß zu machen." Wir müffen befennen, daß bie Bemerkung von Strauß: eine metaphnfifche Bes .ftimmtheit fónne nicht durch einen moralifhen Proceß (unb bieB nod) auf zwei entgegengefeßten Wegen) erreicht werden — trefflich fei, wenn felbe bloà auf ben Geift bezogen wird. Denn es fann allerdings eine Subftanz nicht zu etwas (zu einer Eigenfhaft) entwidelt oder qualificirt werden, wozu fie nit in fid) bereits urfprünglid) bie Anlage oder die Beftimmung trägt. Dagegen verftoßt fi Weiße. Denn nad feiner 9Infid)t würde folgen, baf nicht ale Menfchengeifter urfprünglih von Gott zur uns 234 Zur Lehre endlihen Yortdauer gefchaffen worden find. Allein vie Unfterblichfeit ift eine metapbyft(d)e Beftimmtheit der menſch⸗ fiden Natur des Geifteó, und nicht eine accibentelle ober blos erworbene Beichaffenheit, wie Weiße es will. Die Qualität der Unfterblidhfeit Fann daher dem Geifte, weil fie feine Wefensqualität ift, ") nicht verloren gehen, weder 1) Etwas anders verhält es fid mit bem menfchlichen Leibe. Diefer ward urfprünglich ebenfalls zur Unfterblichfeit beflimmt. Doc war υἱεῖς Beſtimmtheit eine bedingte, unb nur ein Gnadengeſchenk Gottes, aber nicht eine Wefensqualität. Denn das leibliche Gebilde des Urs menfchen war am fich ber Vergänglichkeit nicht entfoben , ba εὖ [a ein befondertes Naturgebilde war (jedoch unter bem Einfluß Gottes) unb bie Einzelgeftaltungen der Natur vergänglih find. Es mußte bafer erf zur Unvergänglichfeit erhoben werden durch die Gnade Gottes. Die aber gefchah, um bie Idee des Menfchen, als einer Lebenseinheit von Geift und Natur aufrecht zu erhalten. — Es warb bemnadj ber Leib bes Menfchen für die Unfterblichkeit beflinmt, und bie wegen bes an fi unfterblichen Geiftes, damit er an deſſen Verklärung zugleich Theil nehmen fónne. Adam follte biefe Gnade der leiblichen Unfterblichfeit bewahren, aber nicht ετῇ erwerben. Doch war biefe Bewahrung an bie Bedingung gefnüpft, daß er in ber nrfprüngliden Liebeseinheit mit Gott durch Bes folgung feiner Gebote verbleibe. Da aber der Urmenſch aus derfelben heranstrat durch feine Gntfdjeibung gegen Gott in feiner Breiheitsprobe, und fo feine eigene Idee, als eines bedingten Wefens durch feine Präs tenfion der Abfolutheit negirte, fo ging die Gnade der leiblichen Unſterb⸗ lichkeit durch bie lirfünbe verloren. Sollte diefe Urbeflimmtheit im Menfchengefhlechte wieder eintreten, fo war baher einerfeits nótfig, daß die Sündenfchuld getilgt warb durch die Genugtfuung eines Erloͤſers, eines neuen Urmenfchen, aber andererfeits warb zugleich poftulirt eine erneuerte Schöpfung, b. h. das Wunder bet Fünftigen Auferfiehung. Wurde nun aber das Genugthuungsverdienft des Erlöfers Eigenthum ber ganzen Gattung (1. Gor. 15, 21. 22.), da er zufolge des Naturcharacters mit bem ganzen Befchlechte zufammenhängt, fo if bie leibliche Unfterb« lichkeit ein Onadenantheil für alle Menfchen, und e$ werben nicht blos bie Guten, fonbern auch die Böfen auferſtehen. Es hängt ſonach auch hier nur die künftige Befchaffenheit ber leiblichen Unfterblichkeit von der reis tfátigftit des Menfchen ab: ob jur feligen Verflärung ober gut mufeligen Verwerflichkeit. — Wenn aber ber Thierleib fecblid) ifl, und ber Menſchen⸗ bon ber Unſterblichkeit des Geiſtes. 295 durch feine halbe Hinwendung zum Böfen, (wie Weiße e8 annimmt), nod) burd) feine völlige Erftarrung im Böfen, (wie manche neueftens behaupten), aber aud) nicht getvonnen werben burd) fittlihe Treue. Nur die Beichaffenheit ber fünftigen Zuftändlichfeit der unendlichen Portdauer des Geifteó : bie Geligfeit oder Unfeligfeit derfelben, ift vom Gebraudje feiner Freithätigfeit bedingt. Die accibentellen Deichaffenheiten bei den Ginjefgeiflern: der Guten unb Böfen fónnen wohl verídieben fein, aber nimmer bie Qualitäten, welde das Weſen des Geiſtes felbft confti tuiren. Vernunft, Freiheit und Unfterblichfeit find jebod) bie wefentlihen Qualitäten eines jeden Geiftee. Denn ohne Vernunft, Freiheit und Unfterblichfeit wäre der Geift eine Naturfeele, wie εὖ bie Thierfeele ift. (G8 würde bem» nad) aus der Auſchauung von Weiße folgen, daß bie Geif- feib unfterblich fein wird, obfchun beide befonberte Naturgebilde find: fo darf uns dies nicht befremben. Denn der Menfcheuleib iſt von Gott für einen unfterblichen Geift, ber zur Sittlichkeit beflimmt ift, al& Organ gefchaffen. Er fällt fonach nicht rein unter die Sybee des bloßen Natur» gebildes. Der Thierleib dagegen If blos Organ einer vergänglichen und nur die leiblihen Bebürfniffe empfinbenben Naturfeele. Die Gnade Gottes wollte demnach auch die Natur im Menfchen, — den Leib Theil nehmen laffen an der Verklärung des an fid) unfterblichen Geiles, weil er das Organ beffelben bei den Außern fittlihen Handlungen ift. Deßhalb beflimmte fie den, Denfchenleib gleichfalls zur Unfterblichfeit. Daraus wird εὖ erklärhar, warum ber leibliche Tod dermald dem Menfchen wider natürlich, und daher eine Strafe der Urfünde ifl. Webrigens muß bei der Palingenefie aud) noch aus dem Grunde der Gute, fowie der Boͤſe an der leiblihen Unfterblicyfeit Theil haben, weil beibe als Totas litát, als Geift und Naturindivivunm, in etbifher Beziehung Banbelten. Q6 muß daher der Böfe ebenfo ale Totalität gerichtet werben, wie ber Gute, b. i. an Geift und Leib, indem der Leib das Werkzeug des Geiſtes zum Guten, wie zum Böfen bildete. Es muß fomit der ganze Menfch nach Verhaͤltniß feines fittlichen Betragens entweber belohnt oder beftraft werben. 236 Zur Lehre feele der nod) nicht ganz verberbten Menfchen zu einer fterblihen Naturfeele werden fónne! Iſt dieß wirklich möglih? Und verdienten bieB Loos nicht weit mehr die daͤmoniſch gefinnten Menfchengeifter, als der Mittelfchlag, b. B. als bie nod) nicht vollftändig entfchiedenen Geifter? — Sft der dualiftifhe &tanbpunft in ber Speculation bet richtige, fo muß man fagen: Sind bie Gingelgeifter bet Stommen deßhalb, weil fle als einfadje Monaden, als Subſtanzen exiftiten, unfterblih, fo müffen có aud) bie Einzelgeifter der Ganj^ wie der Halbböfen fein, ba ja aud) fie einfahe Monaden und Subftanzen find. — Strauß frägt daher Weiße mit 9tedjt IL S. 735: „Aber woher denn biefe wefentliche Verfchiedenheit in der Einen Gattung?" Weiße antwortet hierauf: „Am Anfange ſchuff Gott zweierlei Menfchenracen: eine nad) Seele unb Leib unfterb(id), bie andere in beiderlei Hinficht fterblich, unb [egtere der erfteren gleich den Thiergefchledhtern, nur etwa in milberer, mehr freiwilliger Abhängigkeit, unter, worfen unb bienenb. Nun aber vermifchten fid) befannts [id die Götterföhne mit der Menfhen Töchtern: was fonnte davon Anderes die Folge fein, al8 daß fofort Ba- ftarde entftanben, die von ber einen Seite her bie leibliche Sterblichkeit, von der andern die Fähigkeit zur geiftigen Unfterblipfeit überlamen ?" (Theol. Stud. u. Krit. S.317). Strauß feßt blos hinzu: „Und aus ſolchen Maulthieren beftebt das ganze feige Menſchengeſchlecht. Daß Weiße’s Eregefe eine Berdrehung und ein ftarfeó Mißverftänpniß bet heiligen Schrift fei, wird wohl nicht leicht Semanb ber zweifeln. Daher nennt aud) Strauß diefe Hypothefe „eine leichtfertige”, und hält fie der Widerlegung nicht würdig. Da jedoch Strauß am Schluffe feiner Kritik meint: von ber Unſterblichkeit des Geiſtes. 237 baß befonderd SBfafd der jenfeitigen perfönlichen Wort» Dauer des Geiſtes ein paar „tüchtige Gründe” entgegen» gefebt habe, fo wollen wir noch furg den tüchtigften davon prüfen. Er lautet alfo: „Hätte die Seele fein Ende, fo dürfte fie aud) feinen Anfang gehabt haben, und e8 müßte bie lángft abgefommene Präeriftenzhypothefe erneuert wer⸗ bem. Denn ein 98efen mit Anfang ohne Ende ift fein minder ungereimter Gebanfe, a(8 ein Ding, das ein Ende, aber feinen Anfang hätte.” (Blafche, philof. Unfterblich- feitélefre, €. 27 (.). Aber wir fragen: Warum? Das hat Blafche nicht aufgezeigt. Er meint: wenn die Seele _ (der Geift) fein Ende hat, fo dürfte fie nie einen Anfang gehabt haben. Allein das ift falſch. ES. ift zu unters beiden zwifchen unbebingtem und bedingtem Sein. Uns bedingtes Cabfolutes) Sein ift eine fhlechthinige Selbft- ftánbigfeit. Bei biefem ift freilich weder Anfang nod) Ende denkbar, ba εὖ als Sein durch Sich unabhängig von jedem fremden Sein außer fid eriftirt. Anders aber verhält e8 fi) bei bem bedingten Sein des menfchlichen Geifte&. Diefes fann und muß einen Anfang nehmen, ba ed eben deßhalb, weil es ein bedingtes Sein ift, nicht (i6) ſelbſt gefegt hat. Wenn aber das bedingte Sein des menfchlichen Geifte8 als Sein nicht burdj Sich, einen Ans fand genommen, fo folgt hieraus ποῷ nicht, daß felbes beffalb aud) wieder ein Ende nehmen müffe. Denn ἐδ fommt bier darauf an: Welchen Zweck Gott ald Schöpfer mit der gefdjaffenen Subftanz des menfchlichen Beiftes vet» bunden hat? oder wie er den menſchlichen Geift gefchaffen ? Ob aber Gott wolle, daß der menſchliche Ginjefgeift jen» feit& perfönlich forteriftize ? Dieß fónnen wir erfchließen theild ἀπὸ ber angefhaffenen Natur des Geiftes, theild aug 239 Zur Lehre den Eigenfchaften des Wefens Gottes. a) Die Natur des Geiſtes ift aber ohne Zweifel für die jenfeitige perſoͤn⸗ liche Unfterblichfeit befähigt, da der Θείβ eine einfache Monade, baber feinem Weſen nad) unauflóelid) ift. b) Dazu hat bet Gift felber das Verlangen nad) ewiger Gluͤck⸗ feligfeit, alfo muß er aud) unenblid) forterifiiren. Denn Gott kann dieß Verlangen dem Geifte nicht einpflanjen, unb bann c6 bod) nicht befriedigen, weil bief feine Weiss heit, Wahrhaftigkeit und Güte verlegen würde. ‚Er würde alfo fid) felber woiberípred)en. Dieß ift aber von Gott als dem allervollfommenften Wefen unbenfbar. c) Aud wiffen wir gar midt: welches Intereſſe, oder welchen Grund Gott dabei haben fónnte, einen Geift, ber feine böchfte Gíüdjeligfeit darein jegt: im Senfeits ihn immer mehr zu erfennen und zu lieben — nad) feinem vollens beten Ervenleben zu vernichten. — Allein hier begegnet uns bie Einwendung: Das Befagte fann wohl von ben Geiftetn der Frommen geltend gemacht werden, aber zur Vernichtung der böfen Gleifter hat bod) Gott gewiß einen Grund. Sie haben fid) ja eben ber feligen Gemeinfchaft mit ihm gänzlich unwuͤrdig gemacht, und fo ihr Dafein verwirft.e Wohl. Aber hier ift zu bedenken: Würbe Gott die abgefallenen Geifter vernichten, fo würde er felber in . feine formale Subjectivität ein Deficit fegen. Denn er wüßte feinen Gedanfen vom Stidti, den Gedanken von der Weltcreatur, nidjt gang verwirklicht, ba er ben Men⸗ fhengeift nur als frei wollte und feßte, er mochte fid bann für ober gegen ihn ent(djeiben. Es liegt bemnad) im Intereſſe Gottes felber, aud) ben abgefallenen Gift im Senfeits unendlich fortbeftehen zu [affen, weil er fid fonft widerſprechen würde. Denn wollte Gott den Θείβ don ber Unfierblichkeit des Gelſtes. 239 frei, und würde er hintendrein deſſen Sein deßhalb negireu (vernid)ten), weil felber fid) als freithätig gegen ihn ent» ſchieden: fo hätte er ihn feiner Schöpfungsidee gemäß nicht frei gewähren laſſen. Dieß würde offenbar feine abfolute Güte verlegen. Er läßt bemnad) audj ben abs gefallenen Geiftern bie unendliche Forteriftenz als Zeichen feiner abſoluten Güte. Gin jeder wird jet fragen: Wenn Strauß bie pets fönlihe Unfterblichfeit des Einzelgeiftes im Jenſeits Täugnet, wie fol nun nad) ihm bie Unfterblichfeit bejfelben aufges faßt werben? Er fagt II. €. 737: „Es fommt alles bar» auf an, „daß bie Unfterblichfeit nicht a[8 etwas erft Zus fünftiges, ſondern als gegenwärtige Qualität des Geiftes, als feine innere Allgemeinheit, feine Kraft, fi) über alles Endliche hinweg zur Idee zu erheben, aufgefaßt werde.“ Wenn id) mid) bemnad) mit Gott bem Ewigen im Wefen als fein Offenbarungsmoment als eins benfe und weiß, fo bin aud) ἰῷ ewig, aber nur in der Gegenwart (in btefem Momente), und infofern auch erhaben über alles Enpliche. Diefer Genuß der gegenwärtigen Unfterblichfeit im Dieffeits (ft sugleid) der Lohn meiner Tugend. Dieß alfo ift bie neue Unfterblichfeitstheorie von Strauß. Nach ibm gibt e& für bie menfchlichen Ginjefgeifter Feine unendliche jenfeitige perfönliche Fortvauer. Nur der allgemeine abfolute Geift ift unfterblih unb bie im Diefleits, da er fid) ewig in ber Welt in ben entftehenden, jebod) wieder verſchwindenden menſchlichen Einzelgeiftern verwirklicht. Allein eine Unfterbs lichkeit des Einzelgeiftes blos in ber Oegenwart, ohne fünfs tige unendliche fjortbauer ift ein Widerſpruch. Denn das verfhwindende Moment im allgemeinen abfoluten Geifte fann bod) nur als ein zeitliche8 gefaßt werden, ba ja nur 240 Zur Ehre von ber Unfierblichkelt be Geiſtes. das allgemeine Wefen des abfofuten Geifte8 im Weltproceſſe das ewig Bleibende ift. — Ferner bezieht fid) bie Unfterb- lichkeit nicht blos auf bie Gegenwart, fonbern aud) auf bie Sufunft; unb nicht blos auf das Diefleits, fonbern aud) auf das Jenſeits. Sieg. ift bie allgemeine Vorſtellungs⸗ weife der Unfterblichfeit faft in allen Religionen, und wir glauben, fie in unferer bisher geführten kritiſchen Unter» fudung vom dualiflifchen Gtanbpunfte aus aud als fpeculativ begründet erwiefen zu haben. Sufrigl. 2. Der Quietismus in Frankreich. Durch die Reformation und bie geiftigen Bewegungen, welche derfelben vorangingen, war in Europa, wie bief wohl bei allen derartigen Erfcheinungen der Sall ift, au eine aftermyftifche Richtung angeregt worden. Wohin immer der PBroteftantismus zu bringen vermochte, da finden wir aud) die Symptome einer folchen in den Tiefen ber menfchlihen Natur vor fid) gehenden Revolution. An mandjen Orten durfte er in biefer Beziehung nur an (don Vorhandenes anfnüpfen. Die Anfchauungen, welche myſti⸗ (de Secten im Laufe oder gegen das Ende des Mittels alters in ben verfchiedenften Ländern ausgebreitet hatten und bie οἰεα noch im Reformationszeitalter unter ber Aſche fortbrannten, erwachten bei dem günftigen Winde, ber ihnen zu weben begann, von felbft, unb fo wahlver- wandt fanden fie fib angeſprochen durch bie myftifche Strömung, welde von der Reformation andging, daß oft fhon ein febr mittelbarer Rapport genügte, um diefelben wiederum in’s volle Leben zu rufen. Dies fcheint insbefon- dere aud) bei ben Begharden in den Niederlanden unb ben ihnen verwandten Alombrados in Spanien ber Ball gewefen zu fein. Während aber fo bie geiftige Atmofphäre ber Zeit butd) bie Härcfie außerhalb der Kirche mit aftermyſtiſchen 242 Der Quietismus Elementen gefättigt wurbe, konnten einige Erſcheinungen in der Kirche felbft menſchlicher Thorheit bie SBeranfaffung werden, in ähnliche Irrthümer zu verfallen. S. Goͤrres fagt in feiner Myftif, bag auf Zeiten, wo ber Geift Gottes in feinen Heiligen die Wunder ber wahren Mpftif gewirkt, febr gewöhnlich eine lügenhaft myftifhe Anregung folge. Wenn wir von allen tieferen Urfachen, welche biefer That⸗ fache zu Grunbe Tiegen, aud) ganz abfehen wollen, find wir bennod) in feiner Verlegenheit, uns biefelbe erklaͤrlich zu machen. Was liegt dem Vorwitz unb der Gitelfeit näher als in den Gebeünniffen der göttlihen Gnade fid) zu verlieren und in thörichtem Beginnen diefelben auch in das eigene Leben herabziehen zu wollen? — Gin, folches Streben führt, wenn e$ überhaupt nicht ganz erfolglos if, ftet& und mit Nothmwendigfeit zu bn. Erfcheinungen einer blos natürlichen aber zugleich vergifteten und uns wahren Muftif. Nun aber hat Gott in feiner Erbarmung gerade in jener Zeit, ba bie fite in dem Abfall fo vieler Kinder bie Niedrigfeit ihrer irdifchen, den Wechſel⸗ fällen diefer Welt Bingegebenen Grfdjeinung zu beweinen hatte — in der Epoche der Reformation und ihrer erften Ausbreitung — um der Welt den trog Allem unverwüftlich göttlichen Character feiner Stiftung zu zeigen, in dem Leben einer heiligen Therefla, eines Johannes vom Kreuz, fpäter einer Francisca von Chantal, fo viel Glanz unb fo viel Wunderbares zu Tage treten laffen, daß wir ung nicht wundern dürfen, wenn manches Auge innerhalb der Kirche geblendet an diefen Herrlichkeiten hing. Und fo Werben wir denn nicht irren, menn wir fagen, daß aud diefe Erfcheinungen im Leben der Heiligen in der Zeit, bie nod) in bem Abenroth biefe6 hingegangenen Glanzes in. Frankreich. 248 glühte — den Mißbrauch vorausgefebt — geeignet waren, bie aftermyftifhe Richtung zu ſchwellen und ihr Bahnen zu öffnen, bie ihr ohne bif niemals fo leicht zugänglich gewefen wären. — Bon einer Art bed. modernen Myſti⸗ cismus unterliegt εὖ feinem. Zweifel, daß ex unter bet Mitwirkung beider Einflüffe Geftalt unb Leben gewonnen; — Wir meinen ben f.g. Quietismus, ber die Kirche burd) das ganze legte Drittel des flebenzehnten Jahrhuns bert unb noch in das achtzehnte hinein zu beunruhigen wußte. Der vorzuͤglichſte Schauplag deſſelben ift Frank⸗ teih. Die biefalligen Bewegungen in Spanien unb Stafien nahmen in biefen Ländern felbft Feine großen Umriffe an und haben ihre Bedeutung hauptfählich darin, daß fie das Auftreten des Duietismus auf franzöfifchen Boden theils vorbereiteten, theils unterftüßten und forberten. Der Quietismus nun aber in Frankreich durchlief bauptfählic zwei Epochen. Die eine erfiredt fib. etwa von 1680 bis in das erfte Drittel des Jahres 1695. In diefem Zeitraum bildet Madame Guion ben Mittelpunft, um den faft bie ganze Bewegung kreiſt. Die zweite Epoche, eingeleitet burd) bie Artifel von Iſſy, woelde zwar bie quietiftifhe Verirrung beendigen follten, aber aud) ben Knoten zu einer neuen Verwidelung fehürzten, dauerte eine verhältnißmäßig viel fürzere Zeit, nám[id) vom Jahre 1695 bis in den März 1699 und biefmal ift e8 Fenelon, der berühmte Erzbifhof von Gambray, der die Haupts geftalt im quietiftifchen aget bildet und um ben bie Gr; eigniffe mehr ober minder fid) gruppieren. Mit feiner Genfurierung, bie eben im März 1699 Statt hatte, war bem Quietismus der Todesftoß verfebt, unb wenn wir fagten, berfelbe habe noch in das 18. Jahrhundert fid) A eol. Duartalfärift 1856. U. Heft. 17 944 Dr Duletismus erfiredt, fo gilt das nur ven ten lebten unb. zumeift vete einzelten Schwingungen, ohne welche eine auch Thon ver- urtheilte Richtung niemals vom Schauplag abtritt. Wir werden uns im Folgendem mit ber erfien Epoche des Nähern befhäftigen; vielleicht daß fi einmal Gelegenheit bietet, aud) der anderen eine größere Darſtellung zu widmen. | Johanna Marie Bouvieres be [a Mothe!) wurde geboren den 13. April 1648 zu Montargis, einer nicht unbebeutenben, dh der SBafferftrafe zwilchen Paris und Orleans gelegenen und — was feine vielen Klöfter beweifen — aud in kirchlicher Beziehung febr blühenden Stadt des mittleren Frankreichs. Ihre Eltern, dem Adel angehörig, führten ein ziemlich großes Haus, wozu ihnen ihre bedeutenden Reichthümer die hinlänglihen Mittel boten. Der Vater, der in Montargis“ das Amt eincó Requetenmeifters befleidete, war, wie Johanna felbft et; zählt, ein frommer, babel aber ziemlich firenger und ernfter Mann; die Mutter nicht minder fromm glänzte befonberó dur ihre Wohlthätigfeit. Doch war fie, wie εὖ fcheint, etwas nad) dem Schnitt der Zeit, um die Kinder während ihre& zarten Alters ziemlih unbefümmert und babel nicht frei von Laune und Gitelfeit. Beide Eltern Sobannaé waren [don früher verheirathet gewefen unb aus beiderlei Berbindungen waren Kinder ba, die aber, wie man vers muthen muß, alle ins Klofter gingen. Kohanna war eine Frühgeburt: die Sutter brachte fie fon im adten Monat zur Welt, und vielleiht hängt damit bie große Kränflichfeit zufammen, welche das Kind 1) Man vergleiche über das Folgende ba6 „Leben der Madame Guion vou ihr felbft beſchrieben“, beutfd Brankfurth u. Leipzig. 1727. (ὁ ijt immer viefes Werk gemeint, wenn wir a. a. Ὁ. cititen. d in Frankreich. 243 in's Leben begleitete und, bald in dieſem bald in jenem . 8eiben auftretend, Johanna nie mehr ganz verließ. Als fie 2%, Sagre alt war, bradte fte der Bas ter in das Kloſter der Urfulinerinnen, in welchem zwei Stiefihweftern berfefben lebten, die eine bie Tochter des Vaters, bie andere der Mutter, je aus ber erften Ehe. Nach Berfluß etwa eines halben Jahres nad) Haufe jurüdgenommen, blieb fte bier faft bis zum Ende ihres vierten Lebensjahres. Darauf that (le der Vater zu den . Benedictinerinnen, bei denen fie das „geiftreiche Kind“ fpielte, bi$ die Sache nad) etwa zwei Jahren beiden Theilen ent[eibet war. Der Aufenthalt in der Bamilie war wies berum nur kurz. Johanna war nod) nicht fieben Jahre alt, als ber Vater fie zum zweitenmal zu den Urfulinerinnen brachte, jet ohne Zweifel in der Abficht, bem Kinde eine ernftliche Bildung und Erziehung angebeiben zu laffen. Aber nad) Verfluß von drei Safren fah man (id) aus verfchierenen Gründen, befonders weil bie Stieffchweitern, beide von verfhiedenem Charakter, in bie Leitung des Kindes Berirrung brachten, veranlaßt, Johanna wieder nach Haufe zu nehmen, um fie nach furger Frift, etwa im Suni 1658 bod) wieder in einer flöfterlihen Anftalt ur» terzubringen. Diesmal verfuchte es der Vater mit ben Dominifanerinnen unb in diefem Haufe war e8, daß Sohanna, während einer Pockenkrankheit viel allein ge- laffen, ihre Muße zu fleißigem Lefen ber hl. Schrift benüßte, eine Lectüre, die fid) bei bem Gedaͤchtniß des Mäd- chens tief in ihre Seele einfenkte. Bon ihrem Leiden genefen febrte fie nad) einer etiwas mehr als halbjährigen Abwe—⸗ fenheit wiederum in den Schooß ihrer Familie zurüd. ' Aber es trat der alte Uebelftand ein. Die Mutter wollte 17 * 946 da Suitiómst ober fonnte fid) bem finbe zu wenig widmen unb vermochte aud) an demfelben, während fie ihren Sohn febr. liebte, immer nod) fein größeres Gefallen gu finden. Glüdlicher- weife war Johanna jest faft eilf Jahre alt und nun fhidte der Bater das Kind, beim Herannahen der Faften 1659, zum brittenmale zu. den UÜrfulinerinnen, bamit cé bier auf den Empfang ber erften heiligen Gommunion vorbereitet werde. Die alte Eiferfucht der beiden Schweſtern war Urfache, taf ihr Aufenthalt im Klofter fid) nicht über Pfingften erftredte. Um diefe Zeit wurde fte wieder nad - Haufe zurüdgenommen und ihre Erziehung als beendet betrachtet. — Im Hinblid auf bie Kränflichkeit, bie faft in jedem Jahr Johanna heimfuchte, auf die eigenthüm⸗ fide Erziehung und Alles, was biefelbe bedingte und bes gleitete — bier ein Bater, den das Kind vor Allem fürdhtet, dort eine Mutter, bie für baffelbe fein rechtes Herz bat, überhaupt Niemand, an ben ἐδ dauernd ſich gewieſen findet — im Hinblid auf das Alles wird man es febr begteiflid) finden, wenn in bem jungen Mädchen, das nun in bie Welt eintreten follte, vor Allem ein Zug fi$ aue» gebildet batte, der Zug zur Innerlichkeit. Die Ginbrüde des Klofterlebens, weldye e8 von ben zarteften Jahren an empfing, fonnten denfelben nur nod) ftárfer und nadhhals tiger madjen. Dabei hatte Johanna ohne Zweifel feinen Unterricht genoffen, gründlich genug, um das Gleichgewicht zwifchen Verftand unb ber von Haus aus miel reicher entwidelten PBhantafte berzuftellen. — nb was bie Bildung ihres Herzens betrifft, fo war e8 zwar eine leichte Sache, ein von Natur aus ungemein zartes und weiches Gemüth "gu einer großen Liebe für Frömmigkeit und Unfhuld zu entzünden. Aber ihre ganze Erziehung, abgefehen davon, in Frankreich. 247 daß fie mande Kalte in ihrem Gemütbéleben fif) bilden ließ, war nidt im Stande, ihr religiöfes Streben auf folide und ffare, den Willen feffelnde Vorfäge zu gründen; εὖ blieb Alles zu weid) unb zu verſchwommen; und was von nicht geringerer Bedeutung ift, aber damit in Verbin» bung fteht, bie Eitelkeit hatte faft von Anfang an Mittel und Gelegenheit genug, ohne exnfifid) bedroht zu werben, in das junge Gemüth ihre Wurzeln zu treiben. — Ins beffen in bem Augenblid, ba wir Johanna für immer in den Familienkreis zurüdfehren fehen, (diummerten πο alle biefe theilmeife bevenflichen Keime unter bem Gewand einer durchaus edlen und liebenswürbigen Erfcheinung. Die Mutter beeilte fi), die aud) zu großer körperlicher Schönheit herangeblühte Tochter in bie Welt einzuführen. Noch vor ihrem zwölften Jahre ber Gegenftanb eifriger Ber werbungen wurde fie allmählig etwas oberflächlicher und gab ſich insbefondere einer zügellofen, Profanes und Geiſtliches burd) einander werfenben Lectüre bin. ber bald faßte fie fid) wieder; eine Genetalbeid)te follte wieder res inlegra machen und in ihrer Sectüre befchränfte fie fi nun baupt(ádiid) auf bie Schriften des hi. Kranz von Sales und das Leben ber hi. Francisca von Chantal, — zwei Geftalten, mit denen fte fid) übrigens ohne Zweifel ſchon früs her befgäftigt hatte. Der geiftige Umgang mit den beiden Heiligen, mit Leidenfchaftlichkeit gepflogen, übte einen großen Einfluß auf Johanna aus. Wir meinen Bier nicht fo faft den SBorfag, der fid) in ihr feftfeßte, in den Orden von der Heimfuchung einzutreten; bergfeiden Sachen haben oft nicht fo viel auf fid; unb in. Wahrheit fügte fid) Sos banna in biefem Punkt bald dem widerftrebenden Willen. der Eltern und des Beichtvaters. Aber ihre innerliche 248 Der Duletlömus Entwidelung ward weſentlich durch biefe 2ectüre berührt; firanciéca von Chantal wurde ihr Vorbild, das fie bie {πὸ Kleinfte hinaus nadjguabmen firebte und beſonders war eó das innere Gebet, auf das wir an einem andern Orte nod) zurüdfommen werden, was fie bald auf's Lebhaftefte befhäftigte und nach deſſen Beſitz fie eifrig verlangte. Zwar trat wieder nad) kurzem Zwifchenraum eine Periode großer Lauheit und Kälte in ber Frömmigkeit ein. Shre leidenfchaftliche Liebe zum Lefen verleitete fie von 9teuem. auch nad) gefährlichen Büchern zu greifen; fie fing an, Qefbens unb Liebesgefchihten zu ftubieren; dazu wurde fie {εἴ mehr und mehr Heldin auf biefem Theater ber Thorheit und ermieberte die vielen Huldigungen, bie fie empfing, nicht mehr mit ber arglofen Unbefangenheit früs beret Jahre. Aber der Verlobungscontract, den fte, nad ihrer Erzählung ohne zu miffen, was fie thue, auf ben Willen ihrer Eltern am 28. Januar 1660 unterzeichnete, unb der das noch nicht Abjährige Mädchen einem Herrn von Guion, damals einem Mann von 37 oder 38 Jahren zur Frau gab, reichte vollfommen hin, Johanna wiederum nüchtern zu machen und fij ſelbſt zurüdzugeben. Und was etwa in biefer Beziehung noch fehlte, das that ber wirfliche Eintritt in bie Ehe und damit in ben Ernft des Lebens. Mad. Guion begann ben neuen Anlauf wiederum mit einer Generalbeichte, „wie fie nod) feine mit biefer Genauigkeit gemacht hatte.” Die Romane warf fie in's Feuer; bie alten Vertrauten ihres geiftigen Lebens aber, ber bl. Stanz unb Brancisca von Chantal wurden wiederum der Gegenftand ihrer vollen und ungetheilten Liebe — und was das innere Gebet betrifft — ihrer faft eiferfüchtigen Bewunderung. Die innern Zuflände Johannas hatten in in Frankreich. 249 ben füuf Jahren, bie fie mit der Welt verfehrte, untecbeffen | eine beftimmtere aber feineswegs beruhigendere Geftalt gewonnen. Zwar febrte fie mit beftem Willen wiederum zur Religiöfität gurüd, wie wir bereits bemerkt; aber bie verfänglichen Keime, die früher ſchon im Grunde ihres Weſens lagen, waren unterbefien mehr und mehr ente widelt worden und zu Feinden herangewachſen, welche aud) das begeiftertfte Streben bevrohten. Die Phantafie war Durd die ungeregelte und leidenſchaftliche Lectüre nod) Franfhafter entzündet worden. Die Frömmigkeit hatte in den Schwanfungen der lebten Jahre zum Mins deften an innerer klarer unb befonnener Kraft nicht zus nehmen fónnen unb was wir nicht vergeffen dürfen, bie Eitelfeit war burd) bie Huldigungen, an denen die Welt ed hatte nicht fparen lafjen, in einer Weiſe gefteigert worden, daß Madame Buion, wie fie felbit gefteht, fogar nad bem neuen Aufihwung ihres religiöfen Lebens feit der angefährten ®eneralbeichte, immerwährend mit Ders felben zu ringen hatte und nur felten als Ciegerin aus bem Kampfe hervorging. Der Zug zur Innerlichfeit aber hatte gleihfals an Intenfivität gewonnen. Nicht nur blieb nämlich ihre Kränflichkeit, ihre Stellung gu ben Eitern im Wefentlihen bie nämliche, bie fraglihe Rich⸗ tung ihres Gemuͤths fand eine ned) viel reichere Quelle ber Nahrung in ber. fdon namhaft gemachten Liebe zur Sectüre. Diefes Lefen, Sabre lang Tag und 9tadt ge trieben im einfamen Zimmer, durch feine anderweitige zerſtreuende oder anſtrengende Befchäftigung unterbrochen, mußte mit Nothwendigkeit ein gewifles inneres Brüten und Weben der Seele befördern; wozu nod) fommt, daß fie, wie wir gefehen, viele Zeit geradezu nur mit Geſchichten 250 Der Quietismus fd) befhäftigte, bei deren Qecfüre zumeiſt jeder δα eigene Ich den handelnden Perfonen unterfhiebt und mit den Empfindungen und Gedanken des eigenen Herzens fpielend, fid) daran gewöhnt, bie Außenwelt allmählig zu vergeffen und ihr SSerftánbnif zu verlieren. Die ehlihen Verhältniffe, in welche Johanna trat, waren nicht derart, daß fte bie auíftebenben Gefahren energifch befeitigt hätten. Einmal war Vieles in ihr übers haupt (djon zu fefe erftarkt, al& daß es fid) hätte fo leicht verdrängen [affen und dann fand Mad. Guion aud ín ihrer Ehe, was ihr fo nothwendig gewefen wäre, Niemand, an ben fie fid) hätte vollfommen anſchließen koͤnnen und der fle damit aus ihrer Innerlichkeit herausgezogen hätte. Sie trat zu jung und gu unerfahren in bie neuen Vers hältniffe; ihr Gemabl war zu alt, viel Fränflih unb heftig, unb wenn etwas nod) nothiwendig war, zwifchen fte und ibn zu treten, fo übernahm das febr gerne und febr häufig bie Schwiegermutter. So lebte fte verſcheucht und verfchüichtert ; und wie franf (don ihr innerlihes SBefen war, baé zeigte fif in’ ihrer abfoluten S9tefignation. Meit entfernt, in vernünftiger und gebotener Gemeffenbeit das ihr zuftehende Anfehen zu erwerben unb zu verlangen, - trug fte, ohne etwas an fid) ober irgend Jemand zu ändern, einfad) alle Widermärtigfeiten und alle Mißhand⸗ fungen, an den innerlich geweinten Thränen eines falfchen Martyriums fid) labend unb erfreuend. — Wir fügen nod) hinzu, daß ihre Gefunbfeitéverbáttiiffe aud) in der Ehe ihren abnormen Charakter behielten. — — In folder Berfaffung haben wir ung Mad. G. bem HI. Franz Sales und ber bf. Franeisca von Chantal, ihren langjährigen gieblingen gegenüber zu denfen, das Auge unverwandt auf in Frankreich. 251 bie Herrlichkeiten des innern Gebetes gerichtet, welches fie an ihnen ftaunenb erblidte: Neugierig und lüftern ftanb fie vor ber goldenen Frucht, die Keiner. nod) eigenmächtig abgepflüdt, ohne baf fie ihm eine Cpeije des Todes ges worden wäre. Ihr innerlihes Weſen, gefteigert unb entwidelt, wie wir gefehen, mehr und mehr alle Eigen» thümlichfeiten des geiftigen Lebens in feine Herrſchaft zjiehend und hinwiederum von ihnen felbft bedingt unb gefhärft, war fo zu fagen allmählig auf diefen einen SBunft concentrirt und nun fönnen wir uns nicht mehr wundern, wenn wir e8 bald zu einer Kataftrophe fommen feben. Umſonſt fudte der Beichtvater zurückzuhalten; — unb dieſe Eigenmädhtigfeit machte fte vollends reif, ihrem Verhängniß zu verfallen. — Drei Perfonen waren dabei thätig, fie diefem Ießtern zu überliefern. Die eine war eine fromme ,verfoígte" Dame, melde ber Vater nad) der Mutter Tod, etwa drei ober vier Sabre mad) der Verheirathung Johannas in fein Haus nahm. Sie war eine Anhängerin des „innern Gebetes“, b. i. jenes innern Gebetes, in beffen Beſitz aud) Mad. ©. fpäter gelangte; die zweite Perſon war ein Berwandter der legtern, ein Herr von Soiffi, Miffionär, der Montargis auf feiner Durchreiſe berührte und ὦ bald als einen Anhänger berfelben Gebetsweiſe verrieth. Beide vereinigten fid, das Belangen der ungebulbigen Aspirantin zu befriedigen und fie das große Gebeimnig zu lehren. Aber e& wollte immer nicht gelingen und darüber mußte Toiſſi wieder abreifen, nachdem er verfprochen, fein Martyrium εἰπῇ, falls er ein foldhes finden follte, Gott mit der Bitte aufs zuopfern, feiner Verwandten diefes innerlihe Licht aufs gehen au lafien. Bald darauf aber fam ein Franciscaner 252 Der Quietiemus nad) Montargis, in welder Stabt fein Orden wahr- fdjeinlid) ein Haus befaß, ein Mann, ber fein Geheimniß daraus machte, daß er des „innern Gebeteó" Meifter (ei. Cr fam audj in das Haus des Herrn von Bouvieres, und biefer, vielleicht durch bie genannte Dame veranlaßt, erfuchte den Bater, feine Tochter in einem Beſuch zu empfangen. Das follte cin trüber, verhängnißvoller Augen bi für ibr ganzes Leben werden. Der Wranciécanet war in Wahrheit Nichts als ein vollendeter Schwärmer, dabei ein Mann der Welt gegenüber ohne jeglidhe Klug⸗ heit und Befonnenheit. | Der ganze Berlauf unferer Ges fhichte wird biefe ſchwere Anklage binlänglich rechtfertigen. G. madte, begleitet von einer Verwandten, den genannten Beſuch am 22. Juli 1668. Mad ©. erzählt uns, wie es ihr bier ergangen, alfo: ihre Erfcheinung unb bie Art und Weife, wie fle den Wunſch ihres Herzens ausbrüdte, feste den guten Pater, wie er nachgehends ber ©. geftanb, ganz außer fi, fo daß er nid mußte ob er träume. „Er ging gar ſchwer mit der Sprache heraus... ἰῷ wußte nicht, was ich daraus machen ſollte, daß er fo fille war. Sd hörte aber bennod) nicht auf, mit ihm zu reden und ihm mit wenig Worten zu bedeuten, was id für Scähwierigfeiten hätte in Anfehung des Innern Gebete. Hierauf antwortete er mir alfobald: das fommt baber, geehrte Frau, weil ihr das von außen fuchet, was ihr bod) inwendig in eud habt. Gewoͤhnet euch, Gott in eurem Herzen zu fuchen, fo werdet ihr ihn bafelbft finden. Indem er foldje Worte ausgefprochen, ließ er mich von f$." „Dieſe Worte waren mir, erzählt G. weiter, als 1) Bergl. die genannte Lebensbeſchreibung, 1. Th. €. 100 “4. in Frankreich 283 ein Pfeil, der mir durch mein Herz fuhr durch und durch. Ich empfand den Augenblick eine ſehr tiefe Wunde, die voller Anmuth unb voller Licht war, [a eine fo an» genehme und lieblihe Wunde, davon id mein Lebtag nicht wieder zu genefen verlangte... . Diefe Worte machten, daß id) fah und erfannte, was in meinem Herzen war, und was ih bod) nidt genof, weil ich es nicht erkannte. Ich wußte nicht, id) war gand anders geworben. Bon dieſem Augenblid ward mir eine wefentlidhe Erfahrung von Gottes Gegenwart in meinem innerften Grunde gegeben, nidt burd Nach— denfen oder lleber(egung des Berftandes, [ondern als eine Sadhe, bie man weſentlich befigt auf eine febr anmuthige Weife . . . Ih war plóplid fo verändert, bag id weder vor mir felbft nod) vor andern Leuten mehr fenntfid) war. . Die Ger brechen unb Widerfeglichfeiten fchienen verzehrt zu fein, wie ein Stohhalm in einem großen Feuer." Diefe Scildes rung genügt vollfommen, um uns über das aufzuflären, was bei jenem Befuche vorgegangen. Die längft vorbes reitete Kataſtrophe Fam zum Ausbruch. G. gerieih im bie Efftafe, aber in feine himmlifche und gnabenvolle, fondern in eine rein natürliche und zugleich unbeilvolle, unter der Vermittlung des Franeiscaners, der ohne Zweifel weniger burd) jene Worte, bie G. [don oft hatte hören fönnen, als fein ganzes Weſen, — fei er nun felbft ganz oder halb efftatifch gemefen, — ihr inneres Leben zu electrifteren verftand. ©. ergriff in diefer Efftafe das innere Gebet, aber bie goldene Frucht hatte (id) während des Pflüdens entfeplich verwandelt; was fle in ber anb batte, war nit das wahre innere Gebet, fondern nur 254 Der Quietismus ſeine Fratze. Hier iſt der Ort uͤber dieſen Punkt aus der Myſtik etwas Näheres zu bemerken. — In bem wahren innerlihen Gebet wird die Seele burd) eine fpecielle gralia gratis data in ben Stand gefept, mit Gott, ohne die natürlichen Drgane ihres Lebens, das discurfive Denfen und Wollen, in Anwendung zu bringen oder dieß aud nur zu fónnen, auf eine ber visio beatifica verwandte und fie anticipierende, völlig übernatürliche unb reine und einfache Weije zu verfehren. Es ver» febt fid) von felbfl, daß, wenn eine fo begnabigte Secle — auf ihr ewiged Heil angefeben — aud) Gott baburd) nidt näher fommt, fie tbeoreti(d) bod) bie Gottheit in foldem Gebet viel wahrer und vollfommener erfaßt unb die Geligfeit, bie vom Glanze einer ſolchen Grfenntnif gewöhnlich auf den gefchaffenen Geift ausftrahlt, ijt gewiß febr leicht bgereiffi. — Der Rapport, der fid in ben efftatifchen Verhältniffen entwidelt, wie fie Madame ©. fo unglüdlich war, über fid) heraufzubefchwören, hat nun allerdings mit der reinen übernatürlichen Bethätigung einer zur wahrhaft myſtiſchen Efftafe erhobene Seele etwas Analoges; nicht zwar nad) feinem innern objertiven Werth; denn in dieſer Beziehung fönnen wir eine Analogie nur zugeben, menn unb foweit er auf Objecte ber natürlichen Ordnung (id erfiredt. Mit Gott verhält fih das ganz Andere. Es verftebt fid) von ſelbſt und zum Voraus, bag ein eigentlih aud? objertiv außerors dentlih und wunderbar inniger Verkehr mit der Gottheit auf biefem Wege in gar feiner Weife angebahnt werben fann; denn ein folder Verkehr Tann nur durch Gottcó außerorbentlihe Giabe gewirft werden; aber biefer efftatifhe Stapport bleibt wie die Efftafe ſelbſt etwas in Frankreich. , 995b lediglich @reatürliches, bei dem Gott als das Princip der Gnade fid) gar nicht betheiligt, und in biefem Sinne etwas [ebiglid) Natuͤrliches. Snbeffen ifl der in Frage ftebenbe efftatifche SBerfebr nod) in einem andern Sinn etwas blos unb durchaus Natürliche. Durd bie Gfftafe nämlich, bie wir bier im Auge haben, verkehrt fid) [o zu fagen die Sphäre des geiftigen Lebens: die lichte Seite beffeben, Bernunft und Breiheit finfen unter und bie nächtliche Naturfeite beffelben tritt an bie Oberflähe. Von diefer Natur macht, die alfo im Innern des Menfchen die Herrfchaft gewinnt, geht diefer Rapport aus unb hat befegen in den Augen Gottes fo viel und [ὁ wenig _ Werth, als etwa die unfreie und bewußtlofe SBefdjáftigung des Menfhen mit Dingen der Ewigkeit während des Traums. Wenn das richtig ift, fo ift aud) Mar, baf Gott auf folde magnetifchsekftatifche Bezüge auf gar feine Weife eingeht unb bi nod um fo weniger, wenn eine fold fBerfebrung des geiftigen Lebens abſichtlich gefucht und befördert worden ift. — Sn biefem Ball wird fein pofitives Mißfallen auf foldjen geiftigen Zuftänden laften, aud) wenn fie nod) fo religiös gefärbt find. — Was alfo ber natür- (id) Gfftatife bat, wenn er fidj mit Gott be[ibáftigt, ift nicht Gott felbft, fondern blos das unmefenhafte Bild, das er fid) von ihm madjt und während er ſchwaͤrmt im myſtiſchen Genuffe der Gottheit, -ift er derſelben nie ferner gewefen. Wenn wir aber in Betreff diefes Ropportes nod) feinen objectiven Werth — foweit es fi um Gott handelt — jede Analogie und Verwandtſchaft mit bem übernatürlihen Verkehr der Heiligen leugnen, fo ift auf der andern Ceite zuzugeben, daß bie Art und Weife, wie das Subject dort thätig ift, viel Verwandtes mit der 286 da Quietfiſsmus Thaͤtigkeit des wahrhaft und uͤhbernatuͤrlich atfatiſchen hat. Vernunft und Freiheit ſind ja, wie wir geſehen, auch dort zurückgetreten; die gewoͤhnlichen Organe ſchweigen unb eine andere Macht trägt die außer ſich gekommene Seele fort; und weil dem alfo ift, verliert aud) das Bild von Gott, bie Vorftelung, bie der natürlih Efftatifche von ihm fefthält, alle Umriffe, in welche das Denken ties felbe gefaßt, dbnlid) wie bie Gottheit den Heiligen nicht mehr in den ESqhranken bet discurſiven Erkenntniß, fondern in der Unermeßlichkeit feines Weſens fid) oft offenbart. Aber während hier ein unenbfidjet Dcean der wefenbafs teften Wirklichkeit und Schönheit vor der entzüdten Seele fid öffnet, in welcher fle untergehen möchte, zerfließt aller⸗ dings aud) bie Vorftellung der Gottheit vor den Augen des natürlih Efftatifchen in eine uferlofe Unendlichkeit; aber εὖ ift der Unendlichkeit eines verfhwommenen Phan⸗ taftebildes, in welchem bie Seele brütend unb fid) berau- {hend im flrengen Sinne des Wortes unter und zu Grunde gehen Fann. Das war das innere Gebet, welches Mad. &. im Alter von einungwanzig Jahren bei bem Fran- eiscaner lernte. Die Ekſtaſe, in welche fie bier gerietb, lagerte fid nun wie eine breite Wolfe über ihrem Tagleben. Wenn übrigens fogar bei bet unmwillführlich eintretenden natürlichen Efftafe das freie und beiwußte Leben immer in diefelbe hineinfpielt, — das ift ja (don beim Traume fo — fo mußte das bei ben efftatifchen Verhältniffen ber G. nod viel mehr fein. Freiwillig hatte fie biefelbe ges fudt und freiwillig, ja mit Leidenfchaft feftgehalten; wie werden wir uns wundern, wenn in biefem Dunſtkreis bie ganze religiöfe Denk» und Anfchauungsweife, welde G. in früheren Jahren fid) angeeignet, fid) wiederfpiegelt unb in Frankreich. 287 wenn aud) bie efftatifdje ober von ihren ekſtatiſchen Zu⸗ ftänden nod) berauſchte Seele in der Weile des bl. Franz von Sales fogar gegen die Sucht nad) allem Außeror- dentlichen fid) ausfpricht, unb wenn Srancióra von Chantal nod) immer das Ideal ift, bem fie unermüdet nadjjagt? — - Cn den erften Monaten wollte die efftatifche Herr, lichfeit gar nicht mehr weihen. Der uns fdon befannte Franciscaner übernahm neben ihrem eigentlichen Beichts vater ihre geiftliche Leitung, linbefontenbeit auf Unbes fonnenheit häufend. G. fteigerte fi) burd) unerhörte und man muß c8 [don fagen fat heroifche Abtödtungen. Wir wollen nur "Eines erwähnen; gefunde Zähne lie fie fid) von Zeit zu Zeit audreißen, um neue Schmerzen zu et» . werben, franfe ließ fie gewiß fteben, um die alten Schmerzen zu bewahren. Stunden, in ihren außerorventlichen Zu⸗ ftänden hingebracht, verfloffen ihr wie Augenblide und wenn bie Efftafe aud) nachließ, war εὖ ib» leicht, immer biefelbe wieder hervorzurufen. Stadjbem Mad. ©. all foweit im „innern Reben“ vorwärts gefchritten, war fle nun vollfommen der Magnet geworden, ber alle vers wandten Elemente an fid) zog. Echon um biefe Zeit bildete fih eine gewiffe Solidarität der Anhänger des innern Gebetes in Montargis. Der Franciscaner vermittelte eine Verbindung zwiſchen ihr unb ber Mutter Granger, der Borfteherin Des BenedictinerinnensKllofters in’ jener Stabt, einer rau, bie in biefelben Irrthümer mehr oder minder verfiridt war. — Freilich regte fid) aud) jet ſchon eine ftarfe Oppofttion gegen biefe&8 Treiben. Der Mann der €. und ihre Schwiegermutter erklärten fi gegen das 1) €. a. Ὁ. 1. Theil, p. 104. 258 Der Dntetismtus innere Gebet, das, wie nicht anders möglich, fie vollends recht unfähig machte, einem Hausweſen vorzuftehen. Ebenſo fprad) fid) ihr Beichtvater aus; ja befjen ganzer Orden (deint dem Kranciscaner den Krieg erklärt zu haben. Aber Allen mit einander gelang es nicht einmal, nur bie Beziehungen ber Mad. G. zu der Mutter Granger aufzulöfen oder aud) nur zu lodern. Nun nahm die Entwidelung einen rafhen Verlauf. Die Gfftafe ließ allmählig etwas nad) und als bie ordents lien Zuftände zurüdfehrten, zeigte fid) alsbald, daß hier nirgends Gottes Hand gewalte. Die Eitelkeit, ja die Ginnlidfcit, wie Mad. ©. felbſt gefteht, machte (id) als⸗ bald unb in ziemlich ftarfem Maaße wieder geltend. — Eine zweite SBodenfranffeit übrigens im October 1670, die ihre Schönheit febr beeinträdhtigte, machte fie wiederum ernft, bildete aber aud) bie Brüde zu den alten afßerordentlichen Zuftänden. Etwa im Juni des folgenden Sahres lernte fie ben Barnabiten acombe fennen!), ber fte auf feiner Durchreiſe duch Montargis beſuchte. G. fand fif von biefet fenfttiven ſchwärmeriſchen Natur alsbald unwiders fteblid) berührt und wie fie einft eingeweiht worden war, fo weihte fie jegt den Barnabiten in die Geheimniſſe des „Innern Gebetó^ ein. Leider war er fo gelehrig, als fte damals. Diefe Bekanntſchaft wurde Epoche madjenb für ihr ganzes fpäteres Leben. Aber ?) εὖ trat aud) auf biefe efftatifhe Aufregung wieder bie Ebbe ein und zwar bießmal, verbunden mit großer Kränflichkeit, in der Geftalt einer unendlichen faft in Frankreich. 259 alle geiſtige Thaͤtigkeit unmoͤglich machenden Abgeſpanntheit. Mad. €. nennt bie Sache freilich anders; fie glaubte, es [εἰ der bei den Heiligen vorfommende myſtiſche Tod. Bielleiht Hat aud) ihre thörichte Rahahmungsfucht wirk⸗ lid) Manches von biefem letztern auf ihre Zuſtaͤnde übers getragen. Im Uebrigen erflärt fi Alles natürlid- Selbſt ‚wenn e& nicht einmal zu einer wirklich krankhaften Gr» fhlaffung gefommen wäre, — wie dieß bod) ber Ball ift — hätte der poͤtzliche gänzliche SSeclug ihrer außerorbentlichen Stimmung (te troftlo8 madjen und hätte ihr ganzes Wefen, in feiner nüchtern Wahrheit vor ihr liegend, als das nicht ordnungsmäßige, unnatürlich verbüfterte ihr erfcheinen müffen. — Während fle nod) in folden Verhaͤltniſſen fand, [ὅβε ſich bie ungluͤckliche Ehe ben 21. Suli 1070 durch den Tod ihres Gemahls auf. Im Jahre 1678 kehrten die Fluthen der Ekſtaſe wieder etwas zurück und im Jahre 1680 wurde unter weſentlicher Mitwirkung Lacombes, zu dem ſie ſich brieflich in Rapport ſetzte, das Schifflein des innern Gebetes wieder vollkommen flott. Es geſchah dieß am Magdalenentag 1680, an demſelben Tage, als Lacombe, der in Tonon am Genferſee ſich aufhielt, ſie verabredetermaßen in der heiligen Meſſe commemorirte; - fle war damals etwas über 32 Sabre alt. Aber jest‘) war aud) Mad. ©. zu einer nod) viel weiteren Ber- irrung reif geworden. Ohne Zweifel lag in der Bezie⸗ bung, bie fie mit Lacombe anfnüpfte, ein natürlicher Reiz, in die Nähe diefes Mannes zu fommen. Lacombe erwie⸗ berte auch, ale Mad. ©. ihm gegenüber eine ſolche Saite anfchlug, die Melodie in der entgegenfommenbften Weife, 1) A. a. Ὁ IL Th. p. 348 f. Theol. Quartalſchrift. 1856. Il. Heft. 18 260 Der Quietlsmus die man ὦ denfen fonnte. Bereits am Magpalenentag, der ©. von ihrer innern Dürre befreite, hörte ex Dreimal die Stimme: Ihr werdet an Einem Ort. zufammenfein. Schon von Hier aus Fönnten wir es uns erklären, wie G. mit weit auéfebenben Plänen fid) zu beichäftigen an» fing. Aber eine noch bebeutenbere Veranlaffung hiezu fag in ihren innern Verhältnifien felbjt. Wir (dweigen davon, daß ein immer größerer Kreis fid) um ©. bildete und daß dadurch, fowie durch bie ungeorbnete Liebe am Außerordents lichen bie Eitelkeit febr bedeutend genährt wurde; — aͤhn⸗ lich wie der göttliche Geift, wenn er eine Seele im außer, ordentlicher Weile erjült, die Schranfen des Individuums jo zu fagen durchbricht und durch daſſelbe auf ganze Kreife Einfluß gewinnt, fo findet fid) aud) eine Seele, von biefet irdifchen erftatifhen Gíutb erfüllt, unfähig auf die Länge biefelbe in ben Grenzen des eigenen Lebens zu halten; ein natürlicher Drang treibt fie, fid) zum Mittelpuntt größerer Berhältniffe zu machen. So entftand halb im Wachen unb halb im Traume in bem Gemüthe ber ©. bie Idee an eine große zeligiöfe Miffion, bie fie auf Erben zu erfüllen habe. Die Syntheſis jenes perjönlichen und dieſes allgemeinen Verlangens lag in dem Gedanken an eine ſolche Miffion unter den Wittigen Lacombes. Und da fie überdich in ihrem ganzen Leben an ben bi. Franz von Sales badjte, formirte fid) ohne Zweifel ſchon febr früh der ganze Gedanke zu dem Plan, in Genf eine Be februng ber Proteftanten zu verfuden: eine Gad, bie ohnehin damals ſehr eifrig betrieben wurde. G6 verftebt ih, bag ©. fofort ahnungsvolle Träume in biefer Beziehung hatte; aud) von ben verfchiedenften Seiten, von Laien und von Klofterleuten und an bem verídies . in Frankreich. 261 denften Drten, fogar im Beichtftuhle in Paris wurde ihr geíagt, daß Gott Großes mit ihr vorhabe; unb Lacombe, ber, fobald der Plan ihm in diefer concreten Geſtalt mit» getheikt wurde, durch ein Srauenflofter ben Willen Gottes erforfchen fief, befam fofort aus dem Munde diefer Nonnen bie becibirte Erfärung, daß G. fid) beeilen folle, ihr Vor⸗ Gaben in Ausführung zu bringen. So wurde der Gedanke an eine öffentlihe Miffion in ber Kirche nun bie Spige, in ber ihre Verirrungen culminitten. Es fand fi unerwartet ſchnell eine Gelegenbeit, ben. trätmerifchen Plan wenigftens bis auf einen gewifien Grad ins Leben _ umzufegen. Im Jahre 1680 war der Bifchof von Genf, Arantbon, in Paris anwefend 1), um für einen Seil feiner Diöeefe, ben Bezirk von Ger (mit der Hauptſtadt gleidyen Namens), einen 2anbítrid an dem weftlichen Ufer des Genferfeeó , der evft. nad) dem Ediet von Nantes unter franzoͤſiſche Botmäßigfeit gelangt und barum der Briviler gien dieſes Edicts nicht theilhaftig geworden war, einen föniglihen Befehl auszuwirfen, der geeignet war, bem geſetzwidrig öffentlich auftretenden proteftantifchen @ultus Einhalt zu tbun. Zugleich aber fuchte er aud) in Paris Mittel unb Perſonen, durch eine frieblidje Miſſton den genannten Bezirf ber Kirche zu gewinnen und fo trat er denn auch in Unterhandlung mit dem Haufe für neubes ferte proteftantifhe Mäpchen (maison des Nouvelles- Catholiques), um einige Schweftern für eine aͤhnliche Anftalt in der Stadt Ger zu erhalten. G. erfuhr von der Anweſenheit des Bifchofs und trug ihm ihren Plan vot. Diefer, bet bie Sache fehr ımbefangen betrad tete, 1) Vergl. Essai historique sur l'influence de la religion en Francs pendant le dix-septiéme siécle, T. 2. p. 24. | 18 * 262 Der Ouiettónus war darüber höchlih erfreut und in ber Meinung, in ber beften Weife den Wünfhhen der ©. entgegenzufommen, ichlug er ibr vor, bem zu gründenden Inftitut für bie Neubekehrten fi anzuſchließen. G. entſchloß fi nun zwar enblidj, dieß zu tun; aber fo febr hatte fie (d)on ihre eigenen Pläne und fo wefentlid) war andererfeits damals nod) Genf in ihre fire Idee aufgenommen, daß fie fid nur äußerlih mit dem Unternehmen verband und jeden Contract, ver fie gebunden hätte, gänzlicdy ablehnte. Das Gange follte ihr nur eine Brüde werben, ihre eigenen Gebanfen in Ausführung zu bringen und von Ger fonnte man in etlihen 4 ober 5 Stunden nad) Tonon gelangen. Dhne etwas zu Haufe zu fagen, ihre unerzogenen Kinder der Großmutter überlaffend und nur ihr jüngftes Kind mit fid nehmend, verließ fie ben 2. Juli 1681 Montargis. Den herben Schmerz, den ihr dieſer Schritt verurfachte, ertrug fte, wahrfcheinlich an bie hl. Francisca fid) erinnernb, — leider nicht in ihrem Fall — als unabänderfihes Bers . bängniß mit Refignation. Am 23. langte fte mit einigen Schhweftern in Ger an, nachdem fie zu Anneci im fefofter von der Heimfuchung über bem Grabe des hl. Srang einer. bi. 9Reffe, bie ber Bilchof celebrirte, angemobnt hatte. Dhne Zweifel wußte fie bier den arglofen Oberbitten zu beftimmen, Lacombe bie höchfte Oberaufficht ber Das neu zu errichtende Haus zu übertragen und fie fand nun taufenb Gelegenheiten, mit bem Pater zu communiciren. Beim erſten Wiederfehen fand fie ὦ in ganz außerorbentlicher und wunderbarer Weife mit ihm geeinigt i). Sie begleitete den Pater nad) Tonon zurüd, um ihr Kind in das dortige Urfulinerinnenflofter zu bringen; erkrankt nad) ihrer Heim⸗ —— 1) *. «. D. IL. £6. p. 12. in Frankreich. 263 febr it Ger, wird burd) bie Händeauflegung des herbei⸗ geholten Barnabiten wieder gefunb, muß mit ibm zur Erholung nad) Tonon gehen u. f. m. Im ftrengen Zufammenhang damit trat fie bem Haus in Ger, zur größten Unzufriedenheit des Bifhofs, immer fälter gegen, über unb bie Sache gedieh endlich fo weit, daß man ihr die Alternative ftellte, entweder definitiv fid) bem Inſtitut anzufchließen, oder das Haus zu verlaflen. Kür ben etften Fall, den ber Bifchof febr wünfchte, weil er Lacombe die größere Schuld an ben eingetretenen Widerwaͤrtig⸗ feiten zufchrieb und für bie -funge Stiftung eine Dame von fo vielen Mitteln erhalten wollte, bot man ©. fogar die Vorftandfhaft an. Allein mit Zuftimmung des Paters unb unfer vielleicht (don nicht mehr reiner Vorfhügung ihres Berufes für Genf, ergriff fle bie andere Parthie und begab fih, nad einem faum 5/, Jahre langen Aufr enthalt in Ger, nad Tonon zu.den Urfulinerinnen‘, bie ganz unter bem Einfluß gacombe8 flanden. In Frankreich hatte der Schritt der Mad. G. allge meine Senfation und faft ebenjo allgemeine Mipbilligung hervorgerufen. Noch im Nuguft 1681 mußte fie in Ger ein Actenftüd unterzeichnen, in welchem fie auf ihr ganzes Bermögen zu Gunften. ihrer Kinder verzidtete ἀπὸ fid) nur eine Sahresrente vorbebielt. Auch das geihah mit einer Refignation, bie einer befieren Sache werth gemwefen wäre. Ja fie begnügte fi nicht einmal damit, fondern ſchenkte gewöhnlich einen großen Theil des Jahresgehalts, felbft nod) von Tonon aus, an das Snftitut von Ger. — Befonderd war ihr Stiefbruder, PB. La Mothe '), Prä- N Eine von &. unerhört fchwarz gezeichnete Geſtalt; es unterliegt aber faft feinem Zweifel, daß man ihr barin [o wenig trauen darf, als 204 Der Quietlänus yofitus ber Barnabiten in Paris fehr unzufrieden mit ihrem Beginnen und ber Biſchof von Genf, felbít hoͤchlich mipftimmt über baé Benehmen ber O., trat bald mit ihm in Correſpon⸗ ben; — Was ihre innern Berhältniffe betrifft, ío war Zonon ganz dazu geeignet, biefelben in der verhängnißvollften Meife auszubrüten; aud) ift e8 gar nicht unwahrfcheinlich, daß ein Sturz vom Pferde !), der ihr auf einer ihrer Reifen zwifchen Tonon und Ger begegnete und in Folge defien fle adt Tage lang Blut (pie, von bem fte behauptet, daß εὖ aus bem Hirn gefommen fei, biefe mehr und mehr krankhafte Entwidelung ihres geiftigen Lebens gar febr befördert. Es war nod in Ger?), ald ©. einmal bei der Beichte, bie fle bem Pater Lacombe ablegte, in eine Ohnmacht fiel und während fte, wie fte bemerft, big dahin Gott nod) mehr in fid) geſucht und gefunden hatte, wurbe fie nun vollfommen aus fid) herausgerifien in den Dcean, wie fie meinte, der Gottheit, und auch Außerlich vünfte εὖ ihr, werde fie erhoben. Diefer Zuftand dauerte drei Tage an. Bon da an, fagt fie, nahm die weit und breit ftd erſtreckende Unermeßlichkeit, in der fte fi bewegte (vas- Hitude), immer zu unb ihr efftatifches Weſen verfeftigte fi mehr und mehr gu einem dauernden unbeweglichen Suftanb. Dieß fonnte natürlih nur geídeben, indem ba6 Dunkel ber Efftafe fid) allmählig mit bem ganzen Tagesleben vermengte und in Wahrheit fehen wir jeßt bie unglüdliche Wrau nachgerade in eine Träumerei vers wenn fie uns den Biſchof von Genf, der in bem angeführten franzöflfchen Werke fo fehr gelobt wird, als einen Muda und zweizingigen Mann ſchildert. 1) X. «a. Ὁ. IL Th. p. 55. 2) 9i. a. D. II, $5. p.. 43. in Frankreich. 265 ſinken, aus ber fie zwar immer mieber, aber nur felten mehr vollfommen erwachte. Sn nothwendigem Zuſammen⸗ Dang damit fland εὖ, wenn bie geiftigen Kräfte, bejonberé das Gebáditnig unb bie Urtheilsfraft nad) uud nad am gegriffen wurde, eine Sache, deren [eife Anfänge freilich tief über biefe Zeit der vollendeten Efftafe zurüdreichen und fid (don in ber unendlichen Zerfireutheit anfünbíigten, mit der fie in den fegten Jahren ihres ehelichen Lebens den Sbrigen .baé Leben verbitterte. Der Gebanfe an eine große Mitfton wurde in der Seele ber G. zu Tonon atte lid genährt und gepflegt. Lacombe vor Allem beitärkte G. fortwährend in bicfem Wahne und fo viel Boden hatte er für feine Träumereien, befonders feine Erwartungen von ber Zukunft feiner Lehrmeifterin in Tonon gefunden, dag wir fogar einen alten Ginftebler in dieſes ewige Pro- phezeihen über eine einftige große Wirkfamfeit unferer G. verflochten (eben ἢ. Die Urfulinerinnen vollends gelangten, wenn je Lacombe einige Zweifel ba und dort übrig ges [afjen hatte, durch bte perfönliche Anweſenheit der Gefeierten jumeift zu dem volliten Vertrauen in deren bohe und außerordentliche Segnabigung. Aber was vor Allem bemerkt werden mug, G. {εἰδῇ fam in Tonon mehr und mehr zu ber Ueberzeugung, daß ihre eigentliche Miffion nicht. fojaft die Belehrung der Häretiler aum wahren Glauben, (onbern ber Gläubigen zum innern Gebet fei. Der innere Drang, der fie aus bem Schooß ihrer Samilie getrieben, warf feine Maske ab und wenn fie fi aud) mit bem Gedanken trug, vielleiht durch ihre Leiden die Stadt Genf von Gott bod) nod) zu erobern, fo drang fie doch unmittbar jet auf taé neue Ziel [06 und OD. a. D. WM. 10. p. 20. 266 Der Quietismus , ganz entfprechend ihren innern Verhältniffen duͤnkte fie fid) berufen zu fein, nicht nur im Allgemeinen für das innere Ge⸗ bet Propaganda zu madjen, fondern ald eine wunderbare Gnabenmutter Millionen für biefe neue aftermuftifche Leben zu gebären. — ©. war etwa in ben Faften 1683 in Tonon eingetroffen. Lacombe ging um biefe Zeit fort, um in der Nähe bie Saftenprebigten zu halten, unb weil man (don ziemlich laut von feinem innern Gebete (pra, mit bem ev überdieß auf feinen vielen Miffionen nie ein Hehl getrieben hatte, begab er fid) fofort nad) Rom, um bei der Inquifition Seugnifje für feine Orthodoxie fid) zu et» bitten. Sei ed, daß ibm hier wirklich bie Augen auf- gingen, — was er felbft der ©. nadjtráglid) geradezu erflärte!) — oder daß er fid) verftellte, genug, er erhielt ein folches Atteftat und mit piefem Tebrte er nad) Sonon jurüd. Der Biſchof konnte fo nicht wohl offen gegen ihn vorgehen; bod) blieb es in Verbindung mit bem P. La Mothe fein beftändiges Bemühen, G., bie er nicht für fo verirrt hielt, al8 fie wirflih war, von ibm zu trennen. Dieß gelang aber nid. Denn obwohl Lacombe der ©. erklärte, daß er auf feine früheren Sachen alle Nichte halte, trat er bed) alsbald wieder in ben alten Zauber- freie, machte Wunderfuren an ihrem Kinde unb gebot, als fie. felbft dem Sterben nahe war, burd) Handauf—⸗ legung dem vordringenden Tode Einhalt. Ja fo innig wußten fie fid) beide vereinigt, daß fte fid) ſchweigend ein» ander mitzutheilen lernten. — Umfonft mahnte der 38. La Mothe, der Biſchof aber verlor endlich bie Geduld, und zwar um fo gewiſſer, als das Klofter immer mehr für G. PBarthei nahm. G. mußte nad) 2!/, jährigem Aufenthalt das Haus π΄ 1) ἢ. a. D. II. 49. p. 126. in Frankreich. 267 gezwungen räumen und nad) wenig Monaten verließen fie und Lacombe Tonon überhaupt, um auf einen neuen Schauplaß fib zu begeben. Wir woiffen nicht mehr, wie bie Faͤden ge» laufen find, fury Lacombe wurde als Theologe unb Beicht⸗ vater vom Bifchof von Verceil berufen unb G. nad) Turin von ber Marfgräfin Prunai, einer Schwefler des dortigen Minifters eingeladen. Mit diefem Momente nun aber eröffnete &., fecunbirt von acombe ihre eigentliche oͤffent⸗ fife Wirkſamkeit, bie bald über ſtets größere Kreife fid) erſtrecken follte. Bis jegt nur mehr oder minder bet Mittelpunft einer zerftreuten und verborgenen Richtung wagte fie c8 nun ziemlich offen, für ihre Anſtchten zu werben unb fie war hierin um fo glüdlicher, als um bieje Zeit aud) bie Schriften des Molinos nad Sranfreid) ein» drangen, und al8 bie Gegenden, denen fte fid) zunächft zu- wandte, burd) bie früheren Mifftonspredigten Lacombes und burd) bie große gleichzeitige Sevennenbewegung!) für “ihren Myſticismus jeher gut bióponirt waren. — Es würde die Grenzen diefer Arbeit überfhreiten, wenn wir, Mad. G. auf alle Bunkte ihrer Wirkfamfeit folgen wollten. In Turin fhon madte fie einige Bekehrungen; etwa im October 1685 fehen wir fie in Grenoble?), angeblich auf ber Reife nad) Paris, aber pilöglih vom. námliden Qacombe, bet ihr bieje Reife geboten und ber fte, ohne übrigens feine Stellung zu Berceil zu verfaffen, von Turin nad) Grenoble begleitete, zu bleiben befohlen. Während 1) ©. trat übrigens den „Infpiristen“ aus den Sevennen entgegen unb flimmte fo wenig mit ihnen, als die heutigen Efftatifchen in Mün: — . chen mit denen in Genf jufammen. Vergl. Johanna, Maria G. Geiſt⸗ licher Wegweifer durch Timotheus Philadelphus 1740. p. 79 f. 2) 91. a. $9. TL. Th p. 248. f. 268 Dr Quietismus des halben Jahres, welches ©. in biejer Stadt zubradıte, Satte fie einen beifpielofen Erfolg; Laien und ©eiftliche, Welt⸗ und Klofterleute, Hochgeftellte und arme Weiber gingen bei ihr in bie Schule. Und was ihrer Sache einen nod) viel weiteren Wirfungsfreis erdfinete, fie wandte fib jetzt energifch auch der fchriftftellerifchen Laufbahn zu, welde fie übrigens mit ihren „Strömen“ bereits früher, wahr⸗ ſcheinlich in Tonon, (dyon eröffnet hatte. Sie hatte gewöhnlich gu gleicher Zeit ben Trieb zu ſchreiben und Lacombe den Trieb, ihr das Schreiben zu befehlen. In der merkwürdigen Art au fchreiben, auf die wir zurüdfommen werben, verfaßte fie während des Winters in Grenoble das „Eurze und fehr leichte Mittel zu beten” (le Moyen court) — ein Inbegriff ihrer ganzen Sin(djauung, — das fte auf Aufs forberung ihrer Freunde fofort zum Drud beförberte. Man beforgte für das Büchlein bie notBmenbigen Approbationen und num fand e8 eine ungemeine Verbreitung. Die Ordens⸗ leute in Grenoble übernahmen allein 1500 Exemplare zum Austheilen. Selbft in Paris las man e$ vielfach mit Sntereffe — und fdon damals foll es Bofluet in tie Hand gefommen fein. — Außerdem fchrieb fle aud in ber näm- [iden Manier zu Grenoble einen Theil ihrer Erflärung der heiligen Schrift. Aber bie Hand des Biſchofs von Genf erreichte fie aud) in Grenoble; man rieth ihr bie Stadt zu verlaffen, unb fo begab fie fid) mit anbrechendem Frühling nad) Marfeille Gie war hieher an Männer ihrer PBarthei empfohlen, bie bereits ihr „kurzes Mittel“ . gelefen hatten. Selbft der alte Malaval 1) ftattete ihr feinen Beſuch ab. Aber aud) Marfeille fab fid) ©. wegen ber großen Oppofition, bie man gegen fte erhob, genótbigt zu ver» — ἢ Berl. über ihn: Ramſay Benelons Leben. Goblen) 1826 p. 208. in Frankreich. 269 lafjeR, unb ba fte fid) nicht entfihließen Tonnte, ben erruns genen Boden überhaupt preidzugeben, wandte fie fid) einftwetlen mad Verceil. Der Bifhof diefer Stadt patte fie aft eingeladen unb war vielleicht, wie ber Biſchof von Mofta der Richtung, bie aber fofden Männern gegen über (id) wohl etwas verſchleierte, ziemlich günflig gefinnt. Θ. traf in Berceil ein etwas vor Öftern, um bie Mitte April 1686, und verfaßte bier, febr wohlwollend aufge, nommen, .ihre Erflärung bet Apokalypſe nad) der ſchon angedeuteten Methode. — Im Yuli diefes Jahres treffen wir fie unb ihren geiftlichen Sohn und Führer zugleich auf der Reife nad) Paris!). Es ift nidt mehr möglich, (o lange feine neuen Quellen fid. Öffnen, genau zu ers mitteln, was Alles Beide dazu vermocht hat. Wahrſchein⸗ lich ift es, Daß ber 3p. La Mothe um jeden. Breis bie Schwerter von bem beſchriebenen Schauplaß reißen wollte; et ftanb in biefer Beziehung mit bem Biſchof von Berceit in Gor» reſpondenz und nielleiht fal biefer endlich ein, vote Recht der Bruder habe unb vermittelte die Sache. Zu gleicher Zeit foll.La Mothe in Rom Schritte getban haben, um auch gaconibe nad) Baris zu befonumen. Möglich, daß εὖ ihm bitterer Grnft war mit der Behauptung, bie man ihm nachſagte „feine Schwefter wäre fonft gar nicht nad) Paris zu bringen gemejen." Aber er fonnte auch einen ſelbſt⸗ fländigen Zwed haben, 9acombe in Baris zu haben, um ibn hierin einer fo ortboboren Luft im Wall fortgefegten Eigenfinns unfdjiblid) zu machen. — Zwar erfchwerte fid La Mothe auf biefe Weife die in Ausſicht genommene 1) Bon fier an wird ©. im ihrer Lebensbefchreibung fichtlich ganz unzuverläffig. Bergl. a. a. Ὁ. IT. Th. p. 339 sqq.- 210 Der Ouietiómué fBefebrung feiner Schwefler; aber er mochte unb durfte ja der fihern Hoffnung: leben, durch feinen perfönlichen Einfluß, wenn er ihn nur einmal geltend machen fónne, 2acombe zu überflügeln; und eine gewaltfame Trennung blieb immer móglid. — Wie bem aber jei, nachdem €. Grenoble beüngefud)t, wo fie vielleicht pod) nod) ges blieben wäre, wenn man fie gehalten hätte — fie wurbe wohl nid) ganz. zufällig faum angefemmen in — biefex Stadt Franf — reifte (le. fofort ungefäumt nad) Paris und 2acombe, vom General beorbert, folgte ihr nad). Bier erhob fid) nun zwar von Anfang an eine ähnliche Oppo: fition, wie in den fürfranzöfifchen Städten; aber ber Stern des „innern Gebete&" blieb nod) immer im Steigen. a» combe war in Paris ein aufetorbentli beliebter Beicht- vater und Prediger und ©. hatte bald bie einflußreichften Verbindungen angefnüpft. Sie nennt uns hier befonvers einen Doctor der Sorbonne und Superior mehrerer Klöfter Burnau und einen Abbe von Gaumont, einen ſchon fehr bejabrten Mann. Wir jeben fle auf bem Landgut einer Herzogin und viele Freunde um fie gefammelt u. f. f. — Und wie fland ed mit ben Plänen des 38, La Mothe? Er hatte fi, wenn er jene Hoffnung hegte, getäufcht. Das Einzige, was ibm nod) Ausficht bot, war das lin» gewitter, das fid) über bem Haupte Lacombes ſchon nad Jahresfrift zufammenzog. Wir fónnen nicht mehr beur⸗ theilen, wie viel Wahres an den Erzählungen der G. über das ungeorbnete Verfahren gegen Larombe ift; genug der Pater wurde, nachdem ec nod) in der leuten Zeit ben lebhafteften Verkehr und Gebanfenauétau[d) — gewöhnlich im Beichtſtuhl! — mit ©. gepflogen, am 3. October 1687 verhaftet und zu den Vätern der chriftlichen Lehre gebrad)t. in Franfreich. 271 Der Provinzial der Barnabiten fammelte authentifche Nachrichten über feine Thätigkeit in Savoyen unb zwei Tage, nachdem diefer in Paris eingetroffen, ward er auf bie Baftille geführt. Der Gefanbte von Sardinien fol — ohne Zweifel durch Vermittlung von Anhängern oder Ans hängerinnen des „innern Gebeteó^ in Turin — von feinem Hof den Auftrag erhalten haben, für Sacombe zu intets cebiren ; aber εὖ war ihm unmöglid), weil, wie ©. erzählt, gewifle Aftenftüde, bie zu Gunften Lacombes ſprachen, vers foren gingen). — La Mothe madjte nun neue und vers ftärkte Verſuche, die Schweiter auf andere Gefinnungen zu bringen; aber e8 gelang ihm nicht unb bie Cade war mit ©. nun foweit gediehen, daß der König aud) fie zu verhaften befahl unb nur eine Krankheit, an der ©. wies berum darniederlag, verzögerte die Ausführung dieſes Befehls auf einige Monate. Gegen das Ende Januars 1668 begab ftd Guion in Folge eines ihr zugeftellten königlichen Handſchreibens in das Klofter ber Heimfuchung in der Vorſtadt St. Antoine, nadbem [aft unter dem nämlichen Datum über eine Reihe Perfonen, bie man im Verdacht des Einverftändniffes mit G. Hatte, bie Landes- verweifung (ohne Zweifel blos eine Verweiſung aus Baris) ausgefprochen worden war. ©. hatte in biefem Klofter bis zum Beginn des Septemberd zu bleiben. Die VBerhöre etfitedten fih bis in bie heilige Woche unb drehten ftd vornebmlid) um ihr Verhäftniß zu Lacombe und ihre ge» brudten und ungebrudten Schriften. Es war zweifelhaft, wohin biefe Unterfuhung trog aller Vorſicht und Pros teftation ber: Gefangenen nod) führe, um fo mehr, da ©. bereits das Klofter für fid) zu. intereffiten und damit zu —— 1) 8. α. Ὁ. TII. Th. p. 51. | 212 Der Duietlamus verwirren wußte. Aber eine vieljeitige Verwendung zu ihren Gunſten bei Mad. Maintenon bewog dieſe endlich, beim König für fie zu bitten und biefer decretirte fofort ihre , Freilaffung. ©. trat Übrigens in ben Genuß ihrer Freiheit, erft nadjbem fie, zwar mit großem Widerfireben, die vom bifhöflihen Dfficial geforderten Erklärungen, befondere das fie allen Irrthümern entfagen und der Verbreitung ihrer Bücher Einhalt tbun wolle, unterzeichnet hatte. — G. hatte für ihre Berfon in biefer Haft großen Schaden gelitten. Denn es unterliegt faft feinem Zweifel, buf durch dieſen Schlag, in weldem eine längft nach ihr greifende Oppoſition (te endlich erreichte, bie früher ſchon vorhandene fchlimme Dispofttion ihrer geiftigen Kräfte zu einer zeitweiligen Trübung des Bewußtſeins Qd) fteigerte. Niemand wird fid) dieſes Gebanfen$ er» wehren fónnen, wenn er ihre Lebensbefchreibung, die zumeift in biefer Haft verfaßt wurde und befonvers bie abenteuerlihen Manoeuvres fieft, bie man während biejer Zeit gegen fle angewandt haben foll), — Der Erzbiſchof Harlay behauptete zu wiederholten Malen, bag fle ihm in Briefen aus bem Klofter der Heimfuchung unreine Dinge ein» geftanben habe, die zieifchen ihr und Lacombe vorgegangen feien. Es ig möglich, bag tiefe Briefe nur unterſchoben waren. Aber eó wäre aud) möglich, daß trot ihrer Ber theuerungen bie Briefe von ihr herrühren. Zwar glauben wir ín feiner Weife, bag in Wirklichkeit etwas Unreines zwiſchen ihnen vorgefommen ift, wenn e& aud ein ver 1) 9. a. Ὁ. IN. 40. p. 79 behauptet fie z. B., der Erzbiſchof babe durch feinen Official in Anweſenheit von verfchledenen Zeugen ihr ble Breiheit anbieten laffen, wenn fie in eine Verbindung ihrer Tochter mit einem gewiflen Gavalier eimwillige. in Frankreich. 273 feinert finnlihes Band war, das Beide umichlang, und biefe& Band fogar notbroenbig das Phantafieleben desgiften mußte !); aber für bie unbeffedte Ehre der ©. fprechen alle Seugniffe. Dagegen wurden dieſe Briefe möglidherweife in Augenblidten gefchrieben, in denen ber geftörte Verſtand Gaufefbifber der Phantaſie, bloße Ver⸗ fudungen, thatfählihe oder felbit nur eingebildete für Wirflichfeiten nahm. Beſonders aber fepte ὦ im Ge müthe der ©. um biefe Zeit der Wahn feft, al& ob Alles fi) gegen fle verfhworen habe, und wir werden nicht irren, wenn wir ihre Berichte über Bergiftungsverfuce 2), bie fpáter gegen fie gerichtet worden feien, auf diefe Quelle zurüdführen. Die Demuth endlich des Herzens und des Gehorſams erhielt bei biefer &elegenheit die verhängrußr volfte Wunde. ©. gewöhnte fid) daran, mit der Kirche zu rechten. — Ihre Sache aber, bie Sade des „innern Gebeteó", gewann durch die ganze PVerwidelung | eines erhöhten Auffhwung. Zuerft im Stift der Mad. Mirar mion, vom Anfang des Jahres 1689 bei ihrer Tochter, bie fid) mit bem Sohn des berühmten unglücklichen Fouguet vermählt hatte, von ber Mitte des Jahres 1691 in einer eigenen abgelegenen Wohnung in Paris fid) auffaltenb, war ©. ftetö der Gegenftand ber manigfadften Aufmerk⸗ famfeit und Bewunderung. Die erften Cirkel in -Berfailleg, in denen bie Herzoge von Beauvillieres, Chevreux unb ihre Gemablinmen fid einfanden, waren glüdiif), fie im ihrer Mitte zu haben”). Maintenon felbft überhäufte Gk 1) Man Krgl. ihren Traum a. a. Ὁ. II. Ch. p. 232, 2) 9. a. DD. I. Th. p. 168. 3) Wahrfcheinlih ſtand G. mit tiefen Perfonen ſchon vot m Berhaftung in SBevbinbung. 214. Der Ouietiémus mit S8oblmollen, und fonnte fie ihr ein größeres Ber trauen (denfen, al& indem fte dieſelbe einlub, in bem von ihr gegründeten Stifte St. Gor fo oft zu erfcheinen, als fie wolle und wohl aud) dafelbft Gonferengen zu halten? Beſonders war e& einer der erften ©eifter des Hofes, bec mit nicht gewöhnlicher Lebhaftigkeit und Wärme in das all: gemeine Lob und in bie allgemeine Bewunderung ein» flimmte, wir meinen Senelon. G. ſelbſt erzählt es uns"), wie fie ihn fennen gelernt. Unmittelbar nad) ibrer tei» faffung hörte fie von bem jungen Abbe, ber fo eben zum Erzieher des Herzogs von Burgund ernannt worden war. „Es daͤuchte mir, (fie fannte ihn damals nod) nicht näher) unfer Heiland vereinigte mich ganz innigft mit ihm und mehr als mit feinem Andern... Es (dien mir, als würde er mir zum geiftlihen Sohn gegeben... d) befam Gefegenbeit, ihn ben folgenden Sag zu ſprechen, da ἰῷ denn innerlich fpürte, daß ihn biefer eríte Zufpruch nod) nicht vergnügte... εὖ gab mir etwas ein jehnliches Verlangen, mein Herz in das feinige auszugießen, aber ἰῷ fand noch feine innerlihe Gegen begeugung (correspondance) in ibm, weldyes mir viel zu leiden machte. Die Nacht hindurch mußte ἰῷ feinethalben ungemein viel auófteben. Den Morgen darauf fprad) ich ihn, unb wie wir eine Weile ganz ftille beifammen ge ſeſſen, da Härte fid) das Gewoͤlk im Gemüth ein wenig auf; aber er war nod) nicht jo, wie ἰῷ Ihn gern gehabt. hätte. Ich litt nod) adjt ganze Tage, wornaͤchſt id) mid denn fo fort ohne einige Hinderniffe mit ihm vereinigt befand; und von berfefben Zeit an befinde ich. immerfort, daß die Vereinigung zunimmt auf eine laukere, unaus- ſprechliche Weiſe.“ Es wird Fein Menfh glauben, daß —— 1) 8. «. O. Ill. $5. p. 132. in Frankreich. 275 bie Freundſchaft zwiſchen Beide, wenigftens io weit fie von δεπείοπ ausging, gerade fo zu Stande gefommen fei. Aber wahr ift εὖ, daß Yenelon, der vor ihrer gegenfeitigen Belanntfchaft wegen der Reifen der ©. etwas ungünftig über fie geurtheilt 1), gar bald ein febr großes Intereſſe für fte gewann. Das zarte und feine Gemitb, welches dieſem großen Manne eigen war, konnte ja leicht burd eine Erfheinung gefefjet werden, wie bieje Dame war, die man ibm nun allgemein in feinen Streifen als die nur verfannte Prophetin einer innerlichen, ganz ortboboren Andacht (diiberte, und bie ihr träumerifches, ja theilmeife verwirrtes Seelenleben unter bem Schleier einer erhabenen Melancholie zu verbergen verfland. Die erften Stegungen der Theilnahme, bie fo vielleiht vom Gemüth ausgingen und bie ©. in ihrer aftermyftiidhen Weife deutete, erftarkten - zu einer fórmlidjen Freundſchaft, als ibm G. einen tiefern ΘΙ in ihre innern Berhältniffe und Anſchauungen gónnte. €8 gab bier allerdings Berährungspunfte genug, in denen ihre beiderfeitigen Anftchten fid) begegneten. Yenelon hatte fhon früher ohne Anftoß das „kurze Mittel“ und „Hohes lied“, das unterbeffen ebenfallá im Drud erfchienen war, gelefen 3); εὖ fiel ihm auch jegt nicht fchwer, in bie Behaup⸗ tungen ber ©. fid ju finden. Um Fenelon hierin zu - verfiehen, muß man fid) erinnern, daß er felbft, unter ber Leitung feines ſehr religiöfen Oheims und befonders 1) Vergl. über das Folgende das Memoire, das Fenelon im Auguft 1696 verfertigte, im der franzdf. Geſammtausgabe feiner Werke T. IV. und die Relation sur le quiétisme von Boſſuet Oeuvres T. XXIX; Réponse à la Relation von Fenelon Oeuvr. T. VI; Remarques auf blefe Antwort von fBoffuet O. T. XXX. und enblid) bie Antw. auf v. Bem. ». $enelon T. VII. 2) Vergl. bieräber befonbers das berührte Memoire. Theol. Ouartalfrift. 1856. II. Heft. 19 216 Der Qutetisnus während mehrerer Jahre, bie er in bem Seminar von Gt. Sulpice!) zubrachte, eine febr. innerliche Weife ber Froͤm⸗ migfeit fid) angeeignet hatte, und feine ganze geiftige Art mochte biefer Richtung nod) eine fpecielle Schärfe verleihen. So fam cà denn, daß ec in manchen Sägen, bie wir nod) jpeciell nennen werden, wirflih mit ben Myſtikern des „Innern Gebets“ in etwas zufammeniraf und andere Ber hauptungen derſelben erſchienen ihm im Licht feiner orthos boren Örundanfhauung und barum unverfänglich, hoͤchſtens als unfchuldige lebertreibungen. — Dabei unterliegt εὖ gar feinem Zweifel, daß &., obwohl fie behauptet, ihr ganzes inneres Denken und Deinen vor ihm ausgefchüttet zu Daben ?), mit ihren bebenflidften Sachen bod) nicht gegen ihn herausrüdte. Fenelon verſichert 3. 3B. nicht mit allen Erflärungen der heiligen Schriften und ebenfowenig mit ihren „Strömen“ befannt geworben zu fein 9). Das Merkwürdigfte aber ift, bag Fenclon nicht blos fo mit ©. in vielen Fragen einer Meinung war, ober bod) zu fein glaubte; er hielt bie unglüdlihe frau fefbft wirklich für eine Geftalt aus der heiligen Welt. des innerfichen Gebete im beiten Sinn diefes Wortes und ahnte nicht, in welden Schlingen feine „Freundin“ gefangen fei. Dazu war freilich von jener Harmonie in den Meinungen nur ein Schritt, und, was man wohl in'6 Auge faffen muß, ©. erzählte ihm ohne Zweifel nichts Ausführlicheres über ihr Leben -unb zeigte ihm blos ſolche 9fftenftüde, bie ihr ganges bisherige Betragen im beften Licht erfcheinen 1) Ueber die geiflige Richtung dieſes berühmten Seminars f. Vie de M. Olier. Paris 1853. T. 2. p. 251 sqq. 2) 9. a. Ὁ. III. $5. p. 161. 3) Bergl. das Memoire v. Augnft 1696. in Frankreich. 277 liegen). — ©. unb Fenelon fahen und fprachen fid) in Paris febr häufig, bejonberó im den Sahren, die ©. bei ihrer Tochter zubrachte, aber aud), wie εὖ fcheint, fpäter, — und überdiß fehr häufig in Verſailles. — Ein folder Mann vollends unter ikren Schülern, — fonnte fie ba nicht mit Recht glauben, enb(id) ihre Sache zu bauernbem Sieg gelangen zu fehen?! In Wahrheit hatte damals die fBavtbei des „innern Gebetes“ ihre hoͤchſte Ausbrei⸗ tung und ihre größte Bedeutung gefunden, und G. [dien nur nad) Paris übergeftebeft zu haben, theild um ihren Einfluß in bie höchſten Höhen der Gefellídjaft zu treiben, - theils um von biefem Mittelpunft Frankreichs aus einen nod) viel umfafjenberen Kreis mit ihrer Thätigfeit auszu⸗ füllen. — Wir haben einige Anhaltspunfte, um über bie Größe und DOrganifation der Parthei zu urtheilen. — Es find uns eine große Maſſe Briefe?) aufbewahrt, die ©. in den vetídiebenen Perioden ihres Lebens, aber haupts fachlich, wie es fcheint, von Paris aus an ihre Freunde und Anhänger gefchrieben Dat. Es ijt unendlich fchade, dag uns über bie PBerfonen, an bie fie .gefandt wurden und bie Zeit ihrer Abfafjung gar Nichts berichtet wird. Aber des Gefühle wird fid) Niemand erwehren, wenn er biefe 4 — 500 Briefe durchblaͤttert, daß bie aftermnftifche Richtung fer große Dimenfionen mul angenommen haben. Ein ähnlicher Schluß ift ung geftattet, wenn wir an ben großen mündlichen Verkehr benfen, in weldyem ©. mit. ben 1) So einen rief. vom Bifchof von Genf vom 29. Juni 1683, ber wenn man fein Datum betrachtet, doch gar nicht viel bewies. 2) Sie erfchienen in beutfcher Ueberfegung unter bem Titel „Chrift- che unb geiſtreiche Briefe. . . bec Mad. Guion in Leipzig, 1728." Wir citiven nach biefer Ausgabe. 19 * 278 Der Quietismus verfhiedenften Perſonen ftand. Gar häufig treffen wir bei ihr Befuche, bie Grüße aus biefem ober jenem Kiofter auszurichten haben und man wird bier nicht irre geben, wenn man an irgend welche Gemein(amfeit der Grundfäge bei biefen Befuchenden und ihrer Gommitenten denkt. Noch mehr: Licht auf die Stärke der ganzen PBarthei aber wirft die Verbreitung ihrer Schriften. Für's Erſte nämlidy waren nicht nur ftet& viele Federn bereit, ihre Sachen burd) Abfchriften zu vervielfältigen, um fofort die Manuferipte von Hand zu Hand gehen zu laſſen — ein Orbensmann in Grenoble fchrieb fid) bie Hand damit lahm —; fondern mehrere ihrer Arbeiten famen ja aud, wie wir fchon gehört, zum Oud und um nur von einem zu reden, (o hatte das „kurze Mittel”, das zum erfien Mal im Jahre 1686 erfhien, bis zum Jahre 1688, alfo in nit ganz drei Jahren (don 5 — 6 Auflagen erlebt, und daß biefe Auf⸗ lagen nicht ſchwach waren, beweift, was wir von ben Orbensleuten in Grenoble erzählt. Darum drang aud) ber bifhöfliche Official fo febr darauf, ehe er fte freiließ, fie folle ibm verfprechen, ber Verbreitung ihrer Bücher Gin» halt zu tun; — Beweis genug, wie febr fie gefucht waren. Nun ift freilich nicht Jeder, ber biefe& Büchlein faufte unb las, ein Anhänger der ©. geweien; aber umgefehrt ift εὖ aud) mabrídeinfid), "daß oft ein und baffelbe Exemplar von mehr ale bloß Einem ber Partheigänger des „innern Gebete&" gebraucht und gelefen wurde. G. erzählt uns aud, wie ber Herr ihr im Traum geoffenbart, daß fle bie Mutter von Millionen Kindern werden folle. Dergleichen SBecfonen pflegen oft mehr, um einen Ausdrud von Ra- dowitz zu gebrauchen, Metapheten, als Propheten zu fein; wir zweifeln nicht, daß fie im Augenblid, ba fie dieß in in Frankreich. 279 Paris niederfchrieb, ein gut Gtüd von biefen Millionen ſchon unter ihrer Sahne fab. So fagte fie aud) zu Bofjuet im Jahre 1693 auf beffen Bemerkung, bag Perfonen der bimmlifchen Efftafe εὖ wohl faum 4 — 5 auf ber ganzen Erde gebe, cà feien deren mehr als Bunberttaufenb in ber Welt; bie Welt ber Mad. ©. aber fiel fo ziemlich mit Sranfreich zufammen und wir glauben, daß fte hier in bem Augenblid, da fie Bofjuet, ber nod) ziemlich gut mit ihr ftanb, widerfprechen mußte, in ber Angabe eher zu nieder griff. Es kann uns aud) gar nicht ſchwer werden, am fole Ziffern zu glauben, wenn wir das Bild ihrer Thätigfeit in Süpfranfreih und Paris nur flüchtig an unferem Auge vorüberziehen fajfen. Ihre Anhänger gehörten, wie insbefondere in Grenoble, fo überhaupt in Sranfreidj, allen Ständen an. Das wird uns hauptfächlich aud) durch ihre Eorrefpondenz Flar. Sie íbreibt an Männer und Frauen, an Laien und Geiftlide, Militairs unb VBorfteherinnen von Klöftern; ganz befons ders aber waren es die Frauenkloöſter, über die fie die meifte Gewalt ausübte. Sie war in feinem Nonnens Elofter lange, wo fte nid)t nad) Furzer Friſt faft Alles für fd) unb ihre Sache gewonnen hätte; fo in Sonon, fo in Paris und fpäter in St. Eyr unb Meaur. Wenn mit und erinnern, wie leicht fromme Frauen an folde außer ordentlihe Dinge fid hängen und wie anftedend alsbald etwas berartiged dann bie ganze Bommunität ergreift, werden wir uns darüber aud) gar nicht wundern. — ©. bildete, wie fte fid) vorgefebt batte, wirflih ben Mittels punft faft der ganzen aftermyſtiſchen Richtung. Ueberall, wo das „innere Gebet” getrieben wurde, betrachtete man fie ald das Drafel; fie fpielte bie Meifterin vom Stuhl 280 Der Quietismus aud) in freien, wo fte nicht anwefend mar, durch ihre Bücher. Befonders aber war es ihre Gorrefponben, die wir bier nod) einmal erwähnen müffen, vooburd) fie ihre Herr⸗ fchaft über bie „Seelen, bie Gott ihr gegeben hatte”, aus» übte. Wir finden in biefen Briefen immer bie geiftliche Führerin, bie warnt und ermahnt, ftraft und tröflet, unb dieß Alles mit einer Ruhe und Sicherheit, bie faft in Bewunderung (egt, — wie wir denn ihre Briefe überhaupt für weitaus das Schönfte und Beſte halten, was ihrer Feder entfloffen if. Wir führen ein einziges Beiſpiel an, in welchem Ton fte zu reden verfland, wenn fie es für nothiwendig hielt. An eine hochgeftellte Dame, bie zögerte, auf ber von G. vorgefchiebenen Bahn vorwärts zu fchreiten, ſchrieb fle): Sd weiß Madame, was Sie find und was ἰῷ bin und mit was für Ehrerbietigfeit ich Ihnen, menſch⸗ licher Weife zu reden, begegnen follte; aber nad) Gottes Sinn zu reden, fo frage ih nad) Ihrem hohen Stand, nad) allen ihren Ehren und Herrlichkeit jo wenig, ale nad Einem Strohhalm.... Wenn Sie fid) nidt ſchlech⸗ terdings hiezu bequemen und zwar nicht nur aus bloßem 9tadigeben, fonbern mit einem fo willigen Bertrauen, bas jenige, was Ihnen weiß bünft, {εἰ ſchwarz, ſo werden Sie mir entriffen werden... Top und Leben find Ihnen vor gelegt... Der Weg des Todes (damit bezeichnete fie ihren eigenen geiftlihen Weg) liegt wüfte; man findet Niemand darauf wandeln... Erwählen Sie bemnad) 9tabame, was Ihnen beliebet! Die Zeiten des Verſchonens find vorbei; unb wenn Sie zwei Nächte nit haben fchlafen fönnen, . [ὁ babe id) wohl nod) mehrere Nächte fchlaflos zugebradı um Shretwillen.” — Breilih trugen ihr bod bin und I Briefe 1 S6tgL 51. in Frankreich. 281 wieder Einige ibte Zweifel an der ganzen Cadje vor); aber felbft jeglichem Zweifel entriffen 3), wußte fic ihre Kinder immer wieder zu beruhigen. — Die ganze alſo geichlofiene Parthei hütete fid) inbeffen wohl, ihre Umriſſe (darf ber» vortreten zu lafien. Als ©. auf bem Wege von Paris nad) Ger war, rieth ihr ein befreundeter Bater in Gorbeilf, baé innere Gebet ja geheim zu halten, ba εὖ viele Gegner habe. Die Aufmerffamfeit aber auf bie myflifche Bewer gung dauerte fortwährend an unb darum war móglid)fte Zurüdhaltung ἢ εἰ ὁ geboten. Wir finden aud, bag ©. in ihren Briefen auédbrüdíid) biefeó Zurüdziehen in das Dunkel des Geheimniſſes anbefichlt. - Weberhaupt fegte fld) ein gewifles SertensBewußtfein in der Seele ber G. und ihrer Anhänger mehr und mehr feft, und wir finden dieß ®. in ihrer Correfpondenz?) und fonft mit ziemlicher Klarheit ausfprechen. Aber vor Männern wie Fenelon hielt man natuͤrlich damit etwas zuruͤck. Nunmehr iſt es aber Zeit, nachdem wir einen Ueberblick über bie dufern Dimenſionen der Parthei ges wonnen, aud) deren inneres Wefen und Treiben in einem Gefammtbilde zu überfhauen. Auch in bdiefer Beziehung war G. maafgebenb und [ebnt fid) Alles faft an fte. Wir fennen ihre innere Entwidelung, wiſſen -wie fie zum innern Gebet gelangte und wie ihre innern Zus fände und damit aud) ihre Anfchauungen in Tonon eine beftimmte ftetige und unveränderliche Geftalt annahmen. Für diefes „innere Gebet” warb fte Brofelyten unb als der Feuerheerd der ganzen Bewegung nad) ihrer innern un. 1) Br. 1. 233. 286. 2) Br. I. 240. IT. 105. 8) Br. II. 105. 282 Der Quietismus Seite haben wir eben biefed „innere Gebet" zu betradjten. Wir haben bis jebt obne weitere Begründung, als die in den Thatjachen felbft liegt, das „innere Gebet ber ©. als die Erfcheinung ober vielmehr ben Ausdrud einer natürs lichen mehr oder minder reinen Efftafe behandelt. Man * fann uns in biefer Beziehung von zwei Seiten her ente gegentreten, nämlich entweder behaupten, daß ©. wirklich in die Suftdnbe einer nicht mehr natürlichen Efftafe er- hoben gewefen [εἰ ober aber, daß Alles bei ihr nur auf . Einbildung, abfihtliher und unabfihtliher Taͤuſchung beruhe. Indem wir gegen beiderlei Einwendungen zum Voraus auf dasjenige verweifen, was wir bald von bem innern Treiben der ganzen Parthei fagen werden und was das fíarfte Licht aud) auf das Vergangene. wirft; "machen wir noch ausprüdiich zu Gunſten unferer Auffaflung auf folgende SBunfte aufmerffam. Der Einwand, ©. [εἰ eine übernatürlich Efftatifche gewefen, fann wieder in zwei⸗ facher Geftalt auftreten; man kann nämlich erftens be; baupten, G ott fei es gewefen, der burd) feine Gnade fie verzüdt'habe. Aber diefe Anficht wird wohl im Grnft Niemand geltend machen, wenn er nur an das Eine benft, wie ©. zum innern Gebet fam. Sie verdanfte baffelbe ja, wie wir gefeben, bem. Verlangen, das alle Heiligen verurtbeilen, auferorbentlie Dinge im eigenen Leben zu erfahren. Anderes wollen wir gar nicht wieder holen, treffen doch faft alle Symptome der falfchen Myftif in ihrem Leben zu, wie fie uns Görres auf Grund der firdjfid)en Anſchauung auseinanderfegt und nur Eines wollen wir nod) erwähnen. ©. hat burd) ihre Thätigfeit die Kirche endgiltig nicht erbaut, fondern geärgert; ba. mit ift binlàngfid) bewiefen, daß wir in ihrem Leben In Frankreich. 283 bie wunderbare Hand Gottes, was GO. aud) immer jagen mag, nicht anerfennen dürfen. Wenn fte oft, ja gewöhnlich, fromm und begeifternd von ber Liebe Gottes fpricht und die herrlichften Ratbichläge ertheilt, fo find das Remi⸗ niscenfen aus ber Lectüre der Heiligen, ja wir geben weiter, es find Anfchauungen und Gefinnungen ihres religiöfen Taglebens , über welches bie 9tadbt, fo jehr fie in baffelbe vorbrang, bod) niemals ganz Herr geworden i. — Ebenſo wenig aber glauben wir, daß wir ihre Zuftände als dämoniſche aufzufaflen haben. Yür’s Erfte liegt zu einer fofden Annahme nirgends ein zwin⸗ gender Grund vor; und damit ift bie Frage eigentlich) ihon erledige. Und überdieß fpricht pofitiv ſchon gegen eine fofde Vermuthung bie faum berührte Thatfache, daß fie doch in allen, aud) ben größten Verirrungen das Panier einer zwar kranken und verkehrten, aber bod) treu unb ernftlich gemeinten Liebe zu Gott emporhielt. Damit ſchließen wir natürlid) nicht bie Möglichkeit, ja nicht εἰπε mal die Wahrfcheinlichkeit aus, bag der böfe Feind, bet . an allem bie Kirche Gottes Verwirrenden und die Seelen Verderbenden fo viel Sntereffe nimmt, in feiner gewöhn- lichen und ordentlichen Weife an der Entwidelung, befier gefagt der Berwidelung ihres Lebens febr. energiich mite gearbeitet babe. Was bie andere Entgegnung betrifft, εὖ [εἰ im eben der ©. aud) nicht einmal eine natürliche Efftafe anzunehmen, e$ beruhe vielmehr alles Außeror⸗ dentlihe auf Selbſttäuſchung und abfidtlidem Betrug, fo glauben wir, daß aud) fle in diefer Allges meinheit gefaßt durch einen einfachen Hinweis auf unfere Darftellung in Nichts zerfällt. Wir geben ben Einfluß bet beiden genannten Momente in einem großen Umfang 284 Der Quietis mus zu; aber das Weſen der Sache hat man damit fiher nicht getroffen. Alles, was fie von ihrem innern Gebet. erzählt, weift auf eine natürliche‘ Gfftaje hin. Man erinnere ftd, wie unb unter welchen Umftänden das innere Gebet zum erften Mal auftrat: — Es war ihr fteté unmöglich, während dieſes Gebetes zu denken‘), (te verlor oft alles Bewußt⸗ fein von ber Außenwelt?), fie fühlte fi wie trunfen 5), fie fühlte, daß eine fremde Maͤcht über fle Herr geworden [εἰ *), fte verlor ὦ vollfommen felbft, war außer fid u.f.w.; und in Ger ergriff fie bie Efftafe, wie wir berichtet, in einer ganz ungemóbnliden und unverkennbar hervor: tretenden Stärke. Ihre geiftigen und fórperliden Ver⸗ hältuiffe waren gu biefen Zuftänden vollfommen geeigen- ihaftet und betrachten wir ihr Ringen nad) dem innern Gebet vom übernatürlidden Gtanbpunfte, fo müflen wir das Eintreten derfelben faft als eine gewiſſe Nothwendig⸗ feit anfeben. — SBejonberó aber verbreitet ein SBunft, ben wir (fon im Vorbeigehen berührt, ein helles Licht über den Charakter ihres innern Lebens, b. i. bie Art unb MWeife, wie fte fhrieb. Hören wir fle darüber felbfl. Bon ihrem Aufenthalt in Paris 5) im Jahre 1681 rebent, erzählt fie von fi, indem fie Gott anrevet: Du halfeft mir fo viele Briefe fchreiben, woran ich feinen woeitern Theil hatte, al& dag id) nur bie Hand dabei bewegte... Das wurde mir aber nadjgebenbó mit weit wahrerer Kraft und Vollkommenheit mitgeteilt." Während fie in 1) 91. a. Ὁ. 1. Th. p. 1045 IL Th. p. 233. 2) 91. a. O. 1. Ch. p. 202. 3) 9t. a. Ὁ. L Th. p. 157. 4) 91. a. Ὁ. 1. $5. p. 155 ff 9) A. a. Ὁ. 11. Th. p. 2. in Frankreich, 285 Grenoble war, verfaßte fie, wie befannt, einige Werke. Sie erzählt davon I: Ehe und bevor ich ſchrieb, wußte ich nicht, was ich fdreiben würde, unb hatte ih dann gefchrieben, fo fiel mir Nichts mehr davon ein, was ich gefchrieben hatte. . . . Sd) mußte aufhören "unb fert» fahren, wie du es nur haben wollte. Was id) [Φτίεδ, war mir etwas Wrembed. . . . Gott gab mir einen uns erhört fchnellen Huß zu fchreiben” u. f. w. — Gott hatte natürlich an biejem Schreiben feinen Theil, wie G. glaubte; aber eine fremde Macht herrfchte unverkennbar während diefer Befhäftigung über fte, und wer würde nicht unwill« fübrlid) bei diefer ganzen Sache an das Schreiben unferer efftatifhen Münchner und Anderer fib gemahnt fühlen? Wie bieje, fo war natürlik aud) G., obwohl unter bet unmittelbaren Herrfchaft ber Naturfeite des Geiftes ftehend, bod) von ben Anfichten unb Reminiscenfen ihres bewußten Geiſteslebens geleitet, welches fid) in jener bunflen Negion teflectirte, — — Wir wiederholen aber πο einmal aus» brüdlid, daß nad) unferer Anfiht Tags und Nachtleben in ihrer Seele mehr und mehr in einander überfloß und wenn aud) beide nod) felbfiftändig auftraten, das Hell« dunkel der Träumerei ohne Zweifel die gewöhnliche Ber leudjtung ihres Innern war. Wie aber das innere Gebet der ©. eine Erſcheinungs⸗ form ber natürlichen Efftafe war, fo aud) dasjenige, das den Mittelpunkt der ganzen Parthei bildete. Es verftebt fid) zwar von felbft, daß wir für biefe größeren Verhält- nife nod) viel mehr das Eindringen der Einbildung unb des SBetrugó zugeben müffen; aud) gab es ohne Zweifel Viele, Männer wie Senelon, bie überhaupt mehr eine eretorifche —— 1) 8. a. Ὁ. II. €f. p. 286 ἢ 286 Der Quleriönus Fraction bildeten; aber bag aud) im Großen und Ganzen die Partheigänger der G. auf dem Boden der natürlichen Efftafe ftanben und ihr „inneres Gebet“ ganz in biefeó Gebiet zu verweifen ift, läßt fid) unfchwer zur Evidenz bringen. — Die natürliche Efftafe fteht wie befannt unter dem Scepter der geheimnißvollen Macht, bie wir Magne⸗ tismus nennen. Durch einen magnetifhen Rapport — man fann dieß faum anders benfem — erhielt ©. ihre erfte Gfftafe und ein folder fnüpfte fie auch mit jener geheimnigvollen Sympathie an Lacombe, welche mit ihren außerordentlihen Zuftänden fo wefentlih zufammenhing. Nun láft fid) aber leicht nachweilen, daß ſolche mags netifh » [pmpathetifche Bezüge unter den Berehrern des neuen Gebetes überhaupt Statt hatten. Was ift Elarer, als daß, wenn unb foweit fie das innere Gebet ihrer Meifterin aud) nur in annähernder Form fid aneigneten, das nur geſchah, indem fte eben durch bieje magnetifchen Dispofitionen unb befonders ben magnetij(den Gontact mit bereits Gfftatifden, — was für die Einen ©. feloft, für bie Anderen Jemand anders fein fonnte — in die Herrlichkeiten der natürlichen Efftafe eins gingen? — Haben wir inbeffen wirflih Grund, von einem magneti(den Band unter unfern Myftifern zu fprechen ? Was €acombe betrifft, wird Niemand bezweifeln, daß er in einem derartigen Bezug zu ©. ftand; wir dürfen bier wieberholend nur an feine außerorbentlihen Heilungen ber ®., an ihre gegenfeitige wunderbare Einigung, bie endlich eine Intenfivität erreichte, daß fie ſchweigend fid) einander mittheilten, und an Anderes erinnern. Aber ähnliche Dinge begegnen uns in ber Parthei fonft. G. rühmt fib, eine außerordentliche Macht über die Seelen unb eiber ihrer in Frankreich. 287 Kinder !) von Gott erhalten zu haben; fie {εἰδῇ macht wunderbare Seilungen, 3. B. in Grenoble; unb mas bie innere Bereinigung der Seele mit Andern betrifft, fo ift das eine Erfcheinung, bie im Leben der ©. unzähligemale vorfommt. — — Sa wir haben Anhaltspunkte, die uns einen unmittelbaren Schluß auf die eigentliche Art unb Weife geftatten, wie bie Seelen in ben Stand des innern Gebetes gelangten. ©. behauptet an hundert Stellen, daß fle eine Gnabenmutter, alfo nicht bloß be; rufen fei, das Streben nad) gewiflen Gnaben zu verbreiten, fondern biefelben geradezu zu vermitteln. Und wie that fie bieg ? Wir wollen gar Nichts von den Befehrungen *) fagen, in melden fie die leidenfhaftlichfien Gemüther mitten in ihrem Taumel auf einmal zu bannen verftanb; das geſchah wohl feltener. Aber häufig gefchah es, daß übers haupt bie mannigfachften Gnaben von ihr ausgingen, Gna⸗ ben, deren Alle fid) theilhaftig machten, welche in fti [er und ſchweigender Affiftenz bei ihr verharrten; fte erzählt, oft derart erfüllt gevoefen zu fein, daß ihr uͤbel wurde, und dag man fie nur burd) Auffchnüren erleichtern fonnte. An diefen Stellen ift nun zwar von der Gnade unterfchiedslos die Rede. Aber was ift natürlicher, als daß fie vor Allem beflifien war, eine der erften Gnaben in ihren Augen, die Gnade des „innern Gebeteó^, in den Augenbliden ber Efftafe — denn an Anderes haben wir nicht zu benfen — durch ſolchen magnetiſch⸗myſtiſchen 9tapport ben Ihrigen wmits zutbeilen ? Wir können demnach als bewiefen annehmen, daß das natürliche efftatifche Gebet wirflich ber Feuerheerd war, von bem bie ganze SBartbei Licht und Leben ſchoͤpfte. 1) 9. o. D. I. Th. p. 245. 2) 9. a. Ὁ. M. 49. p. 239. 288 Der Qutetiömus Aber wenn wir fo ben Mittelpunft ihres Lebens begriffen Haben, bleibt bod) Mandyes zur Erörterung übrig, um ben Einblid in das innere Wefen diefer Richtung voll- ftändig zu machen. Erſtens nämlich fonnte man in biefem innern Gebet. begreiflicherweife nicht leben und weben, ohne fid auch eine gemiffe abgerunbete Vorſtellung von dem⸗ felben qu bilden. In diefer Beziehung ift zu bemerken, bag ©. und ihre Anhänger natürlih Alles, was bie Heiligen vom innern Gebet gefagt, aud) vom ben ihrigen behaupteten, fo wenig εὖ richtig war. G. erfchöpfte fid bier nicht fo leicht; denn fie hatte außer bem hl. Franz und ber hi. Francisca von Chantal nad und nad) aud) bie heilige Thereſia, Johannes vom Kreuz, Tauler und Andere gelefen. Aber unfere Myſtiker wiechen bod) wieder wefentíid) von ben Repräfentanten bet gefunden und kirch⸗ [iden Myſtik ab. Obgleich fte nämlich nicht Teugneten, daß man ned) auf einem andern Weg ale bem ihrigen auch felig werden fónne, fo ftand το ber ganzen Geneſis ihrer Zuftände unb dem Charakter ihres fectenmäßigen Zufammenhaltens gemäß ber Glaube bei ihnen feft, baf der Weg des innern Gebetes nit nur überhaupt bet höhere, fondern derjenige. fei, nad) dem ordentlicher Weiſe Sebet, als dem Ziele der Alle ob: (igirenben driftfiden Frömmigkeit zu fireben habe. Das ging fÄhnurgerade gegen bie firdjfide An⸗ fhauung, welche immer daran feithielt, daß bie burd) Gott gewirkten myſtiſchen Grídeinungen gar nicht in bie Sphäre gehören, in welcher die menfchliche Freiheit ges tragen von der heiligmachenden Gnade fi) zu beihätigen unb zu fireben Dat; daß fie vielmehr, bem Gebiet ver gratia gratis data eigen, weder von und angeftrebt werben in. Sranfretdj. | 289 fónnen, nod) follen. — Mit diefem erſten Hauptgedan- fen der aftermyftifhen Thorie hängt mande ihrer andern Behauptungeri zufammen. Wenn das innere Gebet bie hoͤchſte Stufe der fittlihen Vollkommenheit war, fo verftand e8 fid) aud) von felbft, daß baffe[be wirflich einen Stand (état) bilden fonnte und mußte. Die Kirche im Ges gentheil war flet& der Anficht, daß bie außerordentliden Gnadenwirfungen Gottes nur vorübergehend feien. Ferner fonnte, wenn jener Sab richtig war, es feinem Zweifel mehr unterliegen, bag bie Wormen ber untergeorbneten Srómmigfeit für Leute des innern Gebeté eigentlich feine vere pflichtende Kraft mehr in fid) trugen. Im Allgemeinen alfo hatte das in einzelnen Acten fid) bewegende Wollen und das discurfive Denken ein für allemal zu ruhen und zu fhweigen — daher aud) ber Name, Duietismus; befonders aber dispenſirten fid) die Aftermyftifer faft von allem mündlichen Gebet, und ed war nur nod einen Schritt zu der Behauptung, bie Molinog wagte, daß οὐ überhaupt gleichgültig fei, was das untere Geifteóleben, das in dem innern Gebet. nicht aufging, immer beginne; unb fügen wir hinzu, ©. ftreifte an folhe Behauptungen auébrüdíid απ). Wie aber der Gebanfe, zu dem diefe Säte bie Gonfequengen bilden, felbft nur der theoretifhe Ausdruck eines practifch bereits SBollyogenen ift, fo haben felbft biefe Folgerungen ihre Anfnüpfungspunfte an ben thatfächlichen innern Berhältniffen der Aftermyftif; denn. die natürliche Efftafe fonnte man bei guten Dispofttionen leicht fo ziemlich dauernd machen, und in biefen Suftáns den war es faft eine Unmöglichkeit, Pflichten zu εἰς 1) Briefe II. 34. 290 Der Quietismus füllen, bie den vollen Gebrauch aller geiftigen Kräfte, wenn fie realifirt werden follen,. wefentfid) vorausfeßen. — Allein mit biefer Bemerkung haben wir bie quietiftifche Theorie noch nicht εὐνῇ, fie batte nod) einen zweiten Hauptgedanfen, der in ziemlich ftveng logiſcher Depen- benj vom erften fieht und batum zunäcdft und weſentlich als der andere Brennpunft betrad)tet werden muß, den der etfte, fobald er Gegenſtand nad)benfenber Betrachtung zu werden anfing, mit einer gewiflen Nothwendigkeit hervor- rief und verlangte, — wir meinen bie Lehre von ber reinen und unintereffirten Liebe. SSefanntlid) bemißt fid) alle Bollfommenheit nad) ber Liebe; wenn man nun einmal behauptet, das innere Gebet begreife bie höchfte chriftliche Vollkommenheit in fid, fo ift man aud) mit unerbittlicher Gewalt zu dem Gate fortgedrängt, daß das innere Gebet Frucht und That der bódjften und ger - (äutertften Liebe fei. Bis zu diefem Punkt herrfcht firenge Gonfequeng. — Aber wie beftimmt, nun der Quietismus diefe hoͤchſte und reine Liebe? fie ift ibm weſentlich bie unintereffirte, um es bier nod ganz allgemein zu fagen, diejenige Liebe, bei ber bie Seele jede fpecielle Rüdfiht auf fid) ſelbſt aufgiebt, um in Gott abfolute unterzugehben. Aber auch zu diefer Definition der reinen Liebe hatte der Quietismus von feinem erften Gedanken aus einige Veranlaffung. Es galt ja einen in thesi δὲν haupteten ganz außerordentlihen Zuftand zu erfären; wie fönnen wir uns wundern, wenn man barum aud das Ideal der Liebe, in weldem man bie Quelle jener Er fheinung aufzeigen wollte, über alle Grenger und alles Maaß hinaus zu fleigern beftrebt war? Und war man einmal auf diefem Wege, fo lag es unendlich nahe, gerade in Frankreich. 291 in ber angebeuteten Richtung an der reinen Liebe zu drehen unb zu deuten; denn hier liegt der Punkt, auf bem die Ehmärmerei am Meiften fid) geltend machen kann. Und was man nicht vergeffen darf, aud) bie erleuchteten Myſtiker haben zuweilen — wenn aud) nur dem Echeine nad) — an diefen Punkt angeftreift, und wenn man ihre Stellen aus dem Zufammenhang reißt, fann man wirklich glauben, auch fie hätten an eine ideale Liebe geglaubt, bei ber bie Seele aufhört, fid) felbft, wenn auch ein untergeordnetes, fo bod) ein wahres Object ihrer Wünfche unb Beftrebungen zu fein. G. war, wie wir wiflen, in biefen Myſtikern zu Haus; εὖ verfteht fid) von felbft, daß fte, von ihren erften Säpen ſchon gezwungen, ein ſolches erflärendes Princip zu ſuchen, mit beiden Händen nad) derartigen außerorbentlichen S euferungen griff und damit ift aud) das empirifche Mo- ment bezeichnet, welches bei bec Ausbildung ber Lehre von ber unintereffirten Liebe feitenó des Quietismus mitgewirkt hat. | Aber aud) hier müflen wir hervorheben, daß das - theoretifche Yundament, das man damit der ganzen Rich⸗ tung gab, in fecunbárer Linie wefentlihe Anfnüpfungs- punkte an ben innern 3uflánben der Quietiſten felbft hatte. Schon nad) ihrer formalen Seite mußte ἐδ diefen in natürlicher Gfftaje überfpannten Gemüthern ein practifches Bepürfniß fein, Die Vorftellung von jener Liebe zu Gott, von welcher fie ausgingen unb um beretwillen fie nad) einer myftifchen Vereinigung mit ber Gottheit tradhteten, fo weit ale mögli zu fpannen unb zu überfpannen; und ihr eigentliher Zuftand nad) feiner materialen Beſchaffenheit, — fonnte man ihn denn nicht als bie thatfächliche Erſchei⸗ nung der unintereffirten Liebe auffafien? Da war ja — Theol. Duartalfesrift. 1856. IL Heft. 20 502 der Quietlomus fo fhien es wenigſtens — das Ich aufgelöft in die Gott» heit, um fid) auf ewig in ihr zu verlieren! — ©. fef6ft war faum in ihr inneres Gebet. eingetreten, als fie aud) - von dem Boden ihrer inneren Zuftände aus ahnungsvoll nad) diefer Liebe griff. Einige Wochen nämlid (don nad der erfien Conferenz mit dem Franciscaner hatte fie bes teit8 bie Beichte verfchieben gelernt, weil fie einfah, daß e$ eigentlih ein großer Eigennuß fei, fo fchnell feine Günbeníaft vom Hals haben zu wollen; — eine Ent- bedung, bie der Pater fofort in einer Predigt hoͤchlich pries. — Immerhin aber war biefe Lehre von der uns eigennügigen Liebe, wenn wir nicht irren, eine mehr theo- retifh vom erften Gag indicitte und von außen anges nommene [dügenbe Form, in melde ber Quietismus fld) hüllte, eine Maske fo zu fagen, in welcher man fid vor fid) felbft und vor der Welt verbergen fonnte. — Faflen wir jebod) nunmehr biefen Sag von ber reinen Liebe des Quietis⸗ muó wiederum cootbinirt mit bem erften Hauptfaß von bem innern Gebet, fo lagern fid) um biefen zweiten Brenn» punft des theoretifchen Syftems, wie um ben erften, eine Reihe von Gonfequengen. Wenn die reine Liebe feine andere als bie unintereflirte ift, fo begreifen wir nun die . von ©. taufendmal und auf allen Seiten ihrer Briefe wiederholte Lehre, baf wir — foweit wir wenigftens des innern Gebetes theilhaftig werden wollen — nichts Eilis geres und Gründlicheres zu thun haben, ale uns abzus fterben, aber nit blos in bem Maaße, wie dies bie wahre von der ftirdje gepflegte Frömmigkeit verlangt; ©. fündet den Tod nicht blos dem natürlichen fündhaften Menſchen an, ber untergeht, damit ein neuer Menfch in Jeſu Ehrifto auferftebe und in ihm fid) freue; bie ἔδει in Frankreich. 293 nidjtung zielt auf den metaphuftfchen Mittelpunkt unferes Geiftes zu dem Zwed, bag Gott Alles und wir überhaupt Nichts mehr fein. — Weiterhin aber wurzelt in ber Lehre von ber unintereflirten Liebe die furdhtbare Lehre von ben Opfern, bie man der Gottheit auf dem höchften Punft ber Snnerfidjfeit und der Liebe bringen müfle. ©. behauptet nämlih, daß man aud) der Anhänglichkeit an bie Tugenden, 3. Ὁ. alfo die heiligen Reinigfeit zu entfagen babe, wenn man auf ben Ruhm einer vollen Uneigen» nügigfeit vollen Anſpruch made; gefällt es aljo Gott, - ohne unfer freitiffige8 Sutbun, eine ſolche Tugend an und befledt und beſchmutzt werden zu faffen, fo haben wir Gott das Opfer diefer Tugend mit Freuden zu bringen, weil wir dadurch mod) nichtiger geworben find; einen Schritt von biefer Behauptung (don gähnt der nämliche Abgrund wieder, bem wir oben ſchon begegnet, nämlich bie Behauptung, daß man ber Verſuchung keinen zu großen Widerſtand leiſten ſolle. Aber G. ging noch weiter. Un⸗ intereſſirt war die Liebe nur, wenn man aufhoͤrt, über⸗ haupt etwas noch fuͤr ſich zu erbitten, und beſonders wenn man auch endlich noch die tiefſte uns ſelbſt beruͤhrende Sehn⸗ ſucht aus der Seele riß, mit Gott einſt in ewiger Selig⸗ keit vereinigt zu ſein. Es galt in dieſen aftermyſtiſchen Kreiſen als eine große Unvollkommenheit, ſeinen Blick auſ einen Punkt, der in der chriſtlichen Religion ſtets als ſecundaͤres Motiv des ſittlichen Stebens gegolten Hatte, auf bie eigene Vollendung unb Seligfeit irgendwie zu richten; und während Mofes und der Apoftel Paulus, wo fie jagen, aus Liebe zu ihren Brüdern fogar bie Hölle fefbft über fd nehmen zu wollen, dieß nur unter einer Vorausfegung thun, von der fie feinen Augenblid ernſtlich 20% \ 294 ) Hr Quietismus abftrahiren, ber Vorausfehung nämlich, bag fie Gott das bei nicht verlören, erſchwang man (i$ in quietiftifchen Kreifen dazu, Bott ohne weitere Bedingung das Opfer bet Geligfeit anzutragen. Darin culminirte wirflid bie ganze Berirrung und was das Nerpfte ift, mit biefen Eonfequenzen aus dem Gag der unintereffirten Liebe madte man blutigen Ernft, um fo mehr, ald man mit derartigen im Grund wohlfeilen Dingen den feften Glaus ben (id) erwarb, von ber hoͤchſten und lauterften Gottes» liebe wahrhaftig durchdrungen zu fein. — — Und weldes war nun bie förmlidhe und ausdrürliche Stellung der quietiftifhen Parthei zur Kirche? Niemand mehr wird angefihtd der entwidelten Thatſachen daran zweifeln, daß bier eine eigentliche Gecte um völlig wider hriftlihe Gedanken ὦ gebildet hatte. Allein man darf nicht vergefien, daß wohl Keiner von biefen Träumern unb Cdmürmern einen vollen Ueberblid über bie Trags weite feiner Grunbídge befaß, und dabei hatten wohl bie Meiften nod) fo vielen guten Willen mit in ihre Schwins deleien Binübergenonmen, baf biefer bie negative Bewe⸗ gung immer nod) etwas im Zaum hielt. So fam εὖ denn, daß bie Quletiften zu feiner eigentlihen und aus» druͤcklichen Oppofition zur Kirche traten. Bon G. miffen wir, daß fie bie Seide unb Gommunion nie unterließ und befonders an der legtern mit großer Zärtlichfeit Bing. Gbenjo wohnte fte der bL. Meſſe ftets bei; empfahl Andern aud den Empfang der heiligen Saframente !) und bei wichtigen Dingen hi. Meſſen Iefen?) zu laſſen. Ebenſo 1) Br. I. 67. 156. 2) Br. I. 212. In. Frankreich. | 295 ftellte fie fid dem SKlofterweien !) nicht entgegen, fondern fprad) mit Grnft davon. Dagegen war εὖ in manden Dingen bod) aud) andere. G. hatte 4. 3B. zu den Heiligen unb ber hi. Gottesmutter bod) fein rechtes Herz und felbft in den faum genannten Punkten war feineswegs Alles in Ordnung. So erzählt fie, das gar fo häufige Beichten im Klofter der Heimfuhung zu Paris (εἰ ihr zumider gewefen; und einmal betet fle geradezu: Ah Herr! ἰῷ mag nicht mehr beichten, womit fie freilich den fublimen Wunſch auéíprad), e8 möge von folhen Dingen zwifchen ihnen beiden gar nicht mehr bie Rede fein. Und weiter bes ging ©. ben verdaͤchtigen Mißgriff, ihren Kindern oͤfter einzus prägen, nur zu beichten und zu communiciren, wenn man einen Trieb dazu fpüre ?); weil man fonft zu leicht in eine zu geregelte und Außerlihe Srómmigfeit falle. Den Klöftern weiterhin war fie jedenfalls nicht in hohem Grade hold, was mande ihrer Aeußerungen beweifen. Hauptfächlich aber. mußte fie natürlich ber Kirche, bie von ihrer Innerlichkeit Nichts wußte, an vielen Punkten ben. Mangel an ädter Spiritualität vormerfet unb eine ges wiffe Geringſchaͤtzung Firchliher Gebete und Uebungen fonnte begreiflid) gar nicht ausbleiben. Sntereffant ift es, was ©. über die Kirche unmittelbar fagt 3): „Ich Tiebe die Kirche; Alles was fie beleidigt, das beleidigt aud) mid; - ἰῷ fürchte mid) vor Allem, was ihr entgegen ift." Aber an einem andern Ort brüdt fie dieß ſchon verfänglicher aus: „Was bie Kirche anlangt, ruft fie aus 3), was (für 1) Br. II. 12. 2) Br. I. 196. 3) A. a. Ὁ. III. 3$. p. 318. 4) 9. a. Ὁ. T. Th. p. 37. 200 Oe Quietismus $odadtung unb Liebe) haft bu mir nicht für biefelbige gegeben in ben Schriften, bie bu mid) haft machen laffen? Haft du mir nidt aud ihren Geift und Sinn auf eine ganz befondere Weiſe mitgetheilt, einen heiligen, unzers trennlihen ®eift, einen bewegenden und treibenden. Geift, einen Geift der Wahrheit... .9" — Mer eben bie €driften, auf bie fte fib beruft, bemeifen theilmeife, wie fhief ihre Stellung zur Kirche mar; denn nad) Fatholifcher Anfhauung muß über ihre Auslegungen der HI. Schrift unbedingt der Stab gebrochen werben ; wie ungelehrig fie fi während der Haft im Klofter der Heimfuhung bes wiefen, haben wir (don erwähnt. — Was bie übrigen Mitglieder der Parthei betrifft, fo unterliegt e8 feinem Zweifel, daß fie in einer ähnlichen, Beziehung zur Kirche ftanden, wie ihre Meifterin. — — — Das war der Quietismus, der in bem lebten Jahr⸗ zehnt des fiebzehnten Jahrhunderts einen fo großen Aufs ſchwung nahm unb in feiner erſten Repräfentantin zu Paris der Gegenftand immer glänzenderer Huldigungen wurde, Wer fann beurtbeilen, wie weit die Gadje nod) gediehen wäre, wenn (te ungeftört hätte fid weiter ent wideln dürfen? Aber als fie auf dem Höhepunkt des Glanzes und der Geltung war, hatte fif) aud) das Ges witter, das durch bie Befreiung der G. nur momentan zerftreut worden war, in einer Stärke fid) um bie ganze Bewegung gefammelt, daß ein voller Ausbruch desfelben nicht mehr zu vermeiden war, und banfen wir Gott, baf er ſtark genug ausfiel, biefelbe zu zerſchmettern. Das eigentlihe Signal zum Kampfe gegen den Quietismus wurde eigentlich nicht von irgend einer gegneriſchen Parthei gegeben. Was ber edle Bifchof von Ehartres that, indem In Frankreich. 291 er Maintenon bewog, ©. nit mehr nad St. Gyr zu faffen, fonnte verfchmerzt werden; Boſſuet, an ben bie Parthei fih anzulehnen gefucht, wurde fehr nadbenflid) über die Sachen, bie ihm auf biefe Weife enthüllt wurden ; aber er warf ben Neuerern nod) nicht ben Fehdehandſchuh bin; bie Sanfeniften, einft charakterlos genug, der G. ein Buͤndniß anzutragen 1), begnügten fid) nod) mit Spott unb Ähnlich entíddbigte fi bie Hofparthei, bie von ben Quietiften war überflügelt worden. Das Gefábrlide für den Quietismus lag darin, daß er fo bod) geftiegen war; Männer wie Benelon, Ehevreur, Beaupvillierd waren zu hochgeftellt, ala bag fie auf längere Zeit hätten ben Schein ertragen fónnen, einer irgendwie compromittirten Richtung anzugebören. Bon ihnen ohne Zweifel inftigiert verlangte 6. Anfangs Juni 1693, ba Spott unb ernftlihe SBofemif fid) mebrte, eine Unterfuhung. Damit leitet fid) bie zweite Epoche des Quietismus ein, von ber wir hier nicht des MWeitern mehr handeln fónnen. Wir bemerfen nur furz, daß ber gewaltige Kampf, ber nun begann, hauptfädlich um bie beiden Angelpunfte der quietiftifchen Anfchauung und ihre onfequenzen fid) drehte, unb der Friede, ber fheinbar durch bie von Fenelon und ©. unterfchriebenen — Artifel von Sffo zu Stande fam, war eben darum eine Sáu» ſchung, weil in ben zwei wefentlichften Fragen über ben Begriff des innern Gebetes und bie reine Liebe feine rechte Vers ftändigung zwiſchen Boffuet und Fenelon zu Stande fam, weld) Iesterer in beiden Punkten, wenn aud) aus theils weis anderen Gründen als fie, mit ben Quietiften ziemlich übereinftimmte. — (S8. ift aber ein wahres ΘΙ ὦ, baf εὖ wieder zum ernftlihen ftampfe fam; denn in in ihm follte — 1) 9. a. Ὁ. I. €f. p. 299. | 298 Der Autetiemus In Frankreich. es ſich deutlich zeigen und durch eine Firchliche Entfcheis dung gewiß werben, da3 bie quietiftifche Anſchauung hier und dort gegen bic Lehre der Kirche verftoße; und indem fo die Theorie geftürgt wurde, Fonnte fid) aud) das thatfächliche aftermyftifhe Treiben in Fatholifchen Streifen nicht mehr halten und man überließ e8 im Großen und Ganzen nad dem päpftlichen Breve gegen Benelon bem proteftantifchen Deutfchland, bie Schriften der „theuren” G. zu verbreiten und fie theilweife ald Duelle der göttlihen Dffenbarung zu betrachten !). G., deren Gian, mit der beginnenden Ünterfudung für immer unterging, ſtarb den 16. Suni 1717 in Blois, wohin fie nad) Austrag der quietiftifhen Sache verbannt worden war. Wenn man ben Erguß?) fieft, mit welchem fie, ba8 hohepriefterlihe Gebet des Herrn nadjabmenb, vom Schauplatz abtritt, wird man mit uns bie Ueberzeus gung theilen, daß ber Irrfinn der unglüdlichen Frau end⸗ fid) faft zum vollen Ausbruch fam. Eben dahin deutet au der Gíaube, ben fle häufig damals ausfpradh, daß mit ber Verfolgung des innern Gebeted bie letzte Zeit angebrodjen unb ber Antihrift im Anzug fei. — So (dimer büßte ©. das kindiſche Verlangen ihrer Jugend; hoffen wir, daß die Etrafe, bie fte traf, ihre zum Heil gewefen fei! 9) 1) Bergl. die Zufammenftellung ihrer Grunbfáge, die im Jahre 1740 unter dem Titel: I. M. G., geifllicher Wegweifer ıc. von Timos theus Philadelphus, wahrfcheinlih in Württemberg, erfchien unb andere fon citirte deutſche Ueberſetzungen von einzelnen ihrer Werke in Frankreich. . 2) A. a. Ὁ, III. Th. p. 320. 3) Man vergleiche. zum Ganzen ble gelehrten, unfere Auffaffung im Wefentlichen beftátigenben Artikel „Guion“ und Quietismus“ im geli burger Kirchenlericon. 11. Wecenfionen. 1. Nachträge zur Gelchichte des Moms von Negensburg unb der Dazu gehörigen Gebäude, von Iofeph Rudolph Schuegraf, f. Oberlieutenant à la suite und Mitglied der biftorifchen Vereine in Regensburg und Landshut. Heraufgegeben von dem Hiftorifchen Vereine von Ὅθεν» pfalz und Negensburg Mit drei Tithographirten Tafeln. Regensburg, 1855. 294 ©. Oktav. Pr. 2 ἢ. Für Freunde der hriftlichen Baufunft ift nicht leicht eine Stadt interefjanter af8 Regensburg. Abgefehen von den vielen profanen Bauten des Alterthums, die εὖ nod) bewahrt, bietet ung das einft fo glänzende Regino in einer Menge von Kirchen Stoff und Gelegenheit zu ans zjiehbenden und umfaffenden Studien dar. Boran fteht ber Zeit nad) ber alte, Meine, hoͤchſt ſchmuckloſe Dom zu St. Stephan, etwa um'& Jahr 740 entftanben, ein Zeuge der „allerfrüheften chriftlichen Kirchenbaufunft in Deutfchland. Ueber ihn fpraden ftd neueftens Kallenbach unb Schmitt aus in ihrem Werke: bie hriftlihe Kirchenbau⸗ funft des Abendlandes, ©. 32, mo fi Taf. V, 1 aud) ber Grundriß biefeó alten Doms finde. Noch näher handelte von ihm Herr Schuegraf in feiner Cunten zu 300 € fjuegraf, nennenben) ältern Schrift über Regensburg Bd. I. ©. 24. 26. 32. 39. Bd. I. ©. 74 unb gab nit nur 99b. II. Tafel V. eine Zeichnung diefes alten Doms, fonbern theilte, was für Viele nod) widtiger ift, 98b. 1. €. 47 ff. unb Tafel L Zeichnung und Befchreibung des darin vorfindlis hen fteinernen Altares mit, der aus dem fünften ober fechften Sahrhunderte ftammen fol. An den alten Dom, [ἐδ oft Stephansfapelle genannt, reihen fid) der Zeit nad) bie Kapelle des hl. Erhard. und das fogenannte Baptifterium (richtiger Allerheiligenfapelle) im Domfreusgange, ein ffuppelbau aus dem 12ten Jahrs hunderte (Hallenbad, a. a. Ὁ. €. 45). — Als etwas jünger, ben guten Zeiten des romanischen Styls angehoͤrig bieten fid) uns bar: a) das Bódft wichtige Echotten- flofter €t. Safob mit dem prádtigen, normännifchen Einfluß verrathenden, Portale, das neueftens wieder völs lig bergeftellt wurde, aus dem Ende des zwölften und Anfang des bdreizehnten Jahrhunderts (vergl. Kugler, Kunſtgeſchichte, 2te Aufl. ©. 477 u. 515), unb b) bie Kirchen Obermünfter, Niedermünfter, alte Kar pelle und St. Emmeran, bie alle im Aeußern nod) jebt den romanifchen Charafter an fid) tragen, im Innern aber graufam von ben verfchiedenften Arten des Zopfes entftellt find. St. Emmeran insbefondere hat eine febr intereffante Vorhalle, und einen Kreuzgang, wie id) nie einen fchönern gefehen. — 9fud) an ihm ift der normännifche Typus (3. Ὁ. in den Sidgadornamenten) vielfad zu ent» beden. — Eine eigenthümliche Verbindung des Romani- fhen und Fruͤhgothiſchen zeigt ſich in der alten Pfarrkirche μι Gt. rid, neben bem Dome. — Eines der ſchoͤnſten Mufter des Fruͤhgothiſchen ift bie Dominikanerkirche, welche zur Geſchichte des Doms bon Regensburg. 301 wegen ihrer edlen und einfachen Formen nie genug bes wundert werden kann, und auch in Kallenbach's vorge⸗ nanntem Werke (Taf. XXX. 6), ſowie in feinem größeren Atlas gerechte Würdigung gefunden Bat. Etwas jünger. ift bie jebt gu profanen Zweden entweihte Minoritenfirdhe; den Vorzug vor allen andern aber verdient die prachtvolle Katheprale zu St. Peter, eine der fehönften Kirchen ber Melt, begonnen zur Zeit der beften Büthe des gothifchen Syls burd) Bifchof Leo Sunborfer im Sabre 1275, unb fortgefegt und abgefchloffen in bem ſchmuckreichen gothifchen Style des 15ten Iahrhunderts. Ein Kenner der Sache urtheilte über biefen Dom in ber Allg. Zeitung 1853, Beilage No. 210 alfo: „Er ift ein Denfmal aus bet YBlüthezeit ber deutfchen Baufunft, und vielleicht an Schoͤn⸗ heit der zweite Münfter, den wir in Deutfchland bes fiten. Er folgt unmittelbar auf den großartigen δὲ δ.» nerbau; if unendlich Funftvoller als ber Wiener, barmonifcher als ber Straßburger und ausdrucksvoller af daß zierliche, in fid) vollendete Freiburger Münfter. Diefer Prachtdom, auf Befehl des Könige Ludwig von Baiern in ben Jahren 1834 — 1839 in voller Rein heit wieber hergeftellt, verdiente εὖ gewiß, daß Herr Schue⸗ graf ihm ſchon im Jahre 1848 eine ausfuͤhrliche Geſchichte unb Beſchreibung widmete, eine Frucht zwanzigjähriger Arbeiten unb Studien. Wir fäumten nicht, in dieſer Quartalfhrift 1849, Heft 1. S. 100 darüber Bericht zu etftatten und wenn wir in einigen einzelnen Punften eine abweichende Meinung auéfpraden, fo glaubten wir dieß ebenfo im Intereſſe der Gare ald aus Adytung gegen den gefebrten und fleißigen SBerfaffer thun gu. müffen. Lehterer Dat es zu unferer Freude aud) in ber ‚That fo 302 ] Schuegraf, aufgefaßt, und in ber vorliegenden neuen Schrift auf unfere damaligen Bemerfungen ehr eingänglihd Ruͤckſicht genommen, theils zuftimmend, theils feine abweichende ᾿ Anfiht näher begründend. Insbeſondere hat er es jet, wie mir fcheint, zur Evidenz gebracht, daß nicht Mat⸗ tbáud Roriter, wie id) behauptete, fondern beffen Sohn Wolfgang ber Erbauer des fhönen Gaframente báuddené und des dritten Stodwerfs der beiden Thürme war. Wir dürfen nur beifügen, daß dieſe Arbeiten Wolfgangs in feine erfte Periode fallen, wo ber Bauftyl fi nod) nidt fo fehr geändert oder veritalienifirt hatte, wie gegen Ende feines Lebens (+ 1514). Jedem Befiber des Altern und größern Werfes von 9. Schuegraf wird aud) diefes neue erwünfcht fein. Bei Ausarbeitung des erftern hatte e der Berfafler im hohen Grade bedauert, daß alle feine Bemühungen, Originals Dombauredinungen aus bet Zeit des Dombaues felbft zu finden und benüßen zu fónnen, erfolglos geblieben waren. Im Jahre 1850 aber war er fo glüdlid, mehrere Doms bauredjnungen und andere alte auf den Dom bezügliche Altenbände auf den Mafulaturböden einiger Kaufleute zu entbeden, und darunter fand fi), als älteftes unb intes reflanteftes Stüd, bie Dombaurehnung vom Jahre 1459, aus ber Zeit, wo Konrad Roriger, der later des Matthäus, und Großvater Wolfgangs, die Fortfegung des Baues mit vielem Eifer betrieb. Diefe unter Aufficht eines Domherrn, Theodorich von Ramsberg (als magister fabricae) durch einen Schreiber geführte Rechnung ließ 9. Schuegraf in der erften Abtheilung der vorliegenden € drift genau abdruden, und commentirte biefelbe, nachdem er mit unfáglidjer Mühe und Geduld den Sinn ber faft zur Gefchichte des Doms von Regensburg. 308 zahllofen Abbreviaturen entbedte, — durch eine Menge eregetifcher Noten. Daran fließt fi) als Anhang bet erften Abtheilung ein Abdruck der Regensburger Steinmep- ‚ordnung vom Jahre 1514, nebft einleitender Abhandlung darüber. — Die zweite Abtheilung enthält Berichtigungen und Zufäße zu den beiden Bänden des größeren Schuegraf'⸗ íden Werfes über den Dom zu. Regensburg. Auch ift jest, was dort fehlte, ein fehr hüfcher Grundriß des Doms nebft den Riffen zweier Pfeiler beigegeben. Zwei weitere lithographirte Tafeln enthalten ein Facſimile des Manu⸗ feript8 der Dombaurehnung v. S. 1459, und mehrere die ehemalige Kuppel betreffende Zeichnungen, welde am Ente des 17ten Jahrhunderts über ber Vierung errichtet, aber im Jahre 1838 wieder abgetragen unb durch ein gothiſches Kreuzgewoͤlbe erſetzt wurde. Sehr ſchätzbar unter den Zuſätzen und neuen Notizen dieſer Abtheilung iſt die S. 274 ff. gegebene Beſchreibung des Rationale, welches B. Berthold von Eichſtaͤdt um's Jahr 1360 der Kirche von Regensburg ſchenkte, und welches annoch vorhanden. Dieß biſchoͤfliche Ehren- kleid ift fo ſelten, bag ſelbſt ausgezeichnete Alterthums⸗ forfcher, wie Binterim (Denkwuͤrdigkeiten, Bd. 1 Th. II. ©. 355), Ruinart u. A. (vergl. Du Cange, Glossar. ' & v.Rationale), darüber nicht recht in’s ft(are fommen fonnten. Die unfihre SBefd)teibung, welde Binterim a. a. Ὁ. davon gibt, und die völlige Rathlofigfeit, worin fi Augufti (Denfwürbigfeiten aus ber chriſtlichen Ars chaͤologie, Bd. XI. ©. 141) in Betreff des Rationale befindet, wären wohl befeitigt worden, wenn bieje Gelehrten das Regensburger Rationale felbft, oder bod) eine Abbils 304 Schuegraf, bung davon hätten fehen können. Daß αμῷ H. Schue⸗ graf eine fod)e nicht gibt, weder in dem größeren Werfe nod in ben Nachtraͤgen, ift ein Mangel; um fo fühl barer, al8 in der vorliegenden Schrift, €. 274 fi., wohl Stoff und Berzierung, aber nidt die Worm dieſes Kirchenkleides fehr ausführlich befchrieben ift. (δ fann fein Zweifel fein, daß ber Name Rationale von bem Bruftfhilde des juͤdiſchen Hohenpriefters entlehnt ifft, weldher im Hebräifhen vayan wn = Schmud des Berichtes heißt (Exod. 25, 7. 28, 4. 15. 22. 29. 30). Dies überfcben die LXX. verfhieden: mit ποδήρης (Exod. 25, 7), mit περιστήϑιον (Exod. 28, 4) und λογεῖον τῶν κρίσεων (Exod. 28, 15). Die Bulgata, an Lesteres fid) durchgängig anſchließend, überfehte beflánbig rationale, oder rationale judicii. Was das heißen fol, ift nicht ganz flar. Galmet meint: Rationale judicii ideo dicilur, sive quod judicia el voluntatem Dei panderet sacerdoti, sive quod sacerdos Rationale praeferret, tanquam dignilatis suae, judicis scilicel, insigne, neque alicujus momenti senten- tias daret, nisi Retionali indutus (ad Exod. 28, 16). Uebrigens hat das bifhöfliche Rationale des 9t. T. mit bem Bruſtſchild des hohen Prieſters nur ben Ramen gemein; viel eher gleicht es bem altteftamentlichen Ephod, Ὁ. i. dem Schulterkleide oder kurzen Leibrode des hohen Priefters, woran ber SBrufifjilo hing (Exod. 28), wie es denn aud) mit ber Mozetta der Ehorheren große Aehn⸗ Iichleit hat. Wohl möglich, bag man im Mittelalter unter Nationale das Ephod und ben Bruſtſchild zugleich ver- ftand, unb barum jenen bifhöflichen, blefem Ganzen ähnlichen, Schmud mit Rationale bezeichnete. | Schließlich müfen wir nod) bemerken, daß neben 9. zur Geſchichte des Doms von Regensburg. 805 Schuegraf auch der hiſtoriſche Verein von Oberpfalz unb Regensburg unfern Dank. verdient, indem er durch llebere nahme der Koften das Exfcheinen der vorliegenden Schrift móglid) gemacht hat. Indem wir fie allen Freunden bet kirchlichen Baufunft empfehlen, fügen wir bei, daß fle am - leichteften durch H. Schuegraf felbft (Regensburg im weißen Bräuhaufe) bezogen werben Fann.- Hefele. 2. Aus dem febr des hochwürdigfien Herrn Ariflaces Azaria, Doctor der Theologie, Generalabts der MecpitariftensCongregation, Erzbifchofs von Caͤſarea, ©. f. f. apoſt. Majeſtaͤt wirkl. Geheimen Nathes ꝛc. Surdj fritbrid) von fjurter. Wien, Mechitariſtenbuchdruckerei. 1855. 152 ©. gr. 8. Pr. 1 fl. 45. Man kann bie Mecitariftenpatres in Wien, Venedig unb anderwärts nicht betrachten, ohne an jene alten Zeiten zurückzudenken, wo die morgenlánbi(de Ghriftenheit von dem Centrum der Kirche noch nicht getrennt, der großen Einheit angehörte, welche ohne bie Eigenthümlichkeiten der Nationalitäten aufzuheben, die Chrifigläubigen aller Länder gleihmäßig umſchloß. Durch Bosheit und Uns verftand ift diefer Bund zerriffen worden, und bie morgen» ländiſchen Ehriften gingen wie ber verlorne Sohn hinaus aus der Einheit der Kirche, um auf eigenen Bahnen Freiheit, Selbftftändigkeit und Glüd zu fuhen. Was fie gefunden, weiß Jeder; flatt Freiheit bie Knechtſchaft, ftatt 906 - Surter, des Gíüde& todesartige Erftarrung und vieffadje Spals tung. Nur einzelne Theile der morgenländifchen Ehriften- heit febrten nad langen Irrgaͤngen in das Baterhaus zurüd, unb zu den beften von ihnen gehören bie Mechi— tariften, unirte armenifhe Monde und Prieſter, bie unter und Abendländern bafteben, theils als Zeugen bet firchlihen Zufammengehörigfeit des Morgen- uud Abend» landes, theils als thätige Werkzeuge zur weitern orbes rung und Yusbreitung der Union, deren fte fich fefber erfreuen. Eine Schrift, welde uns über bie interefiante Gon» gregation der Meditariften nähere Auffhlüffe gibt, unb insbefondere ba8 Leben ihres fo unendlich verdienten, vor wenigen Monaten verftorbenen Generalabts befchreibt, muß gewiß jeden Katholiken intereffiren, um fo mehr, wenn fie von einem fo bebeutenben Manne und berühmten Gelehrten, wie bie vorliegende, verfaßt if. Yür mid) aber fommt nod) baé weitere Moment hinzu, daß id) im Herbfte 1842 das Gluͤck hatte, jene Gongregation zu Wien und ihre großartigen Anftalten näher fennen zu lernen, und insbefondere vom bem Generalabte und Erzbifchofe, deſſen Lebensgefchichte und hier geboten wird, wohlwollend unb freundlih empfangen zu werben. Der tiefe Ginbrud, ben ber ehrwürdige Greis, ein fchöner großer Mann, mit edlem orientalifchem Antlig, vol Würde unb Anmuth, auf mid machte, bleibt mir unvergeplih, und erfrifchte fid butd) das vorliegende Werf und baó ihm beigegebene Portrait. Die Armenier, feit Jahrhunderten von den Berfern und Türfen unterjocht (einen Theil Armeniens nahm Ruß- land im 3. 1827 f. den Berfern wieder ab), leben theils Ariſtaces Azaria. 807 . in ihrer eigenen Heimath mit fremden Stämmen: Perfern, Georgiern, Curden, Afiyriern 1c. untermifcht, theild haben fie fid) des Handels wegen in andern Gegenden ungeftedelt und leben, mehrere Millionen, zerftreut in ben verſchiedenſten Theilen der Sürfei unb Perſtens, in den Donaufürften« tbümern, in Siebenbürgen, ®alizien, Polen und Rußland. Der größte Theil ber Nation ift. ſchismatiſch, verwirft bie vierte allgemeine Synode zu Chalcedon und huldigt bem Monophyſitismus. Das bódjfte kirchliche Oberhaupt biefet Schismatiker ijt der Patriarch zu Gt(d)miabfin (im Jahre 1827 butd) Paskewitſch erobert und zum ruffifhen Ar» menien gehörig). Unter ihm fleben die zwei weiteren Patriarchen zu Gió und Serufalem; ein dritter, zu Gon» ftantinopel, wußte (id unabhängig zu maden. Sm Unterfhiede von biefen Schismatikern iſt bet fleinere Theil ber Armenier zu verfdjiebenen Zeiten in bie Union mit Rom getreten, und bicfer unirten Minorität gehören bie Medjitariften an. Der Orden der Medjitar riften verdanft feinen Urfprung bem 9femenier Meditar (b. i. der Tröfter), der im Sy. 1676 zu Siwas (Gebaftia) in Kleinarmenien geboren, im S. 1691 zum Diafon ges weiht wurde, unb fid) bie Erleuchtung feiner Nation unb ihre Errettung aus bem Schisma zur 2ebenóaufgabe fehte. Er gründete in. Eonftantinopeld Vorſtadt Galata eine Bildungsſchule für feine Landsleute. Bald nöthigte ihn die Verfolgung turd) den (djiémati(d)en armenifhen Pas triarchen Avedik zu Gonftantinopel eine Zufluchtsftätte auf venetianifhem Gebiet zu fuchen, wo die Gignoria ihm zum Bau eines Klofterd einen Platz zu Modon fin einer Cüb[pige des Peloponnefus, damals ber Republif Venedig * gehörig) anwies. Clemens XI. billigte ben von ihm ges Theol. Quartalſqhrift. 1856. Il. Heft. 21 | 908 Hurter, ſtifteten Orden, und uͤberließ ihm die Wahl unter den Regeln des ἢ. Baſilius, des ἢ. Auguſtinus, des ἢ. Ber nedikts. €t wählte bie letztere und wurde damit ber erſte Abt der Congregation. Als aber im J. 1715 zwiſchen Venedig und ber Pforte der [egte Krieg ausbrach, 308 Mechitar mit eilf Gefährten nad) Venedig. Hier begann mit Zuweiſung bet zerfallenen Kirche von G. Lazaro bie eigentlihe Thätigfeit der Gongregation. Die erften Ans fánge derfelben traten im Sy. 1734 in Herausgabe einer bódjft werthvollen armenifchen Ueberfegung der Bibel an ben Tag. Sn foldjer Weife wirkte fle fort, aud) nach bem Tode ihres Etifters, der am 16. April 1749 erfolgte. Später, im $. 1773, ließ fid) ein Theil der Kongregation von ©. Lazaro in Trieft nieder, wo nun gleichfalls eine Gongregation fid) bildete (S. 8). — In diefe trat im 9. 1801 der Mann ein, deſſen Lebensgeſchichte und vorliegt. Er war der Sohn des angefehenen und vermöglichen katholiſch⸗ armeniſchen Juweliers Georg Azaria in Gone ſtantinopel, daſelbſt am 28. Juli 1782 geboren und-in der Taufe Joſeph genannt. Der Bruder feiner Mutter, Papaſian, war Mechitariſt zu Venedig (ſpaͤter Erzbiſchof) und durch ſeine Verwendung kam der junge Azaria im J. 1797 in das Collegium Urbanum der Propaganda zu Rom, um fid) zum Weltprieſter zu bilden. Aber ſchon im folgenden Jahre wurde Rom durch die Franzoſen zur Republik erklärt, und Azaria mit andern fremden Jüng- ingen ausgewieſen. Er wollte nad) Eonftantinopel zus rüdfchren, und ſuchte hiezu zuerft in Ancona, dann in Venedig, zuletzt in Trieft eine Gelegenheit. Die Mechi⸗ tariften in [egtetee Etadt nahmen ihren antémann freunds fid auf; als aber die Möglichkeit ber Abreiſe fid) vet» Ariſtaces atta, 908 sögerte, gewann Azaria immer mehr Gefallen am kloͤſter⸗ [ien eben und bewarb fid um Aufnahme in die Gon» gregation. Weil fein Vater nicht einwilligen wollte, wurde ihm biefelbe (ange Zeit verfagt, wenigftens verídjoben unb etft am 25. März 1801 fonnte er in das Roviziat ein, treten, wobei er ben Ramen Ariftaces erhielt. Am 8. September 1802 legte er bie feierlihen Gefübbe ab unb empfing im Jahre 1803 bie Priefterweihe. Sein Vater war unterdeflen wieder völlig mit ihm ausgeföhnt worden. Bald wurden ihm verfchiedene Klofterämter, aud) das eines Novizenmeiſters übertragen; als aber Trieft in Folge des Preßburger Friedens den Branzofen zufiel, unb bie | Mechitariſten bafelbft ihrer Güter beraubt wurden, begab fif der Trieſter Generalabt Adeodat (zugleich Erzbiſchof i. p) nad) Mailand zum Vicekoͤnig Eugen, Azaria aber nach Laibach zum Generalgouverneur Illyriens, Marſchall Marmont, um Schutz und Hülfe zu ſuchen. Er wurde deßhalb bei feiner Ruͤckkehr von ten franzoͤſiſchen Behörden Trieſts wie ein Frevler behandelt, verhaftet und bald darauf ausgewieſen, denn die Gegner wußten, daß er die leitende Seele der Ordensgeſellſchaft war. Er reiſte nach Wien, wohin ſich bald darauf auch ſein Generalabt flüchtete, und ſie wohnten Anfangs zuſammen bei den Serviten. Der Erzbiſchof von Wien, Graf Hohenwarth, und andere Goͤnner, darunter Hofrath Gruber, der nach⸗ malige Erzbiſchof von Salzburg, bewirkten, daß ihnen Kaiſer Franz, der ihnen ſehr gewogen war, ein verlaſſenes Kapucinerkloſter ſammt Kirche in der Vorſtadt St. Ulrich zu Wien (Anfangs in Nutznießung, ſpaͤter um billige Summe als Eigenthum) überließ, unb Generalabt Adeodat sog nun am 17. Februar 1811 mit Azaria und ben 21 Ἑ . 810 Butter, andern aus Trieft berbeigerufenen Brüdern feierlich in bie neue Behaufung ein. — Sn der Klofterfirhe „Maria Schutz“ begann jcht der Gotteóbienft nad) armeniſchem Ritus. Maria wurde Generalprocurator, bald darauf fBartabiet (ungefähre Dortor der Theologie), ſtets ber fräjtigfte Ochülfe des hochbetagten Abtes und Hauptbe⸗ förderer der im Klofter errichteten Buchdruckerei, fowie der Bildungsanflalt für Fatholifche armenifhe Mifftonäre. Sn abre 1817 reifte er mit feinem Abt nah Rom, darauf in Gefchäften der armenifchen Kirche nad gem; berg, im J. 1818 nad Gonftantinopef, wurde nad bem Tode Adeodat's (+ 1825) zum Generalvicar, am 19. April 1826 zum Generalabt erwählt, im folgenden Jahre vom Papfte zum Grabifdjof von Eäfaren i. p. erhoben. Seine Wirkſamkeit in diefer neuen Stellung, welche er faft 30 Jahre Iang bis an feinen Sob befleidete, zer⸗ legt der Biograph in vier Mbfchnitte: 1) wie ev bie geiftlihe und intelleftuelle Ihätigkeit der Gongregation gehoben; 2) was er in allgemeiner Beziehung begründet und gewirkt; 3) was er für feine Gíaubenégenoffen und die ganze armenifhe Nation: erreicht und geihaffen; 4) wie er das zeitliche SBefteben ber Congregation gefördert babe. — Heben wir nur das Wichtigfte daraus Dervor, fo ift unverfennbar, daß unter der Leitung des Ariftaces Azaria die Anftalt der Mechitariften in Wien fid ungemein ers weiterte. Die Zahl der Patres wie ber Alumnen wuchs, fttenge. Orbnung und kloͤſterliche Difeiplin herrſchte neben gegenfeitiger Liebe und Eintracht, die Studien blühten immer mehr, zahlreiche Werfe von beut(den und andern Gelehrten wurden in's Armeniſche überfeßt, andere, be[on» Ariſtaces Azarta. 314 ber Lexica, nen verfaßt, raftlos arbeitete bie Buchdruckerei der Gongtegation, und große Maflen von Büchern in armenifcher Sprache wurden den Lanbsleuten im Often zugefhidt. Außerdem befäftigten die Medhitariften ihre zahlreichen Preſſen mit Werfen in lateiniſcher, polnifcher, deutfcher 1. Sprache; insbefondere lieferten fie prächtige Ausgaben der firdenbüdjet, Breviere und Miffalien, erlangten aud) die Grlaubnif Fur Errichtung einer großen Buchhandlung, und zogen nun aus biefen Gefchäften ihre nöthige Guftentation, δα. fie Feine Bonds, Feine Güter, feine Ctaatéunterftügung u. dgl. hatten. Ihre meiften Einkünfte floßen unb fließen aus dem Orient für. dahin gefandte armenifche Bücher. Azaria war aud) der Gründer des fchönen Vereins für Verbreitung guter fatfofifdjer Bücher, welcher in ungefähr zwanzigjährigem Beftande (bis 1848) viele hunderttaufend Bände guter belebrenber, unterhaltender und erbauenber Werfe in deutfher Sprache, nicht blos in Defterreih fondern in ganz Deutſchland, zu billigen SBreifen verbreitete, und auch unter uns vielfahen Ruben gefiftet hat. Alle biefe Vereinsbücher wurben bei ben Mechitariften gedrudt und verlegt, und viele taufend Bände betfelben verfchenfte Ayaria geradezu an ver[diebene Öffentlihe Anftalten. Ein Hauptgefihtspunft bei alle bem war ihm bie Beförderung eines fromm⸗chriſtlichen Sinnes in Deutſch⸗ land, denn das Heil ber Lateiner lag ihm ebenfo aut Herzen wie das feiner Landsleute, und er wollte butd) diefen Verein und Anderes den Lateinern fafti[d) den Dank barbringen für das Gluͤck, welches fie den Armeniern durch bie Aufnahme in bie Union vermittelt hatten. Uber⸗ 812 Hurter, haupt lag ihm das Geteiben der ganzen Kirche ungemein am Herzen, und ich kann mit Vergnügen berichten, daß unter den Geiftlichen und Laien, welde ἰῷ im 3. 1842 in Defterreih zu treffen. Gelegenheit hatte, faum einer - über bie PVerbältniffe der oberrheinifchen Kirchenproving und über den damals in Württemberg geführten Kirchen⸗ fireit fo gut unterrichtet war, als der felige Azaria. Bei dem Abfchiede überreichte er mir zwei Karten mit feinem Namen, mit bem Auftrage, bie eine felóft zum Andenken zu behalten, die andere aber meinem hochw. Bifchofe Sohann Baptift als Zeichen brüberlicher Theilnahme in feinem Kampfe für bie Autonomie der Kirche gu überbringen. Ganz befonders wurde Azaria ber Wohlthäter feiner eigenen Nation. Nicht nur hat er, wie wir (don fagten, durch Bildung zahlreicher aemenifcher Priefter und Miſſio⸗ näre, und durch Herausgabe und Meberfehung gelehrter Werke die wifjenfchaftliche und religiöfe Bildung feiner Landsleute im Morgenlande weſentlich befördert und damit aud) das Wachsſthum der Union unterfügt; zu gleichen Sweden gründete er aud) eine beträchtliche Anyahl von Miffionsftationen, Hofpitien und Filialen feiner Congre⸗ gation in Rom, Gonftantinopel, Trieft und anbertoárté, gab ferner ein armenifches Wochenblatt mit dem Titel - Europa heraus, das im Orient fet große Verbreitung erlangte, und errichtete eine gelehrte Akademie fammt einem armenifchen Berein zur Verbreitung wiffenfchaftlicher Merle. Richt blos bie unirten, aud) bie fchismatifchen Armenier fhäpten diefe Beftrebungen, und verbreiten unter fi die von den Wiener Mehitariften herausgegebenen Bücher. — Das größte Verdienſt um feine unirten Lanböfeute Atiſtaces Azaria. $13 erwarb fid) aber Azaria burd) deren Befreiung vor bem Drude der Schismatiker Bis 1829 hatten bie unirten Armenier in bet. Sürfel Fein Oberhaupt ihrer eigenen Nation, feinen Patriarchen oder Prima, fondern flanden in bürgerlicher und theilweife fefbft in firchlicher Beziehung unter dem fchismatifhrarmenifhen Patriarchen zu Gon ftantinopel, welcher mit der geiftlihen aud) bie bürgerliche Gewalt über die ganze Nation im Auftrag der Pforte ausübte. Sie wurden darum oft auf unerhörte, felbft . für einen türfifhen Geſchmack übertriebene Weiſe gevrüdt. Aber im S. 1828 richtete Azaria Denkfchriften und Briefe an eine Reihe von Regenten und Staatsmännern, er wußte den Kaifer Franz fammt feinem Minifter Metternich unb bem Gejanbten in Conftantinopel, außerdem bie Könige von Sardinien, Sranfreih, Spanien und Neapel, befons ders aud) ben hi. Stuhl für diefe Sache zu intereffiren, fo daß endlih der Eultan am Ende des Jahres 1829 ben unirten Armeniern bie gleichen Freiheiten, wie ben Schismatifern, völlige Unabhängigkeit von biefen, und baé Recht einräumte, einen eigenen PBatrierchen zu haben. Fürft Metternich wollte nun, daß Azaria ber erfte Patriarch ber unirten Armenier werde, er aber Ichnte diefe Würde ab, unb ſchlug dafür ben Bartabiet und apoftoli(den Birar in Gonftantinopel Anton Nuridfhian vor, und teifte im Jahre 1830 feluft nad) Rom, um die Sade in Ordnung zu bringen. Nuridſchian wurde num am 11. Suli 1830 zu Rom zum Primas der Armenier geweiht, unb der bf. Etuhl übertrug ihm alle geiftlichen SBefugnifje eines Patriarchen; die ‚ Ertheilung des Patriarchentitels dagegen follte der Piorte anheimgeftellt werden. Verſchie⸗ bene Intriguen bewirften jedoch, daß bie Pforte bie geift- - 314 Hurter, Ariſtates Azaria. liche und bürgerliche Gewalt uͤber die unirten Armenier trennte, und letztere, ſammt dem Titel Patriarch an einen Mechitariſten⸗Prieſte Gregor Enkſerdſchian uͤberirug, waͤhrend dem Primas nur die geiſtliche Ge⸗ walt verblieb (S. 45 ff. 64 f.). Schließlich baben wir nod) zu erwähnen, dag Azaria im J. 1830 in der Naͤhe von Kloſterneuburg ein Sommer⸗ haus für feine Congregation gründete, wohin im Commer geſundheitshalber bie Zöglinge und ihre Lehrer transſerirt werben. Noch viel größer war ber fünf Jahre fpátet unternommene Neubau bed Congregationshaufes in Wien, welches δὲ an die Stelle des baufälligen und engen Sapucinerfíofterd getreten if. Der Kaiſer felbft legte dabei den Grunbftein und der ifie Runtius fegnete denfelben ein. Azaria ftanb bei den drei Öfterreichifchen Kaiſern, deren Regierung er erlebte, in hoher Gunft und erfreute fi) ebenío des beſondern Wohlmollens der. Päpfte, vieler Garbinádle unb .geiftliher und weltlicher Fürften. Er ver diente das in reichlihem Maaße, und allgemein war bie AS beilnafme, aid er am 6. Mai 1855 in einem Alter von 43 Jahren zu Wien ben Tod des Gerechten ſtarb. — Ueber das Nähere, aud) in Betreff der von Azaria aud» gearbeiteten Schriften müflen wir auf die Biographie ſelbſt verweiſen. Hefele. 3. Bas Beitalter des heiligen Rupert, Apoſtels der Bajoarier, von B. Rupert Mittermüller, O. S. B., Profefior ber -Mittermüller, das Zeitalter des HI. Otupert. 315 Geſchichte am Gymnaſium zu Metten. Zweite berbefferte und vermehrte Auflage. Straubing, Schorner’fche Buchs Danbfung, 1855, 82 ©. Pr. 36 fx. Seit mehr als anderthalb Hundert Jahren ifl εὖ unter den Gelehrten ftrittig, wann und dur wen baé Ghriftenthum zuerſt zu ben Bajoariern (Bayern) ger bracht worden fei. Schon 500 Sabre vor Ehriftus follen bie Bojer, ein celtifcher Stamm, die fübbeut(den Länder von den Quellen der Donau bis Ungarn bewohnt haben. Unter Kaifer Auguftus, 15 v. Ch., durch Drufus unb Tiber rius, wurden bie sordern Donauländer von ben Römern erobert und zur. Provinz Rhätia geſchlagen. Ein großer heil der alten Bojer wanderte aus, namentfid nad Böhmen (Bojohemum). Etwas fpäter wurde aud) das anftoßende Noricum ben Römern unterworfen unter Kaiſer Claudius, und es it theils erwiefen, theils febr wahr» ſcheinlich, bag fdon u den Zeiten der roͤmiſchen Herrſchaft in Noricum und Rhaͤtien (ſammt Vindelicien) Chriſten lebten und chriſtliche Bemeinben exiſtirten, à. 8. zu Chur, Bregenz, Augsburg, Kegensburg, Paſſau; in Norikum zu gaureafum, Aemona Raibach), Celeja (Cilly), Petavium (Petau), Tiburnia (an ben Quellen der Drau) und Juvavia (Salzburg). Als der hl. Severin um die Mitte des fünften Jahrhunderts an bie Ufer der Donau fam und zwiſchen PBaffau und Wien predigte und Klöfter - gründete, traf er in der noch von den Romanen befehten Städten und Caſtelen überall Ariftlide Kirchen unb Priefter; aber mehrere germanifche Stämme, feit bem Zers falle des Qunnenteidà wieder frei geworden, waren in 916 Mittermüller, das römifhe NRhätien und Norifum eingefallen, hatten große Diftrifte beider Provinzen, namentlid) die nördlichen Donauufer erobert, und begannen ſchon bie rómifden Gaftelle zu überrumpeln. Es waren dich Scyren (Schey⸗ ern), Turcilinger (Thüringer), Rugier und Heruler, tbeiló heidniſch, theils arianifch. Ein athletifcher Süngling aus einem diefer Stämme, Oboafer, (ob Rugier, oder Heruler oder €cpre, ift ums gewiß) zog, während Severin an der Donau ‚wirkte, mit einer Anzahl Genoffen. nad) Stalien, um nad gothiſch⸗ germanifcher Sitte in Faiferlihen Heeren Kriegspdienfte zu nehmen. Er fam in bie Leibwache, gewann großes An⸗ feben, und ftand bald an der Cpige einer Emporung der barbarifhen (germanifhen) Hülfstruppen und GCófbner, melde vom Kaifer ein Drittbeil ber Ländereien Italiens als Lohn verlangten. Eine abfchlägige Antwort führte zum Kriege und dieſer endete mit dem Gturge des Ro⸗ mulus Auguftulus und der Auflöfung des abenblánbifden Meiches (476). Bald darauf zogen alle Romanen, welche nod) in Norifum und Rhätien wohnten, nad) Statien; unb ebenjo war ein großer Theil jener vier germanifchen Stämme nad) und nad) zu Odoaker nad) Süden gezogen. 9torifum und Rhätien verſchwinden auf einige Decennien in der Geídjidjte, wie fle aber im fechften Jahrhundert und wieder begegnen, haufen im Weiten dieſes Landes bis an ben gef bie Alemannen, ton da bis gegen Wien hin bie Bajoarier, nördlich von ihnın bie Thüringer, oͤſtlich, tiefer unten in PBanonien, die Ofigothen. Ein großer Theil des aften Rhätiens und Norikums war ben Bajoariern zugefallen und ie grenzten im Weften an bie Alemannen oder Sueyen (an. Lech), im Often an ba& Zeitalter des δ΄, Rupert. 817 Bannonien (Wien war die erfte Gtabt Pannoniens), im Eüden an Italien, im Norden bis an den Main (fpäter nur mehr an bie Donau). Woher biefe Bajoarier ftammten, ift zweifelhaft. Sag ihr Name von den alten Bojern herüberfam, ift fichtlih; aber daraus folgt nicht ihre Ab⸗ ftfammung, denn während bie Bojer Celten waren, find fie Germanen. Wahrſcheinlicher ift, bag der Landftrich, den . bie alten Bojer bewohnten, ben Namen Bajvarien erbte, unb ber Name dann von bem Lande auf bie neuen Eins wohner überging. Leßtere aber waren wohl nichts anders als bie zurüdgebliebenen Theile der Scyren, Surcifinger, 9tugier und Heruler, und in den ſechs edlen Geſchlechtern ber Bajvarier, welde bie lex Bajuvariorum aufführt (Agilolfinger, Huofler, Throzzer, Faganer, Hahilinger unb 9 fennionen) dürfen wir wahrfcheinlich bte alten Häupter der ' - in den Gemein⸗Namen Bajvarier zufammengefhmolzenen Stämme ecbfidfen. Wie bie Bajoarier im fechften Jahrhundert in bie Gefchiehte eintreten, find fte heidniſch (theilweiſe viel» leicht aud) arianifd)), unb εὖ erhebt fid) nun bie Frage, wer ihnen das Evangelium gebradyt unb. ihr Apöftel ges worden fei. Sn alter Zeit folgte man faft allgemein δὲν Salzburger Tradition, wornach der hi. Rupert, aus königlich fränfifhem Haufe, früher Bifchof von Worms, von bem Bayernherzog Theodo im fehften Jahrhundert eingeladen worden fei, ihn und fein Volk zu befefren unb zu taufen.^ Gv fam, taufte den Herzog, ber. zu Regens⸗ burg haufte, fammt feinen Großen, durchzog bann predie gend das ganze Land, gründete an vielen Orten Kirchen, Miflionsftationen und Klöfter, beftellte Priefter und Eles rifer, und ftiftete namentlich in ber zerfallenen Juvavia ein Benediftinerflofter St. Peter, deſſen Abt zugleich 518 Mittermüller, Bifhof (Erzbiſchof von Salzburg) war, bis am Ende des zehnten Jahrhunderts (988) beide Würden wieder getrennt wurden. — Als zweiter großer Miſſionair Bayern's galt St. Emmeran (ums 3. 652), al8 dritter €t. Cor» binian (ums Jahr 720). ” Gegen diefe chronologiſche Ordnung traten feit Mas billon, und Hanflz eine Reihe gelehrter Männer, großen» theils felbft bem Lande Bayern angehörig, in bie Schranfen, um zu zeigen, daß Et. Emmeran und Andere lange vor Rupert in Sajoarien thätig gewefen feien, und die Wirk⸗ famfeit des letztern um ein ganzes Jahrhundert (oder darüber) herabgerüdt werden müße, an das Ende des fiebenten und den Anfang des adten Sahrhunderte. Wollten die Bertheidiger der Salzburger Tradition bie Ankunft Ruperts in das Jahr 580, feinen Tod auf 623 ober 628 verlegen, fo verwiefen die Gegner feinen Tod in das Jahr 718, feine Anfunft in das Sabr 696. Der Berfaffer des vorliegenden Schriftchens tritt im Ganzen für bie Salzburger Tradition ein; aber er geht ba» bei wieder feine eigenen Wege, und zwar nicht einen Mittels weg, fondern er rüdt ben Bl. Rupert nod höher hinauf in'8 Alterthum, als εὖ die Salzburger thun, und verlegt feine Anfunft in die erfte Hälfte oder in die Mitte des fehhften Jahrhunderts (530 — 550). Seine Hauptargumente find folgende: 1) daß Rupert bec ec fte Miffionär Bayerns gewefen fet, erhellt fhon bars aus, daß ihn bie ganze alte Zeit, in ihren Lebensbeſchrei⸗ dungen unb Rachrichten aller Art, ja aud) in den Brevieren und im Titel ber Feſte al8 ben Apoftel Bayerns be zeichnete und ihn fiet. über Emmeran und die Andern ‚erhob. das Zeitalter des BT. Otupert. 319 2).Im Zufammenhange damit ftet, daß bie Kirche von Salzburg ſtets als die ältefte und Metropole diefer Gegenden galt. | 3) Das von Karajan fürzlich ebirte 3Berbrüberunge» bud) des Klofters St. Beter in Salzburg gibt fleben Aebte (Abtbiſchoͤfe) an, weiche vor 745 zu Salzburg ger lebt haben. Diefe Siebenzahl wäre nicht möglich, wenn Rupert (der erfte biefer ſieben) erſt um's Jahr 100 ger blüht hätte. 4) Als €t. Emmeran um's Jahr 652 nad) Regens⸗ burg fam, war fowohl ber Herzog als bie Bevölkerung bereits riftlih. Der Herzog nennt die Seinen nur imperfecios in:fide. Audy gab es ſchon Klöfter im Lande, Die Ehriftianifirung Bajoariens muß alſo früher fallen. 5) Schon vor Emmeran, im Jahre 615 — 717 wurden zwei Mönche aus Qurovium, Schüler Golumbane, Euftafius und Agilus von bem Franfenfönig Chlotar I. nad) Bayern gefchict, um eingerifiene Härefien auszu⸗ rotten finb bie Heiden vollends zu befehren. Die erfte Miffion und Gbrifttaniftrung muß fonad) vor 615 fallen. 6) Sa fchon beträchtlich früher mar der Bayernherzog Baribald 1. (555 — 595) fammt feiner Familie chriſtlich. Daß Theodelinde feine Tochter war, vertheidigt D. Mitters müller mit gutem Recht ©. 43 f. — Die erfte Miffion in Bayern muß ſonach fon vor Garibald gefucht werben. 1) Als ſolche erfcheint und bie des bl. Rupert unter Herzog Theodo, denn letzterer war ja fammt feinem Volke noch heidnifch, als Rupert anfam. 8) Aber ift denn Theodo Alter ald Garibald? Die. gewöhnlich angenommene Reihenfolge. der bayerſchen Hers zoge fagt zwar. das Gegentbei; aber fie beruht feines 320 - Mittermüller, wegs auf fihern, am wenigRen auf fihern einheimiſchen Quellen, und andere alte Nachrichten, iheilweife bis gum zehnten Jahrhundert hinaufreichend, geben eine ganz andere Reihenfolge, welche für bie Hypotheſe Mittermüllers voll fommen paßt. Hienach hätte um’s Jahr 513 Theodo J. regiert, der Gründer des bajuvari(den Herzogthums, nad ibm Theodo IL, quem baptizavit Rupertus, darauf Ga: tibalb u. f. f. (6. 46, 47, 52). Hiernad fällt Theodo II. unb mit. ibm der bl. Rupert in bie erfte Hälfte des fechften Sabrbunberté, was ganz gut zu bem Gage paft, baf (fon vor Garibalb das Goriftentbum in Bayern eingeführt worden fei. 9) für bieje Annahme (prid)t weiter der Umftand, daß ihr quí(offe die Einladung Theodo's an Rupert der Zeit nad zufammenfällt mit dem VBeftreben der Söhne Chlodwigs und ihrer naͤchſten Nachfolger, die ihnen uns terworfenen germanifchen Provinzen zu chriftianifiren. Wie bie Alemannen, [9 waren aud) bie Bajoarier den Franken unterworfen, behielten aber babel eine gewiffe* Selbft- ftändigfeit und eigene nationale Herzoge aus dem Haufe der Ngilolfinger, bet vornehmften unter ben. fech6 alten und edlen Familien. Ein Hauptmittel zur Chriftianifirtung der Bajoarier follte die lex Bajuvariorum fein, welche von Chlodwigs Sohn, 8. Sbeoborid L von Auftrafien, beginnend, unter feinen Nachfolgern immer mehr KHriftlihe Elemente aufnahm und unter Chlotar U. (584 — 628) und Dagobert d. Gr. (+ 638) ihren Abſchluß erhielt (S. 34 f). Es liegt nahe, anzunehmen, daß ber Bayern- bergog Theodo in den Goriftianifirungéplan . feines Ober, beren einging, unb wohl nod) unter der Regierung Theo⸗ das Seltalter des HI. Rupert. | $21 borid)8 1. [εἰδῇ (+ 534), oder bod) bald darauf ben Hl. Rupert, des Königs Better, zur Miffion Berbeitief. Ja, es wird bie um fo wahrfcheinlicher, wenn wir annehmen dürfen, was Aventin, wohl aus alten Quellen (djópfenb, behauptete, Herzog Theodo habe eine Enkelin Theodorichs, Regindraut zur Brau gehabt (G. 49). Manche weitere Momente, welche ber Berfafler zür Erhärtung feiner Hypothefe nod) aufführt, müflen wir Kürze halber übergehen, cbenfo bie Art und Weife, wie er mögliche Einwendungen zu entfräften ſucht. Diejenigen, melde ben HI. Rupert zwar für ben erfien Miſſionaͤr Bayerns erklären, aber feine Ankunft erſt um's Jahr 580 anfeben, berufen fid) dafür auf bie Altefte Lebensbeſchrei⸗ bung, vila primigenia, des hl. Rupert. Darin wird gefagt: „tempore Hildeberli regis Francorum, anno scilicet regni illus II (V) .. . Ruodbertus in Wormatia civitate epis- copus habebatur. Schon Baronius (ad ann. 590. n. 41) glaubte, e& müffe hier an Ehilvebert IL. gedacht werden, welcher von 575 — 596 regierte. Mittermüller dagegen bezieht jene Worte auf Ehildebert 1, (511 — 558), unb meint, fchon unter feiner Regierung, und zwar wohl in den erften Jahren derfelben fei Rupert Bifhof von Worme geworden. Schwierig bleibt dabei nur, warum bie vita primigenia baé hronologifche Datum in Betreff des Stuhls von. Worms gerade nach Gfilbebert I. beftimmen follte, ba doch dieſer gar nicht König von Auftrafien war. Worms und ganz NAuftrafien ſtand damals unter Theoderih I. Baronius dagegen hat das für fih, baf ber zweite Ehildebert König von Auftrafien war. — . Im Ganzen Bat H. Mittermüller viel Gelehrfamfeit, Scharfſinn und Gombinationsgabe bewiefen; aber feine 322 Ont», Schrift würbe merflih gewonnen haben und allgemein perftánblidyer und nüglicher geworden fein, wenn er 1) eine Ucberfiht über den Stand der Eontroverfe und 2) eine Skizze der Ehriftianifirungsgeichichte Bayerns, von feinem Ctanbtpunfte aus, der Detailunterfuhung vorangefchidt hätte. — Nicht beiftimmen fónnen wir endlih, wenn ©. 45 die alemannifchen Herzoge 2eutbar unb Bucelin aus bem fechften Jahrhundert, -mit Entfhiedenheit für Ehriften erklärt werben. Hefele. 4. ] Beiträge zur Erklärung des alten Eeflamentes, enthaltend die meffianifchen Verheigungen und Weiffagungen in ben hiſtoriſchen Büchern des alten Teftaments als Bortfegung von 1. Mof. 3, 15 und 49, 8 — 10, exege⸗ tiſch⸗kritiſch und δ βου ὦ behandelt von Dr. faur. Reinke, Domcapitular und ordentlihem Profefior der Theologie und orientalifchen Sprachen an ber Eönigl. Academie zu Münfter. Vierter Band. Münfter, 1855. Verlag bet Coppenrath ſchen Buch⸗ und unftbanbIung. Preis 3 jf. 12 fr. Nachdem Herr Domrapitular Reinke erft unlängft ben dritten Band feiner Beiträge zur Erklärung des N. T. veröffentlicht bat (vgl. Quartalſchr. 1855. ©. 658 ff.) ev fheint (fon wieder ein weiterer Band mit einer Reibe von Abhandlungen, bie nicht weniger wichtige Stellen des A. T. zum Gegenſtand haben, als die vorausgehenden. Die erfte Abhandlung befaßt fi) mit bem δία ὦ unb. Segen Noah’s (Genef. 9, 25 — 27) und Qr. R. gelangt Beiträge. 323 ji bem Ergebniß, daß den 9tadfommen Chams und unter biefen vornehmlihd den Nachkommen von beffem Sohn Canaan eine traurige, dagegen den Nachkommen Sems unb Saphets eine glüdliche Zufunft vorherverfündigt werde, und daß diefe Vorherverfündigung aud wirklich ihre Gr» füllung gehabt habe unb nod) habe (S.7). Dabei erhebt fi aber die etwas fehwierige Frage, warum Noah nicht über Cham felbft,- der es bod) allein verdient zu haben fheint, fondern über defien Sohn Ganaan ben Fluch außs fpredje (33. 25). Die Gelehrten haben darüber von jeher mancherlei Anfichten aufgeftellt, welche Herr R. anführt, und dann denjenigen beiftimmt, bie auf Seite Ganaanó fefbft eine firafbare Handlung annehmen und dieſelbe mit bem Bergehen feines Baterd in irgend eine Verbindung benfen, wie [don Auguftin, Theodoret u. A. Er fagt: „Da unter Chams Nachkommen hauptfächlic ben Canaa⸗ nitern ein trauriges Loos zu Theil geworben ift, fo war ἐδ ganz paffenb, daß Noach nicht ben Sud) über Cham unb baburd) über alle feine Stadjfommen, fondern über den fchuldigen Ganaan auéfpfad) (S. 39). Eine weitere Schwierigkeit bieten bie Worte ἘΠ’ Yan) Jay, indem bei 3 ΨῈ bald Gott, bald Japhet als Subject gebad)t unb Ἐν bald als Eigenname (Sohn Noah’s), bald appelativifch gefaßt wird (vgl. €. 84). Hr. R. betrachtet aber aus guten Gründen Japhet ald Subject bei fog und CU als Eigenname (Sem), glaubt aber, daß das Wohnen Saphets in ben Zelten Sems nicht von einer Eroberung ber Wohnſitze Sems burd) die Nachkommen Saphets, aud) nicht von gemeinfamen Wohnfigen der 9tadfommen beider, jondern uneigentlich gemeint {εἰ und den Sinn habe, daß „die Nachkommen Syapbeté beteinft zu der wehren Religion Theol. Quartal ſchrift. 4856. 11, Heft. 324 teinte, der Semiten fid) befehren unb durch bie Einheit des Glaubens eine große Gemeinſchaft, gleihfam ein Boll mit denfelben, eine Kirche bilden“ werden (S. 92). Der Segenswunſch ig dann anfangsweile [don in ber vor⸗ chriſtlichen Zeit in Erfüllung gegangen burd) ben Anſchluß heidniſcher Profelyten an das auserwählte Volk, vollftän- dig aber erft nad) Chriſtus ,burd) bie Verbreitung bet Hriftlihen Religion unter alle VBölfer ber Erde." „Das Wohnen ber Sapbetiten in ben Zelten Geme ift bemnad) im Wefentlichen foviel ald bie wahre Religion und Gottesverehrung ber Síraefiten befigen und mit ihnen ein großes Reich Gottes bilden” (&. 93). Die zweite Abhandlung befchäftigt fid) mit ben fog. patriadhalifchen Verheißungen (Genef. 12, 3. 18, 18. 22, . 18. 26, 4. 28, 14). Hr. 9|. fat aber dabei nur bie Hauptſache, um bie εὖ fid handelt, in's Auge, daß näm- fid) jene Verheißungen von Chriftus und feinem Reiche reden, in welches mit der Zeit alle Völker der Erde eins treten follen, und nimmt auf die andern in denfelben nod) berührten Punkte, die große Nachkommenſchaft unb ben Befig von Ganaan Feine befondere Rüdfiht. Indem er ausführlich zeigt, weldhe Bedeutung mad) bem üblichen Sprachgebrauche und nad) ber jedesmaligen Tendenz ber Rede unb ihrem Zufammenhange ben ent[djeibenben Aus⸗ brüden, wie 792, DM, yw und your zufomme, liefert er zugleich den Beweis, daß bie dítefte und unter ben Theo, [ogen von jeher herrfchende Auffaffung der fraglichen Stellen, wonach alle Völfer „zur Grfenntnif und Vers ebrung des einen wahren Gottes gelangen und die von Ehriftus geftiftete Religion annehmen, unb dadurch mit den gläubigen Nachkommen jener Patriarchen ein großes, Beiträge, 325 über bie ganze Erde ſich ausbreitendes Gottesreich bilden werden“ (©. 128), aud) die allein richtige ſei. Und εὖ wird ihm nachher nicht fehwer, bie Unhaltbarfeit anderer von ber berührten abweichender Deutungen darzuthun. Die dritte Abhandlung hat die Weiffagung Bileams . über den Stern aus Jacob unb den Scepter aus Israel (Rum. 24, 15—19) zum Gegenftand. Nach der herr⸗ fhenden Auslegung - der Väter und Altern Theologen ift ber Stern aus Jacob der Meffias und ber Scepter aus Israel feine über bie ganze Erde fid) erſtreckende Herrfchaft. Hr. R. hält biefe Deutung in ihrer erclufiven Form nidt für richtig, fondern entfcheidet fid für eine andere, welcher zufolge, „weder von Chriftus ober David ausſchließlich, noch von David und Chriftus zugleih, fondern vom Koͤ⸗ nigtbum Israels ald einer Einheit, wovon das des Meſſias bie Spige ift, bie Rede" ift (S. 200 f.). Es ift Mar, daß diefe Auffaffung der patriftiifhen Auslegung nicht ettoa entgegentritt, fondern ber Hauptſache nad) viel» mehr mit ihr zufammentrifft und fte fefthält, fofern eben der Meffias und fein Reih als Hauptfahe und Eulmis nation beffen erfdjeint, was durch ben Stern und Scepter bezeichnet wird. Und es läßt fid) nicht Läugnen, daß bie Gründe, welde Hr. R. für feine Anfiht gelten macht, wenigftens aller Beachtung werth find. Die. vierte Abhandlung verbreitet fid) über bie mo» faifche Berbeißung eines Propheten, Deut. 18, 18 — 10: „einen Propheten aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, wie mich, wird dir ertoeden Jehovah, bein Gott; auf ibn follt ibr hören... .. Einen Propheten will id) ihnen erweden aus der Mitte ihrer Brüder, wie bid), unb will meine Worte in feinen Mund legen, und er wird zu ihnen 22 * 826 Reinke, reden alles, was ich ihm gebieten werde. Auf die Frage, wer unter dieſem Propheten gemeint fei, werben verſchie⸗ dene Antworten gegeben. Manche verſtehen unter bem» felben eine einzelne Berfon, ftimmen aber in Betreff ihrer nicht Nberein, fondern halten den N*23 bad für Joſua, wie 3. 9. Abenesra, bald für David, wie 9ibabanue Maurus, bald für Syeremia, wie Abarbanel, bald nach bem bucdftäbliden Sinne für Sofua und zugleih nad) dem geiftigen Sinne für den Meſſtas, wie fdon Clemens Alerandr., bald eínfad) für den Meſſias, wie Zertullian, Eyprian u. 9. Andere dagegen faffen das δ᾽) collectiv unb verftehen darunter entweder die Gefammtheit der alt» teftamentlihen Propheten, af8 die Verfünder des göttlichen Willens für Israel, wie namentlihe mande rabbinifdhe Ausleger, oder die auf Mofes folgenden Propheten mit Einfhluß des Meifias, wie eine Reihe der angefehenften diriftliden (regeten. Diefer lestern Deutung tritt Hr. 9t. bei und zeigt zuerft, daß die Auffung des N39 im colfectioen Sinne ſprachlich zuläffig fei, ba ἐδ aud) Dan. 9, 24 in demfelben vorfomme, dann daß der Zufammens bang, bie SBeranlaffung und ber Zwed ber Verheißung für die Golffectiobebeutung fpredje, unb zwar fo, daß das altteftamentliche SBropbetentbum nicht ausſchließlich, fondern mit Einfhluß des Meffiad gemeint fein müffe, und daß jene neuteftamentlihen Stellen, in denen man eine aue» féliegfid)e Beziehung der fraglichen Verheißung auf den Meſſias habe finden wollen, wie namentlich Sof. 5, 56, eine folhe nicht enthalten. Auf die berührten umfaffenben Abhandlungen folgen mehrere fürgere Erörterungen. Die erfte berfelben prüft bie verfchiedenen Anfichten der Altern unb neuern Eregeten Beiträge. 327 über ben im SBentateud) öfter vorfommenden mim 86m. pYtowa quo oder Cow qwbo. Mährend [don einige Kirchenväter, wie 3. 98. Auguftin (de civit XVI. 29) unter bem Engel Jehova's oder Gottes einen niedern erfchaffenen Engel dadıten, und dagegen mande Neuere, wie 3. 3B. de Wette, Rofenm. u. 9. ihn mit Jehova identificiren und nidt als ein von ihm verfchiedenes Wefen betrachten, geht bie herrfchende patriftifche Auslegung, deren Gewaͤhrs⸗ männer Hr. R. anführt, dahin, daß jener Engel ber Logos, Ehriftus, gemefen fei. Hr. R. fudit zu zeigen, daß biefe Auffaffung die allein haltbare fei, und man wird feine Beweisführung im Ganzen genügend finden müflen, wenn aud) ber eine ober andere vorgebrachte Beweisgrund , fih nidt als ganz ftihhaltig ausweifen follte. Letzteres fheint ber Ball zu fein, wenn Hr. R. die Ueberfcgung des nim qwbo but: „ein Engel Jehova's“ für unzus fáffig halten will, denn wenn ber Verfaffer der Gencfis nur unbeftimmt von einem Engel Jchova’8 reden wollte, fo mußte er bod) ober fonnte wenigftens ganz wohl 7801 mim gebrauden Wenn andrerſeits in den Worten: „Und Sehova ließ regnen über Coboma und Gomorrha Schwefel und Feuer von Jehova vom Himmel”, ein Bes weis dafür gefunden wird, daß der Engel Ichova’s von Schova felbft verſchieden fei, fo fdoeint in ben Tertesworten wenigftens feine Nöthigung zu liegen, unter Jchova im | Anfang des Verſes ein anderes Wefen oder eine andere Perſon zu denfen ald am Ende des Verſes. Wenn Das mi nw nur bie Ortlichfeit angeben will, woher bet Regen fomme, unb fo viel ift: ald von dorther, wo Ser hova ift, fo erſcheint es nicht gerade als überflüffig, unb das hinzugefügte: „vom Himmel“ ift nod) nähere Erklaͤ⸗ e 328 Reinke, rung. Damit will jedoch Ref. bie Erklaͤrung, welche unter bem erſten Jehova nur den Engel Jehovais, unter bem zweiten aber Jehova ſelbſt verſteht, nicht gerade befämpfen, ſondern nur erinnern, daß die Textesworte an ſich nicht zu derſelben noͤthigen. Der Hauptgrund fuͤr die von Hrn. R. vertheidigte Anſicht liegt wohl darin, daß der Engel Jehova's auch als goͤttliches Weſen, als weſensgleich mit Jehova erſcheint und auch einfach Jehova genannt wird. Die Einwendung, daß hiernach das Geſetz durch den Logos gegeben vodre, welches nad) einzelnen neuteſtamentlichen Stellen bod) nur durch bie Engel (elg διαταγὰς ἀγγέλων Apg. 7, 53) gegeben wurde, beſeitigt Hr. R. damit, daß in den Stellen letzterer Art bloß der Vorrang des Evan⸗ geliums vor dem altteſtamentlichen Geſetze hervorgehoben unb bie frühere Offenbarung des njm Ixdp als eine un⸗ vollkommenere als die bei und nach ſeiner Menſchwerdung bezeichnet werden wolle, und ſügt bei: „War Chriſtus von Gott geſandt, bem Volke Israel das Geſetz zu geben und wurde er durch die Theilnahme der erſchaffenen Engel verherrlicht (5. Moſ. 33, 2, Pf. 68, 18), fo fonnte von ihm im 4. S. ganz paffenb ald von einem G efanbten Jehovas nt woo und als einem Vermittler, der auf bie Entwidelung des göttlihen Heilsplans bezüglichen Dffenbarungen die Rede fein und berfelbe den erfchaffenen Engeln a(8 Gefanbten und Diener Gottes beigezählt werden. Wir müffen alfo denjenigen Vätern der Kirche beiftimmen, weldye unter dem Engel Jehovas oder Gottes im SBentateud) den λόγος oder Ehriftus ver(teben" (S. 376 f.). Eine weitere Erörterung befchäftigt (id) mit der Frage, 0b Eva den Kain bei feiner Geburt für den Meffias ges halten habe. Sie fagt nàmlid) (Genef. 4, 1): DR m Beitraͤge. 320 minm unb viele namentlich proteſtantiſche Ausleger nehmen ΠΝ als Accuſativ und Appoſition zu WiN: fo tag Evas Worte. ben Sinn befommen, fte haben einen Gott⸗Menſchen, námlid) den Genef. 3, 15 verheißenen Retter, der der Schlange den Kopf zertreten follte, geboren. Es fommt bei biefer Frage alles darauf an, ob "NN ale Zeichen des Accufat. oder als Präpofition (mit) zu nehmen fei. Die Sept. und Qulg. nahmen es im lebtern Sinne und fofort aud) bie griehifhen und lateiniſchen Kirchen» väter, und Hr. R. zeigt, daß biefe Auffaffung die richtige fei. Er fagt, wenn WIN ber verheißene Retter und ntm Appofition wäre, fo müßte das “ὯΝ unb überdieß noch der beftimmte Artikel bei Di ftehen. Dagegen läßt fid) wohl feine Widerrede erheben, fo wie aud) nicht gegen bie Bemerkung: „Ein Hauptgrund, welder es burdjauó nicht geftattet, 1h nw. als Appofition zu nehmen, Tiegt darin, daß die Eva einen mit Adam erzeugten Eohn nicht für ein emigeó und unveränberliche® göttlihes Wefen, welches nad Kap. 2 unb 3 mit ὩΣ ON dem Weltfchöpfer baffelbe ift, hat halten fónnen (S. 388). Sofort redet Hr. 9t. nur ganz furz über den melfia- niſchen Gehalt des Pentateuhs und den Nußen, den bie meffianifchen Verheißungen und Weiffagungen beffelben fhon in ber Zeit vor David gehabt haben, dann über bie Verheißung Hanna’s, der Mutter Samuels, 1. Sam. 2,10, ferner etwas ausführliher über bie Weiffagung des Propheten Nathan in Betreff des Davidifchen Königthums, 2. Sam. 7, 11 — 16, vgl. 1. Chron. 17, 10—14. Die verfchiedenen Anfichten der Gregeten über legtere Weiffa- gung gibt Hr. 9t, mit den Worten an: „Nah Einigen 390 διείηξε, fol fid) biefelbe blos auf Salomo beziehen unb in bent» (eben. ihre Erfülung gehabt haben. Nach andern abet fell dieſelbe ausſchließlih von David's größtem Nach⸗ kommen, dem Meſſtas und deſſen Reich handeln; nach andern ſoll ſich Einiges auf Salomo, Anderes auf den Meſſias, nad) anderen auf beide, nod) anderen zunaächſt auf Salomo, aber als Vorbild und Typus des Meſſias beziehen, fo daß fie nad) bem Wortſinne von Salomv unb im allegorifchen oder geiftigen von Chriſtus erflärt wird, nad anderen foll von Salomo und ben übrigen irdiſchen Königen aus ber Davidifchen Familie bie Rede fein. Wiederum find andere bet Anficht, daß biefe Verheißung fih auf Salomo unb feine 9tadjfommen, hauptfächlich aber auf ben Mefflas beziehe, und Nathan das Davidiſche Königthum, welches durch den Meffins, den großen Nahfommen Davids, zum größten Glanze gelangt fei unb bie ganze Erde umfaßt, im 9fuge habe unb befjfen ewige Dauer verfünde" (©. 431 f). Hr. 9t. entſcheidet fid) für biefe letztere Anſicht und fucht fie in ber ausführlihen Grflárung, bie er von dem betreffenden Serte giebt, zu begründen und zu rechts fertigen. - Weiter werden nod) die lebten Worte Davids 1. Sam. 23, 1—'1, und der Ausfpruch Sefova'$ an Salomo 1. ftón. 9, 3—5 in Unterfuhung gezogen, unb zum Schluſſe nod) „einige andere Stellen der deuterofanonifhen Bücher Bas rud) und Tobias, weld von vielen Gelehrten ben meffianifchen beigezählt werden,“ Furz berüdfichtigt. Unter den deuterokanoniſch⸗meſſtaniſchen Stellen hätte wohl auf Weish. 2, 12 (f. einen Platz verdient, weil bieje Stelle von ben SKirchenvätern beftändig als eine meffianifche. behandelt wird; vielleicht wurde (le aber von Hrn. R, Beiträge. 331 übergangen, weil er fü auf bie Hiftorifchen Bücher be: fhränfen wollte. | ' SBorftebenbe Bemerkungen dürften genügen, um auf die Reichhaltigkeit und Wichtigkeit der in votliegenbem Bande behandelten Gegenftände aufmerffam zu maden. MWelte. 9. Archäologie der Hebräer. Für Freunde bea Alter- tbums unb zum Gebraudje bei akademiſchen Borlefungen. Bon Dr. Iof. f. Saalſchütz, Pro- feffor der Archäologie, Mitglied ber fónigl. deutfchen unb . ber phoflfalifch « δέοποπ [ει Geſellſchaft in Königäberg, ber Hiftorifchetheologifchen in Leipzig. Erſter Theil. Königäberg. Verlag der Gebrüder Bornträger. 1855. Preis 3 fl. 51 fr. Der vorliegende efftle Thril handelt in. fünf Ab» fhnitten über 1) äußere Erfheinung und Zuftände; 2) thätiges Lebensverhältniß; 3) geiftigen Ctanbpunft (Res [igion und Moral); 4) äfthetifches Verhältniß ([Φύπε Künfte); 5) Schreibfunft und Literatur. Ob aber biefem erften Theile nur nod) Einer ober mehrere andere folgen follen, und was benje(Den für eine Aufgabe vorbehalten fei, ift nicht Harz; denn in ber kurzen Einleitung über „Inhalt, Charakter und Werth ber Hebräifchen Archäologie,“ wird das Gebiet biefer Wiffenfhaft nirgends genau ber fimmt unb nod) weniger eine fpecielle planmáfige Ueberr 332 Saalfchüg, fiht der Begenftände und Probleme gegeben, die Hr. ©. etwa zu dem Gebiete derfelben rechne. Uebrigens Bat der gelehrte Hr. Verf. feine Befähi« gung zu derartigen Arbeiten ſchon burd) mande Schriften bocumentíct, und die vorliegende verdient unftreitig bie» {εἴθε gute Aufnahme, bie den früheren bereits zu Theil geworben (ft; jedenfall wird man bie Erwartung, daß feine „felbftftändige, quellenmäßige Korfhung und Streben nad Wahrheit“ freundliche Anerfennung finden werde, nicht als unbefcheiden bezeichnen fónnen. Obgleich es fid meiftená um Gegen(tánbe handelt, bie von den Archäologen - fhon oft unterſucht und ausfuͤhrlich behandelt worden find, fo daß einem archäologischen Handbuche mehr nur bie Auf⸗ gabe zu bleiben fcheint, bie Ergebniffe ber vielen Forſchun⸗ gen in farer, geordneter Ueberſicht zufammenzuftellen, unb dabei das Unhaltbare auszufcheiden und bem Richtigen Gels ' tung zu verfchaffen oder zu fihern, al& Neues beizubringen, fo findet (id) bod) aud) des Ichtern hier nicht Weniges, und Hr. €. madt häufig auf Dinge aufmerffam, bie von andern zu wenig gewürdigt ober gar nicht bcadjtet wurden. Mir fónnen zwar eine erfhöpfende Nachweiſung viefer Ausfage bier nicht geben, aber ſchon eine beifpielgweife Hervorhebung von Einzelheiten wird zu ihrer Rechtfertigung genügen. Hr. €. madt nit felten (don in ſprachlicher Ber siehung beachtenswerthe Bemerkungen. Ueber non 3.2. fagt er, daß es Richt. 5, 25, Sob. 20, 17 zwar eiwas Flüffiges fei und nicht Butter bedeuten fónne, daraus aber folge nod) nicht, daß εὖ biefe Bedeutung überhaupt nicht habe, wie Jahn behaupte. Die Bereitung von butyrum [εἰ den Miten befannt gewefen und daß Homer, Archäologie. 333 Euripides u. 94. wohl des τυρός aber nid)t ded βότυρον erwähnen, beweife nichts gegen das Vorhandenſein be& letzteren bei den Hebräern; ohnehin fei τυρὸς unb βότυρον eigentlich ibenti(d), nur daß bei lebterem durch das vor» gefegte Ba (= Pas) das „Fabricat a8 ein vom Rinde gewonnenes“ bezeichnet werde. „ES ift demnach immer móglid, bag aud) mom, fdon bei 1. Mof. 18,. 8 neben Mil genannt, abwechfelnd Rahm, Butter unb aud Käfe bedeute. Τυρὸς felbft, beffen Urfprung aftatifch iff, fann mit Yin, Rind, zufammenhängen unb mwDm von bem Erwärmen der id, nom Chald. Gluth, ber Namen erhalten haben (SG. 84). Ueber Kethoneth (njn», njn3, welches einerlei [εἰ mit bem griechifchen χιτών und wahrfcheinlic mit unferm Kittel, Kutte) wird bemerft, daß e8 ben erften Uebergang zu einer wirk⸗ iihen SBeffeibung gebildet habe, unb der etymologifd) bunfíe Name das Kleid jedenfalls als Körperbededung überhaupt bezeichne, und daß insbefondere das Hin? EB Genef. 37, 3 ein buntes Kleid fei, wofür aud) das griedhifche πάσσειν — ποικίλλειν (bunt machen) ſpreche (S. 6 ff.); in biefer Bedeutung nahmen ben Ausdruck aud) (don bie Sept., und fte verdient vor den andern Auffaffungen, wornach er ein Aermelkleid oder ein weites Schleppgewand (αστραγαλεος beveuten ſoll (vergl. Sud) zu Genef. 37, 3) ohne Zweifel den Vorzug. Gegen bie gewöhnliche lleberfegung von ^D und Ay vit. 13, 48 — 59 mit Aufzug und Einfhlag werben nicht unbedeutende Gründe vorgebradht, ob aber Hrn. C.'6 eigene Anfiht, daß darunter „die beiden Theile des Aufs zuges felbft, nämlich bie fid als Ober⸗ und Untergelefe ſcheidenden Fäden“ gemeint feien (S. 137 f.), richtig fel, 384 , ρα δ, laflen wir dahingeftellt. Und Bemerfungen ähnlicher Art ließen fld) nod) viele ausheben, wie 3. Ὁ. über Ephod und das damit verbundene 2n (S. 14 f.), über 7, was nad) gewöhnlicher Anfiht unferm Hemd entfprecdhen fol (€. 18), über MIR, weldhes nad) gewoͤhnlicher Ans nahme einen Mantel bedeuten fol (S. 19), u. f. Ὁ. Lefenswerth ift namentlich bie zwar Furze aber bod) ziem⸗ (id eintáglid)e Erörterung über ef. 3, 18— 24, bie ben Erflärern Jeſaias viel zu ſchaffen macht unb über bie fhon Schröder einen Quartband veröffentlichte (S. 26 ἢ... Auch das Gap. über bie Mufif der alten Hebräer (wors über Hr. S. ſchon früher ein eigenes Schrifthen ver» öffentliht Hat), über ihren Gefang und das Berhältnig beffelben zum chriſtlichen Choralgefange (S. 272 ff.) wird gewiß für manche Lefer von Sintereffe fein. Nachdem wir fo das wiffenfchaftlihe Verdienſt des vorliegenden Werfes einiger Maaßen angedeutet, erlauben wir und nod) einige Gegenbemerfungen in Bezug auf Ginjefne&. Wenn gefagt wird, der Ausfah des Naeman [εἰ „nur ein leichtes, ganz Außerlihes Hautuͤbel“ gewefen und biefe8 daraus gefolgert wird, daß derfelbe durch Baden im Jordan geheilt worden, fo fcheint uns biefe Bolgerung durch den betreffenden biblifhen Bericht (2. Kön. 9, 1 — 19) nicht geftattet zu werden; denn biefem ges mäß erfcheint daß fragliche Uebel als ein fehr bedeutendes und jedenfalls ſchwer zu heilendes (8. 7) unb bie Heilung als eine außerordentlihe Machterweifung Jehova's und als ein wahres Wunder, und wird namentlich von Naeman felbft als ein foldyes betradhtet (3B. 15). Wäre der Aus⸗ fag Naeman’s nur ein leichtes, burd) ein Syorbanbab zu befeitigendes Hautübel gemwefen, fo wäre feine Mebertragung Archäologte. 395 auf Gebaft („der Ausſatz Naeman's [off dir anhaften und deinem Samen in Givigfeit", ®. 27) für biefem feine fonderlih .barte Strafe gemefen, ba ein Sórbanbab zu feiner Heilung genügt hätte. Die rationalifitenbe Richtung bes Hrn. Perf. bat ibn hier das Richtige nicht exfennen laffen. Ueber das von Galomo erbaute Haus des Waldes gibanoné (12252 "5 3 1. Kön. 7, 2) bemerkt Hr. Ὁ unter Anderm, es fei „allem Anfcheine nad) ein mit fangen unb freien Säulengängen unb [uftigen Zimmern verfehenes Gartenhaus gewefen, das feinen Namen von ben libanotifhen Bäumen und Gewaͤchſen erhielt, bie ed ums fhatteten und einfaßten” (€. 123 f). Dieß ift jebod) wenigftens febr unmwahrfcheinlih; denn ein Garten mit libanotifhen Bäumen unb Gewächſen zu Ierufalem fonnte bod) nicht gerade Wald Libanons und fofort ein in ihm befindliches Gartenhaus Haus des Waldes ibanoné (oder vom Walde 2ibanoné) genannt werden. Wenn vom Walde Libanons bie Rede ifl, fo denkt jeder an bie widjs tigften und berühmteften Bäume auf dem Libanon, an bie Gebern und Gebernmalbungen, unb das fraglihe Haus kann daher feinen Namen wohl nur daher haben, daß es größtentheil8 ober ganz aus Cedernholz gebaut war, wie aud) (don δ΄. Joſephus kurz andeutet (χίοσε μὲν τετρα- γώνοις ἀνειλημμένον ἐκ κέδρα πᾶσιν Antt. VII. 5 2) unb die Eregeten indgemein dafür halten. Sn Betreff der mofaifchen Stiftshütte heißt es e. 62, bie Bretter derfelben feien ,burd) eingefd)obene Leiften zus fammengefügt geroefen. Wie diefes gemeint fei, ift nicht ganz Far; wenn aber Hr. S. in feinem mofaifhen Recht €. 305 fagt: „Die Wände des Zeltes beftanden aus 336 | Saalſchuͤtz, Archäologte. vergoldeten Brettern, die durch ftarfe Hafen zufammen- gehalten wurden”, fo ift diefes unvidjtig. Die Zufams menhaltung gefhah durch Stangen, die durch goldene an der Außenfeite der Bretter angebrachte Ringe gefchoben wurden. Berner heißt es: „Oben darüber” lagen nad innen ein Teppich, nach außen Welle, bie an den Wänden faft bis zum Boden hinabliefen.” Auch tieB ift nicht richtig, denn über dem Foftbaren Teppich, der ble Deffnung des Bohlengerüftes nad) oben’ flog und innen an ben Wänden hinabhing, lag nod) ein anderer minder foftbarer, der über bie Wände hinausreichte und außen an denfelben binabhing, unb auf diefem erft waren bie Felle. Wenn es G. 113 heißt, die Kundſchafter Rum. 13 . haben die Traube auf einer Stange getragen, fo ift bae wohl nur ein Verſehen, fo wie aud) bie Bemerkung: „Die Redensart wieder den Stachel leden (πρὸς κέντρα λακτίζει») Apoftg. 26, 14, ift wohl ſchwerlich von einem Inſtrumente zum Antreiben hergenommen, das man ben Thieren bod) nicht vor bem Maule hielt" (S. 106) nur auf einer Uebereilung zu beruhen fcheint, denn λαχείξειν heißt ja nicht (eden, fondern mit bem Fuße ausfchlagen, calcitrare (Vulg.). Mebrigens will burd) biefe Bemerkungen das oben ausgeſprochene Urtheil über den Werth unb bie Braudh- barkeit des Buches nicht abgeſchwaͤcht werben. Welte. Kopp, Geſchichtsblaͤtter. 331 6. Gefchichteblätter aus der Schweiz. Herausgegeben im Verein mit mehreren Mitarbeitern von 3. 2. Kopp, Profefior, auswärtigem Mitglied der kgl. Akademie der Wifienfchaften in München, correfp. Mitglied der kgl. Akademie der MWiffenf. zu Berlin sc. Der erflen Bandes (Jahrgangs) drittes Heft. Lucern, S. u. A. Stoder. 1854. Preis 1 fl. 18 fr. Das vorliegende Heft der Geſchichtsblaͤtter aus ber Schweiz enthält verfhiedene in die Geſchichte des Mittels alters einfchlagende Abhandlungen, firden- unb profans hiftorifchen Inhalts. Gleich bie erfte Abhandlung: „Er⸗ innerung an Frowin, Abt zu Engelberg und fein Jahr⸗ bud. 3. 1147 — 78" von $. v. €. (Dr. von Liebenau) fenft unfre Aufmerffamfeit auf eine nicht unbedeutende fichliche Perfönlichfeit des Schweizerlandes, auf ben frommen und gelehrten Abt Frowin, beffen für bie damalige Papſt⸗ und Kaifergefhichte wichtiges Jahrbuch (von Beginn hriftlicher Zeitrechnung bis 1175 reidjenb) und, wie der Berfaffer in Ausficht ficit, bie Monumenta Germastoniae hirica von Per& in Bälde bringen werden. Auf biefe zu erhoffende Publication will die vorliegende Abhandlung einftweilen vorbereiten unb aufmerffam machen: fie befpricht zunaͤchſt hauptſäͤchlich Frowin's Verhältnig zu St. Blafien im Schwarzwald, wo verfelbe bie erfte Zeit feines Ordenslebens zugebradt. Es folgen hierauf: 2) Salzburg gegen Drfterreih und Baiern. S. 1289 — 91. 3) Urkunden aus Piſa, S. 1310 — 12. 4) Des römifchen Königs Siegmund Stellung zu den Gibgenoffen, S. 1411 — 14 von 3. G. A. 5) Beiträge zur Geſchichte des Stanfer Berfomnifes von A. Ph. v. S. 6) Bapft So» — 938 &opy, hannes ber Zehente. 7) Zur Tell-Sage. 8) Urkunden⸗ lefe; als Zugabe enblid) vom Herausgeber: 9) Heinrich VIL und feine Zeit. Die nidt namentlich bezeichneten 9 uffáge find fümmtli von bem als Gefdidteforfdet anerkannten Herausgeber der Geſchichtsbläͤtter. Beſonderes Intereſſe für eine literarifhe Anzeige in dieſen Blättern bat — ba ihr Oegenítanb vornehmlih ein kirchen⸗hiſtori⸗ fher ift — die Abhandlung No. 6: „Papſt Johannes der Zehente αἱ Erzbifchof von Ravenna und fein Bontis ficats-Antritt in Rom, S. 905 — 14. L von V. Sy. D. (Vikar S. Düret in Zittau, jebt Bifhöflicher Kanzler in Solothurn), deren Refultate wir hier in Kürze mittheilen. Bekanntlich ift ba6 zehente Jahrhundert wieder neis erdinge Gegenftand eingehender Hiftorifcher Forſchung geworden, und es hat fid) als Refultat der darüber in leßter Zeit geführten Unterfuhungen herausgeftellt, taf jene fo trübe Schilderung, welde hauptſaͤchlich Baronius in übel geleiteter Gewiflenhaftigfeit von kirchlichen Per⸗ fonen unb Zuftänden jener Periode entworfen und aud in die Gefdjidtífrelbung der folgenden Zeiten überges leitet hat, zu grell und vielfach unridjtig if. So Manches war allerdings (don früher geíd)eben, um jene Darftellung, welche die Proteftanten natürlih nur allzugerne von bem großen katholiſchen KirchensHiftorifer adoptirt hatten, zu berichtigen. Mabillon, die Verfafier der histoire literaire de France, 2eibnig, Duratori u. A. haben in diefer Rich⸗ tung gearbeitet. In den letzten Decennien haben Hod und Höfler butd) ihre Arbeiten über einzelne Päpfte des Jahrhunderts, Berg burd) feine Monumenten- Sammlung, die Ranke'ſchen Jahrbücher des deutſchen Reihe (f. v. Abhandlungen von aig, Dönniges, Giefebred)t, Wil Geſchichtsblaͤtter. 339 manns), G[rórer unb Damberger durch ihre Geſchichts⸗ werke neues Licht verbreitet uͤber manche bisher dunkle Punkte dieſer Periode, unb in dieſen Blättern hat „ber wiffenfchaftliche Suftanb im jübweftliden Deutfchland unb ber nörbliden Schweiz während des IX., X. und XI. Jahrhunders“ (f. Quartalfchrift Jahrg. 1838) feine ein» gänglihe Darftellung und Würdigung gefunden. Auch Herr Duret Bat. ὦ in der nämlichen Periode feinen Gegenftanb gefucht, ben er mit Scharffinn und einer durch⸗ aus anerfennenswerthen Gründlichfeit abhandelt. | Des Baronius unzuverläffiger Gewährsmann in . diefer genannten Periode, welder den arglos fid) ibm Anvertrauenden öfters irre geführt, ift aud) bie einzige Quelle über Johann’s X. Leben und Bontificats-Führung. fiutpranb, der Ehronift, Bilhof von Gremona, deſſen Schmähfuht und Unguverläffigfeit — befonders wo ἐδ Paͤpſte der vorsottonifchen Zeit gilt — durch neuere Sot» hung mehr und mehr an's Licht geftellt worden, entwirft aud) über Johann X. unb die Art feiner Erhebung auf den bí. Stuhl eine Schilderung, bie nit dunfler fein fónnte. Auf den erften Blick zeigen ὦ Ungenauigfeiten oder vielmehr offenbar unrichtige Angaben, bie unmittelbar auffordern,. das Ganze des Berichtes ἔτ {ὦ zu unter» fuden. Unfer Verfaffer genügt biefer Pflicht in vollem Maße. Hören wir, bevor wir bie Kritik fprechen laflen, vorerfi Liutprand felber: „Joannes von Ravenna gebürtig, — fo lautet der Beriht — war unter Erzbifhof Betrus Gferifer an ber Gatfebralfirdje feiner SSaterftabt, und wurde von bem» felbet, ba das Subordinationsverhältnig Ravenna’s zu Rom häufigen Firchlichen Verkehr veranlafte, wieder- Theol. Quartalſchrift. 1856. II. Heft. 23 340 Kopp, holt (sacpius et iterum) zum Papfte abgeorhnet. In Mom aber hatte damals ein Weib beinahe alle Regierungs« gewalt in Händen, Theodora mit Namen, eine audges fdámte Buhlerin. Johannes, von blühender Jugend und fhöner Geftalt, jog nun bei feiner öftern Anweſenheit zu Rom die lüfternen Slide der Theodora auf fid) und fief fi gewinnen, ihr Buhle zu fein. Su diefer Zeit fällt das Bisthum Bologna in Erledigung, und Johannes wird zu dieſer Würde erwählte. Aber gleih darauf (paulo post), nod) bevor er bie bifhöflihe Weihe empfangen, ftirbt in Ravenna Erzbifchof Petrus, und Sohannes von Ehrgeiz aufgeblafen nimmt nun auf Antrieb (instinctu) der Theotora gegen die Vorſchriften der heil. Väter, nadbem er die Kirche von Bologna verlafien, den erledigten Cig von Ravenna ein (sibi usurpavit); unb nad) Rom eilend erhält er gleih darauf (mox) bie bifhöflihe Eonfecration. Rah kurzer 3wifdem jeit (modica temporis intercapedine) ftirbt von Gott abgerufen der Papft, der ihn ungefegmáfig confecrirt δαί. Da zwingt Theodora, um nit allaufelten bie Umarmungen ihres durch zweihundert Meilen von ihr ge trennten Liebhaber zu genießen, unfern Joannes, das Erzbisthum Ravenna zu verlaffen und den römifchen (pro nefas!) oberftbifchöflihen Stuhl einzunehmen.” (Liutprandi Ticinens. historia rerum per Europ. gestar. bei Muratori scriptt. rer. ltalicar. II, 1. 440.) Diefes im Wefentlihen der Inhalt des Liutprand’, fhen Berichts. Suvórber(t nun ermedt es, wie der Verf. S. 219 mit Recht geltend madjt, eine ungünftige Ber- muthung, daß Liutprand bei verfhiedenen Gelegenheiten vom Papſte tebenb, bod) niemals einen Namen nennt. Geſchichtsblaͤtter. 241 Um ſo auffallender wird dieſes Verſchweigen des Namens, da hier, wie geſchichtlich zu erweiſen, ein Zeitraum be⸗ ſchrieben wird, durch deſſen Verlauf nicht Einer, fondern verfchiedene (drei) Päpfte bie Kirche regiert haben. Und in's Befondere verdächtig — das fügen wir hinzu — ijt die Wendung: „modica temporis intercapedine, qui eum injuste ordinaverat, papa defunctus est^ $Hier war, wenn je eine Aufforderung für den Scribenten, ben Namen des Papftes zu nennen; denn eine berartige wies berbofte Anwendung dieſes Namens, wie fte hier ſtatt⸗ findet madjt ben Ginbrud des Nichtwiſſens ). In ber That: „wenn genaue Einzelangabe des Geſchehenen — bemerkt der Verf. treffend — ſchon ein günftiges Vor⸗ urtheil für bie Glaubwürdigfeit eines Hiftorifers erweden, [o bietet Diefür Liutprands obige Darftelung nur geringe Bürgſchaft. | In's Einzelne eingehend, weift unfer Berf. bem Ehroniften mehrere ganz unläugbare Verftöße ober viel mehr Fälfhungen — denn anders Tann man fie bei Liutprands befannter Tendenz nicht nennen — auf. Es find Hauptfächlich folgende: 1) find bie Verfegungen So» hann's X. auf den bifchöflihen Stuhl von Ravenna unb von ba nad) Rom nidjt fo [Φ πεῖ, gleihfam im Sprunge auf einander gefolgt, wie Siutpranb glauben madjen will. Die erfie Promotion allerdings, von Bologna nämlich nad) Ravenna, mag bald (paulo post) auf feine erftma- lige Defignation zum Biſchof erfolgt fein. Wenn aber 1) Denn vie bifchäfliche Weihe erhielt Sohann X. erſt nach feiner fBerfe&una vom Bononienftichen Gpiécopat auf beu Erzſtuhl von Ravenna, wie das Liutprand felbft gefteht mit den Worten; ante hujus diem cousecrationis nominatus Ravennat. archiep. mortem obiit. . . 23% za2 Kopp, Liutprand andeutet, daß Johann X. ebenfo ſchnell (modica temporis intercapedine) auch wieder von Ravenna weg nach Rom verſetzt worden ſei, ſo hat er damit Unrichtiges angegeben. Denn Johann X. ſaß nachweislich neun ganzer Jahre, d. i. von 905 — 14, auf dem Stuhl zu Ravenna, und einen ſolchen Zeitraum kann man doch mobi nicht ,modicam temporis intercapedinem* nennen. 2) ift es geradezu [α ὦ, daß derjenige Papſt, beffen Nahfolger Johann X. auf Petri Stuhl wurde, ibm bie bifhöfliche Eonfecration für Ravenna !) gegeben. Denn Johann X. Vorfahrer im römifhen Pontificat, Sanbo, faf nur ſechs Monate auf bem bi. Stuhl; Lando’s Vorfahrer, Anaftaftus IIL, wurde erft 911 Papſt, folglih fann eg hoͤchſtens Lando’s dritter Vorgänger, Sergius fein, der unferm nachweislich fdjon um 905 zu Ravenna regierenden Johann X. die bifchöfliche Weihe ertbeilte. S. 218. 19. Dieſer Sergius aber, der jedenfalls vor 905 [don Jos banned. X. von Ravenna confecrirte ift. nicht, wie Liut- prand will, modica temporis intercapedine zur Strafe für tiefe angeblich facrilegi(d) ertheilte Weihe aus bem Leben abgerufen worden, fondern erfi 011, b. D. nad) fünf Jahren. Einen dritten Einwand dagegen, ben unfer Berf. gegen die Glaubwürdigkeit des Liutprand’fhen Berich⸗ tes erhebt, Fönnen wir und nod nicht zu eigen maden. Der Berf. ftellt e$ nämlih €. 219. 20 geradezu in Abreve, daß Johann's X. Vorgänger auf dem Raven» natifhen Stuhle „Petrus“ gebeifen habe, wie Giutpranb angibt. Denn, bemerft er, e8 [εἰ fein einziges hiftorifches 1) Liutprand Tennt wohl Papſt Sergius, Johann's X. dritten Vor⸗ gänger, nicht aber Anaſtaſius und Lando, welche zwifchen Sergius und Johann X. auf Betri Stuhl faßen. Geſchichtsblaͤtter. 343 Document vorhanden, welches eine Spur von dieſem Petrus aufweiſe; vielmehr ſtehe die Aufnahme dieſes Namens im geraden Widerſpruch gegen die älteſten Bons tificals Kataloge von Ravenna. Auch fei ziemlich audges macht, daß Johann IX., Erzbifhof von Ravenna bis 904 regierte, während wir a. 905 ſchon Johann X., ben nad» maligen Papft auf feinem Stuhle anträfen. Folglich fei für einen Petrus fein Plab mehr. Hiegegen müffen wir Folgendes bemerfen. Es iff gerade in biefem (X) Jahr» hundert, daß wir in der Reihe der Ravennatifchen Kirchens fürften ſolche Bifchöfe treffen, weld)e vorher — bevor fte zur Mlleinregierung famen. — Hilfsbiſchoͤfe, Goabjutoren ihrer Borgänger waren. Nun fommt aber gerade ber Name eines gewiffen „Petrus” unter der Zahl biefet $ilfe6iffófe vor, und auf gemiffe nicht aus Liutprand genommene Daten geftüßt, haben ihn die Gombinationen neuerer Borfcher mit großer Wahrfcheinlichfeit aufs 9. 904 gefegt, wobei dann freilich bleibt, daß feine Alein- regierung — nad) Johanns's IX. wahrfcheinlih a. 904 erfolgten Tode — nicht ganz oder faum ein Jahr anges dauert. Die erwähnte Annahme gründet fid auf ein Datum des berühmten, auf der Münchener Bibliothek befindlichen „Codex traditionum ecclesiae Ravennatensis“ !), ben J. B. Bernhart herausgegeben (in v. Aretin’s Θ εἰν trägen zur Geídjid)te und Literatur. München. 1807. 90. 8.). 1) Diefer durch fein hohes Alter — alle Kennzeichen verweifen feine Entſtehung in die erfte Hälfte ober in die Mitte des zehnten Safes hunderts — merkwürdige Coder enthält alle durch die Ravennatenfer Bifchöfe von 688 — 950 ungef. vorgenommenen Infeudationen,, freilich ohne jedes djronologifdje Datum, weßwegen man bei feiner Benägung ganz auf weitläufige Kombinationen verwiefen ift. 344 Kopp, Dort wird S. 75, 76 ein Berzeichniß der auf das „territoriam Ausimanum“ gemachten Belehrungen ein „Petrus“ unver, fennbar ale Mitbiſchof des Ravennatenfer Erzbiſchofs Gailo angegeben. Diefer Gailo ift nad) der Angabe Bernharis, ber fid) bei feiner Annahme aud) auf Amadeſis berühmtes Werk disquisitio in antistitum Ravennat. chronotax. Favent. 1783, flüzt (f. €. 14) — fein anderer, als Johann IX, welcher von 898 — 905 regierte. b. für biefe Identifi⸗ jirung des Gailo und Johannes Bernhart, der Heraus geber des Codex unb der frühere Amabeflus nod) andere Gründe haben, als folde, bie aus erwähnter Urfunde genommen find, wiffen wir nicht, da uns Amadeſius nicht zur Hand ift, und Bernhart fid mit Diefer feiner Vor⸗ ausfegung einer Identität feiber ganz auf Ichtern zu fügen fcheint. Aber jedenfalls laſſen fchon bie an oben erwähnter Etelle über die Bifchöfe Gailo, Petrus und Honeftus (L v. 920 — 27) gemahten Angaben faum anders ſchließen, als daß Eailo mit Johann IX. ibentifdy. Dann ift natürlich des in Frage flehenden Petrus Epis- copat aufs J. 904 geſichert. Wir glauben bemnad, daß man — wenn aud) immerhin die Cadje nod) nidt zur vollen Gewißheit gebradjt — vorderhand giutprant'ó hierauf bezüglihe Angabe nod) nicht geradezu verwerfen fann, wie der Berf. thut. Uebrigens geftehen wir fefeft; daß aud) in biefem nicht unwahrfdeinlichen günftigeren Falle iutpranb nicht viel gewinnt. Ein Chroniſt, bcr — aller Wahrheit entgegen — feinen Johann X. im Sprunge gleihfam von Bologna über Rovenna nad Rom fommen läßt, nur um bie angcblide von Johannes im Klcrifals ftande begonnene Buhlſchaft recht warm zu erhalten unb eine adjtjágrige Trennung beider Buhlen in Vergeſſenheit Geſchichtoblaͤtter. 345 zu bringen, ein Chroniſt ferner, der ebenſo gegen alle Wahrheit der Geſchichte den Conſecrator Johanns zur Straſe ſogleich ſterben laͤßt, der endlich die ſchon vor der Erhebung auf ben roͤmiſchen Stuhl von bem Gehaßten wirklich erworbenen Verdienſte verſchweigt: ein ſolcher Geſchichtſchreiber zeigt allzu deutlich, daß ihn das Intereſſe beherrſcht, ſeinen Mann ſo dunkel als moͤglich zu zeichnen und vor Allem zum Glauben an die Fortdauer ſeiner Buhlſchaft zu noͤthigen. Darum ſagt er auch, Johann X. [εἰ als Kleriker „saepius et iterum* nad) Rom gekommen, da ſein Committent Petrus (IV.) kaum ein Jahr regierte, ſomit ſchwerlich eine zweimalige Sendung veranſtaltet haben kann. Aber auch geſetzt: dem ſei alſo. Immerhin bleibt das „saepius et ilerum** (welches eine im Örynde unnöthige Notiz gibt) auffallend und zeigt in Verbindung mit jenen Ausbrüden: paulo post, mox, modica temporis intercapedine etc. die Tendenz des Ehroniften allzu beute fi. Unſer Verfaſſer verweilt einige Zeit bei Johannes X. Ravennatifhem Pontificat, welches Liutprand mit Fleiß als ganz furg vorübergehend [difbert, nur damit bie fpätere Erhebung auf Petri Stuhl als Gadje ber reinen Willführ erfcheine, und Niemand Beranlafjung habe an wirflihe Verdienfte des SBromovirten zu denfen. Johann X. mar, wie ©. 230 ff. nachgewieſen, ein Fräftiger Biſchof, der bie Güter feines Stuhls trefflid) verwaltete unb beffen Jurisdictionsrechte energiſch wahrte. Wie aber — war denn nicht vielleicht ſchon Johann's Eindringen in's Ravennatiſche Episcopat ein Verbrechen? Liutprand ſagt es: es ſei „contra sanctorum patrum in- stituta, bag er fein Bisthum Bologna verlaffen und jin- slincty Theodorae‘“ ten Stavennati(den Stuhl ufurpirt 446 . Kopp, habe. Wiederum eine verläumderiſche Beſchuldigung! Denn Johann X. war für Bologna nod) gar nicht con» fecriet, folglich durfte er mit Recht Nach Ravenna über- gehen. Daß enblid) biefe Promotion „instinctu Theodorae“ gefchehen, glaube wer da will. Da müßte ja Theodoras Arm nad) Ravenna gereicht und das ganze Domcapitel umgeftimmt haben? S. 228. 28. 9tad bem Befagten haben wir denn aud Grund genug, was Liutprand über bie Art und Weife ber Gr» hebung Johannes X. auf. Petri Stuhl vorbringt, als un» . glaubwürdig zu betrachten. Unfer Verf. ruft aber nod) feiner Verbächtigung gegenüber zwei Zeugen auf, beide älter αἰδ der Bilhof von Gremona, ja Zeitgenoffen des Papftes, die beide höchft chrenvoll von Johannes römifchem Pontificat fprehen. Der Eine, der Panegyrift faifer Berengars, nennt ihn (in feinem IV. Gefange de laudibus Berengarii) „einen Mann, ausgezeichnet in feiner Amtes verwaltung, von hoher Weisheit erfüllt, und wegen feiner ‚Verdienfte lange fhon (von der Vorfehung) aufgefpart zu diefem Berufe (der Krönung Berengars nämlich)". Sa er vergleicht ihn mit Papft Cpolvefter 1, Wie hätte et e8 wagen fónnen, wenige Jahre nad) feiner fo [ἀπο lichen Erhebung alfo zu reden! Gbenfo ehrenvoll vom Papſte fpridt Flodoard von Rheims, beffen Seugni um fo höher zu achten, ba derfelbe, wenigftens für feine Kirche, wegen eines ungünftigen Entſcheids Grund hatte, fid) über ben oberften Kirchenfürften zu beffagen, und fidi in der Sat auch deßwegen beflagte. Dieß Alles f. Ὁ. 227 ἢ. Einen Anhaltspunkt für die Verbächtigungen des Gremonen[eré mag ber Umftand gegeben haben, daß, wie unfer Verf. €, 225 nad einer Etelle im Chronicon Benedicti (bei Geſchichtsblaͤtter. 347 Pertz, Monum. v. 715) zu erweiſen fucht, Johann X. wirk⸗ lich ein Blutsverwandter Theodora's und Pathe ihres Kindes war — eine Beweisführung indeß, welche uns, angeſehen das ſchlechte Latein der Chronik und ihren ver⸗ worrenen Ausdruck, an einem Haare zu haängen ſcheint. Aus dem Angeführten mag erhellen, mit wie großer Grünblid)feit und wie ſcharfſinnig der Verf. feinen Ges genftand erforfcht. Eine Fortfeßung feiner Unterfuchung, welche was man immer auch über einzelne Refultate benfen möge — neues Licht über bunfíe Punkte biefet SBeriobe zu verbreiten nicht verfehlen wird, fann nur vers dienftlich und ermünfdt fein. | Stepetent. Kerker. 1. Aachrichten über Thomas von fumpio, nebft einem An- hange von meiftend noch ungebrudten Urkunden von 3. Mooren, Pfarrer in Wachtendonk. Crefeld. Verlag von €. Gehrich ἃ Comp. 258 ©. Pr. 1 fl. 28 fr, Sedem Freunde des Thomas von Kempis muß εὖ willfommen jein, über beffen Lebensumftände und Lebens⸗ verhältniffe etwas Genaueres und Zuverläffigeres zu εἴν fahren. Es ift einmal fo der Menfhen Art, gerne ein Lebensbild von bem Manne vor Augen zu haben, ben man verehren gelernt hat. Wer fónnte aber „die Nadıs folge Ehrifti” fefen, ohne ein Verehrer des Verfaflers derfelben zu werden? In der vorliegenden Schrift wird - biefem Berlangen, binfichtlih des Thomas von Kempie in einer Weife Genüge getban, daß jeder Freund dieſes [υ befcheidenen und fo verbienfteollen Mannes dem Verf. rj 348 Rom, zu großem Dank verpflichtet ij "). Es gehörte feine ge- ringe Verehrung ber Perfon unb feine gewöhnlide Aus- dauer dazu, dreißig Sabre lang überallber Nachrichten zu fammeln, um ein wo möglidy getreues und vollfländiges Bild von Thomas von Kempis zu geben. — Mooren δαί fid) aber in feinem Schriftchen nicht bloß al® ein unermüblider Sammler erwielen, fondern mit kriti⸗ ffem Einne tie Radridten gefiditet und zu einem ſchön verarbeiteten. Ganzen zu ordnen gewußt. Soweit Lüden ſühlbar find, liegt e& nicht in ber Schuld des Berf., fon» dern der Berhältnifie. Einmal hatte M. wenig Hoffnung, in den ihm zugänglichen Kreifen weitere Documente aui» gufinben, ‚und fobann fann c6. ihm Niemand verübeln, daß er nad) 30jábrigem Sammeln die Cade zum Abſchluſſe zu bringen ſuchte. Zuerfi wird der Zuftand Deutfchlands, insbefondere der untern Rheingegend, in der Mitte und gegen das Ende des vierzehnten Sahrhunders gefchildert, fobann Einiges über Kempen, die Gchurisfladt des Hemerfen, vor und während feiner Jugendzeit berichte. Die Sw gendbildung des Thomas hat dem Berf. mit Recht Ber: anlaffung gegeben, interefiante Nachrichten über Gerard (root und Priefter Florentius, fo wie über bie Schickſale der Oenoffenídjaften der Brüder vom gemeinfamen eben wie aud) der mit ihnen in Verbindung geftandenen Klöfter nad ber Regel des bf. Auguftinus zu geben. Der Berf. verfolgt die Spuren feines Thomas von ber Geburts: fláte an ganz genau, wie er guerft nad Windesheim 1) Auch nach ber Arbeit von Ὁ. Pähring (f. Otlſchr. 1850, ©. 344) war eine im Fathl. Geiſte gefchriebene Biographie des Thomas yon Kempen ganz am Plage. — Thomas von femple. 349 fommt, wo fein Bruder Johann Prior bei ben Auguftinern geworden war, wie er, nachdem er einige Zeit zur Genoffens [haft der fommen Abfchreiber gehört Hatte, auf den Rath des Florentius in das Klofter St. Agnetenberg geht, unb nad) fehsjährigem Noviziate zu den Gelübben der Drbené» regel und nad) weitern ſechs Jahren zur Priefterweihe zus gelaffen wird. — Das übrige Leben unfere Thomas verlief ὦ in Höfterlicyer Abgefchiedenheit unter Gebetsübungen, Bücher» abfehreiben und Berfaffen von Echriften, die feinen Namen weit über die Kloftermauern und über feine Zeit hinaus- getragen haben. Nebenbei verfah er zeitweilig das Amt eines Schaffners und eines Subpriors, bis er 92 Sabre alt im Juli 1471 felig im Herrn ftarb. — — Der Berf. entwirft nod) ein Bild von ihm nad) feiner leiblihen Erfcheinung und nad) feinem geiftigen Wefen, redet von feinen Denfmalen in feiner Vaterſtadt und an⸗ derwärts, von ber Grabftätte beffelben und ber Erhebung feiner Gebeine. Ueber bie Frage, ob Thomas von Kempis ber Verf. des berühmten Buches über bie Nachfolge Ehrifti ſei, bat M. feine eigenen Unterſuchungen angeftellt, fondern nur über ihren Verlauf und gegenwärtigen Etand referirt. Es gilt ihm namentlih nad) ben Unterfuhungen Malou’s als eine unwiderlegbare Wahrheit, daß fein Anderer als Thomas von Kempis ber Berf. fein fónne !). Zu erwähnen ift nod), daß bet Biographie G. 215 — 257 Urkunden beigegeben find, welche fid auf ben Ort Kempen, die familie Hemerfen, auf die Erhebung bet 1) €. über tiefe &treitftage die forgfältige Befchreibung ber Gobiceé von ber „Nachfolge Gürifti" von Nolte in ber βιί τί für kathol. Theologie von Scheiner und Qüuele. VIL. Heft, 1 κα. 2. — 350 Mooren, Thomas von femplé. Qebeine des Thomas beziehen; in jeder Beziehung eine werthvolle Beigabe! — Die fleine aber gehaltvolle Schrift fann allen Ber ehrern des Thomas von Kempis empfohlen werden. — 8. 1) Hebung der djviftlid)en Wollhommenfjeit von Alphons Kodrigutz, Pr. d. 8. J. Neu überfegt von Chriſtoph Kleyboldt, Prieſter ber Diöceſe Münſter. Mit hoher oberhirtlicher Genehmigung. 3 Bde. gr. 8. €. 490. 480. 393. Mainz, Verlag von Br. Kirchheim 1854 — 55. Pr. 3 Rthlr. 18 Ggr. — Daffelse in 6 Bon. EL. 8. bei der Medhitariften-Gongregation in Wien. Dritte Auflage 1854. Pr. 3 Rthlr. 18 Gar. 2) Meditationes ad usum cleri per singulos anni dies, | sumptae ex dominicarum evangeliis. Opus Rmi. D. Angeli A. Scotti, Archiepiscopi Thessalon. — Latine reddidit Joh. Chrys. Mitterrutzner, can. reg. Later. Ss. theol. Doctor etc. 4 tomi kl. 8. p. 287. 323. 327. 332. Oeniponti, typis et sumtibus Wagnerianis. 1854 — 55. Pr. 3!|, Thir. Die „Hebung ber driftfiden Bollfommen- heit“ von Alph. Rodriguez behauptet fdon feit mehr ale zweihundert Jahren einen ehenvollen Platz in ber asceti⸗ (hen Literatur. Mit Recht fdjdpen ihn feine Ordens genofen immer mod fehr bod) und ſuchen ihre Novizen nach feinen Grundfägen heranzuziehen. Wenn aber aud biefe Anleitung vorzugsweife für die Mitglieder ber Ges ſellſchaft Sefu gefdrieben ift, fo ift ihre Haltung und Stobrigueg, Mebung der Vollkommenheit. 351 Durchfüͤhrung bod) der Art, bag fie aud) der Weltflerus und überhaupt alle Seelen, welde nad) einer höhern chriſtlichen Vollfommenheit ftreben, mit febr großem Nußen gebrauden. Selbſt der dritte Theil, der baupt(ádjfid) bie Geſellſchaft Jeſu im Auge Bat, ift nicht fo ſpecifiſch für Regularen, daß nicht das Meifte darin aud? auf Welt leute, beſonders Weltflerifer Anwendung fände. — Es fann nicht unfere Abficht fein, uns hier in eine Detailbefprehung des genannten Werkes einzulaffen, für defien hohen Werth und practifhe Brauchbarkeit ſchon der Umftand genuglam fpriht, daß es bisher burd) Fein ans deres Werk feiner Art verdrängt werden konnte. Wir wollten nur furg auf bie zwei beut(den Meberfeßungen aufmerffam machen, melde in neuerer Zeit von Rodtis guez's „Anleitung zur hriftlihen Vollkommenheit“ erfhienen find. In den Jahren 1836 — 39 veranftaltete die Medis tariften = Gongregation zu Wien eine deutſche Ausgabe unferes Werfes in 6 Bänden. Diefelbe fand foldjen Ans fang, daß bereit8 eine dritte Auflage davon nothwendig wurde. — Zu gleicher Zeit, alà biefe dritte Auflage ausgegeben wurde, bearbeitete Kleyboldt eine deutſche lleberfepung von Rodriguez, die nun vollendet in drei Bänden vor ung liegt. Diefe beiden Ueberfegungen find nicht nach den gleichen Driginalien bearbeitet. Kleyboldt arbeitete nach einer franzöfifchen Ueberfegung, die Mechitariften nad) bem fpa» nifchen Urtert und der lateiniſchen Weberfegung. Die franzoͤſiſche Ueberfegung fcheint hie und ba etwas frei gehalten zu fein, daher weichen aud) bie genannten beuts (Ben Ueberfeßungen ein wenig von einander ab, jeboch in 352 Ülobrigue,, Uebung der Vollkommenheit fo unwefentlichen Etüden, daß es nicht der Mühe Werth it, fie weiter zu verfolgen. Dagegen wird gerne aner- fannt, daß beide Ueberſetzungen wie von großer Eorgfalt und Gemiffenbaftigfeit fo aud) von großer Gemanbtbeit in Handhabung ber deutfhen Sprache Zeugniß geben. — né: befondere zeichnet fid) bie Ueberſetzung von Kleyboldt durch Reinheit und Gíütte der €pradje und durch einen fo na» türlihen δίιβ der Rede aus, daß man faum eine lieber: jegung vor fid) zu haben glaubt. Was aber bie lleberfebung Kleyboldts in — biefer Beziehung voraus hat, erfegt bie Ausgabe ber Mechitariften burd) eine fhöne typographifche Ausftattung Der Drud der letztern ift. bel und weit, während bei der erftern burd) engen die Augen etwas beláftigenben Sag die Abs fiht auf Papiererfparnig ſtark hervortritt. — Im Breife find beide Ueberfegungen jet. gleichgeftellt, ba bie Mechitariften den frühern Preis von 5 Thlr. auf 3 Thlr. 18 Sgr. herabgefcht haben. — 2) In dem zweiten der oben genannten Werfe bietet Scotti dem Geiftfidjen ein reiches Material zu täglichen Betrachtungen. Es hat feine Echwierigfeiten, wenn ein Priefter jeden Tag einen treffenden Betrachtungsftoff aut: wählen und für feine eigenthümlichen Beduͤrfniſſe fruchtbar maden will. Ein Hülfsmittel biegu muß daher unter vielen Umftänden willfommen fein. Es fehlte bisher allerdings nidt an foldyen, bie theils für Geiftliche allein, theils für ©ciftlihe und Laien eingerichtet find. Ich er innere nur an Boppert D, an die ver(diebenen Bearbeir tungen der Erercitien des bf. Ignatius, an Avancinus IE. Duartalfrift 1854, p. 676. Scotti, meditationes, 353 (vita et doctrina J. Christi), an Beveullet (Betrachtungen für ben geiftlihen Stand, überfegt von Mettenleiter, 1852), an Boiffieu (das Evangelium Jeſu Ehrifti in Betrach⸗ tungen auf alle Tage bes Jahres, überfeßt von Singel, 4 Bde., 1843), an Tanner u. A. — Scotti hat bie dieß— fälligen Bedürfniffe eines Geiftlihen in feiner Arbeit ganz befonders zu würdigen gewußt. — Der Betrachtung iſt ein Tert vorausgeftellt und zu Grunde gelegt, welcher ber Evangelien-Pricope des vorausgehenden Sonntags ent» nommen if. Im Anfhluffe an jenen Sext werben drei Betrachtungspunfte aufgeftellt und fofort entwideft. Die erweiternden Gedanken {ΠῚ der Berfaffer in der Regel mit eigenen Worten auf, unterftügt fie aber faft durch⸗ gängig mit Etellen aus ber bf. Schrift und ben Kirchen— vätern, fo daß nicht fofaft er als biefe zu reden fcheinen. Die Anwendung der Shhriftftellen würde freilich vor ber eregetifchen Wiffenichaft vielfach ſchwer beftehen. Aber in , bet agcetifchen Literatur bat man es hinfichtlich biefeó Punk⸗ te8 nie fo genau genommen, fondern der allegorifirenden Deutung großen Spielraum gelaffen. Mitunter hat jebod) Cc. einen zu ausgedehnten Gebrauch von biefer Freiheit gemadjt. Der Hauptfache thut inbeffen biefed nicht viel Eintrag. Für die Eamftage des ganzen Jahres find bie Betrachtungen in Verbindung zu dem Objecte eines ber Sefte der feligften Jungfrau Marin gebracht. — Jeder Priefter wird unzweifelhaft aus biefem Buche, wenn er e$ feinen täglichen Betrachtungen zu runde legt, großen Nugen fehöpfen; 'benn er findet darin ein für feine Berufs und Standesverhältniffe berechnetes wohls verarbeitetes Material. Sind dem Einen oder Andern die einzelnen SBunfte zu weit ausgeführt, in die Aus⸗ 9354 Scotti, ineditationes. führung zu viele Citate eingemifht, fo fann er fid) vor» zugsweife an bie Hauptpunfte halten und bie Entwidelung in’s Einzelne felbft vollziehen. — Die große Brauchbarkeit diefes Buches hat demjelben in Stalien, wo es im S. 1844 in italienifher Sprade erſchien, große Verbreitung verfhafft, und ben Bifchof von Cayeur beftimmt, eine Ucberfegung in franzöftfcher Sprache veranftalten zu [affen, weldje im 3. 1850 αι“ gegeben 'wurde. Mitterrugner wollte diefes Buch nicht blos den Geiftlichen eines Landes, fondern aller Länder zugänglich machen, unb hat εὖ daher in bie lateinifche Spradye überfegt. . Er hat feine Meberfegungsgrundfäge in feiner Vorrede dargelegt, aber nad) der franzöfifchen Veberfegung zu ſchließen (das ital. Driginal ift uns nidt jut Hand), bie fid) für eine wörtlihe ausgibt unb εὖ unverfennbar ift, haben wir aud) in ber Meberfegung M.'s eine wortgetreue. Diefelbe verdient alles Lob; fie ijt fichtfich mit großem Fleiße und mit forgfältiger Auswahl des Ausdruckes ausgearbeitet. — Die franzöftfhe Ausgabe hat an dem Schluſſe einer jeden Betradhtung nicht von bem Üeberfeger (Duclos), fondern von einer dritten Perſon (Hugot) herrührende furje Nubanwendungen (pratiques), die recht gut find. Die lateinifd)e Weberfegung, bie fid) nur an das Original hält, bat deren nicht. — Weniger ftörend wäre es beim Lefen, wenn bie Gi» tationgziffern nicht in den Gert hineingefeßt, fondern wie in ber franzöfifchen Ausgabe unter ben Sext. geftellt worden wären. — Bendel. Riterarifcber Anzeiger "Nr. 3. ge Die bier angezeigten Schriften findet man in der H. Laupp'ſchen Buchs Handlung (faupp & Siebeck) in Tübingen vorräthig fo wie alle Gr» feheinungen der neueften Litteratur. S nfünbigumg. ' € eben iſt im unterzeichneten Verlage erfchienen umb in elles Buchhandlungen zu haben: Vollſtaͤndiges Heiligen-Lexikon Cebensgeſchichten der Heiligen, Seligen 1c. ⁊c. aller Orten und aller Jahr⸗ hunderte in der katholiſchen Kirche, in Bezugnahme auf das damit in Verbindung ſtehende Kritiſche, Alterthümliche, Lithurgiſche und Symboliſche, in alphabetiſcher Ordnung, mit zwei Beilagen, die Attribute und den Kalender der Heiligen enthaltend. Herausgegeben von Dr. Joh. Evang. Stadler und Fr. Joſeph Heim, Domcapitular in Augsburg. Domprediger in Augsburg. Vorſtehendes Heiligen-Lericon wird allen Intereſſen in ber MWiffenfchaft des Lebens der Heiligen zu entfbrechen fuchen und unter Sugrunbelegung des großen Werkes ber Bollanpiften (in 55 Folio⸗ bönden vom 1, Jän. bis 20. Oct. incl.) nicht nut alle Heiligen, Seligen, Chrwürdigen unb ald Fromme Vererthe aller Orte unb Zeiten vollftändig und mit furger Angabe ihrer Lebens: momente aufführen, fondern aud) auf Alles Bezug nefuren, mas dabei mit der hiftorifchen Kritik, der feftlichen eier und der Fünftlerifchen Darftellung in Verbindung (tebt. Vorſtehend angezeigtes Werf wird in monatlichen Lieferungen von 6 Bogen im LerifonsFormat erfcheinen umd in 25 Lieferungen fertig fein. Der Preis ijt per Lieferung billig auf 24 fr. oder 8 Nor. feftgefekt. Man macht fi mit Annahme der Iten Lieferung zur Abnahme bet ganzen Werkes verbindlich, wogegen die Verlagshandlung für beffen voll» fländiges Erfcheinen garantirt. Das Manufeript liegt bereits fo weit vorgearbeitet aub fertig de, daß mam mit ziemlicher Befliumtheit απ. nehmen kaun, e$ werbe nicht ἄξει 150 Bogen oder 25 Lieferungen βατῖ Augsburg, im Februar 1856. B. Schwid’de Verlagsbuchhandlung. i $8. €. Kremer. Ss der Unterzeicneten ig. erſchienen: Lateinische Hymnen des Mittelalters, aus Handschriften herausgegeben und erklärt von Φ. F. Mone, Director des Archivs zu Cerlsruhe. 8 Bände. Lieder an Gott und die Engel. Marienlieder. Heiligenlieder. Preis fl. 9. 36 kr. — Thir. 5. 24 ngr. Diese Hymnensammlung, wohl eine der vollständigsten von allen bisher erschienen, enthält über 1200 grossentheils bisher unbekannte und lediglich sus Handschriften vom achten bis fünfzehnten Jahr- hundert gesammelte Hymnen. Sie ist ebenso wichtig für den Theo- logen wie für den Historiker. Ersterem wird hier ein höchst inte- ressanter Beitrag zur Dogmengeschichte geboten, und der Historiker, der Sinn hat für das geistige Leben der Menschheit, wird in diesem Buche eine wichtige Seite eben dieses Lebens erschlossen finden. Die Einrichtung ist folgende: Nach jedem Liede folgt zuerst die Anzeige der Handschriften und ibres Alters, dann die Vergleichung derselben und der gedruckten Hülfsmittel, und hierauf die Erklärung durch Parallelstellen. Freiburg, 1856. Herder'ſche Serlagobfanblung. Tübingen. Sm Laupp’fchen Berlage (faupp € Siebech) ijt seu erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: Bautain , 8, Gegneralvicar unb Promotor ver Dideeſe Paris. Die Moral des Evangelium im Ber gleiche mit ben verfdiebenen pbilofopbi[den Moralfyftemen. Borlefungen, gehalten an bet theolog. Hafultät der Sorbonne, al6 Einleitung zu einem Guríué ber Moraltheologie. Aus dem Franzöftfchen überjegt von I. 90. Baier, Priefler der Diöcefe 3 Rottenburg. 29 Bog. t, 8. Belinpapier broch. d. 2. 24 fr. Rthlr. 1. 15 Ngr. Der gelehrte, durch feine Schriften auch in Deutfchland wohl befannte -BVerfafier Bat fich in biefem Werke die Aufgabe geflellt, durch eine Bergleichung der chrifll. Moral mit ven übrigen Morallehten, vie fid) neben und außer dem Chriftenthume geltend gemacht haben, ben Bors zug unb die Vollfommenheit der erfieren nachzuweifen. Bautain, welcher longe Zeit als Previger und afademifcher Lehrer in Straßburg, tiefer Grenzfcheive zweier Nationen, thätig war, vereinigt als Schriftficher in hohem Grade deren beiberfeitige Borzüge, Grnft und Tiefe des Gedankens mit einer Flaren lebempigen. Tarfiellung. Vebrigens if das Werk nicht gerade für ben Gelehrten vom Fach, ale vielmehr für bie gebildeten Etünvde ürerhaupt gefchrieben und fucht als folches namentlich auch den in viefen Kreifen berrfchenden Zeitirrthümern entgesenzutreten. Auch der chriftl. d vebiger bürfte darin reichhaltigen Gtoff für Kanzelvorträge n. Die Verlagshandlung hat fid) bemüht, bem Buche durch ſchoͤne Aus» flattung und billigen Preis die weiteſte Berbreitung zu ermöglichen. Bei S. Henfen ἃ Comp. in Aachen find eben erfchienen und in allen Buchhandlungen zu Haben: Iohenn Michael, Sailer. Spftematifche Anthologie aus feinen Schriften unb Lebens⸗ bifo. Bon ἃ. 9f. M. Brühl. Mit Stahlftich » SBortait. 8. Broſchirt. 22/5 Sgr. Aus Sailers fümmtfiden Schriften wörtlich ausgezogen, zerfällt diefes Werk in folgende Materien: - I. Buch. Berfönliches und Selbflfarafterifirung. TI^ Buch. Gottes Offenbarungen. II. Burh. Die Kirche. IV. Buch. Bhilofophifches. V. Buch. Der Menfch in feinem Berhalten zu Gott. VI. Buch. Ethiſches. VIL. Buch. Erziehung und Unterricht. Wenn irgend ein Werk bie Beachtung des gefammten Publikums verdient, fo ift es gewiß blefe& für alle Klaffen und Stände gleich intere effante Buch. Johann Joſeph von Górree. Ein Denkmal aus feinen Schriften auferbaut. Mit dem wohlgetroffenen Portrait in Stahlftih. kl. 8. broſch. (XXIV. und 500 | Seiten.) Preis 1 Thaler. Mer den größten Geiſt unferes Sahrhunderts in feinem Univerfals wiffen näher fennen unb beurtheilen will, findet in biefer Schrift, bie s 4 fid) über alle Gegenflände des menfchlichen Wiffens verbreitet, eine Ge» Ienenbeit die man fonf nur bei Durchlefung von 20 bis 25 Schriften des Verfaſſers erlangt. Gin intereffanteres, von einem Kerndeutichen Dianne herfommendes Buch, fat die ganze Literatur nicht aufzuweiſen. Tübingen. Im Verlage der H. Laupp'ſchen Buchhandlung (faupp & Siebed) ift erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben Verwaltung der hochheiligen Eudariflie von Ferdinand Probſt, Prieſter und Doctor bet Theologie. Mit Approbation ter Hochw. Bifhöfligen und Erz bifhöflihen Ordinariate Rottenburg und Sreiburg. 46 98g. gr. 8. brod. Preis fl. 3. 48 fr. Rthlr. 2. 15 Nor. ‚Der Herr Berfaffer fat in diefer Schrift nicht nur ben Mep-Ritus, fondern auch bie Lehre von der Verwaltung der Euchariftie ale Sacra⸗ ment aufgenommen, da er von der Anficht ausgieng, daß fowohl bie Rub⸗ ticiflif, als aud) bie Lehre von den Sacramenten, wie fie früher ble Mürals theofogie behandelte, in bie Baftoral gehört. Gin paftoraltheologifches Merk will aber das Buch fein. Bezüglich tee Ritus ift befonders der für Landfirchen vorgefchriebene dargeftellt. Zugleich enthält e& eine voll⸗ fändige Sanımlung der Decrete der Congregetion des Ritus, foweit fie ih auf bie Tuchariſtie beziehen. Was den Geiſt betrifft, der durch das Buch weht, fo erklärte der hochw. Herr Erzbiſchof von Freiburg bei Ertheilung der Approbation: „Wir wünfden von Herzen, e möchte diefes in ádjte kerchlichem Geifte gefhriebene Werk in bie Haud eines jeden Prieſters fommen." Sn der Unterzgiäneten tft erſchienen: Erklärung des uds 3atud. Don Fr. Heinrich Meufch, Licentiat ver Theologie. Preis fl. 1. 48 fr. — lr. 1. 2 ngr. Greiburg, 1856. fjyerberfde Qerlagofanblung. δ Tübingen, Su unferem Verlage iR nem erſchienen nud (ἡ allen Buchhandlungen zu haben: Patrum Apostolicorum Opera. Textum ex editionibus praestantissimis repetitum recognovit, annotat’onibus illustravit, versionem latinam emendatiorem, prolegomena et indices addilit _ Carolus Josephus Hefele, s9 theol. Doctor ejusdemque in acad. Tubing. Prof. P. O. Editio quarta aucta et emendata. 37 Bogen gr. 8. Velinppr. broch. fl. 2. 54 kr. 1. 25 Nr. Die legte ungewöhnlich ftlatfe Auflage diefer Ausgabe bec apoftolifchen Bäter bat {Ὁ wieder in wenigen Jahren vergriffen, was ein. fihtbarer Beweis der reifallien Aufnahme (ἢ. wekhe fie in Deutfche land und dem Auslande, befonders in Inuland aefunden. Nehnlichen Gifoig Hoffen wir bei diefer vierten Auflane. Gin Hauptvorzug verfelten it, daß der Terteskritik ganz neue Sorgfalt zunewendet wurde unter Benügung des Corpus lgnátianum von Cureton, der von Peters mann edirten alten armenifchen Ucberfeguna der Ignatianiſchen Briefe, der zweiten Auflage von Otto’ trefficher Goition der Epistola ad Diognetum, ver von Dr. Nolte in Scheiner’8 Zeitfchrift für Fathol. Theologie veröffentlichten Tertesfritif der Briefe der apoftolifchen Väter, und verfditebener anderer Schriften und Abhanplungen. Außerdem wurden bie zur Terteserflärung dienenden Noten beträchtlich vermehrt, die Indices vielfach verbeffert und bie die Eritifchen und ähnliche Fragen enthaltenden Prolegomena anfehnlich erweitert. Namentlich fat der Abfchnitt über bie S3gnatianifden Briefe zahlreiche Berbefferungen erfahren. Der Cardinal Fimenes und bie fird)lid)en Zuftände Spaniens am Ende des 15ten und Anfange des 16ten Jahrhunderte. Insbeſondere ein Beitrag zur Gefchichte und Würdigung der Inquifition. Don - G. 3. Sefele, Doctor und ordentlihem Prefefſor der Theologie zu Tübingen. e Zweite, verbeſſerte Auflage. 36'/, Bog. gr. 8. elegant 6rodjitt fl. 4. Rthlr. 2. 18 Ngr. Diefe neue Auflage bat zahlreiche VBerbefferungen unb Zus - ὃ sechtfchaffen lebt, 1$ Gott wohlgefäflia "^ — ΤΠ], TV., V. unb VI. Chriftus beruft fid) zur Beglaubigung der Göttlichkett feiner Sendung auf bie Tharfache: „ben Armen wird Das Evangelium gepredigt.“ Matth 11, 5. Luc 7, 22. Ausführliche Qutwidelung biefes Beweifes. - VII. Nachtrag, die Gottheit Jeſu Chrifti betreffend. — VII. Ueber den Grunbfag vom zeitgemäßen Yortfchritt, insbefondere in feiner An⸗ wendung auf die Katbolifche Kirche. — IX. Transfutftantiation (Wand⸗ lung), Anbetung Chriſti im heiligften Altareſacrament. — X. Das heilige Mebopfer. — XL. Der Qofítaat Gottes. Die Anrufung und Fürbitte ber Heiligen. — XII. Die Fürbitte für die Abgeflorbenen. — XIII. Lehre und Synflitutionen der Fatholifhen Kirche in ihrer Beziehung aum fitt» lichen Leben. — XIV. Die Unfterblichkeitslehre in ihrem Berhältniffe zur Natur und irdifchen Stellung des Menfcen. Die vorhergehenden zwei Hefte often fl. 1. 39 fr. — Thlr. 1. 21/2 ngt. Freiburg, 1856. Herder’fcye Werlagshandlung. Tübingen. Im Laupp’fhen Verlage (Kaupp & Siebech) if Herſchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: Die Tatholiihe Lehre Ablaifie mit befonderer Rüdfiht auf ihre praftifche Bedeutung dargeftellt von Dr. S. $8. von Birfcher. Sechſte zum Theil umgearbeitete Auflage. 8. brod. 24 fr. 8 Ngr. Aefthetik der chriftlichen bildenden Kunſt des Mittelalters in Deutfchland, verfaßt von Dr. ©. M. Durſch. 35 Bog. gr. 8. brod. fl. 3. — Rthlr. 2. — Theologiſche Quartalſchrift. — — — In Verbindung mit mehreren Gelehrten herausgegeben von D. v. Auhn, Ὁ. v. Hefele, D. Welte, D. Zukrigl unb D. Aberle, Brofefloren der kath. Theologie an bec K. Univerfität Tübingen. Achtunddreißigfter Jahrgang. Drittes Quartalheft. Tübingen, 1856. Berlag der H. Laupp'ſchen Buchhandlung. — Laupp & Sichel. — Ι. Abhandlungen. | 1. Die rechtlichen Wirkungen der Greommunicatton '). $. 1. Die Entziebung der Suffragia Ecclesiae. Es ift eine in hohem Grade oberflächliche, jedes tiefern driflidyen Gehaltes durchaus ermangelnde Anfchaunng, wornach die Kirche weiter nichts fein fol, als eine äußere Genofjenihaft von Menſchen, die ben gleichen Glauben befennen und ihre überelnftimmenbe religiöfe Ueberzeugung in einem gemeinfamen Gottesvienfte äußerlich darftellen. Eine derartige vürftige und Armliche Anficht findet fid) weder in der Schrift noch bei ben Vätern: die Idee, welde fie von ber Kirche aufftellen, ift unendlich höher und inhalt, teiher, die Einheit, welche ihre Glieder verbindet, unends [id fefter und inniger. Ste erfheint als ein großer, organifch geglieberter Leib, defien Haupt Chriftus ift 3): von ibm 1) Bruchftüd aus einem demnaͤchſt erfcheinennen größern Werke über die Excommunication. 2) Rom. XII. 4 ff. I Cor. XI. 12 ff Eph. V. 23. ^ 24 358 Die Wirkungen der Grcommunicarion. ſtrömt jeden Augenblid und unaufhörlid göttliche Kraft in die Glieder, von ibm empfangen fie alle ihr Leben, fein Geift wohnt τὸ εἴπ δα (οὐσεωδῶς) in ifnen !) unb alle ihre Berrihtungen find 9Imóflüjje und Wirkungen viefer geheimnißvollen Wechſelbeziehung zwifhen Haupt unb Glie⸗ dern; Chriſtus ift das befeelente, geftaltenbe Princip, vie Kirche fein Gebilde, er ijt ver Bräutigam, fie vie Braut ?), et zeugend, fie empfangenb — oder, um mit einem andern Bilde ber € drift zu reden, er ift bes Weinftod, ihre Glieder die Rebzweige 5), die Leben und Nahrung von ihm empfan- gen und abgetrennt Feine Früchte mehr bringen können. 9Bie ble Glieder der Kirche mit ihrem Haupte fortwährend in ber unmittelbarften Verbindung ftefen, von ihm alle ihre geiftigen Lebenskräfte empfangenb, fo befteht in natür⸗ licher Folge hievon auch unter.ihinen feLlbft Die innigfte Perbindung: Alle betrachten fih als Theile Eines großen Ganzen, die, von betfelben göttlichen Kraft ‚getragen, fib gegenſeitig in, jener, Wejſe ‚unterftügen und zur Erreichung nes gemeinfamen Zieles - — ieder an, ſeiner Stelle τ ἂν einander, thätig, find, Aübgeſehen davon, dag. Gott die Pexpienfte bet Heiligen ben, Öliedern. et Rreitenden Kirche antedinet und dieſen um jener willen Schonung und Gwabe, zuwendet *), antgefüigen, bje, Bertlärten ihre Brüber d 1) Sie vatrililden. Bemishehen ἱμεββε L3 miter, Kinheit in der fide, 6.258 8." nih 2) Eph. VJ23.4) T5 Vies. dm o g.dqss Tog :o* m 3) Job. AV. 1 454...) pues sus 4) Ten Worten des Germ bei gef. xxxvn. 35: Protegam civi- latem istam et salvabo eam propter me et propter David servum eum , fügt bec GL Qiecontniué vic Bemerkung bei: „In quo ad- monentur et suae negligentiae, et illius fidei atque justitiae , quod in tantum justitiam diligat "Deus ur 'etiam- posteros sanclorun .. Die Wirfungen der Ercommiunication. 359 anf Erven fortwährend durch ifc Gebet um zeitliche unb ewige Wohlfahrt 1; und betfátigen Rd). fo als Theile des Binen Leibes Jeſu Chufti, in welchem, wenn ein Glied leidet, alte mftleiven mb wenn eiae. vgrherzlicht wird, ee fid) freuen. In gletiher: Weile, unterftügen ſich bie Angehörigen ver; freitenden Kirchegegenjeitig durch die verſchiedenartigſten geiſtigen Dienfileikungen:; an den, gutem Werfen des Einen: porticipiren, pie Andern 3), bie. Weybienfte, des Einzelnen find eine Quelle der Gnabe für die Gofammntbeit, wie er-mieberum Theil hat qu, beu Gnadenſchaͤtzen ber legtem; bex Eine hetet für ben Anden 3), ber Einzelne für :bie Gefammtheit,.. bia. Gefammtheit. für den Ginzelnen und Jedem. fommen, bie Früchte dieſes ge- meinfamen Liebeswerfes zu ‚gut. Beſonders aber fließt das Gebet ber Kirche, das fie täglich. durch ihre Diener bei ben . öffentlichen. Sunrtionen, namentlich beim BL. Meß⸗ opfer,. für bie ganze Menſchheit, für-Bifchöfe-und Priefter, für :Könige und Obrigleitem⸗ für, Kraͤnke, Gefangene, Ver⸗ hominum, non suo merito ; sed majorum eiriute tüealui). “ ' Cdrh TA ment: ad h. l. In derfelben Richtung ſPpricht fid) de Bi. 9Cagufiinue aus, wenn er in Betreff der Heiligenverehrung jagt: Populus christianus memorias martyrum religiosa solemnitate concelebrat et ad excitan- dam imitationem, et ut meritis eorum consotielur atque orationibus adjuvetur.^ Contra Faust. Manieh. L. XX. c. 21. .1) Augustin. De baptism. L. VIL. c. 1: „Adjuvet nos Cyprianus orationibus suis in islius carnis mortalitate tanquam in caliginosa nube laborahtes,. ut donante Domino, quantum possumus, bona εἰς imitemur.^ Cfr. Concil. Nicaen. II. Act. VI. bei Hard. Acta Concil. IV. p. 431. T'rid. Sess. XXV. De invocatione, venerat. et reliquiis Sanct. 2) Catech. Rom. P. I. c. 10. quaest. 23: „ Quaecunque pie sancteque ab uno suscipiuntur, ea ad omnes pertinent, et ut ᾿ΠΠὲ prosint, caritate, quae non quaerit quae sua suni, efficitur. « 3) Augustin. conira Maximin. Árian. L. I. ς. 9. | Ambro s. De offic. L. T. c. 29. | 360 Die Wirkungen der Greommunication. ᾿ bannte, Reifende, für SBebrángte und 9totblelbenbe jeber Art darbringen [ἀβὲ 1), Für jedes einzelne ΘΙ Ὁ ber Kirche einen reichen Schatz des göttlichen Segens in fij, ber ihm gleihfam unbewußt zur Seite flebt und anf allen feinen Wegen ihn ſchützend begleitet. Die unendlichen Verdienſte des Opfertodes Jeſn, ber täglich im HL. Meßopfer unblutiger Weiſe ernenert wird, fließen ber Kirche unb in ihr jedem einzelnen ihrer Mitglieder zu und all ble unausfpredhlichen Gnaben, ble es in fid) fchließt, werben Gemelngut Derer, die zum Leibe Ehrifti gehören, and) wenn das Opfer nicht ausichließlich für tlefen ober jenen bargebradjgt und feine Früchte ihm ſpeciell zugewendet werben 3). Dieß find die heiligen Dienftreihungen, die bec myftifche Leib Gfriftt allen feinen Gliedern wie von felbft zufließen läßt, υἱὲ Suffragia Ecclesiae, an welden jedes Mitgliev der Kirche Antheil hat, jene geiftigen Hülfeleiftungen, bie Jedem nad, Maaßgabe feiner Würdigkeit zu gut kommen: dem Gerechten gereichen fie zur Befeſtigung und Vermehrung ber felligmadjenben Gnade, tem Sünder, — denn aud et ift nod) ein ΘΙ εν ber Kirche — zur Umfehr unb Wieder- erlangung ber verlomen Gnade Völlig von ihnen ausgefchloffen finb nur die Grcommunicirten 5: 1) Daß tiefe verfchievenen Gebete einen Beſtandtheil der alten SReBliturgien ausmachten, tft binlänglich befannt. Vgl. Bingham, Origin. L. XV. c. Ill. 6. 13 seqq. Ebenſo befannt ijt der Inhalt bet gegen- wärtigen Meßgebete. 2) Ueber den biftorifchen u pung 2n Meßapplication vgl. Bin terim, Denkwürdigk. Bd. IV. 3. &. 376 ff. 3) Catech. Rom. |. c. quaest. 2. » Tametsi membra mortua, quum in ecclesia sint, ad amissam gratiam vitamque recuperandam ab iis adjuvantur, qui spiritu vivunt, et eos fructus capiunt, quo- Die Wirkungen der Grcommimication. 361 jo wenig ein Glied, das vom Körper gänzlich getrennt wurbe, aus ihm fernerhin Kraft und Wahsthum empfangen oder- eine vom Weinftode abgerifiene Rebe ans legtetem bie nöthigen Lebensfäfte jchöpfen kann, — fo wenig ein aus irgendwelcher Geſellſchaft Ausgeftoßener noch an ben Vorrechten und Privilegien berfelben Antheil haben wire, ebenfo wenig fann Derjenige, ber aufgehört Dat, ein Glied bet Kirche zu fein, des Genufles ihrer geiftigen Wohlthaten und Gnaben fid) ferner erfreuen. Der Ercommunicixte ijt aller firdjliden Unterflügung und Hülfeleiftung beraubt, lediglich ſich felbft überlajjen. und auf fid allein ange wieſen, ben Heiden und Zöllnern gleich, die nie bem hi. Sev banbe ber Giánbigen angehörten; binausgeftoßen aus bet Gemeinjdajt ber Heiligen, ift er bem Nachſtellungen des Fürften biejec Welt, ber außerhalb der Kirche herrſcht, ſchutz- und hülfelos preisgegeben, — er ift, wie bet Apoftel fagt, bem Satan überliefert, damit er burdj das Gíenb, dem er jegt anheimfällt, zur Belehrung und 9tüdfeft ges bracht und fein Geift gerettet were. Von blefem Gefichtss punkte aus, wornad die Excommunication feine blog áufertlide Trennung von der Kirchengemeinſchaft in fi Ichließt, fondern ben Menfchen der innern Gnaben und Wohlthaten ber Kirche beraubt, - ihn der tiefften geiftigen Hülfelofigfeit überantwortet und ben Siadftellungen des böfen Feindes ſchutzlos überliefert, haben denn aud bie Väter die Ausſchließung aus ber Kirche betrachtet und den durch fie bemirften Zuftand gelftiger Verlafjenheit mit ben ſprechendſten Bildern. unb Harften Worten gefchilvdert. Der rum eaperies esse dubitari non polssl, qui ownino ab ecclesie «unt. prascisi.“ | 362 Die Wirkungen der Greommunication, BL Eyprian ') vergleidht bie Ercommunication mit einem geiftigen Schwerte, das die Seelen, bie von der: Gemein⸗ ſchaft ber Kirche abgetrennt werden, tóbtet und ihnen, folange fie fi außerhalb verfelben befinden, alles geiſtige Leben entzieht. Defjelben Bildes bedient (id der BL Hie ro⸗ nymus Ὁ und. erflärt den Eintritt des geigigen Todes damit, taf bie Ausgefloßenen wehrlos den wüthen ben Angriffen der böfen Beifter preisgegeben feien. SBapft Innocenz L fohreibt an die afrifanifchen Biſchöfe, fie follen tie Pelagianer fürmli aus ber Kirche ausſchließen, damit fie feine Gelegenheit mehr haben, bie lingelebrten und Unvorfidhtigen vom wahren Glauben ab; zuziehen. Wolle aber ver Eine ober Andere reumüthig gurüdfefren, fo follen fie ihm freundlich entgegenfommen und bie Wiederaufnahme nicht finbetn, bamit fie nicht länger Binamégeftopen, der geiftigen Hülfe der Kirche beraubt, allen Gefahren und ben Nach⸗ ftellungen der. Wölfe auógefept feien, bie fie durch ifte verkehrte Lehre gegen ſich gereizt und welden fie in Ihrem hülfelofen Zuftande nicht zu wiberftefen ver mögen 5). — Den gleihen Gebanfen Tpriht der Hl. Ans — nn — — 1) Epistola LXII. ad Pompon. „ Spirituali gladio superbi εἰ conlumaces necantur, dum de ecclesia ejiciuntor. Neque enim vivere foris possunt, cum domus Dei una sit et nemini salus esse nisi in ecclesia possit." 2) Epist. XIV ad Heliodor. „Nunc inobediens spirituel mu- erone truncatur: aut ejectus de Ecclesia rabido daemonum ore discerpitur.* 3) Bei August. Epist. CLXXXI. n. 9: „ne foris positi et tanto praesidio a fide muuitionis exclusi periculis omnibus exponantur, devorandi lnporum dentibus atque vexaudi, quibus obsistere hsc, qua illos in se irritaveraut doctrinae perversitate, non possint.“ Die: Wirkungen ber. Eregmmunicatign. 363 guftinus aus ), wenn er die Creommunication eine geiflige Strafe nennt, melde dig-Seglen. treffe unb bie Worte des Propheten. wahr made» jede Seele, vie fündigt, foll erben: — Diefe wenigen Hinweiſungen auf die Sihriften: ber Väter mögen für ben Beweis bin: reichen, bag bie Ercommunication wirflic oen ben. Suffragia Ecclesiae ausſchließe, den Menſchen aller jener innern Ginaben und ‚Hülfeleiftungen beraube, berem fid) fonft bie Glieder: des: Leibes Chrifti erfreuen, unb. ihn in einen Zus ftand geiſtigen Elendes verfepe, der demjenigen ähnlich ift, in welchem die Menfchheit vor Chriftus fid befand. Von bier aus: mag zugleich beurtheilt werben, wie unwahr bie vou ep X, verworfene Behauptung Luthers. fei: „Ex- communicaliones-sunt tantum externae poenae, nec privant heminem communibus spiritualibus Ecclesiae oratjonibus ?).* So wenig bie'Oemeinfdaft ber Kirche eine bloß Außer liche, inhaltslofe Form ift, fo wenig fann ble Aueſchleßuns von ifr bloß Außere Wirkungen haben. με Die Beraubung der Verdienſte unb Fürbitten bet Heili⸗ gen, die Ausſchließung von den Gebeten und guten Werken bec Glaͤubigen und der Kirche vollziehen fid) als rein inner⸗ liche Acte in dem Augenblicke von ſelbſt, in welchem die Excommunicationsſentenz ausgeſprochen wird: in ben Kreis 1) Epist. CCL: „(Excommunioatio est) poena spiritualis, qua fit, quod scriptum est, Quae ligaveris in terra, erunt ligata e in coelo, obligat animas, de quibus dictum est, Anima patris ınea est, et anima filii mea est: anima, quae peccaverit, ipsa morietur." Bol. einen ähnlichen Ausſpruch Augufine bei - Gratian. c. 32. c. Xl. q. 3. 2) Errores. Lutheri. damnati a Leone X per Bullam Exsurge Domine“ n. 23. bei Densinger, Enchirid. p. 162. 364 Die Wirkungen der Grcommunication. der äußern Gefeggebung fallen bloß vie öffentlichen . * Gebete der Gläubigen, ble liturgifchen Gebete der Priefter, die fie im Namen ver Kirche verrihten unb die Darbringung des hi. Meßopfere. Diefe Wohlthaten ben Ercommunleirten zuzuwenden, war in ber Kirche von jeher ausprüdlich vers boten und als Beweis hiefür tient hauptfächlich der Um⸗ ftanb, daß die Namen ber Ercommunichrten alsbald aue den Siptyden gefividen wurden. Co berichtet der b. Eyprian!), e6 habe in Afrifa das Gefeg beftanben, daß fein GCterbenber einen Glerifer zum Tutor ober Teſta⸗ mentsvollftreder beftellen dürfe und wer εὖ dennoch thue, für ven [ellen feine Oblationen bargebradgt und das hl. Meßopfer nicht gefelert werden. Denn derjenige, bet die SBriefter und Diener ber Pirhe vom Altare ab» gebe, verdiene nicht, daß fein Name vor bem Altare Gottes im Gebete der Priefter ges nannt werde. — In ber ſchon oben erwähnten Stelle bemerft der hi. Auguftinus®) in Betreff einer unges rechten Greommunication: , Quid obest homini, quod ex illa tabula non vult eum recitari humana ignorantía, si de libro vivorum non eum delet iniqua conscientía,^ two Ercommunication und Ausftreihen aus ben Diptychen ale völlig gleichbereutende Ausdrücke gebraucht find. — Bon 1) Epist. LXVI Ad Clerum et plebem Furnis consistentem: „episcopi antecessores nostri religiose considerantes et salubriter " providentes censuerunt, ne quis frater excedens ad tutelam vel curam clericum nominaret, ac si quis hoc fecisset, non offerretur pro eo, nec sacrificium pro dormitione ejus celebraretur. Neque enim apud altare Dei meretur nominari in sacerdotum prece, qui ab altari sacerdoles ei ministros voluit avocare.“ 2) Epist. LXXVIN. n. 4. Die Wirkungen der Ercomniunication. 365 Theodor von Mopfueitia wird berichtet, va er als Häretifer mit bem 9Inatbente belegt und fein Name aus ven Diptychen entfernt worden fei !)5; baffelbe Schidfal traf den Kaiſer Anaſtaſius, nadtem er al ein Feind des Goncil8 von Ehalcevon anathematifirt worden war ?) unb wenn wir für die in Rede ſtehende Disciplin ein Beifpiel aus Tpäterer Zeit namhaft madjen follen, jo verortnete ble Synode von PBerpignan im J. 1027 5, tag tie Greommunicirten, welde in ihren Sünden verharren, fid) Feines kirchlichen Begräbnifjes erfremen und ihre Namen bei Darbringung des HI. Opfers nicht genannt werden bürfen. — Wenn nun, wie hinlänglic befannt ift 3), bie Namen ver Gläus bigen während des hi. Meßopferd aud den Diptychen dur den Diacon öffentlih votgelefen voutben, damit ber opfernbe Prieſter fpeciell für fie bete, fo fann das Ausftreichen ber Ercommunicitten offenbar nichts anderes bebeuten, als es folle verboten fein, für fie öffentlih unb im Namen ber Kicche zu beten oder das heilige Opfer bare jubringen, — und wenn aud) bie Diptychen im Laufe bet Zeit allmählig aufer Gebraud) famen, jo murbe bod) an bem. beftehenden Verbote nicht das Geringfte geändert. Die 1) Evagri, H. E. L. IV. c. 38: » ἀγαγνωσθεισῶν πολλῶν δήσεων ϑεοδώρου καὶ ϑεοδωρέτου, δειχϑέντος δὲ, ὡς καὶ πάλαι ϑεόδωρος κατε-- πέχριτο καὶ Ex τῶν ἱερῶν ἀπηλείφει δέλτων x. τ. À.* 2) Evagr. |. c. L. III. c. 34 in fin.: Avasaoıov εἷς ἐναντίον τῆς dv καλχηδόνι. συνόδου τινὸς xolvavre; τῶν ἱερῶν περιεῖλον δέλτων." 3) Concil. Helenens.: „Et si, quod Deus avertat, in hac perfidia obierint: corpora illerum cum psalmis et hymnis, vel- spiritualibus canticis non ducantur ad sepulturam, nec inter fideles mortuos eorum nomina ad sacrum allare reciteniur.^ Hard. VI. p. 842. 4) Bingham , Origin. L. XV. c. III. ©. 18. 366 . Die Wirkungen ter Ercommunicatien. neuere Geſetzgebung ſchreibt vielmehr in ben klarſten und beftimmteften Ausvruden vor, daß für feinen Grcommuni eirten, aud) wenn er renmüthig geftorben fei, bever et bie eigentlihe Abſolution empfangen habe, das DI. Meßopfer dargebradht oder irgend ein Firchlicdyes Gebet verrichtet wer den bürfe '). Wenn dieſes ftrenge Berbot gegenüber ben reumüthig «Bevftorbenen gegeben und aufrecht erhalten wurde, um wie viel mehr werten fDiejenigen- von den ges nannten 2Bobítbaten ausgeſchloſſen fein; tie: unbußfertig ans diefem eben fdiebert oder als Ercommunicirte in bem felben noch weilen, ohne ber Kirche: fid) ju unteriperfen und ihren Forderungen: Genüge: zu leiſten? Und ie; bie Gefeggebung, fo hält and tie 9Bifjenidjaft.?) uubebingt an bem Gage feft, tag für einen Excommunicirten nicht öffentlich gebetet oder geopfert werben ‚hürfe. unb pie Gano, niften: 3). behaupten einftimmig, daß vie Zuwiderhandalnden, da fie in einer wichtigen Angelegenheit ein ausdrückliches Gefeg der Kirche verlegen, fid) einer Sette ſchalvis machen. Wenn hienach bie Anſicht und bet Wille der fice In Betreff dieſes Punktes nichts weniger αἱ zweifelhaft i, 1) c. 38 X de sentent. excomm. 5.39: ,..1; non, tamen prius- quam absolutionis gratiam perceperit, habendus est absolutus , nee eunt absolutiones vel oblaliones recipiendae pro eo vel orationes Domino porrigendae.^ cfr.:c. 28 X b. t. 2) Thomas, in IV Sentent. Dist. XVIII. q. Il. art. 1: ; Ecclesia per cxcommunicationis sententiam separat excommunicatos: ab uni- versitate Fidelium, pro quibus suffragia facit.: Unde suffragia Ecclesiae eis non prosunt, quae pro tota Ecclesia fiunt, nec ex persona Ecclesiae oralio pro eis inter membra Ecclesiae fieri potest. 3) Navarrus, Manuale, c. XXVII. n. 36. Suares, De Censur. Disp. IX. sect. 1. n. 4. Alterius, De Censur. ecclesiast, p. 45 scq. Die Wirfungen der Greommunication. 367 jo fragt fif doch, ob das betreffende Verbot anf alle- &reomimunicitten ohne Unterſchied fid) erfirede, ober, ob εὖ vom Standpunkte des neuern Rechts αὐ bie Excommunicati vitandi zu befehränfen ſei, jo daß bie tolerati ihm nicht unterliegen. Um: dieſe Wichtige Frage genügend beantworten zu fónnén; müffen wir die neuere. Gejeggebung, wie: fie fi feit bem'Goncil von Conſtanz ausgebildet hat, naͤher darlegen "unt' biefelbe wird unfete Aufmerkfamfeit: in einem um fo hoͤhern Grave in Anſpruch nehmen ;;. je :öfter ihre Beſtimmungen int Stadjfolgénben zur unmittelbaren Ans ‚wendung fommen. Nach dem ältern Rechte hatten. bie. | Gliubigen nicht nur Diejenigen "in allem bürgerlichen und firdjlidjen Vers fchte zu meiden, welche vom Richter burd eine fpecielle Sentenz excommunicirt und ald Ercommunicirte öffent- (id befanmt gemacht worden waren, ſondern aud mit Jenen mußte jedwede Gemeinichaft abgebrochen werben, die burdy Verübung eines Verbrechens in die ipso facto eintretende Greommunication "verfallen waren: bei offenfundigen Vergehen mußten: fie öffentlich ges mieden werben; war bie betreffende Handlung nur Ein seinen befannt; fo hatten dieſe wenigftens priva: tim alles Umganges mit ihnen fid) zu enthalten). Ziehen Wir nan in Erwägung, daß in ben damaligen Zeiten eine ſehr große Anzahl von Vergehen mit dem ipso jure ein tretenden Banne bebrobt war, fo werden wir leicht ermeffen, daß fid) aud) immer eine ſehr große Anzahl von ſolchen Ercommunicitten unter den Gläubigen. befand, — melde in bürgerlichen wie kirchlichen Verhältniffen durchaus au 1) c. 14 X de sent. excomm. 5. 39. 368 Die Wirkungen der, Ercommunication. meiden, für die Mitgliever ter Kirche ſchon an fd feine großen Schwierigkeiten hatte und für gewifienhafte Seelen die mannigfaltigften Mipftänve in ſich ſchloß. Auf bet andern Seite gieng dieſen Ercommunicationen nie eine richterliche Sentenz ober öffentliche Bekanntmachung voraus, fondern der Einzelne war feinen Mitchriften gegenüber ledig⸗ fid) auf bie eigene Wahrnehmung angewiefen: aber wie oft mußte er ὦ dabei im Zweifel befinden, ob Diefer oder Jener wirklich eine mit bem Anatheme bevrohte dnb: lung begangen habe ober nicht, ob alfo der Umgang mit ihm abzubrechen ober fortyujegen fel, ob er nicht, wenn er das erftere thue, durch freventliches Urtheil das Gebot bet Naͤchſtenliebe gegen ihn verlege, ta er ja von ber Strafe vieleicht frei fel, oder ob er nicht durch ben fottgefegten Umgang das Gebot der Kirche überttete, da er aus eigener Schuld von feiner Ercommunication eben feine hinreichende Kenntniß habe. Niemanden gegenüber konnte ver Gläubige mit Beftimmtbeit fagen, ob er mit ifm verkehren bürfe, oder nicht vielmehr allen Umgang abzubrechen verpflichtet fel. Dieß waren febr. unfidere und ſchwankende Verhält⸗ nifje, In hohem Grade geeignet, gevabe ble Gewiſſenhaften beftändig zu Aängfligen — unb wenn ſchon bamals einzelne Stimmen laut wurden !), es folle für ble Zufunft bie Pflicht, ble Excommunicirten zu meiden, auf jene δάϊε beihrämft werben, in melden ein flare richterliches Urtheil vorliege, fo war ein berartiger Wunſch durch bie Verhält niſſe volftänbig gerechtfertigt. Aber e8 traten im Laufe bet Zeit noch andere Umſtaͤnde Hinzu, welche bie Lage bet Gläubigen beveutenb verfählimmerten und die Ercommunis 1) Glossa ad c. 2 de sentent. excomm. in Clement. 5. 10. Die Wirkungen der Gxcommunication. 369 cationen in's Unendliche vermehrten. Zur Zeit des großen Schisma’s ſtanden fid) drei Päpfte gegenüber, jebev belegte bem andern unb befien Obedienz mit bem Anathene; — und wie die Lirche in ihrem Haupte getrennt war, [o ver breitete fid) die Spaltung aud) in bie einzelnen Diöcefen, inbem auf einen unb beufelben Biſchofsſtuhl vielfach mehrere Inhaber Anspruch madten, bie fid) wieder unter fid) be fampften und mit ihren Anhängern gegenjeitig ercommuni- citten ; ja ſelbſt die einfachen Beneficien hatten verſchiedene Befiter, von weldjen wieder jeber mit bem Banne belegt war, — nit ipeciell und ausdrückich, fondern nur ald Anhänger diefer oder jener Partei ober wegen ber Theilnahme an einem ergeben, auf weldes ipso facto die Exrcommunication gefegt war. Es bebarf feiner weitkäufigen Auseinanverfegung, um bdarzuthun, wie be flagenémertb viele Berhältniffe waren, wie nachtheilig fie auf das gemeinfame Zufammenleben einwirken unb wie febr (le Diejenigen in ihrem Gewiſſen beunrubigen mußten, welche bie beftehenden Gejege über ven Verkehr mit Excommunicirten in allweg beobachten wollten, aber bei Keinem ihrer Mitchriften mit Beſtimmtheit wußten, ob er wirflih in ber Greommunication fid) befinde ober nit. Die Strenge des Altern Rechts war "unfaltbar - geworben: entweder mußte εὖ wunbeachtet bleiben ober ver gegenfeitige Verkehr der Ehriften gänzlih aufgehoben werben. In Erwägung biefer Verhaͤltniſſe fab fid) Martin V. anf bem Concil von Eonftanz veranlaßt, zur Hebung ber angeführten Mifftänve eine Aenderung in der Gefepgebung eintreten zu [affen: bie Bulle, in welcher fie ausgeſprochen 310 Die Wirkungen der Ereommunication. (ift, lautet nad bem Berichte des δὰ Antoninue L folgendermaßen: τ’ ΕΣ | 2 Insuper ad vitanda scandalá et multa pericula, quae conscientiis timoratis contingere possunt, Christi fidelibus tenore praesentium misericorditer indulgemus, quod nemd deinceps: a' comminicationé 'alicujus sacramentöram' ad- ministratione' vel receptione aut alíis quibuscumque divinís intüs et extra práetextu' 'cujescumque: sententiad, ἀπ c&n- 'surae 'ecclesiastiéae a jure vel 'ab homine: geheraliler promulgatae teneatur' abstinere, vel! aliquem vitare; aut interdictum ecclesiasticum óbbBervare, nisi «sententia 'vel censura hujusmodi [uerit:lata contra' personam, colles gium, universitatem, ecclesiae cómmunitatem, vel locuni certum vel certam: a judice publicata eel denuntiatà specialiter et ézpresse: constitutionibus apostolicis, et aliis in contratium facientibus non 'obstantibus quibuscumque, saloo si düém pro sácrilega: manduni injectione in cleri- cunf' semehtiáni: Iatdn d canotie ideo inoforie constiterit incidisse, quodi fdbtuif) non possitialiqua tergiversatione celari ,' nec aliquo: suffragio etcustri, went! ütommunione illius, licet detuntiatüs non féerit , ^ Yofuntus iabstirteri "juxta 'canonicás ’sanötioneg.. u " ut) ἢ. o: ΜΙ m d. Nach vem Wortlaut vieſer Gonftitut(ón Wären. alfo die’ Gläubigen nur mehr mit Ienen den Verkehr abzubrechen verpflichtet, die vom Richter {Ὁ εὖ 11 ercommunt cirt und als [οἷδε öffentlih befannt gemadt ‚worden wären, audgénemmen bie ποίου! elericorum per- cussores; 'ntit- allen Anden, bie ne aus irgend einem fh; : (L4 . : t (6203 t a4 : E ΗΝ " “414 "ἢ ju 1) Summa Theologica, P. IIl. tit. xxv. ὁ, 3. Summa Histo rialis, P. IH. tit. XXII. c. 6. ς. 4. Die Wirkungen der Greommunicatton. 371 Grunbe in ber Excommunicatio latae sententiae befanven und über melde von Seiten des Richters nod) feine öffent: (ide SBefanntmadyung erfolgt war, fonnte ungebinbert in bürgerlicher wie Firchlicher Beziehung verkehrt werben unb ebenbamit war jener unfidjere Zuftand befeitigt, ber bisher bie Gewiffen in jo hohem Grabe beängftigt fatte. Aber aud) das Goncil von Bafel!) befafte fid) mit ben in Rebe ftehenden Berbältniffen und das betveffenbe Decret lautet: „Ad vitandum scandala et mulla pericula, subvenien- dumque conscientiis timoratis, statuit eliam quod nemo deinceps 8 communione alicujus in sacramentorum admini- stratione vel receptione, aut aliis quibuscumque divinis, vel extra, praetextu cujuscumque sentenliae aut censurae ecclesiasticae , seu suspensiones, aut prohibitionis, ab homine vel a jure generaliter promulgatae, teneatur abs- - tinere, vel aliquem vitere, aut interdictum ecclesiasticum, observare, nisi sententia, prohibitio, suspensio, vel censura hujusmodi, fuerit in vel contra personam, collegium, uni- versitatem, ecclesiam aut locum certum aut cerlam, a judice publicata vel denuntiata specialiter aut expresse: aut si aliquem ita notorie excommunicalionis sententiam constiterit incidisse, quod nulla possit tergiversatione celari, aut aliquo modo juris suffragio excusari. Nam a communione illius abstineri vult juxta canonicas sanctiones. ' Per hoc tamen hujusmodi excommunicatos y suspensos, . interdictos, seu prohibitos, son intendit in aliquo rele- care, nec eis quomodolibet suffragari.“ Dieſelbe Bes fimmung findet fid, einige unweſentliche Aenderungen 1) Sess. XX. c. 2. Hard. ΥἹΠ. p. 1194. Theol. Duarialſchrift. 1856. II. Heft. 25 372 Die Wirkungen der Grcommunication. ausgenommen, woórtlid unter ven Beichlüffen des fünften gateranconci[ó !) v. J. 1512—1517; veßgleihen ift fie in να Goncorbat ?) zwiſchen Leo X. und Franı J. von Frankreich aufgenommen, nachdem fie ſchon vorher von der Synode von Bonrges ?) im I. 1438 recipirt worden war. Es ift auf ben erften Blick erfichtlich, bag das Decret ber Basler» unb gateran[gnobe beventend von ben Beſtim⸗ mungen des Gonftanzer Concils abweidhe und daß ble Ver: günftigungen, bie das legtere gewährt hatte, durch jene Ipätere Faſſung wieder beträchtlich eingefchränft wurden : . während nàmíid Martin V. nur mit Senen ben Umgang verbot, die durch richterlihes Erkenntniß ſpeciell er communicirt worden waren, ibn dagegen völlig frei gab Denjenigen gegenüber, vie fi in der Excommunicatio latae ' sententiae befanden, einzig ausgenommen bie notorii cleri- eorum percussores, jo verlangt ber Wortlaut des Basler Decrets, daß ber Verkehr unterfagt fein folle nicht bloß mit den ſpeciell Greommunicitten und ben pereussores clericorum, fondern audj mit allen Andern, die fid aus irgend einem Grunde notorifch in der ipso jure eintretenden Grcommunication befinden, gleichviel ob eine Befanntmadung des Richters vorausgegangen [εἰ oder nicht. . Unter biefen lin ftänden fragt fid) vor Allem, welde von ben belben - Gonftitutlonen nad) heutigem Rechte Gültigkeit babe und über den Verkehr mit ven Excommunicirten in legter Ins ſtanz entſcheide. 1) Sess. ΧΙ. Hard. IX. p. 1820. 2) Art. ΧΙ, Bei Münd, Goncortate, I. ὦ. 242. 3) Concil. Bituricens. c. 36. Hard. VIlL p. 1949. Die Wirkungen der Grcommunicatien. 373 Viele und angejebene Ganoniften 1) verwerfen das Decret in der Bonftanzer Safjung und vindiciren lediglich ber Basler Eonftitution verbinbenbe Gefegesfraft. Denn das erftere finde fid) nicht in ben Acten des Gonciló, εὖ fei zweifelhaft, ob εὖ überhaupt von ber Synode ober vom Papfte herrühre und ebendeßhalb fónne ihm ble Kraft nicht innewohnen, tem Altern Rechte in gefeglicher Weile zu berogiten; baé Basler Decret dagegen fel. unter bie ati tbentijden Eoncilienacten aufgenommen und zu einer Zeit entſtanden, im welder die Synode nod) nicht ſchismatifch geworden war; zudem finde fid) ble Gonftitution mit bem Basler Wortlaute in ben Acten noch eines andern allges meinen Gonciló, des fünften im Lateran. Aber auch ans genommen, bie Wajjung des Gonftanzer Decretes rühre wirklich von der Synode ober von Papft Martin V. her, fo würde fie bod) nad) bem Grunbjage: lex posterior . derogat priori — durch bie nachfolgende Basler Gonftitution wieder rechtögültig aufgehoben worben fein. "Wir vermögen ben beigebrachten Gründen nicht θεὶς zuftimmen und entjcheiven uns für bie Gültigfeit ber Gon. ftanzer Gonftitution. Daß bie legtere in den fonft fehr forgfältig gefammelten Acten des Concils fid nicht vor. findet, bat feine Richtigkeit, aber deßhalb find wir nod nicht zu dem Schiuffe berechtigt, fte fel überhaupt weber vom Gonci( noch vom Papfte ausgegangen. Zwar fügt fij die entgegengefegte Annahme ausfchlieglih auf ben Bericht des Bl. Antoninns, aber wir haben nicht beu 1) Abbas, Comment. ad c. 2 de sentent. excommunicat. in Clement. 5. 10; Navarrus, De poenitent. Dist. VI. $ Laboret. n. 10. Covarruvias, Alma Mater. I. €. IE. n. 7. 25 * 974 Die Wirkungen der Gxcommunkatiom. ‚geringften Orund, das Zeugniß eines Mannes zu beanftanten, der fowohl in Betreff feiner Wahrheitsliebe, als der Mög- lichkeit, fish gehörig zu unterrichten, allen Glauben ver: dient, hat er ja bod) ble Thatſachen, weldje er berichtet, felbft erlebt. Und wie hätte er in einer fo wichtigen Ans gelegenheit mit einem falfchen Berichte hernortreten Fönnen, ba die Grelgnifje als kaum gefchehen nod) in frijdjem An- benfen waren: hätte er nicht im Galle einer unwahren Darſtellung augenblidlihen Widerſpruch beforgen müſſen, der von Seite der Kirche ſicher erfolgt waͤre, da das Decret eine ſo weſentliche Neuerung enthielt und die Wirkungen der wichtigſten Kirchenſtrafe in ſo umfaſſender Weiſe be⸗ ſchraͤnkte Aber von einem Widerſpruche gegen ben Bericht Antonins findet fid nirgends eine Spur. Er hatte um jo mehr Urſache, fid) über bie betreffenden Verhältnifie genau zu unterrichten, als "don damals, wie er ſelbſt bemerkt, vielfah die Behauptung umbergetragen wurde, die Gonftitution fel zwar auf dem Gonftanger. Goncil. pro: ponirt, aber von bemfelben, namentlih auf Betreiben bet italieniffen Nation, zuruͤckgewieſen worden. — Gerabe biefe Annahme ift εὖ, die Antoninns entidleben beftreitet, indem er fih auf zwei in jever Beziehung glaubwürbige Augenzeugen beruft, welche übereinftimmend verſichert hätten, die Bulle {εἰ vom Concil unb zwar von allen feinen Mitglievern angenommen worden; aud) bie Parifer lini verfität habe fie acceptirt I). Wie hätte eine ſolche Behaup⸗ 1) Summa Theologica, 1. c.: „Duo venerabiles viri famosi in vita el scientia, quorum unus doctor in theologia, alter in jure οἱ episcopus, scilicet dominus Nicolaus de Dinchelserbuhel, et dominus Andreas postea episcopus Posnaniensis in Polonia, qui, fuerunt praesentes in concilie Constantiensi, ubi facta fuit dicta constitutio, Die Wirkungen der Excommunication. 375 tung, ba bie Betheiligten großentheils nod) lebten, anfgeftellt werben fónnen, wenn fie hicht durchaus wahr gemefen wäre? Antoninus erwähnt noch einer andern Meinung, die damals vielfach Glauben gefunden und barin beftanben habe, daß die Gonftitution zwar vom Woncile ober dem Papſte ausgegangen fel, aber nit für immer, fonbern nur auf fünf Jahre, nämlih bis zum nádften Concile, Gültigkeit gehabt haben folle. Auch dieß zieht er In ben beftimmteften Ausprüden in Abrede und beruft fid) auf beu Garbinal Julian Eäfarini, der über diefe Angelegen, heit befragt die Antwort gegeben habe, daß das Eonftanzer Decret Schon vom Augenblide feiner Abfaffung an beftimmt gemefen fei, für bie ganze Kirche und für alle Zukunft zu gelten 1). Martin V. felbft habe fid) in diefem Sinne geäußert: als der Biihof Andreas von Pofen nad) bem Concil von Siena, bem er angewohnt, nah Rom fid) begeben und in ber Meinung, das Eonftanzer Decret gelte nur auf fünf Jahre, ben Papſt gebeten habe, er möge ihm auf bem Wege ber Gnade ble Bergünftigungen bes Decretes für immer verleihen, {εἰ ihm von Martin felbft geantwortet worben, daß e& einer folden Gnadenbezeugung nicht bebürfe, indem das Decret ven Goncorbaten einverleibt jet und er eingewilligt habe, daß es für alle Zufunft ge dixerunt ipsam accepialam ab omnibus et perpetuam et unam de concordetis. Magistri etiam universitatis Parisiensis acceptaverunt ipsam constitutionem , quia in ea dicitur: Omnibus Christi fidelibus." 1) L. c.: ,Dominus Julianus auditor camerae Apostolicae vir jureperitus et famosus postmodum cardinalis effectus super hoc con- sultus dixit, tale indultum datum non solum Germanicis, verum eliam omnibus christianis el de jure esse perpeluum , quia ista est natura constilutionis ipsius, nisi revocetur. Non fuit autem revo- cata.“ 89. De Wirkungen der Excommunication. ſetzliche Gültigkeit babe '). — Wie richtig und wahr tie Behauptung des Di. Antoninns fel, beweist pas eben- genannte Gonrorbat der deutſchen Nation, das anf bem Concil von Gonftany mis Martin V. abgeichloffen wurde unb art. VII. das in 9tebe flehende Decret wörtlich in ber Faſſung enthält 9, in weldher Antoninns es mittheilt. Wie wäre bieß móglid, wenn Goncil und Papft bem Ins halte bejfelben nicht fdon von Anfang an zugeftimmt hätten? Man fage nicht, εὖ fel urfpränglich zu Conſtanz verworfen, aber ben Deutſchen enblid) zugeftanden worden, weil eben ver Papft ihrem 9[nbringen nicht mehr habe widerfichen können: es gelte alfo höchſtens für Deutſchland, nicht aber für die ganze Kirche. Eine derartige Vermuthung läßt fid nicht mit einer einzigen hiſtoriſchen Thatſache unterftügen, fie widerjpricht den Seugniffen jener Männer, die Antos ninus αἱ Augenzengen für feine Erzählung in Anſpruch nimmt und die ausdruͤcklich verfihern, ble Gonftitution {εἰ für die ganze Kirche beftimmt geweien; auferbem wird jene Annahme nod) burd) den Umftand febr unwahr⸗ fcheinlih gemacht, daß bie tamaligen Berhältniffe, wenn den bejtebenben Lebelftänden abgeholfen werben follte, ein 1) Dominus Andreas Posnani episcopus post celebratum con- cilium Senis, cui etiam interfuit, vadens ad curiam ad visitandum Martinum V. Papam, quum ipse putaret dictam constitutionem fuisse temporalem, scilicet per quinquennium tantum, et sic jam exspi- rasset, loquens cum Papa petivit ab eo, ut concederet sibi ex gratia uti tali sententia sive dispensatione, quam continebat illa constitutio, Respondit Papa: ,Ves scilis, illam esse unam de concordatis.“ Et quum ipse episcopus quinquennialem esse objiceret, dixit Pepa: „Ego volo, quod semper duret.^ 2) Von der Hardt, Constantiense Concil. T. I. p. 1055 seqq. Hartsheim, Concil. German. T. V. p. 142 seqq. Die Wirkungen der Ercommunication. 377 Decret gerabe mit dieſem Inhalte nothwendig machten: jene Berhältniffe beftanden aber nicht bloß in Deutſchland, fonbem überall, Papft und Concil kannten blefelben, fie hatten den Willen, ihnen ein Ziel zu fepen, warum folten fie εὖ unterlaffen haben, dasjenige Mittel zu et» greifen, das allein vollſtaͤndig zum Ziele führte? Aus bem Bisherigen geht hervor, bag, obwohl das Derret, wie e$ vom hl. Antoninns überliefert wird, in den Synodalacten fid nicht vorfinbet, wir dennoch fein Recht haben, zu behaupten, e8 [εἰ überhaupt in Eonflanz nicht erlaſſen worden — weder vom Concil nod) vom Papfte, vielmehr fprechen alle Gründe für bie Wahrheit ber Erzählung Antonins Hiemit gelangen wir zur zweiten Ginmenbung ber Gegner, wornach taffel6e, aud wenn e$ wirklich in Gonftanz entftanden fein follte, bod burd) bie nachfolgende Basler Gonftitution in rechtskraͤftiger Weite wieder aufgehoben worden fei. Wir haben zur nähern Würbigung dieſes Einwandes nicht nöthig, darüber eine Unterfuchung anzuftellen, ob das Basler Decret erlafien [εἰ nod) bevor die Synode fchismatifch geworden und ob’ e$ ble nachherige Beftätigung des Papftes wirklich erhalten - habe, Fragen, die von den Ganoniften je nad) der Stels lung, bie fie su ber einen ober andern ber beiben Gon- ftitutionen einnehmen, febr verfchieden beantwortet wurden: was hier allein entfdjelbet und allen Zweifeln über Gültig: feit oder Ungültigfeit des Basler Decretd unbedingt ein Ziel fet, ift ble Sjpatfadje, daß baffelbe, wie aud) bie gleldjfautenbe SBerfügung des Lateranconcils, niemals in der Kirche recipirt wurde, vielmehr erfreute fih gleich von Anfang das Eonftanzer Secret der allgemeinen Zu« ftimmung und alle nachfolgenden Verfügungen über unfern 378 Die Wirkungen der Gxcommunication. Gegenftanb blieben völlig unbeachtet '); ſelbſt in Franl⸗ rei, wo bod) ber Basler Wortlaut in das Goncorbat auf» genommen worben war, brad) fid ble Conſtanzer Gon. ftitution alsbald Bahn unb fand allgemeine Anerkennung 3). Sie fat turd) Verjährung und Gewohnheit allein auf Gültigkeit Anſpruch zu machen, Feiner der neuern Ganoniften zieht viefelbe in Zweifel, Benevift XIV. thut ber Bes hauptung Bagnanis?), bag daß Conſtanzer Decret, wenn audj nicht burd) das. Basler, jo doch burdj das Laterans concil aufgehoben worben fel, mit ben Worten Erwähnung: »doctrina ejus fere communiter rejecta est, cum ubique moribus sit recepta laudata (Martini V.) Constitutio: ad evitanda“ 3), und ba ber heilige Stuhl nod) in ben neueften Zeiten in Gemáfbeit ver Eonftanzer Bulle entfchieven habe, wird im unmittelbar Stadjfolgenben bargethan werben, Der Grund der allgemeinen Reception derſelben ift aud) leicht aufgufinben: fte allein befeitigte in nachhaltiger Weiſe ble beftebenben Mipftände unb entſprach nad, allen Seiten bem Zwede, bem fie dienen follte, während bie Beftim- "mungen des Basler und Lateranconcils an ven Berhält- niffen, die ble Strenge des alten Rechts herbeigeführt hatte, nur febr wenig änderten und ben Zuftand bet Unficherheit, - 1) Benedict. XIV., De synodo dioeces. L. VI. c. 5. n. 2: ,Quam- vis per Canonem Concilii Constantiensis a Martino V. approbatum, qui incipit Ad vilanda, quique in suo semyer vigore yermanait, non obstantibus contrariis subsequentibus Constitutionibus Con- ciliorum Basileensis et Lateranensis , nonnihil relaxata fuerit disci- . plina etc.“ 2) Van-Espen, Tract. de Censur. c. VII. 6.5. Alterius, 1. c. p. 55. 3) Comment. ad c. 1 X de schismat. 5. 8. n. 55 seqq. 4) De synodo dioeces. L. XIL c. 5. n. 4. Die Wirkungen der Ercommunication. 379 der die Gewiſſen beängftigte und bejeltigt werben follte, in der Hauptſache fortbeftehen ließen 1). Wenn wir alfo an ber Faſſung der Bulle fefthalten müjffen, bie vom Bonftanzer Eoncil ausgegangen ift unb auch in das Goncorbat ber beutídjen Station. aufgenommen wurbe, fo liegt unà jegt ob, ben Inhalt derjelben unb bie Art und Weife, wie fle bem ältern Rechte berogirte, des Nähern auseinanderzufegen. In erfter Linie Spricht fid) die Gonftitution dahin aus, baß fernerhin Niemand mit einem Ercommunicitten ben Verkehr abzubrechen verpflichtet fein folle, „nisi sententia - vel censura fuerit lata contra personam certam a judice publicata vel denuntiata specialiter et expresse.^ Daraus folgt in Betreff der ipso jure eintretenden Grcommunication, daß fle das Verbot des Umgangs nur mehr bann in fid) fhließe, wenn ber Richter öffentlih unb fpecielt erflärt, biefer over jener habe das mit bem Banne bes brofte Vergehen wirklih begangen und fei in Folge hievon in bie Strafe der Ercommunication verfallen. Während alfo das ältere Recht verlangte, daß Jeder ben ipso facto Greommunicirten ftrenge zu meiden habe, fobald er auf irgend eine Weife, wenn auch nur ganz privatim, Kenntniß von der eingetretenen Strafe erlangt habe — und während aus biefer Sorberung bei Beurtheilung des jeweiligen Thats beftanbeó bie beunruhigendften Zweifel entftanden, ob er 1) Suares, 1. c. Disput. IX. sect. 2. n. 5: „Constitutio illa, prout ex Concilio Constantiensi refertur, uliliseima est ad finem in eadem constitulione expressum , scilicet ad vitanda scandala et se- dandas timoratas conscientias: ergo cum ob eam causam communi consuetudine probata el recepla sit, non est cur. amplius restrin- gatur.* 990 Die Wirkungen der Grcommunication. gemieben werden müffe ober nicht, ob im erftern Halle bei der Unficherheit der ganzen Angelegenheit nicht bie. drift; liche Liebe und Schonung, im legterm aber die beftebenben Kirchengeſetze verlegt werben, beftimmt nunmehr die Gon: ftitution Martins V., bag ad vitanda scandala et multa pericula, quae conscientiis timoratis contingere possunt, nur in ben ganz evidenten Fällen, in melden bie Crecommunication vom Richter Tperiell befannt gemadt worben, aífo ein Zweifel ber angegebenen Art gar nicht mehr möglich ift, der Verkehr gemieben werben müfje, in . allen andern aber ungeflört fortgefept werben οὔτε. Daran ergibt fid) von felbft, daß ber Umgang, folange feine richter⸗ [ide Bekanntmachung erfolgte, vollftántig geftattet fei, mag aud) der Einzelne ober ble Gefammtheit von bem ÜBorbanben[ein des Vergehens unb der deßhalb eingetretenen Greommunication nod fo genaue Kenntniß Haben — und wenn bie Gfoffe !) ble entgegengefegte Meinung zu vertfelbigen fucht, (o liegt bod) die eben ausgefprochene Anfhauung in ber Tendenz und bem Wortlaute der Eonftitution, weßwegen bie leptere mit wenigen Ausnahmen allgemein in diefem Einne inters pretirt wurde ἢ. Bon bem gleichen Standpunkte aus findet eine weitere Frage ihre genügende Löfung Wenn ber kirchliche Richter einer beftimmt bezeichneten Perfon gegen» über erklärt, fie folle, falls fie dieß ober jenes thue, ipso facto excommunicirt fein, fo tritt im Salle des Ingehorfame bie angebrohte Strafe factijd) zwar ein, aber Niemand ift verpflichtet, den Gebannten aud) zu meiden, denn das 1) Ad c. 21 X de sent. excomm. 5. 39 verb. quisquis furtum. 2) Alterius, |. c. p. 56. Die Wirkungen der Excommunication. 381 Gefe& verlangt, um dieſe Wirkung herbeizuführen, daß bie sententia vom Richter öffentlich befannt gemacht worden [εἰς Im vorliegenden Falle aber liegt eine bloße öffentliche Androhung ber Greommunication vor. Soll alfo ber Betreffende aud) gemieben werben, fo ift nöthig, daß bet wegen Nichterfüllung der geftellten Bedingung einge: tretene Bann nachher vom Richter πο fpeciell publi eirt werde . — Die Gonflitution Martins V. hat alf; gemeine Gültigkeit und ift. ein Beftandtheil des gemeinen Rechts: εὖ fann vemgemäß Fein Firchlicher Richter im Widerſpruch mit derſelben auf ein beftimmtes Vergehen ble ipso facto eintretende Ercommunication fepen und damit bie Forderung verbinden, es folle Jever, bet fid) deſſelben fdulbig made, augenblidlih gemieben , werden, aud ohne baf vorher eine fpecielle Publication erfolgt fei. Mit blefem Beilage hatte eine €ynobe von Salamanca über Diejenigen, welde ohne voransgegangene Proclamation eine Ehe eingehen wür- ben, bie Grcommunication verhängt und Benedikt XIV. bemerkt, bag ble genannte Verordnung mit SRüdfit auf jenen Zufag als mit der Gonftitution Ad vitanda im Widerſpruch ftebenb Feine verbinbenbe Kraft habe 2). Was die vom Richter ausgehende Excommunicatio 1) Suares, l. c. n. 10. 2) De synodo dioeces. L. XII. c. 5. n. 4: „At ejusmodi con- stitutio, quoad secundam sui partem, sustineri minime poluil, quo- niam evitandos pronunciabat, qui, jnxta canonicas sanctiones, evitandi nequaquam sunt: in celebri enim Extravaganti Martini V. incipien. Ad evilanda, edita in Concilio Constantiensi, evitandi decernuntur - solum excommunicati publice el nominatim denunciati, ac publici et notorii clericorum percussores.* P d 382 Die Wirkungen der Greommunicatiom, ferendae sententiae betrifft, fo gelten ganz viefelben Grund» (age: fle verpflichtet erft dann zum Abbrechen des Verfehrs, wenn bie Sentenz Öffentlich befaunt gemadt worden ift. Waͤhrend nad Alterem Rechte ble betreffenve Verpflichtung aud) vor erfolgter Publication für Jeden beftand, ber auf irgend eine Weife in Erfahrung gebracht hatte, viefer ober jener fel vor Gericht mit ber Greommunication belegt worden, hat bie Ertravagante Ad vitanda, um jeden Zweifel für immer zu befeitigen, jene Pflicht auch Bier auf ble ganz evidenten Fälle beihränft, in welchen eine fpeciele richterlihe SBefannte machung vorliegt, in allen andern aber den Berfehr un, bedingt freigegeben, felbft wenn ber Einzelne von ben Sactum der Ercommunication privatim hinreichende f'enntnif hat 1). Um diefe große Vergüniftigung an einem eclatanten Beifpiele zu veranfdjaullden, Tagen bie Ganoniften, daß bet Pfarrer, ber bie richterliche Genteng zum Zwede ber Publication bereits in Händen habe, alfo in authentifcher Weiſe von bet verhängten Ercommunication unterrichtet fel, mit dem Gebannten immer noch verfehren pürfe — und ihn erft von dem Augenblide an zu meiben verpflichtet fei, in meldem er ble Publication vollzogen habe, denn erft mit ber fegtern fei ble SBebingung eingetreten, an welde Martin V. das Abbrechen des Verkehrs gefnüpft habe 3). Dem Geſagten zufolge ift ſowohl bei bet Excommuni- : catio latae als ferendae sententiae der Gebannte erft bant 1) Dieß ift bie allgemein tecipirte Interpretation der Gonflanzer Bulle. Van-Espen, Jus Ecclesiast, P. 111, tit. Xl. c. 4. n. 17. 2) Suares, |. c. n. 8 in fin. = Die Wirkungen der Grcommunication. 383 ju meiden, wenn bie Sentenz vorher vom Richter ſpeciell befannt gemagt wurde: aber welcher Grad von Publi⸗ cität wird erfordert, um die Gläubigen zum Abbrechen des Verkehrs zu verpflihten? Bon Seiten des Richters ift nótbig, daß er bie Sentenz entweder beim öffentlichen Gotteóbienfte in der Kirche, ober burd) Anheften berfelben an den gewöhnlichen öffentlichen Orten, ober überhaupt durch Anwendung aller derjenigen Mittel befannt machen laffe, die nach ber beftebenben Ortsgewohnheit zur gültigen Publication richterliher Erkenntniſſe für nöthig erachtet werden. — Der Name des Grcommunicirten ift jevesmal ausdrücklich anzuführen, ober, wenn dieß als unthun- [ἰῷ erfcheint, müfjen bod) wenigften& folde Umftände unb Merkmale namhaft gemacht werben, daß über bie Perſon, die gemeint ift, fein Zweifel obwalten fann ἢ. Wenn die Sentenz Eine ober mehrere Perfonen mit Namen nennt, bie andern aber nicht, 3. B. wir excommuniciren den Petrus und feine Anhänger, Begünftiger ıc., fo find nur bie mit Namen Aufgeführten zu meiden, nicht abet bie. llebrigen, «ud wenn fie hinlaͤnglich befaunt [εἶπ jollten, denn nur jene, nidt aber tiefe, find, wie die Ertravagante Ad vitanda verlangt, specialiter et expresse zur öffentlichen Kenntniß gebracht worden. So hat in nenefter Zeit aud 1) Sn diefer Weiſe lautete bie Grcommunicationefenten; Pius’ VII. gegen Napoleon: bet Name war nicht fpeciel( genannt, aber ble Perfon des Kaiſers fo deutlich bezeichnet, daß weber er noch fonft Jemand über den wahren Inhalt unb bie eigentliche Bedeutung ber Bulle in Ungewißheit war. Der Beweis für das Grflere liegt darin, daß er bie weitere Verbreitung der Bulle zu hindern fuchte, das Letztere geht aus dem Suthuflasmus hervor, mit welchem biefebe von ben Voͤlkern aufs genommen wurde. 384 Die Wirkungen der Ercommunication. der heilige Stuhl ausdrücklich ent[dleben. Als über Na⸗ poleon ble Grcommunication ausgeſprochen war, handelte e8 fid darum, ob bie Gläubigen mit Denjenigen, vie in bet. Bulle als , mandantes, fautores, consultores, ad- haerentes etc.“ bezeichnet und mit derſelben Strafe belegt worben waren, ben Umgang abzubrechen haben ober nicht: eine zu dieſem Zwede eigens niebergefehte Gongregation ent[djleb fid) für ble verneinenve Anſicht, „weil ble Betreffens . ben nur mit allgemeinen Ausprüden ohne fpecielle Be: nennung eined Einzelnen in der Bulle erwähnt worben felen 1).“ — Dieß find ble Regeln, welche bel der Publi⸗ cation von Eeiten des Richters zu beobachten find: [οἴει vie Gläubigen verpflichtet fein, fid) bes Umgangs zu enthalten, jo wird ihrerſeits erforbert, bag fie burd) eigene Sinnenwahrnehmung von der erfolgten Publication fid) überzeugten ober von berjelben bod) burdj andere Perfonen in zuverläßiger Weife die nöthige Lenntniß erhielten. Ein bloß unbeftimmies G evi dot, Diefer ober Iener fel ald Ercommunicirter öffentlich befannt gemacht worden, veldjt nicht bin, um in ber angegebenen Richtung zu verpflichten, denn fonft würbe berfelbe Zuftand des Zweifel unb ber Unficherheit, der durch ble Gonftanger Bulle befeitigt werben folte, aufs Neue wieder herbeige- führt. Bon der allgemeinen Vergünftigung, daß nur mehr die Ercommunicirten gemieben zu werben brauchen, welche ſpeciell publicirt worden find, nimmt jebod) die Extras vagante Martins V. Einen Sall aus, menn fte fagt: 1) 9teuefte Sefchichte der fire Chriſti. Aus bem Stalienifdjen. Augsburg 1836. Br. III. &. 493. Die Wirkungen der Greoutmunication. 385 „salvo si quem pro sacrilega manuum injectione in cleri- cum sententiam laetam a canone adeo notorie constiterit incidisse, quod factum non possit aliqua lergiversatione celari, nec aliquo suffragio excusari, nam a communione ilius, licet denuntiatus non fueril, volumus abstineri juzia canonicas sancliones.* Jn Betreff ter. Percussores clericorum ſoll aljo das ältere Recht injoferne beftehen bleiben, als fie zu meiben find, fobalb bie frevelhafte Handlung offen- funbig und notorifch ift, fo baf eine vorauegebenbe Publication nicht erfordert wird. Meber ben Grab ber Rotorietät enthält bie Eonftitution zwei limitirende Bei: füge, bie wohl zu beachten find. Nach dem. erften muß fie jo groß fein, quod factum non possit aliqua tergiversatione celari. Ein bloßed Gerücht, Diefer ober Iener habe fid des in Rede ſtehenden Vergehens ſchuldig gemacht, reicht aljo, aud) wenn es nod) fo allgemein verbreitet fein follte, nit fin 5, um ben Verkehr mit bem SBetveffenben jünphaft zu machen, ſondern εὖ muß bie That felbft im Ange fite des Volkes oder bod) einer folhen Anzahl von Pers jonen gefchehen fein, bag anzunehmen ift, fie werde alsbald in glaubwärbiger Weiſe zur öffentlichen Kenntniß gelangen. Dann erft liegt bie geforderte Notorietas facti vor. Wie viele SBer[onen zu diefem Zwede nöthig felen, läßt fid) durch eine allgemein gültige, auf alle Berhältniffe anwend⸗ bare Regel nicht beftimmen: es hängt bleg von ben äußern Umftänden, von bem Gbarafter ber betrejfenben Perfonen, von ber Zeit, In welcher bie Handlung vorfiel, von bem Orte ab, wo fie begangen wurde, und es muß ble Ent 1) e. 8 X de cohabit. cleric. 3. 2. 386 Die Wirkungen der Gxcommunication. ſcheidung, ob bie vom Geſetze geforderte Notorietät wirklich vorliege, im ſpeciellen Falle bem Elugen Ermefien des Gin; zelnen anheimgeftellt bleiben '). Aber wie verhält es fid) mit den Augenzeugen, bie bei ber Percussio anweſend waren? Haben bleje den Betreffenden fogleich zu mel ben? — Wenn die Anzahl ober bie fonftigen Eigenſchaften der Anweſenden vermutfjen faffen, daß durch fie die That alsbald zur Öffentlichen Kunde werde gebracht werben, fo hat ber einzelne Augenzeuge auch alsbald ben Verfehr abzubrechen, denn das actum fängt bereltó an, ble nöthige Notorietät zu erlangen und ift wenigſtens im moralifchen Sinne fdon offenkundig geworden. Kann aber in Er- wägung ber obwaltenben Verhältniffe mit Sicherheit an. genommen werben, ble anvoefenben Perfonen werben ſchweigen und bie Handlung nie zur allgemeinen Kenntniß gelangen, fo find bie Augenzeugen für jegt und ble Zufunft ebenso wenig aíó Iene, die pon ber Angelegenheit gar nichts wiffen, zum Abbrechen des Verkehres verpflichtet, denn derjenige Grab von Notorietät, den das Gefeg verlangt, — quod faclum non. possit aliqua tergiversatione celari — ift weder jet vorhanden, nod) wirb er. vorausfichtlich jemals eintreten. — Nach dem zweiten limitirenden Zufage muß bie That fo offenkundig fein, quod aliquo suffragio non possit excusari, b. 5. ed muß allgemein befannt fein, daß fie wirflih in böfer Abfiht und mit Vorbedacht verübt wurde, alfo in feiner 9Belfe entjchulpigt werben fónne. Herrſcht darüber ein Zweifel, ob ber Betreffende fid nicht etwa im Gtanbe ber Nothwehr befunden, ober ob er ſich nicht vielleicht in ber Perſon getäufcht und einen 1) Suares, ]. c. n. 11. Die Wirkungen der Ercommunication. 381 Blerifer miffanbeft habe, ben er für einen Laien hielt ıc., jo ift Niemand verpflichtet, den Percussor zu meiden, bie Verbindlichkeit hiezu tritt vielmehr nad) bem Wortlante ber Eonftitution evt. dann ein, menn allfeltig gewiß ift, es ftebe dem Verbrecher Teviglich Fein Entichulpigungsgrund zur Seite. Aber eben um zu biejer Gewißheit zu gelangen, tt eine förmliche Unterſuchung des Thatbeftandes und ein richterliches Erkenntniß nothwendig: rechnen wir nod) hinzu, taf auch in Betreff des erften Zufages in der Regel nur bet Richter wird entfcheiven fónnen, ob bie vom Geſetze geforderte 9iotorietàt wirklich vorliege, fo ift leicht erfichts fij, daß die gegenüber ben Percussores clericorum ftatuirte Ausnahme nur in ben feltenften Fällen Play greifen werde, daß vielmehr bei ihnen, wie bei allen andern Excommuni⸗ eirten, eine richterliche Gntídjelbung unb ble Bekanntmachung berjelben werde vorausgehen müſſen, um ble Gläubigen zur Aufhebung des Umgangs wirklich zu verpflichten ἢ). — Es ift vielfach tie Behauptung aufgeftelt worden 9, nit bloß die Percussores clericorum, fondern auch bie Häretifer und Schismatifer feien von ben Bers günftigungen ber Bulle Ad vitanda ausgeſchloſſen und müßen, aud wenn fie vorher nicht ſpeziell publicirt worden fein, dennod gemieden werben, fobald ihr Vergehen auf irgend εἰπε Weife zur öffentlichen Kenntniß gelangt - fet. Allein in ven Worten der Eonftitution felbft findet (id für diefe Annahme nicht der geringfte Anhaltspunkt, fte geftattet vielmiehr in ganz allgemeinen Ausprüden das in Rebe 1) Van-Espen, Tract. de Censur. c. VII. $. 6. 2) Soto, Comment. in quartum Sententiarum. Dist. XXV. quaest. I. art, 1. 3. Bellarmin. De Romano Pontifice, L. H. c. 30. Theol. Quartalſchrift. 1856. III. Heft. 26 1 388 Die Wirkungen der Excommunication ſtehende Privilegium gegenüber von allen Excommunicirten — cujusſcunque senienliae aut censurae ecclesiasticae ab homine vel a jure, mit alleiniger Ausnahme ber Percus- sores clericorum: alfo find alle übrigen Ercommunicirten, unter welche aud) bie Häretifer und Schiömatifer gehören, nidt ausgeſchloſſen und wir werben bie legtern unter bie Beftimmungen der Eonftitution mit um [o größerm Rechte fubiumiren, als für bie Anwendung berjelben gegenüber von Härefie und Schisma ganz diefelben Gründe fprechen, wie bei ben andern Etcommunicirten. Oper follten nicht aud) bei ihnen Zweifel entfichen fónnen, ob Diefer over Sener wirfíid ein Häretifer 2c. [εἰ oder nicht, ob er alfo gemieben werben müffe ober nicht, — und wirb es. nicht and) hier zur Beruhigung und Erleichterung ber Gewiſſen nöthig fein, zu Deftimmen, daß der Verkehr nur in den ganz evibenten Fällen, mo ein öffentliches Grfenntnig des Richters vorliegt, aufzuheben fei, in allen andern aber fortgefegt werven dürfe? Gerade die Erwägung, daß bie Häretiler und Schismatifer unter bemjelben Geſichtspunkte zu betrachten felen, wie alle übrigen Ercommunicdrten, bat vielleicht ben Papft Martin V. veranlaft, in fo allge meinen Ausdrücken zu fpredyen und ver Häretifer ıc. nicht audbrüdíid zu erwähnen, da εὖ fid) ja von ſelbſt verftand, fie unter die SSeftimmungen der Bulle zu fubfumiren. Zwar bemerkt Hr. Dr. Shöttl!), Martin V. habe bei Abs faffung ver Conſtitution vorherrſchend nur ble Schiömatiker, nicht aber bie Häretifer im Auge gehabt nnb feine In 1) 3n der treffligen Schrift: Die gegenfeitige Gemein⸗ (haft in &ultganblungen zwiſchen &atbolifen und to ifolifen. Stgenéfuvg, 1853. €, 47 ff. Die Wirfungen der Greommunication. 389 tention [εἰ nicht dahin gegangen, ben Berfehr mit ben legtern zu erleichtern, weil εὖ damals überhaupt feine Häretifer, bie ber Kirche als confiftente Maſſe gegenübete geftanden wären, gegeben babe. Die Bulle müfje nad ben BVerhältniffen, unter deren Einfluß (te entftanden fei, bes urtheilt werben, ‚könne fidj alfo zunächft nicht auf bie Häretifer beziehen: wenn man (id für unfere Verhältniffe auf fie berufe, jo fel dieß eine bloß boctrinelle An; wendung bverfelben und es müfle immer noch bet Ficchlichen Auctorität überlaffen bleiben, bie Beziehungen der Gläubi- gen zu ben Häretifern quoad communicationem in sacris et extra in befinitiver Weife zu regefn. — Allein in erfter finie handelt es fid) bei Beurtheilung eines Geſetzes nicht darum, von welden perfönlichen Anfchauungen und Rüds fiten der Geſetzgeber etwa geleitet gewefen fel, ſondern darauf fommt es an, was ec öffentlich als Motiv feiner gefeglichen Anordnungen namhaft macht. Die Bulle {εἰ aber fagt, fie fel erlafien morben ad vitanda scandala et multa pericula, quae conscientiis timoratis contingere pos- sunt: biefer Grund muß in Betreff ber Häretifer ebenfo gut geltend gemadyt werben, wie bei andern Grcommunicirten, — banum hat fie das Geje& pofitiv nicht ausgefchloffen, mithin find aud) wir nicht beved)tigt, fie auszufchließen. — Wenn wir fodann aud) zugeben, das Augenmert Martins V. [εἰ bei Erlaffung ber Bulle votberrjdenb auf das Schisma gerichtet gewejen, jo hatte bod) bet Bapft auf bem Goncil von Eonftanz immerhin noch Gründe genug, aud) die Häretiker in ben Kreis feiner Erwägungen zu ziehen: ble Wicliffiten hatten in England zahlreihen Anhang, Hus und Hieronymus von Prag waren furz vorher am Site des Eoncild gfeldjam unter ben Augen des Papftes vers : 26 * 390 Die Wirkungen der Grcommunication. brannt worden, ber Fanatismus der Eecte, fowie ber Charakter des Bolfes, bem fie angehörte, ließen nicht er- warten, fie metbe alsbald ihr Ende finden. Wir werben demgemäß, „ohne Martin V. zum Propheten zu madjen ", aunehmen dürfen, et habe bei Abfafjung der Bulle nicht allein bie Schiömatifer, Tondern aud) ble Häretifer im Auge gehabt. Aber amd) ganz abgejehen von blefen Verhältnifien unb vorausgefegt, Martin habe nicht für nöthig erachtet, auch den Häretifern feine Aufmerkſamkeit zuzuwenden, fo enthält die Bulle jedenfalls eine VBergünftigung für die Gläubigen, ble an Ausdehnung und SSebeutung gewann, wenn fie auch ben Häretifern gegenüber in Anwendung gebradjt wurde. Nun aber ift εὖ ein allgemeiner Grund» {ag des Rechts, bag Vergünftigungen, foweit immer der Wortlaut be6 Geſetzes es geftattet, ausgedehnt werben bürs fen 5,: mithin würben bie Gläubigen die Grenzen ihrer Befugniß nicht überfchritten haben, wenn fie ble Extra; vagante Ad vitanda aud) auf ble Häretifer angewendet hätten, ba ber Wortlaut derfelben einer derartigen Inter pretation nicht im Geringften entgegenftebt. In ber That aud) wurde fie practifch immer in biefem Sinne aufge, fat: felt Jahrhunderten leben unb verkehren bie Katholiken Deutſchlands mit ihren afatholifhen Mitbürgern in ber freieften Weife unb nie ift von Seiten ber Kirche blegegen Wivderſpruch erhoben ober vor diefer Praxis wenigftend gewarnt worben, was nicht möglich wäre, wenn das ältere Recht nod) beftünbe und ble Gonftanjer Bulle in diefer Ri tung nichts geändert hätte. Man könnte geltend machen, — — \ 1) c. 15 de regul. jur. VI. 5. 12: „Ouia reswingi, et faveres cenvenit. ampliari." Die SfBirftingen der Greommunicatton. 391 daß aus jenem Schweigen bec Kirche auf ihre Suftimmung nicht gefchloffen werden dürfe, ba fte vafjelbe nur deßwegen beobadjte, weil tle nun einmal beftehenvden Verhaͤltniſſe eine ftrenge Anwendung bed Redites unmöglich machen, allein hiegegen fpricht ber Umftand, daß bie angefehenften ihrer Ganoniften die Befugniß ver Gläubigen, mit ven nicht denunclirten Häretifern zu verfehren, allgemein am erfennen und dieſelbe gerade aus ber Bulle Ad vitanda abfelten; So fagt Benedict XIV. ausprüdlih N): „Ouam-- vis per Canonem Concilii Coristantiensis a Martino V. ap- probatum, qui incipit Ad evitanda, ... nonnihil relaxata fuerit disciplina in eo, quod pertinet ad conversandum, atque eliam in Divinis communicandum cum haereticis, qui tolérantur. ei expresse denunciali non sunt tamquam vitandi, non idcirco tamen arbitrari debent Catholici etc.“ — In Erwägung alf biefer Umftände glauben wir ans nehmen gu dürfen, baf ber Verkehr mit ben Häretifern, wie er heutjutage allgemein befteht, nicht auf einer bloß doctrinellen Anwenvung ber Gonftanjer Bulle berufe und daß eine definitive Regelung diefer Angelegenheit nicht etft zu erwarten εἰ, fonberm daß fle in der Gonftitution Ad vitanda bereit vorliege und jener Verkehr nichts Anderes fei, als die Ausübung eines Rechtes, das Martin V. den Gläubigen einräumte. Für das richtige Verſtändniß der Conftanzer Bulle find fernerhin bie Eingangsworte derfelben von ber größten Wichtigkeit und müfjen bei ber Stage nach Ausvehnung - und Anwendbarkeit ber dort gemachten Eonceffionen jorgs 1) De synodo dioeces. L. VI. c. 5. n 2. Cfr. Devoti, Insti- ution. Can. L. IV. tit. XVIII. €. 11. Die Beftimmungen ber Bulle find aljo unter vem Gefdité- yunfte eines Inpultes, einer Onadenbezeugung auf zufafien — und zwar if biefelle nur ven Gläubigen eingeräumt werben, nur ihnen wil eine Gewiſſenser⸗ leichterung gewährt unb nur ihnen gefattet werben, mit ven Grcommunicirien, vie nicht ſpeciell befannt gemacht wurden, den Bericht forizufegen, biejen ſelbſt aber foll dadurch nicht bie geringfie Bergüunftigung zu Theil werben und für fie das ältere Net, wornach fie ihrerfeitd von jevem Umgang mit ven Blänbigen fid) fernzuhalten haben, unverändert foribefichen. Diefe Tendenz des Gefehgebers ift in ver Haflung des Basler und Lateranenfifhen Decretes noch deutlicher in ben Schiußworten defjelden auégefproden: ' „Per hoc tamen ejusmodi excommunicatos, suspensos οἱ interdiclos seu prohibilos non intendimus in aliquo rele- vare, nec eis quomodolibet suffragari.^ Obwohl diefer Sufag in ber Conſtanzer Bulle fi nicht findet, fo liegt er bed), wie bie Ganoniften übereinftiimmend bemerfen ἢ), in den Worten berfelben: „Christi fidelibus misericorditer indulgemus,^ — und daß fie gleih anfangs in biefem Sinne aufgefaßt vourben, begengt Antoninus, wenn et fagt 3): , Nec per Constitutionem Constantiae factam tol- litur, quin. ipse excommunicatus debeat se subtrahere a communione fidelium in divinis, ^ was nidt bebauptet 1) Suares, |l. c. n 15. 2) Summa T'heolog. |. c. c. Il. $. 2. Die Wirkungen der Ercommunication. 393 werden fónnte, wenn bie Bergünftigungen ber Bonftitution beiden Thellen, ben Grcommunicirten wie ben Glaͤubigen, gleihmäßig eingeräumt worden wären. — Aus bem Umftande, daß nur den Gläubigen ein 3ugeftánbnié gemacht werden wollte, ergibt fid) fobann als weitere Gone fequenz, daß biefelben mit den nicht fpeciell genannten Grcommiunicirten umgeben fónnen, aber nit müffjen und daß bie [egterm bie Bortfegung bes Verkehrs Ihrerfeite nicht als ein Recht beanjpruden dürfen. Gnblid fügen wir nod) bie Bemerkung bei, daß fid in Folge ber oft genannten Bulle ein neuer Gpradjgebraud, gebilvet hat. Seit dem Eonftanzer Concil zerfallen tie Ercommunieirten in zwei Glaffen: in folde, bie nicht ſpeciell publicirt wurden und mit welchen der Umgang ger fattet und in folde, deren Ercommunication vom Richter befannt gemacht worden ift und bie von ten Gläubigen gemieben werben müffen. Sene bezeichnen ble Banoniften als Excommunicati folerati, tiefe als Excommunicali non tolerati sive vitandi, ein Gpradjgebraud), bet nod heute in allgemeiner llebung ift. Der Erſte, ver fid) des- felben bediente, ift unjeres Wiffens Dominicus Goto !). Nachdem wir nun über die berühmte Ertravagante Ad vitanda das Nöthige beigebracht haben, febren wir zu unferer urfprünglichen Frage δε ἃ, ob das Verbot des öffentlichen Gebeteó und ber Darbringung des hi. Meß⸗ opferó auf alle Ercommunicitten ohne Unterſchied, die tolerati wie vitandi, fich erftrede ober ob nur bie legtern darunter begriffen feien? ine ziemliche Anzahl von Rechtes 1) Comment. in quarium Sentent, Dist. I. quaest. V. art. 6. proposit. 7. 394 Die Wirkungen der Grcommnnicatiort: lehrern und Moraliften 1) vertreten die Anfiht, tag aller dings bie Excommunicali vitandi unbedingt von ben genannten kirchlichen Wohlthaten ausgeſchloſſen feien, dagegen dürfe für *ie tolerati ohne Bedenken öffentlich gebetet und das bi. Meßopfer bargebradjt werben. Dieß folge [don ans bem Wortlaute der Bulle, denn fie geftatte den Ilmgang mit den nicht fpecie Grcommunicitten „in sacramentorum administralione et receplione aut aliis quibuscunque di- cinis ^: ber [egtere allgemeine Ausdruck lafie β febr gut auf bie kirchlichen Gebete 1ε. beziehen und lef um fo mehr, ald die Gnabens und Gunftbegengungen ber Bulle nad bem befannten Sage — favores convenit ampliari — fo» weit ald nur immer möglich ausgedehnt werben bürfen. Werner ergebe fi die Richtigkeit der anfgeftellten Anſicht aus bem Umftande, daß das kirchliche Begräbniß den Ex- communicatis toleratis geftattet fel: bei bemfelben bilden bie betreffenden Firchlichen Gebete bie Hauptſache nnd mo es gewährt werbe, gefchehe ed um dieſer Gebete willen, mithin müffe ed erlaubt fein, für viefe Elafje von Er- commmnicirten zu beten, weil ja fonft die Einräumung des Begräbniffes für fie gar feinen Sinn hätte. — Außerdem geftatte die Kirche das Gebet für Heiden unb Um gláubige, ble bod) nie zu ihren Gliedern gehörten: um fo mehr müffe εὖ daher erlaubt fein [ἅτ ble Excommunicati tolerati zu beten, bie mit bem Leibe ber. Kirche immerhin nod in einer gemifjen Verbindung fteben. — Endlich bete die Kiche im Officium des heiligen Charfreitags öffentlich 1) Natarrus, Manuale, c. XXVII. n. 36. ad dub. secund. — und die bei Tournely, Curs. Theolog. Tract. de Censur. P. II. c. 1. sect, 1 genannten Autoren. Die Wirkungen der Grcommunication. 395 für Häretifer und Schismatiker, die als fole zu ben Ercommunicirten gehören: was aber vie Kirche felbft thue, fónne fie Andern nicht verbieten, mithin {εἰ das Gebet ır. für die Excommunicati tolerati erlaubt. Aber fo. einleudjtenb diefe Argumente auf den erften Anblid zu fein fdeinen, fo glauben wir bod) an ber ent» gegengefegten Meinung !), wornach aud die tolerati vom óffentliden Gebete 1c. ausgeſchloſſen find, fefthalten zu müflen. Denn | 1) die Eonftitution Ad eitanda, auf weldje bier Alles ankommt, wollte ben Ercommunicirten in feiner Weife irgendwelche Bergünftigung einräumen, für fie follte viel- mehr bie ganze Strenge des alten Rechts beftehen bleiben: nun. aber würde bie Theilnahme an bem öffentlichen Ger bete ic. eine febr große Vergünftigung in fid fchließen und die ältere Gejeggebung zu Gunften ber Grcommunicitten bedeutend geánbert werben, mithin fann ble Gonflitution unmöglich in biefem Sinne interpretirt werben. 2) Die Wirfungen ber fchwerften Kirchenſtrafe würden burd jene Annahme auf ein Minimum rebucitt. Denn wenn in allen andern Dingen. ber Umgang mit ben nicht ſpeciell Ercommunicirten gefeglich geftattet ift, worin foll bann noch bie Strafe beftehen, wenn fie aud an ben: öffentlichen Gebeten ıc. Antheif Haben unb wo es fid) um kirchliche MWohlthaten ‚handelt, den Gläubigen völlig gleid geftellt werben? Auch bie tolerati find immerhin im vollen Sinne des Wortes Ercommunicirte: wäre es nun nicht ein 1) Covarruvias, Alma mater. I. 6. VI. n. 4. Bellarmin. De acrific. Missae , L. II. c. 6. Avila, De Censur. P. Il. c. 6. disput. 9. dub. 6. Suares, l. c. n. 16 seqq. Tournely, |. c. 396 . Die Wirkungen der Greommunicatton. innerer 9Biber[prud), Iemanden aus ber Gemeinfhaft ver Fire auszufchliegen und ihn bennod) an allen ihren Wohlthaten theilnehmen zu laffeır? 3) Den Slänbigen würde ſchweres Aergerniß gegeben und Ähre Achtung vor den kirchlichen Cenſuren müßte febr herabgebrüdt werden, wenn für motorifdje Sünder, bie wegen ihrer Vergehen offenfundig in ber Grcommunication fd befinden, in der Kirche nad) wie vor öffentlich gebetet und das BL Meßopfer bargebrad)t werben dürfte. Diefe Erwägungen find nicht geeignet, zu Gunften ber mildern Anſicht zu ftimmen, — fie hat nun einmal im Gefege feinen Anhaltspunft und practifch würde durch fie die öffentliche Kirchendisciplin In einem ihrer wichtigften Theile faft zur 3Bebeutungélofigfeit Bevabfinfen. Aber aud, die Gründe, welde für íle geltend gemacht werben, find feineswegs von großem Belange. Die Worte der Bulle: in aliis quibuscunque divinis fónnen nidyt wohl anf das kirchliche Gebet und die Darbringung ved Di. Meßopfers bezogen werben, denn ihre Verbindung mit bem unmittelbar vorausgehenden „in sacramentorum administratione vel. receptione ^ zeigen deutlich, daß der Verkehr nur im äußeren kirchlichen Handlungen geftattet werben wolle, taf alfo auch bie quaecunque divina nur auf áufere ' ficte gedeutet werden dürfen, wie denn and) ble Ganoniften beinahe übereinftimmenb die Anhörung ver bl. Meffe, die Theilnahme an öffentlichen Proceffionen 1c. darunter vers fteben. Bon einer Ausdehnung ber in ber Bulle gegebenen Bergünftigungen fann hier feine Rebe fein, denn biefe find lediglih ben Gläubigen gewährt, und nit den Gr communicirten, eine Ausdehnung verjelben fann alfo bloß ven Gläubigen gegenüber gerechtfertigt fein, nicht aber Die Wirkungen der Creommunicatioin. 397 bei den Grcommunicirten, die im vorliegenden Falle aus ber Amplification allein Nutzen ziehen würden. Was fobann den Schluß betrifft, das Firchliche Begräbniß werde bauptfächlih wegen ber mit ibm verbundenen Gebete geftattet, beide felem immer mit einander verbunden, mithin müfje, da bie Excommunicati tolerati kirchlich beerbigt wers ben bürfen, geftattet fein, öffentlich für fle zu beten unb das hi. Meßopfer öffentlich varzubringen, fo ift ber Oberfaß durchaus unridjtig, denn die kirchliche Gefeggebung macht auch Falle namhaft, in welchen das Begräbniß geftattet, aber ble öffentlichen Gebete 1c. unterfagt find. Innocenz II. erlaubt für.die Zeit des Sinterbicteó, daß bie Elerifer, bie dafjelbe beobachtet haben, in_geweihter Erbe begraben wet» bem bürfen, jebodj habe dieß ganz in ber Etille, ohne Stodengeläute unb mit Unterlaffung aller Feier lihfeiten zu gefhehen!), unter welche bod) in erfter Linie die gewöhnlichen Firchlichen Gebete und Gefänge 1c. zu rechnen find. In bemfelben Sinne geftattet Eugen III. ben Kirchenräubern, welche reumüthig geftorben feien, das kirchliche Begräbniß, aber mit bem Zufage, daß fein Cleriker bei demſelben anmefenb fein ober für den BVerftorbenen ein Mepftipennium annehmen türfe ἢ). — Es gibt alfo Yälle, in welchen die Beerdigung geftattet, das öffentliche Gebet aber unterfagt ift. und gerade zu ihnen gehört aud) das 1) c. 11 X de poenitent. 5. 38: „concedimus ex gratia , ut clerici decedentes, qui tamen servaverint interdictum, in coemeterio ecclesiae, sine campanarum pulsalione, cessantibus eollemnitati- bus omnibus , cum silentio tumulentur." 2) e. 2 X de raptor. 5. 17: ,de peccato contrito viaticum non negetur, ita tamen, ut nullus clericorum sepullurae illius. intersit, nee ejus eleemosynam praesumal accipere.* 398 Die Wirkungen der Grcommunication. Begräbniß der Excommunicati tolerati: die SBeifegung ihrer . Leiche in geweihter Exve ift im Sinne der Bulle Ad vitanda niht ihnen eingeräumt, fondern ben. zurüdgebliebenen Gläubigen, biefen will damit eine Gnabe oder Gunft bezeugt werben !).. Die nämlihe Rüdficht [ἀβὲ fid aber nicht aud; für das Firchliche Gebet beim Begräbnifie gelten machen, denn dieſes gereicht nicht zum Bortheil ber eben. ben, fondern auéfdjieplid zum Nutzen des verftorbenen Grcommunicitten, e8 muß alfo, da die Gonftanzer Bulle ben Legtern nichts einräumen wollte, unterlaffen werben. Hieraus ift erfichtlih, wie unberechtigt vie Schlußfolgerung fei, daß, da bie Excommunicati tolerati kirchlich beerbiat werben dürfen, bie Gläubigen überhaupt das Recht haben, für fte öffentlich qu beten und das bL. Opfer barzubringen. — Aus dem lim(tanbe ferner, daß die Kirche das Gebet für Heiden und Ungläubige erlaubt, folgt nift, daß e6 aud für bie Grcommunicirten geftattet fel, denn zwifchen beiven beftebt ein großer linterfdjieb: wenn die Kirche für bie Erftern betet, (o erfüllt fie leviglih eine Pfliht ver al, gemeinen Nächftenliebe, bie παῷ ber Lehre des Apoftels ἢ) Niemanden vom Gebete ausfchließen foll und unter blefem Geſichtspunkte wäre auch das Gebet für die Ercommuni- cirten an (ifj vollftändig erlaubt, aber bie Kirche hat εὖ unterfagt, um fte durch Entziehung aller gelftigen Wohls thaten zur Buße und Rüdfehr um fo nadjrüdiider zu veranfajjen. Während alfo ble chriſtliche Liebe das Gebet für die Ungläubigen geftattet, ift εὖ viefelbe Liebe, vie es 1) c. 22. C. XIII. q. 2: „Curatio funeris, conditio sepulturae, pompa exequiarum, magis vivorum solatia sunt, quam subeidia mortuorum.* 2) I Timoth. IL 1 f. Die Wirkungen ber Greommunication. - ὀ 899 für bie Ercommunicirten verbietet. — Daß endlich die Kirche am hl. Charfreitage für Häretifer und Schismatifer, alfo für Ercommunicirte öffentlih bete, fat feine Richtigkeit: fie will an biefem großen Tage, an weldem ber Erlöfer für Alle am Kreuze geftorben, Niemanden von dem Ges bete, daß Gott Alle zur Grfenntnig der Wahrheit führen möge, ausfchließen; aber ihr Gebet für ble Excommunicirten ift auf diefen Tag beſchränkt unb. findet fid) an feinem andern des ganzen Jahres, — es ift eine 9Lu 8» nahme, bie bie Regel befräftigt, daß orbentlider Weiſe das Gebet für Ercommunicirte unterfagt fel. Wie wenig bie Kirche dafjelbe billige, geht aud), wie bie Väter bes merfen !), daraus hervor, daß fie felbft am Charfreitage für ble Ercommunicitten nit direct und mit Nennung ihres Namens betet, fondern nur inbirect, infoferne . fle unter den Häretifern und Schiömatifern mitinbegriffen find. 2. Dem Gefagten zufolge müjjen wir an der Anficht feft: halten, bag fowohl ble Excommunicati vitandi ald aud; bie tolerati von ben öffentlichen Gebeten unb ber Darbringung bes hi. Meßopfers ausgeſchloſſen jelem. Als einfache Gom» fequenz dieſes Satzes ergibt fi, daß das gewöhnliche Kicchengebet für bem Patron und bie Erwähnung des Bifchofs im Kanon der HI. Meſſe hinwegzulaſſen fet, fobalb bet eine ober andere notorijd) in ber Ercommunication fid „befindet, fei εὖ als toleratus ober vitandus. - In berjelben 1) S. Bernard. De grad. Humilit. c. XXII: „Viderint in quanto periculo sint, pro quibus Ecclesia palam orare non audet, quae fidenter etiam pro Judaeis, pro Haereticis, pro Gentibus orat. Quum enim in Parasceve nominatim oretur pro quibuslibet malis, sulla . lamen mentio fit pro E:ccommunicatis.“ 400 Die Wirkungen der Grcommumication. Weife und aus benfe(ben Gründen ift das öffentliche Gebet und bie Darbringung beo hl. Meßopfers für Afatholifen unterfagt, denn fie gehören zu den Excommunicatis toleratis. Nur in Betreff des Landesfürften, fowohl des Fatholis (den, wenn er ercommunicirt ijt, als bes afatholifchen geftattet die Kirche eine Ausnahme: fie betet für benfelben beim öffentlichen Gottedblenfle und bringt für ihn an ge wiffen feftlishen Tagen das hi. 3Refopfer tat, denn folange bet Lanvesfürft am Leben ift, tritt er ber Kirche nicht als bloße Perfon gegenüber, fondern es fommt vor Allem feine Stellung als Regent des Landes in Betracht, das Wohl des einen und andern kann nicht getrennt werben, das Gebet für ven Landesherrn ift zugleich ein Gebet für den Staat und umgekehrt. Wenn alfo. ble Kirche ihre patrioti[den Pflichten gegen ben Staat, die ihr fo gut obs liegen wie bem einzelnen Unterthanen, getreulich exfüht, wenn fie für ben Regenten unb feine Regierung bie Gnabe unb den Schug Gottes erlebt, (o handelt es fid nicht um ble Perſon, welche die Trägerin der Regentenwürbe ift und es muß in dieſem Punfte gleichgültig fein, welche perfönlihe Stellung biefelbe zur Kirche einnehme. Diefe ihre Unterthanenpflicht hat fie von jeher aud) gegen ganz heidniſche und offen häretifche Hürften ') erfüllt, fte erfüllt fle nod) heute gegenüber ven afatholifchen Negenten in ben Ländern, wo jolde fid) finden und ber Heilige Stuhl hat gegen biefe Praxis niemals aud) nur die leifefte Ginfprade erhoben. In einem ganz andern Verhältniffe dagegen ftebt der bereits verſtorbene Landesfürſt zur Sicher: er ev 1) Binterim, Denfwürbigleiten Bp. IV. 2: Thl. Anhang, ©. 1—214, Die Wirkungen der Gxcommunication. 401 ſcheint nicht mehr als ber Träger der Staatögewalt, für deren Gebeifen (ie betet, ſondern lediglich ald Berfon. Da nun aber bie Kirche nur für jene Todten ihre Gebete und daß bl. Opfer darbringen kann, bie in ihrer Gemein⸗ ſchaft adgefchieven find, fo hat ber afatfolifde Regent ebenjomenig Anfpru auf biefe Wohlthaten, als der fathos ife, ber in ber über ibn verhängten Ercommunication verharrend und ohne fid mit ber Kirche verföhnt zu haben, aus bem Leben fchied. Diefe Anſchauung liegt in ber Natur bet Sache, die Firhliche Gefepgebung kann von berfelben nicht abgeben, folange fie auf Gonjequeng Anfprud machen will, nie war bie Praris eine andere unb nod) aus ben neueften Zeiten liegen über biejen Punft ausdrückliche Vers bote des heiligen Stuhle8 vor '). Rah den bisherigen Auseinanderfegungen ift e$ ben Mitgliedern und Dienem der Kirche unterfagt, für bie Ercommunicirten öffentlich zu beten ober das Dl. Meßopfer für fie darzubringen, folange fie in ihrer Sünde und Unbußfertigfeit verharren: abet wie verhält ed fid) mit denjenigen, bie ihr Vergehen aufrichtig berenen und für baffelbe Buße thun, aud von ber Grcommunication abſolvirt ju werben woün[den, aber wegen irgend eines äußern Hinderniſſes bie Losſprechung facti[d nicht erlangen lónnen? Sft ein Goldjer durch feine Reue und Buße nicht mit der Kirche innerlich verföhnt unb vereinigt: folte ev alfo nicht wenigftend innerlich an ihren Wohlthaten Antheil baben und Diejenigen äußerlich für ifm beten unb das 1) Bol. das Breve Gregors XVI an den Biſchof von Auge burg v. 13. Februar. 1842 und an ben Abt von Scheyern v. 9. Juli eff. S. bei Probſt, Grequiem, ©. 148 f. und in der Berliner allg. Kirchenzeitung. 1852. Nr. 60. 402 Die Wirkungen der Greommunication. bi. Opfer darbringen dürfen, die von feiner Einnesänberung hinreichenn Kenntnig haben? Die Kirche hatte ihn aus ber Gemein[djaft der Gläubigen ausgeſchloſſen, weil er ihr Feind und ein wiber[penftiger Verächter ihrer Gebote war: nun aber Bat er aufgehört, dieß zu fein und ſoviel in feinen Kräften ftanb, Genugthuung geleiftet, — follte ans genommen werben bürfen, daß bie milde und forgliche Mutter ihn auch jegt noch von ihren geiftigen Wohlthaten ausgeſchloſſen, aud jetgt nod) wie einen Feind und Ber ächter behandelt wiflen wolle — einzig befioegen, weil er ohne feine Schuld bie außerlihe Abfolntion nod) nicht et langen fonnte? Er ift im Innern mit Gott verföhnt unb feiner Gnade tbeilfaftig, ec ift Innerlich wieder ein leben, diges Glied am Leibe Chrifti: ſollte er nicht aud, wie alle andern Glieder, an ben Gnaden theilhaben, vie aus bet Verbindung mit diefem Leibe bem Einzelnen zufließen? 1) — Es fann wohl feinem Zweifel unterliegen, ba er innerlich an ben Fürbitten der Heiligen, an den guten Werfen unb Gebeten ber Gläubigen, ble fle für ble Mitglieder ver Kirche verrichten, an ben Gnaden des bL. Mefopfers, fofern biefe allen Gläubigen zugewendet werden, Antheil habe, aber daraus folgt Feineswegs, daß audy äußerlich und öffentlich im Namen ber Kirche fpeciell für ihn gebetet over geopfert werben dürfe. Denn die Greommunication als äußere Strafe wird nicht burd) Innere Reue und Buße aufgehoben, fondern einzig und allein burd) ble Abfolution des coms petenten Kirchenobern; folange dieſe nicht erfolgt ift, bleibt 1) Navarrus, Manuale, c. XXVIL n. 18. 36. Covarruvias, Alma Mater, I, 6. VI. n. 4. Avila, De Consur. IL. c. VI. disput. 4. dub. 2. EE . x Die Wirkungen der Greommunicatton.. 403 der Betreffende fartifch und quoad forum externum allen Wirkungen des Bannes unterworfen, alfo audj ber Aus ſchließung von ben óffentliden Gebeten unb ber Darbrins gung des hi. Opfers. - Wie ble Gxcommunication burd ben Richter audgefprocen wurde, fo kann mieberum nur er fie heben; — könnten ihre Wirkungen durch innere Reue befeitigt werden, fo wäre die Aufhebung der Strafe bem Privaturtbeile des Einzelnen anheimgegeben und bie öffentlihe Disciplin der fubjectiven Willfür überantiportet, ver böswilligen Umgehung und ber Taͤuſchung großer Bors ſchub gelelftet. Das Verbot, für reumüthige Ercommunis eirte Öffentlich zu beten und zu opfern, ift, wenn überhaupt in der Kirche eine fefte und einheitliche Disciplin herrſchen foll, eine Nothwendigkeit 1) und ebendeßhalb Bat fidj aud die Gefeggebung auóbrüdíid für biefe firengere Anficht audgefproden. Innocenz II. hat in Betreff der Gr. communicirten, bie im Tode unjmelbeutige Zeichen ber Buße gegeben, aber ohne bie Abfolution empfangen zu haben aus diefem Leben giengen, dahin ertfchieben, daß fie vor Gott als Losgeſprochene gelten mögen, nicht aber vor vem Forum der Kirche: bevor fie alfo nicht ber Gnade ber Abſolution theilhaftig geworden, bürfe für fie weber gebetet "od das hl. Meßopfer dargebracht werben 3). Wenn der Priefter bie genannten heiligen Dienft- teihungen für einen ſolchen Excommunicirten im Wider⸗ ſpruche mit bem Firchlichen Gejege wirklich verrichtet, fo macht er fi ohne Zweifel einer ſchweren Sünde fdulbig: — —— 1) Soto, 1. c. Dist. XXII. quaest. 1. Suares, l. c. sect. 2. v. 1 seqq. Tournely, 1. c. | 2) c. 28. 38 X de sentent. excommun. 5. 39. Theol. Quartalſchrift. 1856. IH. Heft. 27 404 | Die Wirkungen der Ercommunlcation. da aber nicht alle Firchlihen Handlungen, bie unerlanbt und für Denjenigen, der fie vornimmt, fünbfaft find, qu gleih aud) allez Wirkungen entbebren, fo Tann in bem vorliegenden Salle bie Frage entfichen, ob die Darbringung bes bí. SReBopferó und bie Berrihtung ver kirchlichen Ges bete gültig felen und bie ihnen ſonſt innewohnenden Gnaben bem reumütfigen, aber ohne fein Verſchulden noch nicht freigefprochenen Ercommunicirten wirklich zu gute fommen? — Was das bl. Opfer betrifft, fo Außert es, obwohl ber Priefter burd) die Darbringung befjelben fid) verfünbigt, für ven Ercommunlcitten, wenn er, wie vorausgefegt wird, vermöge feiner innen Dispofition würbig ift, ungeſchmaͤlert feine volle Kraft, denn ed wirft ex opere operato, bie von Ehriftus in baffeíbe niebergelegte Ginabe erweist fid anmittelbar und Jedem gegenüber thätig, bem fie gefpenbet wird, — die Kirche fann an diefem auf göttliher Anorb- nung beruhenden Verhältnifje nichts ändern und ihr Verbot berührt es nicht. Wie ber Priefter, ber gegen die Vorſchrift der Kirche die Sarramente fpenbet, eine Ende begeht, dieſe felbft aber für Denjenigen, der fie würbig empfängt, gültig und wirkffam find, gerabe fo verhält es fid) beim HM. SRefopfer. — Dagegen beruhen die öffentlichen liturgifden Gebete auf ber Anordnung ver Kirche, in ihrem Namen und Auftrage werben fie vom Priefter verrichtet und [dópfen ihre Kraft unb Wirkſamkeit aus bet Intention der Kiche. Werben fie alfo einem Excommuni⸗ cirten zugewendet, fo nügen fie ihm nichts, denn es fteht biefer Application das Verbot ber Kirche entgegen, εὖ fehlt ifte Intention, ber Priefter handelt gegen ihren Willen, mithin aud nicht mehr in Ihrem Namen. Daß einem folden Gebete wenigftens ſoviel Kraft zufomme als bem Die Wirkungen der rcommunicatton, 495 Gebete jeder andern Privatperfon, kann ebenfomenig bes bauptet werben, benn indem bec “Priefter εὖ verrichtet, verlegt ev bie Pflicht des Gehorſams, befindet (id) alfo im Stande ber Sünde unb bec Ungnabe, in Bolge welcher alle feine Handlungen ben. inneren Werth und die Verbienft- lichkeit verlieren. | Wenn aus allem Bisherigen ald Refultat fib. ergibt, daß alle Gxcommunicirten von den Fürbitten ber Heiligen, ten. Berbienften und Gebeten der Gläubigen, ben öffents lichen Gebeten, die der Briefter im Namen bec Lirche für beret Mitgliever verrichtet, unb von den Früchten des δι. Meßopfers ausgeichlofien feien, jo findet fi bod) nit gends eine Firchliche Vorfchrift, welde das Privatgebet für diefelben verbieten würbe. Im Gegentheil, es ift eine Anforderung der chriftlichen Liebe, für alle Menſchen zu beten, für Freunde und Weinbe, für Gute unb Böſe, für Fromme und Sünder: dieſes allgemeine Gebot der Moral fat auch den Grcommunicirten gegenüber vollftänvig verbirfdende Kraft. Außerdem ift ja der Zwed ber Er- communication gerade dahin gerichtet, bie Bejferung des Berurtheilten zu bewirken: was liegt für den Gläu- digen näher, als Gott zu bitten, er möge ihn zur Ein- fit gelangen laſſen und zur Gemeinfhaft ber Kirche zurückführen? Ausgehend von ber Lehre des Evangeliums, daß Chriftus gekommen fei, bie Sünder aufjufuchen und felig zu maden, — und daß mir an der Beſſerung und Rettung eines Menfchen, [fofange er lebe, nicht verzweifeln bürfen, haben denn aud) bie Väter das Pris vatgebet für die Creommunichten den Gläubigen immer anempfohlen und dieſe Liebespflicht felbft geübt. Der 24 * 400 Die Wirkungen der Ercommunication. hi. Ignatius !) warnt bie Ehriften in febr einbringliden Worten vor ben Haͤretikern: fie follen bie Wölfe in Men- fóengeftalt — nicht aufnehmen, vielmehr in jeber Weile fld hüten, mit Ihnen zuſammenzutreffen, bloß beten bürfen fie für biefelben, daß fte in ftd) gehen und _ Buße tbun, was für fle immer mit großen Schwierigkeiten verbunden fel. Sehr ſchön fagt der Bf. Auguftinus *, daß, wenn die Verhältniffe die Verhängung ber Excommuni⸗ cation nothwendig madjen, das bemütbige Gebet ber trauern, den Mitbrüper über ben Ausgeftoßenen bie göttliche Barm⸗ herzigfeit, welche fein Stolz zurückgewieſen, herabflehen Tolle ; fein Seelenheil dürfe nicht außer Acht gelafien werben, vielmehr fei dahin zu wirken, taf ble Strafe ihm heilfam werbe unb biefer Zwed lafje fi nur durch eifriges, anhaltendes Gebet erreihen. — Derfelbe große Lehrer ſchreibt 9) an den Biſchof Paulinus, daß er ben Pelagius noch jegt liebe, aber auf eine andere Weiſe als früher: ebebem habe er ihn geliebt als einen xechtglänbigen 1) Epist. ad Smyrnaeos. c. 4: , Ἰροφυλάσσω δὲ ὑμᾶς ano τῶν ϑηρίων τῶν ἀνθρωπομόρφων, ois οὐ μόνον δεῖ ὑμᾶς un παραδέχεσϑαι, ἀλλ᾽ εἶ δυνατὸν dor. μηδὲ συγαγτᾷν, μόνον δὲ προσεύχεσϑαι ὑπὲρ αὐτῶν, ἐάν πως μεοτανοήσωσιν, ὅπερ δύσκολον." 2) Contra Epistol. Parmen. L. III. c. 1. n. 3: „Cum ergo ad talem vindictam necessitas oogit, humilites lugentium debet impetrare misericordiam, quam repellit superbia saevientium: neo illius ipsius qui de medio fratrum tollitur debet negligi salus, sed ita agendum est, ul ei talis vindicta sit utilis, et agendum volo el precibus, si corrigi objurgationibus non potest.* 3) Epist. CLXXXVI: , Nam et nos non solum dileximus, verum etiam diligimus eum; sed aliter nunc diligimus, aliter aliquando dileximus: tunc enim, quia nobis rectae fidei videbatur; nunc autem, ut ab iis quae inimica et adversa gratiae Dei sentire dicitur, illios misericordia liberetur.“ Die Wirkungen der Greommunication. 407 SRitbruber, jegt aber, indem er für ihn bete, vie Barmherzigleit Gotteó möge ibn von feinen jrrtbümern zurückführen. — Der HH. Ehryfofto- mus !) bezeichnet εὖ αἰ eine befonbete Pflicht des Prieſters, für bie aus ber Kirchengemeinfchaft. 9[ndgeftoBenen fortan Sorge zu tragen, für biejelben zu beten und fie mit allen Mitteln, bie einem guten Hirten zu Gebote fteben, zur Heerbe zurüdzuführen. — Dieſelben Anfchauungen in Betreff des Privatgebetes für bie Ercommunicirten finden wir bei den großen Theologen des Mittelalters. Der Hl. Bern: hard fagt ?), daß wir für bie Ercommunicirten öffentlich nicht beten dürfen, denn fe haben fid) felbít diefer Wohl: that verluftig gemacht, aber unſere Pflicht fel es, berjelben in unferem Privatgebete unabläßig zu gebenfen, benn ihren Anspruch auf unfere Liebe haben fie durch bie über. fie ver hängte Strafe nicht verloren. — Thomas von Aquin 3) äußert fid babin, daß in denjenigen Gebeten, bie für tie Mitgliener der Kirche verrichtet werben, ber Excommuni⸗ cixten feine Erwähnung. geſchehen bürfe, privatim dagegen [εἰ pas Gebet für fie geftattet: baffelbe werde ihnen, jo- 1) De Sacerdot. L. II. c. 4. 2) De gradibus Humilit. c. XXII: „Absit a nobis, ut etiam pro talibus, etsi palam non praesumimus, vel in cordibus nostris orare cessemus , cum Paulus eos quoque lugeret, quos sine poeni- tentia. mortuos sciret. Etsi enim ἃ communibus orationibus ipsi se excludant , sed ab affectibus. omnino non possunt." 3) Comment. in IV Sentent. Dist. XVIII. quaest. II. art. 1: „Pro lofidelibus oratur, sed ipsi fructum orationis non percipiunt, nisi ad fdem convertamtur. Similiter et pro excommunicatis orari potest, quamvis non inter orationes, quae pro membris Ecclesiae fiunt; et tamen fructum non participant, quamdiu in excommunicatione manent, sed oralur, ul detur eis epiritus poenitentiae , ut ab excommuni- catione aplvantur.“ 408 Die Wirkungen der Excommunication. [ange fte in ber Grecommunication verharren, Teinerlei Augen bringen, aber fein Zwed gehe zunähft amd) bloß dahin, daß Gott ihnen ben Gelft ber Buße verleihe und fie vou den Banden ber Ercommunication befreit werben mögen. — Und follen wir and ben neueſten Zeiten einen Beleg für ble in Rede ſtehende Praris ber Kirche anführen, fo findet fij ein folder im ber mehrerwähnten Grcommunicationeé: bulle gegen Napoleon. 9tadbem Pins VIL tie Straf fentenz mit jenem Ernſte, ber fid) für das Oberhaupt ber Kirche geziemt und durch bie bamaligen Verhältniffe doppelt gefordert war, ausgeſprochen hatte, fügte er bie ſchönen Worte bei: „Deum per viscera misericordiae suae ob- . secramus obtestamurque, ut quas diu noctuque pro eorum resipiscentia ac salute orationes deprecationesque fundi- mus, ne despiciat atque sspernetur. Nobis cerie nulla laetior illa, nulla jucundior illucescet dies, qua videamus, divina nos exaudiente misericordia, filios nostros, a quibus tantae nunc proficiscuntur in nos tribulationum dolorisque causae, paternum in sinum nostrum confugere et in ovile Domini regredi festinantes '). “ Wie εὖ blenad) ben einzelnen Gläubigen jeverzeit ges ftattet, ja durch ble Pflicht der chriftlihen Barmherzigkeit geboten ift, für die Greommunicirteh zu beten, bag Gott ihnen den Geiſt der Buße verleihen und fie zur Gemein- fchaft der Kirche zurückführen möge, fo famn aud) ber Priefter, zwar nit in feiner Gigenfdjaft als öffentlicher Diener der Kirche, aber ald Privatperſon im Memento bet hi. Meile für diefen ober jenen Ercommunieisten zum 1) Bei Barca, Dentwärbigt. aber Qe. Heiligk. Pins VIE ©. 142. Die Wirkungen der Exrcommunlcation. 409 Zwede feiner Beflerung beten 1) — ganz in berfelben Weife, in welcher er für {εἶπε Berwandten, Freunde, Wohlthäter 1c. in jeder Mefie privatim betet. — Bon biet aus ift es fo dann nur eine einfache Conſequenz, wenn die Theologen weiter behaupten, ber Priefter könne für einen Ercommunis dtten, um feine Befierung unb Sinnedänberung zu erflehen, privatim bie Bí. Meffe geranegn appliciren*?) — unb jelbft für die bereits Verftorbenen, die deutliche Zeichen bec Buße gegeben haben, aber ver Wohlthat ver Abſolution nicht mebr theilhaftig werden fonnten, ba6 bf. Opfer batbringen 3), nur dürfe er in bem einen wie in dem andern Falle beu Namen be8 Betreffenden nicht nennen und nicht öffentlich befannt werden lafien, bag er dieſen Liebesdienſt verrichte, weil im entgegengejfegten Falle die Gläubigen leicht Aergers nig nehmen und zu ber Meinung geleitet werben fónnten, er handle im Namen der Kirche, wende aljo einem Excommunicirten jene Wohlthaten zu, von welchen fte prin. cipiell ausgefchloflen find. $. 2, Die Ausihliefung vom Empfange der Gaccamente. Diefelben Gründe, aus melden ble Excommunicirten der Suffragia Ecclesiae beraubt find, verlangen aud) ihre 1) Soto, 1. c. Dist. XXII. quaest. I. art, 1. Covarruvias, l. c. $. VI. n. 4. Suares, 1. c. sect. 5. 2) Estius, Comment. in quart. Lib. Sentent. Dist. XII. $. 15. — In diefem Sinne fagt das Gonc von Perpignan v. S. 1027: »Ministeria divina sine intermissione fiant pro excommiunicatis per spatium trium mensium, ut det-illis Deus poenitentiam et resipiscant a laqueis diaboli, a quibus capti tenentur ad ipsius voluntatem." Bei Hard. Vl. p. 842. 3) Navarrus, De Oratione c. XIX. n. 68. 410 Die Wirkungen der Excommunitation. Ausſchließung vom Empfange ber Sacramente. Denn Der- jenige, ber wegen eines [deren Bergehend und wegen hartnädigen Berharrens in vemfelben als ein Verächter ber - Kirche aus ber Gemeinfchaft ber Gläubigen gänzlih aut gettoßen wurde, fann unmöglich zum Genufje ihrer größten geiftigen Güter zugelafien werben. Ausfchließung aus ber Kirche und Theilnahme an den Sarramenten find zwei Begriffe, bie durchaus unvereinbar find unb (id) gegenfeitig wiberfprechen. Auf der andern Seite geht ber Zweck bet Greomununicatiot gerade dahin, durch Entziehung aller kirchlichen Wohlthaten den Ansgeftoßenen zur Menue und 9tüdfefr zu vetanfaffen. Würde er nun an ben Sacramenten dennoch Antheil nehmen: wie fónnte ble Kirche hoffen, jenen Zweck zu erreichen, waͤre nicht vielmehr mit Sicherheit anzunehmen, er werde in ſeinem Widerſtande verharren und da ihm der Weg zu den erſten und vorzüg⸗ lichſten kirchlichen Gnadenmitteln offen gelaſſen wurde, ſich auch zu den andern ihrer Wohlthaten, vie an SSebeutung unter ben Sacramenten fteben, binzubrängen? Die Strafe bet Ercommunication würbe zur Bebeutungslofigfeit herab» finfen und nicht mehr im Entfernteften im Stande fein, durch die mit ihr verbundenen Nachtheile den Sünder zur Giníidt zu bringen. Berner ift allgemein befannt, baf nad) der ununterbrochenen Praris der Kirche fdjon die öffent» lide Buße und die Excommunicatio minor von den Sarras menten ausfchloßen unb doch gehörten ie mit dieſen Strafmitteln Belegten immer πο zu ihren Mitglievern: um wie viel mehr werben alfo Sene von ben Sarramenten fernzuhalten fein, die völlig audgeftofen wurben und bas butdj aufgehört Haben, mit bem febenbigen Leibe Chrifti in Verbindung zu fteben? Das Anathem fteht in der Reihe ı Die Wirkungen bet Exrcommunication, 411 ber Firchlihen Zuchtmittel höher, als bie Excommunicatio minor, ed müſſen alfo ſchon an fid) alle Nachtheile, die an ber legtern haften, mit bem erftern verbunden fein '). Endlich if die Kirche den Sacramenten bie tieffte Ehr- etbietung ſchuldig und hat blefe Schaͤtze ber göttlichen Gnade, deren Berwalterin fie ift,. vor jeder Entheiligung zu be wahren 2), — fte fann fte aljo Denjenigen nicht darreichen, von welden fie weiß, daß fie ihrer unwürbig find, aber gerade zu biefen gehören bie Excommunicirten, folange fie in ihrer Sünde fartnádig verbarren unb es verfchmähen, mit ber Kirche, deren Geſetze fie verlegt, ſich zu verfähnen. Nach al btefem liegt bie Ausfchließung vom Empfange der Gacramente im Begriff ber Ercommunication, fie verfteht fid von felbft unb baó Lebtere ift obne Zweifel ber Grund, warum toeber in bem. ltern, nod) in bem neuern Rechte eigene Beftimmungen fidh finden, bie jene Ansfchließung ſpeciell vorfdreiben: fte. wird υἱεῖ» mehr überall al& 9[riom vorausgefegt unb wo fie erwähnt wirb, gejdjiebt εὖ bloß zu dem Zwede, von ibr aus als der Grundlage irgend eine andere Trage zu entfcheiven 3). lleber bie Pflicht ber Ercommunicirten, fid) von ben Sacra⸗ menten ferne zu halten, und ber Kirche, (le ihnen zu ent» siehen, kann fein. Zweifel herrſchen, bie Gefebgebung wie 1) c. 59 X de sententia excommunicat. 9. 39: „Si quem sub hac forma verborum: illum excommunico vel simili a judice suo excommunicari contingat: dicendum est, eum non tantum a minori, quae a perceptione sacramentorum, sed etiam majori excommuni- catione, quae a communione fidelium separat, esse ligatum." 2) Matth. VII. 6. 3) c. 32 X de sent. excomm. 5. 39;. c. 10 X de clerico .ex- comm. ministrante. ὅ. 27. 412 Die Wirkungen der Ercommunlcation. ble Wiſſenſchaft find Hierin vollfommen einig, ja einzelne Eoncilien haben fogar vorgefhrieben, daß die Gebannten, weit entfernt, bie Sacramente empfangen zu vürfen, bei Spendung derſelben nicht einmal anweſend fein Sollen 5. Mer im Stande ber Ercommunication ein Sarrament empfängt, macht fidj einer ſchweren Sünde ſchuldig, vie unter ben Begriff des Sacrilegiums fällt, denn er übertritt nicht bloß ein ausdrückliches Gebot der Kirche, fondern verlegt aud) bie Heiligkeit des Sarramentes unb die demſelben gebüfrenbe Ehrfurcht, Indem er es un würdig empfängt. Ob er ein Excommunicatus vitandus over to- leratus εἰ, ift völlig gleichgültig, die leptern genießen hierin vot ben erftern nicht das geringfte Vorrecht, denn die Extra⸗ vagante Ad vitanda wollte an der Altern Gefeggebung zu Gunften ber Ercommunicirten Nichte ändern. — Die Frage, ob Syene, ble ſich unbereditigt zum Empfang bet Gacramente hinzubsängen, außerdem baf fte fid) ber Suünde des Sacrilegiums ſchuldig machen, nod) In eine befonbere kirchliche Strafe verfallen, muß verneint merben, denn t8 findet fih in ber Gefeggebung feine Stelle, wo eine ſolche verhängt würbe: es wird alfo in ben Fällen einer offenfundigen Ueberſchreitung des Firchlichen Verbotes bem . Ermeſſen des Richters anheimgeftellt fein, ob und wie er unter Berückſichtigung der obwaltenden Berhältnifie gegen den Gontrapenienten ftrafend einfchreiten wolle. Nur für Diejenigen, bie fi tro& der Ercommunication otbiniren lfaffen, Bat das Recht felbft die Strafe . 1) Concil. Avenionense ann. 1594. c. 11: „Excommunicati, haeretici, infideles, Judaei ne sacramentorum administrationi interesse permittantur, imo nec catechumeni.^ — Hard. X. p. 1843. Die Wirkungen der Greommunication, 413 feftgeiebt ἢ. Sind fie Secularclerifer und Banbein fie dabei mit Willen und in böslicher Abficht, fo tft ihnen bie Ausübung ber mit bem empfangenen Orbo verbundenen Sunctionen für immer unterfagt und können von ihrer Ir⸗ vegularität niemals Dispens erlangen; befanden fie fid) aber in einem unverjchuldeten Irrthume, Indem fie entweder nicht mußten, daß fie excommunicirt fele, ober barüber in linfenntnig waren, daß bie Exrcommunication vom Empfang der Sacramente ausfchließe, fo ift ihnen bie Ausübung des Ordo gleidjfalló unterfagt, Fünnen aber vom. Papfte vispenfirt werben. Für ercommunicirte Regular elerifer, bie fid wiffentlih und aus Berachtung gegen die Kirchendiociplin zu den Weihen hinzudraͤngen, befteht bie Strafe wie bei ben Weltgeiftlihen in immerwährenver Irregularität; handelten fie aber unter bem Einflufie ber ignoranlia juris ober facti, fo kann ihnen ber Abt bes Kloſters, nadjbem fie hinlänglich Buße gethan, bie nöthige Dispens ertheilen, vorausgeſetzt, bag der Nupen des Kloftere e8 verlangt, bag das Vergeben, um beffen willen fie ber Ercommunication verfallen waren, nicht zu groß ift un daß fie wirklich in unverfchufveter Unwiſſenheit fid) be funden haben. — Diefe Strafbeftimmungen begiehen fid) nad dem Wortlante des Gefepeó- zunächft nur auf Sene, bie wegen Berlegung des privilegiam canonis ercommunicirt waren und fid in biefem Sujtanbe orbinicen ließen, aber das Gemobnbeitéved)t unb bie öffentlihe Praris dehnten fie auf alle Excommunicirte ohne Unterſchied aus Ὁ; ebenſo treten fie nicht bloß beim Empfange ber höhern 1) c. 32 X de sentent. excommun. 5. 39. 2) Thesaurus, De Poenis ecclesiast. s. v. Ordines, c. 4. 414 Die Wirkungen der Greomnunication. Weihen in Wirkſamkeit, fonbern aud) (dyon bei den ordines minores '). Wenn fid) dagegen ein Ercommmmicitter bie Tonfnr ertheilen läßt ober bie bifchöflihe Gonfecration empfängt, fo verfällt ec nicht in die angebrobte Irregula- rität, denn das Geſet redet bloß vom Empfange ber Or⸗ dines, zu melden nad der wahrfcheinlichern Anficht weder bie Tonfur nod) bie bifchöfliche Gonfectation zu rechnen ift 3). Dieß find ble gefeglichen Seftimmungen in Betreff ver Ercommunicirten: fie können, ohne ein Gacrifegium zu begehen, Feines der Sacramente empfangen. Daraus ergibt fih für die Diener ber Kirche von felbft bie Berpflichtung, ihnen unter feiner Bedingung ein folches zu [penben ), benn fie würden dadurch einerfeits an ihrer Sünde theilnehmen und bie Gnabenmittel Unwürbigen tar. reichen, andererſeits eines unerlaubten Verkehrs mit Er- communicirtet unb zwar einer communicalio. in sacris fid) ſchuldig machen. In beiden. Beziehungen involvirt eine derartige Cpenbung der Sacramente für ble Prieſter eine Schwere fBerfünbigung gegen bad Berbot ber Kirche und die Heiligkeit ver Ginabenmitte: aber das Geſetz hat auch nod beftimmte C trafen für biefe Faͤlle ausgeſprochen. Der Priefter verfällt in die Excommunicatio minor, denn bieje trifft Seben, ber mit einem Gebannten verkehrt 2), — und in das Interdictum ab ingressu Eoclesiae,. welchem er fo lange unterliegt, bis ber Eixchliche Obere, bex ble Ercommunis cation. verhängt Hatte, ihn. nad) geleifteter Genugthuung 1) Suares, |. c. Disput. XXXL sect. 1. n. 58. 2) Suares, I. c. Thesaurus, |. c. 3) c. 18 X de sent. excomm. 5. 39; c. 8 de privileg. VI. 5. 7. 4) c. 16—19. C. XL 4. 3. ' Die Wirkungen der Ercommunication. 415 bavon befreit ). Diefe Strafen treten. ipso facto. unb in allen δάϊει ein, wo immer ber Briefter einen Excommuni⸗ eirten zu den Sacramenten zuläßt: anders verhält es fid mit ber Suspensio ab officio, welche Denjenigen angebrobt it *), die den Begünftigern ber Häretifer bie Gacramente abminifttiren, — diefelbe kann nicht auf alle Crcommttnicirten ausgedehnt werben, ſondern muß nad) bent Grundſatze — Odia restringi auf die im Gefege ausdrück⸗ lich genannten credentes, receptatores, defensores et fauto- ' res haerelicorum beſchraͤnkt bleiben; ebenſo find bie im c. 18 X de sent. excomm. enthaltenen SBeftimmungen, mors nach bie Priefter, melde einen vom Papfte Ercommunis cirten zu den Gacramenten zulafien, bem größern Banne verfallen fein follen, auf ben in Rede ftebenben Fall zu befchränfen und auch in bem [egtern tritt die Strafe, wie bie Decretale ausdrücklich fagt, erſt dann ein, wenn ber betreffende Prieſter vorfäglih, mit Willen und Willen — scienter οἱ sponte — handelt und wenn ber Entpfänger vom Bapfte Tpectell unter Anführung feines Namens mit bem Banne belegt worden war 9). — Die Excommuni- catio minor und das Interdictum ab ingressu Ecclesiae find alfo die regelmäßigen Strafen, ble ben Priefter, der einem Excommunicirten bie Sacramente abminiftrirt, treffen und zwar treten fie unbebingt ein, wenn ber Legtere 1) c. 8 de privileg. VI. 5. 7. 2) c. 13 $. 5 X de haeret. 5. 7: , Sane clerici non exhibeant hujusmodi pestilentibus ecclesiastica sacramenta, nec eos christianae praesumant tradere sepulturae, nec eleemosynas aut oblationes eorum percipiant: alioquin suo priventur officio, ad quod nunquam restituantur absque indulto sedis apostolicae speciali.* 3) Suares, l. c. Disp. X. sect. 2. n. 9. 416 Die Wirkungen der Greommunicaiton, zu ben vitandis gehört. “Dagegen mit den Excommunicatis toleratis ift der Umgang geftattet und bie Bulle Ad eitanda bent biefe SefugniB aud) auf bie ,administratio sacra- mentorum ^ aus, εὖ ift in tiefer Richtung bie altere Ge feggebung aufgehoben, ‚mithin treten auch bie von ihr ans .gebrobten Strafen nicht mehr in Wirffamfeit. Aber viefer Nachlaß ber Strafen ift aud die einzige Vergünftigung der Conſtanzer Bulle und εὖ folgt aus verfelben feineds wegs, daß ber Prieſter ven toleratis unbebingt und ohne Einfchränfung bie Cacramente fpenben dürfe. Denn wenn der Verkehr mit venfelben jegt aud) freigegeben (ft, fo bleiben bie andern Gründe, aus welchen ex ble Ercommunis eirten von den Sarramenten fernhalten foll, — naͤmlich daß er im entgegengefehten Kalle an ihrem Sacrilegium theilnimmt und die Gnaben ter Kirche an Unwuͤrdige bins gibt, andy ben toleratis gegenüber immer ποῷ beftehen; auferbem fann burdy leichtfertige &penbung ber Sacramente ber Excommunicirte in feiner Widerſpenſtigkeit beftärkt, ven Glaͤunbigen großes Aergerniß gegeben und ihre Achtung vor ben kirchlichen Genfuren {εὖτ abgefhwäcdt werben. An btefen Verhaͤltniſſen konnte und wollte Martin V. nichts aͤndern, es wirb daher nicht bezweifelt werben fónnen, taf ver Priefier, der miffentíld) und ohne einen vernünftigen Entſchuldigungsgrund zu haben ble tolersti zu den Sacra⸗ menten zuläßt, immerhin eine fchwere Sünde begehe 1) unb fie ihnen zu verweigern babe, wo es ohne öffent liches Auffehen und ohne fie zu compromitticen gefchehen . faun ?).. 1) Suares , ]. c. n. 12. 2) Alterius, |. c. p. 63. Die Wirkungen der Cxcommunication. 417 Ge find alfo ble Ercommmnicirten, ſowohl die vitandi als tolerati, von ben Sacramenten ferne zu halten: wenn fie aber diefelben bennod) empfangen, fo find bie legtern an fid gültig, fobald bie Materie, die orm unb bie nöthige Intention vorhanden ift, denn unter dieſer Voraus⸗ fegung wirfen fie, wie wir oben vom Hi. Mefopfer bes merften, vermöge ihrer göttlihen Ginjegung ex opere operato und baé einfache Verbot der Kirche kann für die unmittelbare Thätigfeit der ihnen innewohnenden Kraft fein Hinderniß bilden. Das Sacrament der Firmung, das ein Ercommunicitter empfängt, wirb alfo feiner Seele ben character indelebilis einbrüden und nicht mehr wiederholt werben bürfen — und Derjenige, der fid al8 Ercommunis cirter orbiniren läßt, wirklich orbinirt fein 1): menn er bie Functionen bes betreffenden Ordo nicht ausüben barf, fo beruht dieß bloß auf bem Berbote ber Kirche, nicht auf bem Mangel ber innern geiftigen Befähigung und. es ift deßhalb, um jene Zunctionen vornehmen zu fünnen, feine Wiebers beíung ber Ordination, fondern nur eine einfache Dispen⸗ fation erforderlih ἢ. Sn gleicher Weife ift bie Ehe, die ein Ercommunicitter unter Beobachtung der vorgefhriebenen Form eingegangen hat, ein matrimonium validum 5). er kann biejelbe vollziehen und in ifr leben, ohne fidh ber Günbe ber Fornication ſchuldig zu machen; daß aber über eine foldje Ehe die priefterliche SBenebiction nicht gefprochen werben bürfe, verflebt fid) von felbft, meil darin eine 1) Barbosa, De officio et potest. Episcopi. P. IL Allegat.. II. n. 7. 2) Barbosa, |. c. P. II. Alleg. L. n. 21. 3) c. 6 X de eo, qui duxit in matrimon. 4. 7. 418 Die Wirkungen der Gxeommunication. communicalio in sacris liegen und bem Betreffenden cine kirchliche Wohlthat zu Theil würde, von wmeíder er prins eipiel ausgeſchloſſen ift 5. — Wenn vemgemäß nicht in Abrede gezogen werben fann, daß die von einem Excom⸗ municirten empfangenen Sacramente gültig felen, jo bezieht ſich blef bod) nur anf bie mehr äußern Wirkungen berfelben und bie Rechte, ble burd fle erworben werben: was bie faeramentale Gnade betrifft, fo kann ein Exrcoms municirter, wenn ihm nicht fpecielle Entſchuldigungsgruͤnde zur Seite fteben, berfefben nicht theilhaftig werden, denn indem er ein Sacrament empfängt, begeht er bie Sünde des Sarrilegiums, er ift alfo im Stande der Ungnade, εὖ mangelt ihm die innere Dispofition und ber göttlichen Gnade fteht ein Hinderniß entgegen, ba6 von ihr ausfchließt *). Die anfgeftellten Grundſätze finden auf das Sarrament der Buße feine Anwendung: der Ercommunicirte empfängt nicht nur nicht ble Gnade teffefben, ſondern es wird ihm überhaupt ungültig geſpendet. Wer mit Wiffen und Willen in ber Sünde, um beretwillen er fid) dad Anathem zugezogen, hartnädig verharrt und anftatt Buße zu thun, die Berfühnung mit ber Kiche von fid) weist, bei bem fann, aud) menn er äußerlich das Sarrament empfängt, von einer aufrichtigen Reue und einem zerknirſchten Sinne ble Rebe nicht fein. Nun aber gehört bei ber Buße bie Rene zur Materie bed Sarramentes 5), ed mangelt alfo ein nothwendiges Requifit für ble Gültigkeit vefjelben und ebenbeghalb ift es null und nichtig ἢ. Eine Ausnahme 1) Suares, 1. c. sect. 3. n. 4. 2) Trid. Sess. VII. can. 6 de sacrament. 3) Trid. Sess. XIV. can. 4 de poenit. 4) Navarrue, Manuele, c. IX. n. 5. Die Wirkungen der Grecommunication. 419 - teitt nur dann ein, wenn bet Betreffende entweder gar nicht weiß, bag er ercommunicitt fei, ober in articulo mortis fich befindet und außer Stande ift, die Aufhebung bet Genjur nachzuſuchen: denn in derartigen Fällen ijt trot bet Ercommunication bie Möglichkeit einer wirflihen Reue nicht ausgefchlofien, alfo das Sacrament gültig, wenn bie legtere thatfächlich vorliegt 1). | Wie enblid bie Ercommunicirten vom Empfange der Sarramente fernzuhalten find, fo folfen fie aud) bei Spen- bung berjelben nidjt anwefend fein, namentlich nicht al8 Taufpathen zugelaffen werden. Denn baburd) würde ber allgemeine Grundſatz, daß mit ihnen aller Verkehr abs zubrechen fei, um jo mehr verlegt, als fie mit dem Täufs linge unb deſſen Eltern fogar in's Verhältnig der geiftlichen Verwandtſchaft treten, abgefehen davon, baf εὖ fdon an fid tem Gefühle der Schicklichkeit winerftreitet 9, wenn Diejenigen, ble aus ber Kirche gänzlich ausgeſchloſſen find, an einem fo heiligen und feierlichen Acte, wie ble Taufe ift, thätigen Antheil nehmen mwürben. Auf ber andern Seite verpfligten fid) die Pathen, ten Täufling, falls es nöthig fein follte, im Glauben der Kirche zu unterweifen uhb ihn zu einem chriftlichen Lebenswandel anzuhalten: aber bie Excommunicirten vermögen für bie einſtige Gv» füllung dieſer Pflicht nicht die geringſte Buͤrgſchaft darzu⸗ bieten, müſſen alſo, wenn das in Rede ſtehende Amt nicht zu einer inhaltsloſen Formalitäͤt herabſinken fol, von dem⸗ 1) Avila, De Censuris. P. IL. c. VI. disput. 3. dub. 4. 2) Concil. Augustan. ann. 1567. II. c. 2: ,Neutiquam convenit, eos velut comministros vel testes assistere sacramentis, qui de illis male sentiunt, vel quos a divinis areet Ecclesia, quive seipsos ab unitate atque communione catholica jam segregarunt.* Theol. Quartalſchrift. 4856. III. Heft. . 28 420. Die Wirkungen der Grcommunication. ſelben ferngehalten werden P). Diefe Forverung hat benn aud) ble neuere Disciplin auf's Beftimmtefte ausgeſprochen, indem fie es bem Samfenben zur Pfliht macht, bie Gr communicirten zur llebernafme des Pathenamtes nicht zus zulaffen 2) — unb bie mit um fo gróferm Rechte, als in der ältern Kirche [djon Diejenigen davon ausgeſchloſſen waren, bie öffentlihe Kirhenbuße leljteten 3). — Diefelben Grundjäge gelten in Betreff ber Pathen bei Epenvung des Eacramentes der Firmung 5). — Daß aud) bei Eingehung 1) Concil. Mediolan. I. ann. 1565. P. II. c. 2: „Fideles in beptizandis filiis eos potius eligant compatres, qui eorum animae consulere, quam qui inopiae subvenire possint. Cujus officii saepius eos parochus admonebit, curabitque ut compatres tales deligantur, qui fidei et morum ratione suscipiendo muneri satisfacere possint." 2) Rituale Rom. de sacrament. baptismi: ,Sciant parochi, ad hoc munus non esse admittendos inlideles, aut haereticos, non publice excommunicatos aut interdictos, non publice críminosos aut infames etc.^ Daß aud? im der proteflantifchen Kirche bie Ercommuni» eirten vielfach vom Pathenamte ausgefchloffen wurden, dafür finden fich die nöthigen Beweisftellen bei J. H. Boehmer, 3. E. P. Lib. V. tit. 39. D. 99. 3) Concil. Paris. ann. 829. I. c. 54: „Illos in hoc capitulo specialiter ab his officiis removendos judicamus, qui propter reatum suum publica sunt poenitentia mulctati. Videlicet ut nec alios de sacri fontis baptismate suscipiant, nec eliam ad percipiendum sancti Spiritus donum, aliorum patroni coram pontificibus exsistant, donec per dignam poenitentiae .satisfactionem reconciliationem mereantur. Nec immerito: quoniam quos et lex divina a castris militaribus, ne ruina sint populi, et auctoritas canonica ab ecclesiarum sequestrant liminibus, multo magis a memoratis peragendis officiis merito sunt excludendi.^ Cfr. Morinus, De disciplina in administratione sacra- menti Poenitent. L. X. c. 11. n. 6. 4) Pontif. Rom. P. I. De confirmendis: ,Nullus excomsnuni- eatus, interdictus, aut gravioribus facinoribus alligatus, aut christianae üdei rudimentis non edoctus, ingerat se ad percipiendum hoc sacra- mentum, vel ad tenendum confirmandum." Die 9Rirfungen der Ercommunication. 421 ver Ehe die Ercommunicirten nicht αἱ Zeugen gebraudyt werben dürfen, verftebt fid) aus den gleichen Gründen von ſelbſt; menn aber ein beractiger Fall dennoch vorfommen folite, jo wäre deßhalb bie Ehe nodj nit ungültig, denn das Triventinum verlangt einfach zwei ober brel Zeugen, ohne über deren Eigenjhaften etwas Näheres zu beftimmen, es find alfo zur Uebernahme jener Bunctionen alle Diejenigen fähig, welche nad) ihrer natürlichen (körperlichen unb geiftigen) Beichaffenheit über: haupt Zeugenfchaft zu geben vermögen, gleichviel, ob fte fonft nad) bem pofitiven Rechte, wie bie Excommunicirten, vom gerichtlichen Zeugniſſe ausgeſchloſſen feien oder nicht 1). Zudem ift die betreffende Verordnung des Tridentinums, wornach die Ehe, um gültig zu fein, coram parocho proprio et duobus vel tribus tesfibus abgefchloffen werden muß, bem gemeinen 9tedjte gegenüber, das die geheimen Eben als matrimonia valida anerkannte 52, ein decretum odio- sum, ed muß alfo immer ble milbere Interpretation vors gezogen werden, mitbin find, was bie Zeugen anbelangt, Alle zu biefem Amte zuzulafien, bie nad) dem Wortlaute nit ausdrücklich ausgeſchloſſen find. (Sortfegung folgt.) ic. Rode t. 1) Reiffensiuel, J. C. L. IV. tit. 3. δ. 2. n. 103. 2) c. 1. 2 X de clandestina desponsat. 4. 3. - 28 * 2. Der Dämon Asmodans im Buche Tobias, Bekanntlich beruft man fih, um das Fanonifche Ans fehen ober ben hiftorifchen Charakter des Buches Tobias zu beftreiten, unter Anberm und vorzugsweiſe auf das, was das Buch von bem Dämon Asmobäus berichte. Auch bes ' beutenbe Fatholifche Gelehrte glauben, „vie Schwierigkeiten, welche aus ber eigenthuͤmlichen Charafteriftif des Asmodaͤus entſtaͤnden, felen für diejenigen, welche die Erzählung des Buches Tobias firenge hiftoriich nehmen, ſchwer zu be feitigen ^ 1). — Was berichtet denn eigentlih das Bud Tobias fo „Eigenthümliches "^ über ben Asmodaͤns? „Asmodi“, fagt Movers, „ift ein in ber jübifchen Dämonologie berufener Name, im Talmud und in rabbinis then Schriften... als König der Dämonen, απ wohl als Sammael oder Satan bezeichnet und als ungüchtiger 1) €o Movers im Kirchenlerifon von Weber u. Welte I. ©. 481. — Auch Zahn Hält offenbar die Einwendungen gegen ben biftorifchen Charakter des Buches Tobias für 'unvoibetleglid. Er zählt fie auf (Ein. in das A. X. 2. Aufl. II, 896), erwähnt bann, daß trogbem Einige „Alles, wie es erzählt werde, für wahre Geſchichte nemen," und fhließt mit der fonberbaren Erklärung, er habe ,, feinem Beruf, Rd) in dieſe Streitigkeiten zu mengen." &. 899. - Der Dämon Asmodaͤus. 423 Geiſt harafterifirt, ver Salomo’d Weiber befchlafen haben foll. Im Buche Tobias erfcheint er als ein neidiſcher, boshafter unb unzüchtiger Damon, der die Sara liebte und aus Eiferfucht fieben Männer derfelben in der Brantnacht tóbtete, von bem jungen Tobiad aber auf ben Rath des Engels Raphael durch das angezündete Rauchwerk von bem Herzen und ber Leber eines Fiſches vertrieben und von bem Engel in der Wüfte Oberägyptend gebunden wurde ^ 9). „Die Echwierigfeiten, melde aus blefer eigenthüm«- lihen Charafteriftif des Daͤmons entftehen, find freilich für biejenigen, welche ble Erzählung des Buches Tobias ftreng hiftorifch nehmen, ſchwer zu befeitigen“; aber ift dieſe Eharafteriftif wirklich bie, welche das Buch Tobias gibt? — Mir fcheint, daß bier, wie in ben meiften Gommentaren zum Buche Tobias, Mandes in bie ven dem Asmodäus handelnden Stellen hineingetragen wird, was nicht darin liegt, und daß tie , Gfatafteriftif" des Dämons eine wefentlid andere und mit der ftreng hiftorifchen Auffafjung des Buches wohl vereinbare wird, wenn man bie betreffens den Etellen richtig auffaft. Ich benfe, tie folgenden Bemerkungen werben diejes zeigen. L Der Dämon heißt 3, 8. im Griechiſchen Louodatog, in ber Bulgata Asmodaeus; in bem djalbáijdjen Originale hieß er ohne Zweifel, wie im Salmub, vow ONTIDUN, YwioU/N, — die Schreibart Asmodi ift willkuͤrlich). „Die Deutungen bed Namens”, fagt Movers, „ven Einige au 1) a. a. Ὁ. S. 480. Bol. Jahn a. a. Ὁ. €. 896; „Der böfe Geiſt Asmodäus ijt in die fchöne Sara verliebt und tóbtet aus Eiferfucht alle Männer, bie fid) feiner Geliebten nähern; er wird burd) ben. Rauch von bet Leber unb bem Herzen eines Flußthieres vertrieben und von einem Engel in ten. Wüften von Oberäghpten angefeffelt.“ 424 Oe Damon Asmodaus. bem Hebrätfchen, Andere, role Reland, Jahn und Gefenius, aus bem Neuperſtſchen ableiten, find unbefriedigend.” — Die Ableitung von dem Verbum "1p, „verwüften“, fo baf IH’ „der fBermüfter^ bedeutet, wie a Apof. 9, 11. von ἼΩΝ, liegt aber bod fo nahe, daß gar nicht abznfehen ift, warum e8, wie Winer meint, „vorzügs licher fein möchte, das Wort mit Reland für ein perfifches zu nehmen; vgl. (oso o j| (asmuden), πειράζειν, Castelli, Lex. pers. col. 24 !)." Wenn biefeó Wort Matth. 4, 1. im ber perfifchen 3Bibelüberfegung gebraucht wird, fo folgt baraué feineómeg die Unrichtigfeit ber Ableitung des 9tamenó Aouodaios von NY. Der perfifhe Urfprung bet Daͤmo⸗ nologie des Buches Tobias aber wird durch die Ableitung des Namens aus bem Perſiſchen auf feinen Ball bewiefen, vielmehr dabei vorausgeſetzt 2). ἃ Il. Offenbar haben wir und unter bem Asmodäus des Buches Toblas einen gefallenen Engel zu denken, welchem Gott geftattete, Menfchen zu [djaben, namentlich die Männer ber Sara zu tübten. Daß Gott einem Teufel geftatten fónne, Menſchen zu tödten, ift aber eine Idee, bie bem Buche Tobias Feineswegs eigenthümlich ift, ble fid) viel, mehr audj im Buche Job ventlih ausgefprochen findet. Sob 1, 19; 2, 6. (6 ift faft lächerlich, dieſe Idee aus der perfifhen Dämonologie herleiten zu wollen ?). 1) Winer, Realwoͤrterbuch unter dem Worte 96mobi. Winer bemerkt nod: „Reland, nicht Gefeniue (Allg. Lit.-Zeit. 1815. Nro. 123), Bat obige Ableitung vorgefchlagen; auf Matth. 4, 1. ift fion von Caſtelli aufmerffam gemacht worben. Die Geredgtigfelt fordert, ᾿ auch in folchen Dingen Jedem das Seine zu geben. ^ 2) Bol. Haneberg, Geſch. der bihl. Off. ©. 452. ' 9) Keerl, bie Apokryphen des 91, T. (Leipzig 1852) ©. 50: Der Damon Asmodaͤus. 425 II. Asmodaͤus hat zunächſt Gewalt erhalten über bie fieben Männer der Sara. Tradita fuerat septem viris, heißt ed 3, 8. von der Cara, et daemonium nomine As- modaeus occiderat eos, mox ut ingressi fuissent ad eam, — und zwar πρενὴ γενέσϑαι αὐτοὺς μετ᾽ αὐτῆς ὡς ἐν γυναιξίν, wie der griechifche Sext fagt. Wie 9lómobáuó fie getóbtet hat, wird nicht angegeben, vielleicht durch Erftiden; wenig; ftens wirft nach dem griechifchen Tert 3, 8. bie Magb ber Sara vor, fie habe ihre Männer erftidt — αἰτοπνίγουσά σου τοὺς ἄνδρας. — Daß aber ein böfer Gelft den Tod ber fieben Männer in ber Brautnacht bewirkt hatte, wußten Sara und ihre Eltern nicht. Wenigſtens ſprechen fie in ihren im Buche mitgetheilten Reden nad) dem griechifchen Terte, wie παῷ der Bulgata nur ganz unbeftimmt von einem plöglichen Tode berjelben. Aut ego indigna fui illis, fgt Sara 3, 19, aut illi forsitan me non fuerunt digni, quia forsitan viro alii conservasti me; non est enim in. hominis potestate consilium tuum. Bon Staguel heißt εὖ 7, 11: alà Tobiad um Sara warb, expavit sciens, quid evenerit illis septem viris, qui ingressi sunt ad eam, et timere coepit, ne forte et huic similiter contingeret. Rad) dem griechifchen Serte (7, 10. 11) fagt er bei vieler Ge, legenheit: ὑποδείξω σοι τὴν ἀλήϑειαν" Edwxa τὸ παιδέον μου ἑπτὰ ἀνδράσι καὶ ὁπότε ἐὰν εἰςεπορεύοντο πρὸς αὐτὴν, ἀπέϑνησκον ὑπὸ τὴν νύκτα. --- Nah 8, 11 ἢ. gräbt Raguel ein Grab; dicebat enim: Ne forte simili modo evenerit ei, quo et ceteris ilis septem viris, qui , „Ebenſo ift εὖ perfifde Lehre, daß böfe Geifter über den Menfchen Gewalt haben, ihn tödten fünnen; jedoch findet fie fid) auch, vielleicht in Folge diefes perfifchen Einfluffes, bel. ben. fpätern Juden. ^ - 426 De Damon Asmodaͤus. sunt ingressi ad eam (im Griechiſchen bloß: λέγων, μὴ καὶ ovrog ἀποϑάνῃ). Gr fagt dann zu feiner Frau: Mitte unam ex ancillis tuis, et videat, si mortuus est (εἰ ζῇ" εἰ δὲ μὴ, ἵνα ϑάψωμεν κτλ.). Alle biefe Reden weifen nicht darauf hin, daß Gara und die Ihrigen etwas Näheres über den plógliden Tod der Männer wußten. Nur in bem Danfgebete, welches Raguel fpridjt, als er tie Nachricht erhält, Tobias fel am Leben geblieben, kommt ein etwas beftimmterer Ausprud vot. (6 Heißt darin nad, der Vulgata (nicht aud im Griechiſchen) 8, 18: Fecisti nobiscum misericordiam tuam, et exclusisti a nobis inimicum persequentem nos. Aber aud) aus biejer 9leuferung folgt nicht, bag Ragnel etwas Genaue und Sicheres über vie Urſache des ploͤtzlichen Todes der Männer wußte; er fonnte fid) fo ausprüden, auch wenn er nur, was nahe lag, im Allgemeinen vet; muthete, ber böje Feind fei bei feinem Samilienunglüde mit im Spiele gewefen. Tobias fpridjt allervings 6, 14 davon, daß ein böfer Gift die Männer getóbtet habe; aber er weiß dies nur von Hörenfagen: Audio, quia tradita est septem viris el moriui sunt; sed et hoc auditi, quia daemonium occidit illos. Diefe Meinung, daß ein böfer Geift bie Männer getödtet habe, muß fid) alfo allerdings gebilnet haben und das Gerücht davon bis nad) Ninive gefommen fein. Es war aber, ald Tobias davon fpradj, eben nur nod) eine Meinung und ein Gerüdjt. Der Engel beftätigt es nun in den Worten, bie er zu Tobias redet 6, 16—19. Er hat denn aud) jebenfalló. (bamaló oder fpäter 12, 14) von bem Dämon unter dem Namen Asmodaͤus ge[prodjen. So erklärt es fi, daß der Verfafler des Buches 3, 8 . Der Damon Asmodaͤus. 427 (ἐπι Griechiſchen auferbem 3, 17) diefen Ramen gebraucht, während er in ben Reden ber im Buche auftretenben Per onen nie vorfommt. IV. An allen bisher angeführten Stellen ift nur von einer Gewalt des böfen Geiftes über ble Männer bie Rebe. Ostendam tibi, jagt der Engel 6, 16, 17, qui sunt, quibus praevalere potest daemonium. Hi namque, qui conjugium ita suscipiunt, ut Deum a se οἱ a sua mente excludant, ... habet potestatem daemonium super eos. Das bezieht fid) offenbar nur auf bie Männer, nicht auf bie Sara. Go ift benn aud) 3, 8 nur von ber Toͤd⸗ tung der Männer die Rebe. Auch Tobias fprid)t Gap. 6 von feiner birecten Beläftigung der Sara durch den Dämon, unb nad) der Itala fagt er fogar 6, 15 auébrüdlid) von dem Dämon: ipsam (Saram) quidem non vexaf, sed eum, qui ilii adplicitus fuerit, ipsum. occidit. Daß tie oben angeführten Worte des Raguel 8, 18 nur von bet per- — secutio inimici zu verftehen find, welche vie Familie dur bie Tödtung der Männer zu leiven hatte, bebarf feines — Beweiſes. Sara wurde alſo nur indirect, durch die Sóbtung ber Männer, von bem Dämon gequält. An irgend welche daͤmoniſche Zuftände derſelben, an Beſeſſenheit ober Circum- sessio oder dergleichen, iſt nicht im Entfernteften zu benfen '), unb insbefondere ift die Differtation des Serarius über 1) Auch die Einwirkung des böfen Geiſtes auf die Männer fat sad) dem oben Gefagten mit der „Befeflenheit, wie fie im Evangelium vorkommt” (Hanederg a. a. Ὁ. ©. 451) nur eben die Achnlichkeit, daß beide das Werk der Teufel find. 4 428 Der Damon Asmodaͤus. die daemones incubi οἱ succubi 1), gleich manchen andern Erörterungen des gelehrten und fdjavffinnigen Sefuiten, in einem Gommentar zum Buche Tobias nicht an ihrem Platze. — Renn e8 3, 25 heißt, der Engel Raphael fei gefanbt worden, „beide — den Altern Tobias und ble Sara — zu heilen” (ut curaret eos ambos), — unb wenn 12, 3 nad) bem Griechiſchen ver jüngere Tobias fagt: τὴν γυναῖκα μου (die Sara) ἐϑεράπευσε καὶ σὲ (ben ältern Tobias) ὁμοίως ἐθεράπευσεν, --- fo paßt diefer Ausprud allerdings firenge genommen nur auf den Altern Tobias; in Bezug auf bie Sara wird er aber 12, 14 durch „Saram a dae- monio liberare ^ beftimmt genug erklärt. Die „Befreiung bet Sara vom Dämon” befteht aber ‚offenbar eben darin, baf bem böfen Geifte bie Gewalt genommen wirb, ben Mann ber Sara zu tödten. Das foll aud gejagt werben, wenn e8 12, 3 Heißt: daemonium ab ea ipse (Raphael) compescuit. So ijt denn an ber erftgenannten Etelle bet Bemerkung, Raphael fei gefanbt worden, „beide zu heilen“, im griechiſchen Terte (3, 17) die Erläuterung beigefügt: τοῦ Τωβὶτ λεπίσαι τὰ λευκώματα xol Σαῤδαν τὴν τοῦ Ῥαγουὴλ δοῦναι Τωβίᾳ τῷ υἱῷ Τωβὶτ γνναῖκα xal ϑῆσαι „Aouodeiov τὸ πονηρὸν δαιμόνιον. --- Rad) dem Gefagten fann aud) bie Befreiung Sara's von ber Infeftation bes Dämons 8, 6. 19 als sanitas bezeichnet werben, ohne baf man an eine andere als indirecte Snfeftation zu benfen hätte. V. Aber „ver bófe Geift Asmodaͤus ift in bie ſchoͤne Sara verliebt und tötet aus Eiferfucht ale Männer, tie 1) Nicolai Serafi S. J. in Tobiam, Judith, Esther, Maccabaeos Commentarius. Mogunt. 1599. p. 98 sq. Der Damon 26mobáus. 429 fih feiner Geliebten nähen! * 1) — Wer fügt das? Der jüngere Tobias erzählt nad) dem Griechiſchen 6, 13. 14: αχήχοα ἐγὼ τὸ κοράσιον δεδόσϑαι ἑπτὰ ανδράσι καὶ πάντας ἐν τῷ νυμφῶνι ἀπολωλότας" καὶ νῦν ἐγὼ μόνος εἰμὶ τῷ πατρὶ καὶ φοβοῦμαι; μὴ: εἰρελϑὼν ἀποϑάνω, καϑὼς καὶ οἱ πρότεροι, ὅτε δαιμόνιον φιλεῖ αὐτὴν, ὃ οὐκ ἀδικεῖ οὐδένα πλὴν τῶν προςαγόντων αὐτῇ. — Alfo Tobias fat gehört, fieben Männer ber Sara feien im Brautgemach geftorben, und zwar — daß fid) das ἀκήκοα pem Sinne nad aud) auf das Folgende bezieht, bebarf feines Beweifes; Tobias weiß ja überhaupt nur von Hören⸗ fagen etwas über Sara — und zwar hat er gehört, ein böfer Geift liebe fie unb tóbte Diejenigen, welche ihr nahen. Und wer Bat das gefagt? „Man“, — das Gerüdt. Die zunächft bei ber Sache betheiligt find, wiſſen, wie wir gefeben haben, nichts über bie Todesart ber Männer. Aber es ift in weitern Kreiſen befannt geworben, daß fie alle in der Brautnacht plögli geftorben find; bürfen wir uns wundern, wenn fid die Meinung bilvete, das gehe nicht mit rechten Dingen zu, babei müfje ber Teufel mit im Spiele fein? Und ift εὖ auffallend, wenn bie Thatfache, taf Niemand im Haufe ber Sara, aud fie felbft nicht, etwas von’ dem böfen Geifte zu leiden hatte, daß aber regelmäßig jeber, bem fie ihre Hand gereicht hatte, vor der Vollziehung der Ehe ftarb, — ετῇ zu der Bemerkung Anlaf gab, εὖ fei gerade, αἱ ob ein Dämon die Sara liebe und in feiner Eiferfuht jeden andern Liebhaber ums Leben bringe, — und wenn bann das Gerücht entítanb, welches Tobias erwähnte? — Der alte Serarius verfchwendet zwar — — —— — —— 1) Jahn a. a. O. S. 896. 430 Der Damon Asmodäus. audj hier wieder einige Quartfelten mit Grortermngen , vie nicht Bieber gehören, mit Unterfuchungen über die bei Dä⸗ monen möglichen und nicht möglichen Arten der Liebe; aber et bat das, worauf εὖ anfommt, fchon ganz richtig bat; geftellt: Graecus non simpliciter ait, dilectam a daemonio illam fuisse, sed id ipsum audíisse Tobiam. Plurimum vero interest, an scriptura divina quidpiam affirmet, an affirmare alios tradat. Quod affirmat illa, non potest non esse semper verissimum. Quod affirmare alios tradit, verissimum semper est, id eos affirmare, sed quod ii affirmant, falsum esse potest. Tobias vero ait, se audi- visse, ipsam viris septem traditam fuisse, et (paucula licet verba interponat) omnes a daemonio esse occisos, quia illam -amabat. Duo priora vere ipsi narrata erant, ut e consequentibus omnibus perspicuum; sed terlium, quod tanquam posterioris causa refertur, a veritate alienum est. Solet enim fama rebus quibusdam veris falsas non raro causas, suspictones et conjecturas appingere, neque falsas tantum, sed ineptas etiam, vulgares, e trivio et imperi- torum faece petitas. ... A vulgi igitur sermunculis totus hic junioris Tobiae sermo, quem chaldaeus textus et noster [Vulgata] negligendum putavit, graecus recitavit, sed reci- tavit tantum, non approbavit !). Wenn aljo gefagt wird, „im Buche Tobias erjcheine Asmodaͤus als ein neivifcher, boshafter und unzüchtiger Dämon, der bie Cara liebte und aus Eiferfuht fieben Männer derjelben in der SBrautnadjt tóbtete," 2) — fo hätte unterſchieden werben follen, was das Bud Tobias, ó 1) Serarius l. c. p. 104. 2) Mnvers a. a. Ὁ. G. 480. Der Damon Asmodaäus. 431 b. h. der Verfaſſer bejjelben, von ihm fagt, und was baé von einer im Buche Tobias vorfommenben Perſon erwähnte Gerüht unb Volksgerede von ifm erzähl. Das Sud Tobias weiß von Asmodaͤus nur, baf er boóbaft und πείο ὦ ift, wie ale Dämonen, unb baf er bie fleben Männer in der Brautnacht tübtete; — daß er ble Sara liebte und aus Eiferfucht ble Männer umbrachte, weiß uut ναὸ Θεν ὦ 1. Die betreffende Stelle, welche fid) übrigens, wie gefagt, nit in der Vulgata findet, erflärt fid) aljo ganz leicht, und es iſt febr. zu verwundern, wie R. Stier!) blefe Erklärung überfehen und auf den unglüdlichen Gebanfen fommen fonnte, das Buch Tobias durch die Verweifung auf Gen. 6, 2 zu vertheidigen, von welder Stelle ex fonderbarer Weife behauptet, fie würde „jebt jo ziemlich übereinflimmend von ben bebeutenbften Theologen als eine Nachricht von abgefalfenen Engeln anerfannt, die fi mit menfhlihen Weibern vermijd)ten. " ^ VL Nad bem Gefagten ift e8 alfo auch nicht gerecht⸗ fertigt, ba, was unfer Bud, über ben Asmodaͤus berichtet, mit dem zufammenzuftellen, was fid) im Talmud unb in rabbiniſchen Schriften über ihn findet. Wenn er in blejen als „unzüchtiger Geift harakterifirt ^ wird, fo könnte mög» lider Weife eine foldhe SBorfteliung von ben Rabbinen auf das Buch) Tobias bafirt fein; aber wer wollte barum den Verfaſſer dieſes Buches für bie Ausgeburten der zügellofen Phantafie ber Nabbinen verantwortlih machen, unb bie Vorftellungen des Talmuds auch in bie Gefchlchte des To- 1) Die Apokryphen. Bertheivigung ihres althergebrachten Anſchluſſes an bie Bibel. (Braumfchweig 1853) S. 82. 432. Der Damon Asmodäns. bias übertragen? Wenn darum im Salmub und bei ben Rabbinen Asmodaͤus als „unzüchtiger Geiſt“ ober als „ &heteufel ^ !) bezeichnet wird, fo gehört das im vie Dämonologie der fpätern Inden, aber nicht in bie Daͤmono⸗ logie des Buches Toblas. Ich weiß nicht, ob in ber rab; binifchen Literatur fonft nod) die 9tebe iſt; in den Stellen aber, welche Burtorf, Lightfort und Eifenmenger?) anführen, wird er aber gar nicht einmal als „unzüchtiger Dämon ^ κατ᾽ ἐξοχήν dharakterifirt. Die einzige von tiefen Stellen, wo et als folder erfcheint, if die lange Geſchichte aus bem Tractat Gittin fol. 68, welche Gifenmenger im erften Bande G. 350 ff. u. 355 (f. mittbellt; aber aud) ba ift ble Unzüdhtigfeit des Daͤmons gar Fein wefentfidyer und charakteriſtiſcher Zug bet Geididte. König Galomo, [o wird weitläufig erzählt, bringt den Aſchmedai durch Lift in feine Gewalt, um feine Hülfe beim Sempelbau zu benugen, und häft ihn längere Zeit gefangen. Der König läßt fid aber enblid) von bent Teufel überliften, wird durch (bn vom Throne geftoßen und geht betteln, während Aſchmedai feinen Play auf dem Throne unb im Harem einnimmt. Lebteres wird erwähnt, weil Zweifel darüber entftehen, ob der ans geblidje König ober ber Bettler ber wahre Salomo fel, und weil zur Löfung des Zweifeld unter andern auch die Weiber im Föniglichen Palafte befragt werden. — Sm ber andern - Verſion diefer Gefchichte, welche Eifenmenger ©. 354 aus ^. 1) So Chr. Serfon bei Burtorf im Lexicon chaldaicum, talmudi- cum et rabbinicum, Col. 237. 2) Burtorf a.a. Ὁ. — Lightfort in feinen Horae hebraicae et talmudicae ín Lucam p. 703. 803 sq. — Eifenmenger, Ent decktes Subentfum, an mehreren Stellen des erſten Theile, vgl. das 9tegiftet zum erſten heile u. Ὁ. 99. „Nichmebai. “ Ser Damon Asmodäus, 433 bem Emek Kammelech fol. 147 anführt, iff bavon feine Rede. Ganj áfnlide fjabeln von fleifchlichem Umgang mit Menſchen erzählen 'aber ber Talmud unb ble Rabbinen von andern Teufeln, wie aus dem Regifter zu Eifenmengers MWerf unter bem Worte , Seuffel ^ zu erfehen if. Auch in der talmubijden und rabbinifhen Däamonologie ſcheint alfo Asmodaus nicht jpeciel „als unzüchtiger Geift charakteri⸗ fict. zu werben”; wäre bled aber aud) ber Sall, fo würde daraus, wie gejagt, für bie Damonologie des Buches Tobias nod) gar nichts folgen. VII. Was das Buch Tobias von ber Thätigfeit des Asmodaͤus erzählt, [ἢ alfo einfad) dieſes: 9lómobáne tübtet mit Gotteó Zulafjung bie fieben Männer der Sara und quält dadurch inbirect aud) ble Sara und ihre Eltern. Sara und ihre Eltern haben nad) ber Darftelung des Buches dieſes Leiden nicht ver[djulbet; ἐδ ift alfo für fie eine von Gott zugelaffene Prüfung, wie das Unglüd des Sob unb bie Blinpheit des Tobias, und für bie gebulbige und gottergebene Erduldung des Leidens werben fie belohnt durch bie glüdlide Ehe ber Sara mit bem jüngern Tobias. Gott läßt bem Teufel eine Zeit lang Gewalt über diefe — Samilie, lenkt aber gerade dieſes Unglüd zu ihrem Beften, intem er Sara für einen Mann anfbewahrt, der ihrer würdig ift (3, 19) und ber nach bem Gefege bie nächſten 9Injprüdje auf ihre Hand hat (6, 12; 7, 12. 14). Darum fagt der Engel 7, 12 zu Raguel: „Dem gottesfürchtigen Tobias fommt deine Tochter zu; barum Dat fie fein Anderer erhalten fónnen. ^ Die Männer der Sara aber werben baturd, Pa Gott bem Dämon Gewalt über fie gibt, für ihre Wolluſt 434 Der Damon Asmodaͤus. geftraft, 6, 16. 17. Durch die Sünde haben fie ihre Seele bem böjen Welnbe überantwortet; Gott ftraft fle dar durch, daß er blejem nun aud) Gewalt über ihr geben gibt. VI. Wenn Tobias von bem Dämon verfchont wich, jo hat das feinen Grund zunächſt und wefentlih barin,. - baf Gott bem Asmodaͤus nicht geftattet, ihm etwas atv zuhaben, und baf Gott ber Prüfung, die er über Sara und ihre Eltern verhängt Hatte, ein Ende machen will. Darum heißt e8 3, 24 ausdrücklich, das Gebet ber Sara [εἰ erhört und Raphael von Gott gefanbt worden, fte gu heilen, b. f. der Infeftation des Asmodaͤus ein Ende zu machen. | Gott gibt aber bem Asmodaͤus Feine Gewalt über ben Tobias, erftend weil er ihn ber Sara zum Manne beftimmt bat 7, 12; zweitens weil er ven Altern Tobias durch ble gluͤckliche Verheirathung feines Sohnes für feine Tugend belohnen will, 12, 13. 14; und drittens weil der junge Tobias die Ehe im ber rechten Gefinnung eingeht, 8, 5. 8.9. vgl. 6, 12. 16—18. Um tem Tobias recht einbringfid) zu zeigen, daß er e$ Gott zu banfen hat, wenn er verfchont bleibt, baf der . Tod bet Andern eine Strafe ihrer Wolluft war, und daß er tle entgegengefeste Tugend üben müfje, fchreibt ibm ber - Engel 6, 18 ff. Gebet und Enthaltfamfeit vor. Vgl. Matth. 17, 20: Hoc autem genus non ejicitur nisi per orationem et jejunium. IX. Über der Dämon wird ja „von bem jungen Tobias auf den. Rath. des Engeld Raphael durch bae angegünbete Rauchwerk von bem Herzen unb ber Leber eines Fiſches vertrieben ^ 1). — So fiheint es. Der 1) Moversn. a. D. Der Damon Admodäus, 435 Engel fagt 6, 8: „Wenn du etwas von bem Herzen [ober ber Leber $8. 10] auf Kohlen fegft, fo vertreibt ber Raud) jede Art von böfen Beiftern von einem Manne fowohl, wie von einem Weibe, fo daß fie benfelben nicht mehr nahen.” Er erklärt biefe& 9B. 19 beftimmter dahin: „In berjelben Nacht wird, nadjbem bie Kifchleber angezündet worden ift, der böfe Geift vertrieben werden.” — Demgemäß legt Tobias etwas von der Leber auf glübenbe Kohlen unb baranf (tunc) ergreift Raphael ben böjen Geift u. f. τὸ. 8, 2. 3. Das find in ber Bulgata die einzigen Stellen ted Buches, worin von biefer Raͤucherung die Rebe if. Die verſchiedenen Erflärungen verfelben lafien fid) folgenvers maßen clafftficiten : Erftend. Das 9tàudjern wird als bie causa instru- mentalis ber Vertreibung bed Daͤmons aufgefaßt: In biefem Falle wird ΄ a) diefem Rändern überhaupt und allgemein eine rein natürlide Kraft zur Vertreibung böfer Geifter beigelegt, wie Tauchuma als Mittel zur Heilung eines Beſeſſenen anführt: „Man nimmt Wurzeln unb beräuchert ihn damit, man gießt ihm 9Baffer ein, fo entflieht ber böfe Geift "^, — und wie Iofephus Ant. 8, 2, 3 von Elenzar erzählt, er habe Bejefjene dadurch geheilt, bag er fie auf eine Wurzel riechen lie '). Wäre tiefe Auffaffung die richtige, fo würde allerdings das Bud) Tobias ben Vorwurf verbienen, daß ἐδ den Aberglauben befördere; denn cerlum est, nullam rem mere corpoream posse naturaliter agere in creaturam spiritualem, qualis est daemon. Itaque partes. istae cordis 1) Bei Ilgen, tie Geſchichte Tobi's (Sena 1500) &. 8I. Theol. Quartalſchrift. 1656. Ill. Heft. 20 436 Der Damon Asmodaus οἱ jecoris aut fumus ex [15 procedens nihil omnino natu- raliter agere potuit in daemonem, virtutem ejus debilitando vel prorsus impediendo 1). b) Da, wie wir gejeben haben, von einer birecten Anfeftation ber Cara durch den böfen Geift gat feine Rebe it, fo fällt bie Erklaͤrung von felbit jujammen, welche Cornelius a Lapide ?) gibt, — fumum cordis piscis ex- pulisse daemonem ínchoute vi naturali, sed complete vi angelica et caelesti; naturali, nimirum impediendo actionem daemonis per dispositionem contrariam, quomodo musica Davidis impediebat agitationem Saul per daemonem. Dae- mon enim agit per naturales causas el humores maxime melanchólicos: quae ergo humores hosce tollunt vel minuunt daemonis actionem. et vexationem infringunt. [Das trifft aber eben hier nicht au.] c) Consentaneum videtur, meint Serarius 9), ul Deus, quemadmodum adversus eos, quos post Adami lapsum futuros videbat, morbos οἱ ulcera medicas quibus- 1) Eſtius zu Tob. 8, 2 (in feinen Annotationes in praecipua et difficiliora s. scripturae loca). gl. Thom. Aq. Summa 1. q. 115. art, 5. ad 3. 2) Zu Tob. 6, 8. Aehnlich Fabianus Juſtinianus a. v. et. (Tobias illustratus. Colon. 1629. p. 304) &almet in der Disser- tatio de daemone Asmodaeo (€. 9 der Würzburger Ausgabe) umgeht die (tage, wenn er fagt: Arbitramur: 1. Fumum nihil directe εἰ physice insita virtute in daemonem voluisse. 2. Nihil illum potuisse nisi in sensus Tobiae et Sarae, in quibus forte, voluptatis titillatio- nes compescens, continentiae custodiam plurimum juvit. ... Factum inde, ut obstructa daemoni nocendi via, nihil in Tobiam valuerit. ... 3. Denique Raphael non minimum victoriae de Asmodaeo momen- tum fuit, quippe qui et artem vincendi daemonis revelavit et proprium veri Israelitae conjugii usum docuit ac tandem ea, qua pollebat virtute, daemonem victas dare manus coegit. 3) L. c. p. 124. Der Damon Asmodäus. 437 dam rebus vires indiderat, sic etiam inderel adversus daemones, quos non animas tantum, sed οἱ hominum eorpora laesuros providebat. Darum [εἰ bie efficientia ber Räucherung wohl eine neturalis, aber feine mere nalu- ralis, unb zwar non tum primo simpliciter, sed in creationis principio ab ipso naturae authore cordi et jecori impressa. Man hätte alfo anzunehmen, dag Gott mit gewiflen mae terielen Eubftanzen von Anfang an unb für immer eine Kraft gegen böje Geiftet verbunden, unb bag Raphael ben Tobias mit einer ſolchen Subftanz befannt gemacht hätte. Möglich, aber offenbar nicht wahrjcheinlih und nicht ers weislich. | d) Biel plaufibeler ift offenbar bie andere Anfiht, daß Gott dieſes eine Mal diefer Materie eine übernatürliche Kraft zur Vertreibung des böfen Geiftes gegeben, daß aljo Gott auf eine übernatürlide Weife bie Infeftation des Asmodäus gehemmt, aber biefe Wirfung an eine äußere Handlung gefnüpft ober mit derfelben verbunden habe. Es entfteht bann aber bie weitere Frage, warum Gott dieſe Wirkung in diefem Falle an eine äußere Handlung gefnüpft habe, unb marum gerade an die, welche im Buche Tobias erwähnt wird. . Das führt und zu einer andern Erflärung, Zweitens wird nämlich von mehreren Gelehrten das Raͤuchern nicht als causa instrumentalis ber Vertreibung des Asmodäus, fondern ald eine blog ſymboliſche Handlung anfgefaßt: Mlud jecur incensum et fumus . ilius, fagt VBincenzi), non nisi signum habentur ex- 1) Sessio 4. Concilii Trid. vindicata (Rom 1844) P. 3. p. 7. — G6enfo Φ τίη πό zu Tob. 6, 8: , Extricat daemones sola vi extrin- Seca, nempe angelica, ad talis signi positionem producente talem 29 * 438 Der Damen Ἡδαιονάκδ. ternum , quo conjugibus ab angelo praesiguabatur, eadem hora spiritum malum cobibitum fmisse. Vincenzi vergleicht mit tiefem symbolicus suffitus illud, quod fecit Eliseus in fonte aquarum, in quas jecit sal „ei samalae sunt aquae usque ad diem hanc* (4 Reg. 2, 22), quodque dictam fuit ab eodem prophets Naaman Syro, ut se lavaret septies im aquis Jordanis et a lepra curaretur; quod item fecit Jesus, qui luto caeci oculos linivik et sanatus est. Danach ftánbe alfo bie Bertreibung des Dämons mit bem Räudern in feinem ur ſachlichen Zuſammenhange; fie wäre einfad durch Bott oder in Gottes Auftrag dur den Engel bewirkt worden. Irgend ein Zufammenhang muß aber zwiſchen ben beiven Acten befteben, und dieſer Tiegt nad) tiefer Erklärung darin, daß 1) die Vertreibung des Dämons in dem Zeitpunfte eintrat, wo das Rändern flattfanb, und taf 2) das Rändern eine ſymboliſche Ber deutung hatte, welche auf bie Vertreibung des Dämons hinwies. Diefe ſymboliſche SBebentung nachzuweiſen ift denn eine Aufgabe, weldhe ben Bertretern diefer Anficht wie den Vertretern der unter d) genannten Anſicht obliegt. Zwiſchen viefen beiden Anfichten befteht and), mie leicht erfihtlich iit, feine wefentlihe Differenz 5.. Nach ber einen effectum." Tirinus und Andere beziehen fi auf Alphons Toftatne (Abulensis) zu 1 Koͤn. 16, 16: deſſen Werk iſt mir leider nicht zu gänglih. — Aehnlich der proteftautifche Gelefrte Monlinie (Notice sur les livres apocr. Genf 1828. ©. 36): Le tslisman conseillé par l'Ange à Tobie était un signe, un symbole destiné à fixer l'attention et la foi de Tobie, tandis que Raphael opérersit lui-méme le miracle d'écarter le démon, sans qu'il soit nécessaire d'attacher une vertu d'exorcisme à ce signe. 1) Eins zu 8, 2 ſtellt fie neben einander: Duobus modis, quod hic dicitur intelligi potest: uno modo, si dicamus, ita placuisse Deo, Der Damon Asmodäus. 439 bewirft Gott auf wunderbare Weife ble Bertreibung des Dämons burd ein Außeres Mittel, welches an fih unb fonft eine ſolche Wirkung nicht hat, nad? der andern bewirkt er die Vertreibung nit durch ein áufereó Mittel, aber gleichzeitig mit einer von ibm angeorbueten fymbolijden Handlung 5. X. Es 6ebarf feines Beweifes, daß die Sache, wenn fie jo anfgefaßt wird, feine theologifhe Schwierigfeiten varbietet. (8 fragt fid aber, ob fid) biefe Auffaffung mit der Darftelung unferes Buches in Einflang bringen läßt. Bon ben oben unter IX. angeführten Stellen fagt die eine, 8, 2. 3, nur, Tobiad Babe bie Räucherung vorgenommen und darauf (tunc) habe Raphael ben Damon ergriffen u. f. vv. Dazu paßt. die angegebene Deutung ohne Zweifel. Ebenſo jt 6, 19: Ipsa autem nocte incenso jecore piscis (nad) bem bie Wijdleber angezündet worben ijt), fugabitur dae- monium. Dagegen Scheint mit ber britten dort angeführten Stelle, 6, 8, fid) diefe Deutung nicht recht zu vertragen: Cordis particulam si super carbones ponas, fumus ejus extricat omne genus daemoniorum sive a viro sive a muliere. Diefe Stelle fchreibt allerdings nad. bem fid ut per haec corporalia tanquam per instrumenta quaedam super- naturaliter operaretur in fugandum daemonem, quemadmodum per sacramenta ecclesiae daemonis potestas cohibetur, et maxime per . baptismum; altero modo, si dicamus haec fuisse mera signa et figuras earum rerum, quae per se valebant ad daemonem fugandum. Nempe supra dictum est, actiones angelorum hominibus apparentium esse figurativas. ... Sed priori explicationi magis suffragari videtur, quod 6, 3. dicantur medicamenta, sc. medicamenta supernaturalia. 1) Die Differenz i ähnlich, wie bie der feotiftifchen unb ber thomiftifchen Anficht bei der Frage, vb die Gacramente die causa in- strumentalis moralis ober physica ber Gabe feien. 440 , zunächft darbietenden Sinne bem Räudern im Allgemeinen eine Kraft zur Vertreibung ber Dämonen überhanpt zu, unb auf fie wird darum von ben Vertretern ber oben unter b) unb c) genannten Anfichten befonberó Gewicht gelegt '). Aber kann fi ber Engel nicht aud) jo ausprüden, wenn er bloß fagen milf, Ὁα Räuhern mit bem Herzen ober der Leber diefes Fiſches folle dazu dienen, ben Tobias und ble Sara gegen dämoniiche Anfechtungen zu ſchützen; wenn er bemfelben feine ihm inhärente Wirkfamfeit gegen Dämonen zuſchreiben, aber andenten will, Gott fönne baran eine folde Wirfung fnüpfen ober gleichzeitig damit eine ſolche Wirkung eintreten lafjen, baf Menſchen gegen alle Ὁάπιον niſchen Infeftationen gefhügt würden? Allerdings hat fid) Raphael, wenn er nur biefeó jagen wollte, mißverftändlic ausgenrüdt, und Tobias Bat ibm vielleicht nicht fo θεῖ ftanben, fonbern an eine eigentliche antidaͤmoniſche Kraft des Raucherns gebadjt. Aber eine fold mißverftänbliche Ausdrucksweiſe Darmonirt mit ber Stellung, bie ber Engel überhaupt in bem größten Theile des Buches einnimmt. Tobias Hält ihn fegt noch für einen Menfchen, unb erft ber fpätern Zeit ift εὖ vorbehalten, ihm jm belehren, daß ein Engel ihn geleitet hat; da erft wurde er auch Far über den Sufammenfang, welder zwifchen bem Räucdern und der Vertreibung des Daͤmons beftanb. Sept fam es nut darauf an, ibm zu fagen, was er zu thun habe: er fol die Fifchleber mitnehmen, weil fie bel ber Hemmung daͤmo⸗ nifcher Einflüffe gebraudt werden fann, und 9B. 19 wird ihm fchon beftimmter und minder mifveritánblid) gefagt, wie er fie verwenden foll. Der Dämon Asmodaͤus. 1) Serarius a. a. Ὁ. €. 1231. $8. Suftinianue a. ad. €. 304. Der Damon Asmodäus. 441 Der griechiſche Text weicht ‚bei dieſer Etelle (6, 7) von bet Bulgata (6, 8) nicht weſentlich ab: ἡ καρδία καὶ τὸ ἤπαρ, ἐὰν τινα ὀχλῇ δαιμόνιον ἢ πνεῦμα πονηρὸν, ταῦτα δεῖ χαπνίσαι ἐνώπιον ἀνθρώπου ἢ γυναικὸς καὶ μηκέτι ὀχλήϑῃ. An ben beiden andern Stellen 6, 17 mto 8, 9 heißt es dagegen: καὶ χαπνίσεις xal ὀσφρανϑήσεται τὸ δαιμόνιον xal φεύξεται, unb: καὶ ἐκάπνισεν" ὅτε δὲ ὠσφράνϑη τὸ δαιμόνιον τῆς ὀσμῆς ἔφυγεν εἰς τὰ ἀνώτατα «αἰγύπτου καὶ ἔδησεν αὐτὸ ὁ ἄγγελος !). Der Ausdruck ὠσφρανϑὴ ift indeß nicht auffallenver, als wenn εὖ Gen. 8, 21 heißt: Noe obtulit holocausta, odoralusque est (LXX ὠσφράνθη) Dominus odorem suavi- tatis et ait elc. — Auch bieje Stellen fónnen alfo fo verftanben. werben, ba fie bloß auejagen, die Vertreibung des Daͤmons fei gleich nad) dem Räuchern erfolgt ober in bem unter d) angegebenen Sinne durch bafjelbe bewirkt worden. | ΧΙ. Aber warum hat Gott bie Vertreibung des Asmo⸗ däus in dieſer Weife bewirkt, wenn das Räuchern vd an fi feine Kraft hatte? Daß überhaupt ein Außeres Mittel ober eine äußere ſymboliſche Handlung vorgefchrieben wurbe, erklären ie Eregeten durch folgende Bemerkungen : 1) Raphael follte jegt nod) nidjt ald Engel erkannt werden. Completa causa abigens daemonem fuit Raphael angelus, qui ad suffitum jecoris propter merita et oratio- 1) Der „überarbeitete Text“ bei Fritzſche (Greget. Handb. zu ben 9(pofrypben des A. T. 2. Lief. pg. 1853) Hat an ber erſten Stelle tie Worte χαὶ ooqpavJ. gar nidjt unb an ber zweiten Stelle bloß: xe: ἔλαβε τὴν καρδίαν τοῦ ἴχϑυος xai ἐξέβαλε τὸ axadapıoy nveüpa, καὶ ἔφυγεν εἷς τὰ ἄνω uden τῆς «Αἰγύπτου καὶ "Papajà ἔδησεν αὐτὸ ἐκεῖ. . 442 De Damon Asmodaͤus. nem Tobiae fugabat daemonem. Hoc autem tacuit Raphael et suffitum praetexit, ne se palefacerei, neve Tobias sciret, eum esse angelum, quem quasi hominem habebat viae comitem et ducem, sicul eadem de causa vocavit se Azariam ac cum Tobia comedit et bibit '). 2) Durch die äußere Handlung follte ver Zeitpunkt erfennbar gemacht werden, mo bas unfidjtbare Wunder bet Vertreibung des Daͤmons gefhah 2). Es fragt fid) nun aber weiter, warum Gott gerade diefe äußere Handlung wählte, over, ba fie oben [don - als eine fomboliffe Handlung bezeichnet wurde, welche ſymboliſche Bedeutung das Raͤuchern hatte. Die Meiften finden darin ein Symbol des Gebetes. €o Vincenzi a. à. $O.: Cum sub hoc symbolico suffitu orationes ambo- rum ad Dominum elevarentur, ibi daemonii coarctatio et fuga exprimebatur. — Aber wenn das Räudern mit wohls riedenbem Rauchwerk im A. T. bieje ſymboliſche SBebeutung hat, fo ift bod) wohl ſchwerlich das Anzünden ber Fiſchleber damit gleichzuftellen, und es liegt jedenfalls näher, an bie Aehnlichkeit ber Vertreibung des böfen Geifteó mit ber Vertreibung von Iingeziefer burd) 9taudj und Geftanf zu benfen 5). ' Vielleicht ift es aud) fombolijd) bebeutjam, daß gerade Herz unb Leber des Fiſches zum Räuchern vermenbet 1) Corn. a Lap. zu 6, 8. 2) Bol. die oben unter IX. angeführte Bemerkung Bincenzi’s. 3) Achulih Sanctius 4. v. €t.: Suffumigatio rei tam vilis fit in daemonis ignominiam et contemtum, quem ipse utpote superbis- simus non ferens abit. — Fritzſche a. a. Ὁ. ©. 55: „Wie men antüropopatfifd) mit guten Berüchen ver Gottheit opfernd nahte, fo lag es nahe, durch üble Gerüche böfe Geifler zu vertreiben. " Der Damon Asmodaͤus. 443 werden; die gewöhnliche Deutung, — das Verbrennen von Herz und Leber fel ein Symbol ber bem Tobias und ber Sara vorgefchriebenen Abtödtung ber finnlichen Luft, als deren Sig Herz und Leber beim Menfchen angefeben würs den I), — ift inbeB etwas zu gefünftelt. Dagegen fann ἐδ wohl feinem Zweifel unterliegen, daß es fymboli[d) bebeutjam fein muß, daß υἱὲ Materie zum Räuchern von dem Fiſche genommen if. Zu gejucht ijt aber ble Deus tung, welche fid in bem (fátjdjlid) bem Profper juges fóriebenen Buche de promissionibus unb in einer bem Bí. Auguftinus zugefchriebenen Rede findet: ber Fiſch fei ein Typus Ehrifti, cujus. jecore per passionem assato fugatus est diabolus, ober cujus ex interioribus remediis quotidie illuminamur et pascimur *). — Bielleicht ift folgenbe Deutung braudjbarer, für bie ich freilich Feine Vorgänger als Auctoritäten namhaft zu machen weiß. Bon bem Fifche fürchtete ber junge Tobiad Gefahr für fein eben (6, 3); Gott aber lenkt e& butd) den Engel jo, daß berjelbe ihm nicht nur nicht φανεῖ, jondern daß gerade etwas, was von biefem Wijde, ber ben Tobias bebrobte, hergenommen it, das äußere Zeichen ober (in bem oben entwidelten Sinne) das Mittel der Befreiung der Sara unb ber el lung bed Altern Tobias wird. Das ift eine fomboli[de Darftelung ber Wahrheit, weldje bie ganze in unjerem 1) So Eftius: Cor itaque significat mentem seu voluntatem hominis, jecur concupiscentiam , juxta illad hymni [ad Mat. in Sabb.]: »Lumbos jecurque morbi dum Adure igne congruo ^; fumus fervo- rem orationis ascendentis ad Deum. Dum ergo mens per orationem ad Deum erigitur et concupiscentia igne devotionis refraenatur, dae- mon fugatur. ' 2) Bei Serarius a. a. Ὁ. €. 91 u. 125. 444 Der Damon Asmodäus. Buche erzählte Geſchichte beftätigt, daß Gott. gerade das, was bem Menſchen als großes Unglüd erjdeint, zu feinem Heil und Segen Ienfen fann, wie bie Grblinbung und Berarmung des Altern Tobias und das Unglüd ber Sara zum Heile beider Samillen von Gott gelenft wurden. XII. Die Befeitigung des Asmodäus dur den Engel wird als ein „Binden“ veflelben bezeichnet 8, 3: Tunc Raphael angelus apprehendit daemonium et religarit (ὀδησεν) illud in deserto superioris Aegypti. ‘Derfelbe Ausdrud fommt im N. S, vor 2 Petr. 2, 4; Jud. 6, und befonberé . Apof. 20, 2: Apprehendit draconem, serpentem antiquum, qui est diabolus et satanas, et ligavit eum per annos mille Dadurch wird zunächft auégebrüdt, bag bem Aſsmo⸗ daͤus die Gewalt fel genommen worben, feinen Willen, zu ſchaden, in ber biéferigen Weife zu äußern. Gr wird durch εἶπε geiftige Gewalt gehindert, in dieſer Weiſe thätig au fein, wie ein böfer Menſch durch Sefjeln unſchädlich gemacht wird. Alligavit, fagt Auguſtinus C. D. 20, 7, id est: potestatem ejus cohibuit atque frenavit. Der Ausdruck religavit wird aber auch, mie ber Zuſatz in deserto elc. zeigt, gebraucht, um auszudrücken, vaf Asmodaͤus an einen beftimmten Ort gebrad)t und gehindert wotben fel, benfelben zu verlaffen. Die Engel und Teufel find zwar nidt circumscriptive, wie die materiellen Ge; Thöpfe, wohl aber definitive an einem Orte; non com- mensuratur angelus loco, sed est ita in uno loco, ut non sit simul in alio loco 1). — Für die Dämonen gibt e einen doppelten Aufenthalt: ratione eorum culpae ift es vie Hölle, ratione exercitationis humanae bie Erbe oder der aer cali- dr — 2 —— . 1) Thom. Summa 1 4. 52, ἃ. 2. Der Dämon Admodäus. 45 ginosus (Gpf. 2, 2; 6, 12). Erft nad bem legten Ges richte find alle Dämonen in ber Hölle; bis dahin ift vielen geftattet, bie Menfhen auf Grben zu verfuchen unb zu ‚ quälen, wodurd aber ihre eigene Strafe nicht gemilbert wird, da fte ihre ewige Berwerfung fennen !). — Admodäus wird alfo hier nicht aus dem irdiſchen Anfenthaltsorte in bie Hölle verbannt, aber er wird aus dem Bereiche ver Sara entfernt und, wie weiter beigefügt wird, an einen beftimmten Ort gefefjelt, fo daß er außerhalb deſſelben nicht thätig fein fann; denn ohne Gottes Sulajung ijt für einen Dämon fein motus localis möglid ?). Diefer Ort ijt die Wüfte von Obers Aegypten, unb diefe wird gewählt, 1) weil dort Asmodäus ganz weit von Cara und von bem auserwaͤhlten Volke überhaupt entfernt ift und 2) weil unter irdiſchen Localitäten eine öde nnb menfchenleere Wüfte als der geelgnetfte Verbannungsort für einen böfen Geift ericheinen muß. — 9Rattb. 12, 43 9). Wie lange bet Dämon gefeffelt blieb 5), wird nicht gejagt; jedenfalls hat er παῷ 6, 8 die Sara nicht wieder quälen fónnen. Lic. 5. H. Reuſch, Privatdocent zu Bonn. — — — 1) Thom. I. c. 1 q. 64, a. 4. . 2) Corn. a Lap. zu dob. 8, 3. Serarius a. a. Ὁ. ©. 135. 3) Corn. a Lap. zu Tob. 8, 3. 4) Serarius a. a. Ὁ. ©. 138. Wecenfionemn. 1. v Étude sur Thomas de Medzoph, et sur son histoire de l'Arménie au XV* siöole, d'aprés deux manuscrits de la Bibliotheque impériale, par M. Félix Névo, professeur à l'université de Louvain. Paris, Imprimerie impériale. 1855. (Extrait N* 13 de l'année 1855 du Journal Asiatique.) Preis: 1 fl. 24 Er. Thomas von Stebfob ober Medſoph wourbe in ber zweiten Hälfte des 14. Jahrh. in bem armeniſchen Diftriet Aghovid (der Ort felbft ift unbefannt) geboren und blühte bi$ gegen die Mitte des 15. Jahrh. Weil er feinen Haupt aufentfalt in bent Klofter Medſob (Medſoph) in ber Nähe des See's Wan hatte, und in feinen fpäteren Jahren fogar beffen Oberhaupt wurbe, erhielt ev ben Beinamen Mebfobegi ober Medſophetzi. Seine nod) erhaltenen Schriften find: „Kurze Gefdjidjte ber Könige des Orients, des unreinen unb böfen Thieres Langthamur und anderer,” ferner ein Kommentar über den Propheten Daniel, eine Sammlung von Briefen gelehrter Zeitgenoffen und ein Traktat über ble Cpenbung des BÍ. Sacramentes ber. Sranfenólung nad griechiſchem und Iateinifchem Ritus. Die bei Weitem wichtigfte abet Néve, sur Thomas de Medroph. 441 biefer Schriften, die Tammtlih nod) wngebrudt find, ijt die erfigenannte, mit ber ble vorliegenden Erörterungen ſich befchäftigen. Ihren Hauptinhalt bilden bie Werheerungszüge der Mongolen unter Timurlenf (Κλ μοῦ , bei ben Ars meniern Cangtfamur oder Tamurlang, im Occid. Tamerlan genannt) in Armenien und den benachbarten Ländern gegen Ende des 14. und in der erften Hälfte des 15. Jahrhunderts, und die Invaſionen des Kurden ober Turfomanen Efandar Cyffenber), des Sohnes Kara» Iufuphs von ber Familie KarasRojunlu (Cf. Silv. de Sacy, Chrestom. Ar. ed. 2. Il. 85 sq.), der zwar die Mongolen befämpfte, aber über, Armenien nicht weniger Verderben bradjte, als fie felbft. Dabei erlaubt fi aber Thomas viele Digreffionen und berichtet oft ziemlich ausführlich über wichtige Zeiterſcheinun⸗ gen, à. 9. über einzelne acmenijde Klofterfchulen feiner Zeit, die Einrichtung berfelben unb die in ihnen behandelten Lchrgegenftänve, über Männer, ble fich durch Gelehrſamkeit und wifjenfchaftliche Leiftungen auszeichneten, wie 3. 2. Gregor von Dathev, Johann von Medſoph, über harte Derfolgungen der EChriften, wie namentlich die gänzliche Ausrottung beó Chriſtenthums zu Camarfanb durch Ulug- Beg, bie Hinrichtung des Gatfelico8 Zacharias von Aghtha⸗ mar und einer großen Anzahl von Blutzeugen in der erften Hälfte des 15. Jahrh., über bie Unitarier, welche ble Ber: einigung der armenifchen mit der römischen Kirche wünfchten, zu deren heftigften Gegnern Thomas gehörte, und über die Gewaltthätigfeiten (Gefángnig, Ketten, Schläge ıc.), die gegen jene angemenbet wurden, toeld)e zu ben Unitariern übergehen wollten. | Aus bem Bemerkten erhellt von felbft, daß tle frag- lide Chronik des Thomas nicht bloß für bie Profangefchichte, 448 Néve, sur Thomas de Medzoph. fondern aud) für tie Kirchen, und Literaturgefhichte Ar meniené viele neuen Auffchlüffe zu bieten vermag, wie denn aud, ihre Wichtigkeit von ſachkundigen Gelehrten bereits burch mehrfachen Gebrauch faftijd anerkannt ift. L'intérét de sa chronique n'a pas échappé à ceux qui se son! occupés de l'histoire d'Arménie en consultant les sources indigénes. Le P. Tchamitch en a inséré de longs extraits dans les chapitres de .son ouvrage relatifs à l'état de l'Arménie sous la dominalion étrangére, c'est-à-dire apres la destruction du royaume arménien de Cilicie à la fin du XIV* siécle. M. J. Saint-Martin s'est appuyé sur la méme chronique pour déterminer et pour décrire un grand nombre de localités de l'Arménie; et plus recemment M. Brosset n'a pas manqué de demander à cette méme source des éclair- cissements à l'Histoire ancienne de la Géorgie, qu'il a traduile sur le text géorgien, et qu'il a commentée à l'aide des auteurs arméniens (p. 4). Hr. Prof. Neve hat fid) daher burd feine Mittheilungen über Thomas ‚und befjen Chronik unftreitig Anſpruch auf ven Dank derjenigen erworben, welche bie f'enntnig ber armeniſchen Geſchichte aus einheimifchen zuverläffigen Quel⸗ len zu fchöpfen ober zu erweitern wünjden. Gr giebt "in vier Abfchnitten zuerft eine furze Biographie des Thomas, bezeichnet dann den Inhalt und Umfang feiner. Chronif, Sharakterifirt die Darftelungsweife und ben Styl derſelben und unterſucht zulegt nod) ihre hiſtoriſche Glaubwürdigkeit. Uebrigens follen dieſe Grórterungen nur der Vorläufer einer größern und verbienftlicheren Arbeit fein. Hr. N. bat fid) nämlid vorgenommen, eine genaue lleberjegung ber Chronik des Thomas auf Grund zweier Handſchriften in der kaiſerl. Bibliothek zu Paris zu veröffentlihen und fo Néve, hymnes funebres de l'Eglise Arménienne. 449. dieſelbe aud) den abendlaͤndiſchen Gelehrten leichter zugaͤng⸗ lid zu machen. Er jagt dießfalls: En attendant des cir- constances plus favorables qui nous permettent de publier utilement notre traduction accompagnée des notes, nous avons cru qu'on ne lirail pas sans quelque intérét une notice historique et litéraire sur l'auteur lui- méme, et sur la chronique qui est son ouvrage principal. ... Nous nous sommes réservé d'approfondir quelques points de nos recherches relatives à l'époque et à la.vie de Thomas, et de les publier, dans la suite, avec la version de sa chronique. Da hiernach Hr. N. außer der lleberfegung ver in Rede ftehenven Chronik auch nod) einläßlichere Unterſuchun⸗ gen über einzelne bier behandelte SBunfte in Ausſicht ftellt, ſo enthalten wir und eines weiteren Eingehens in biejelben und hoffen, daß ber baldigen Ausführung feines Vorhabens feine ungünftigen Umſtände entgegentreten werben. S98 elte. 2. Les hymnes funébres de l'Eglise Arménienne traduites sur le texte Arménien du Charagan, par Félix Néve, Professeur à la Faculté des lettres de l'Université de Louvain. Louvain, C.-J. Fonteyn, libraire-editeur. Preis: 57 fr. Die nächfte Abſicht des Hrn. Verf. bei Veröffentlihung biefer Schrift war, bie dogmenhiſtoriſche Wichtigkeit des. armenischen Eultes an einem einzelnen Beifpiele nachzu⸗ weiſen und jofort mittelft der liturgischen Todtengefänge bet 450 Neve, Armenier zu zeigen, daß letztere von jeher, ſeitdem das Chriftenthum bei ihnen Eingang gefunden, an einen Reinis gungsort nad) bem Tode, ein fog. Begfener geglaubt Haben. Jene Gefänge bilden eine befonbere Abtheilung des Iiturgi- Then Gefangbudje& ber armenifdyen Kicche, welded unter bem Titel Scharagan oder Scharagnotz bie kirchlichen Lieder und Hymnen für alle Feſte des Jahres enthält, im Abenp- (anbe aber noch wenig befannt zu fein ſcheint. Gite anb: fchriften davon befipen ble Lazariften zu Venedig und bie faifeclide Bibliothek zu Paris, gebrudte Ausgaben erfchienen zu Amftervam 1685 und 1702 und zu Gonftantinopel mehrere Male. Die Zahl jener Todtengefänge in bemfefben beläuft fid auf adt; Hr. N. hat vier davon überfegt unb mod eine llebetjegung des Hymnus von Nerjes Scheorhali auf bie Abgeftorbenen beigefügt. Er bebiente fid) babel der zu Gonftantinopel i. 3. 1815 erjchienenen Ausgabe, Außer fid) aber ſehr beſcheiden über feine Arbeit mit ven Worten: Nous soumettons d'avance à toute critique sérieuse un travail de ce genre poursuivi loin d'un centre d'études armeniennes, et nous accueillerons volontiers les obser- valions qu'on voudra bien nous faire sur les meprises ou les erreurs inevitables peut-étre en cetie premiére tenta- tive de traduction. Ref. hat zwar fein Eremplar bes Scharagan bei ber Hand; allein da bie Todtengefänge aus dem Scharagan zum Theil in das armenifche Brevier unb Ritual aufgenommen find, jo war baburd) bod) eine theils weife Vergleichung ber Ueberſetzung mit bem Urtert möglich gemacht. Die Ueberſetzung darf unter Berüdfichtigung ber Schwierigkeiten, tie fie bei gänzlidem Mangel an Bors arbeiten zu überwinden hatte, ohne Bedenken als eine [olde bezeichnet werden, tle im Ganzen allen nur irgend hymnes funébres de l'Église Árménienne. 451 billigen Anforderungen genüge; fie giebt namentlich ben Urtext in ffarer gefälliger Darftelung meiftens wörtlich und - mit fo viel Genanigfeit wieder, als εὖ bie franzöfifche Sprache geftattet, und bei minver ffaren ober fchwierigen Stellen find erläuternde Randbemerkungen beigefügt. Aus- ſtellungen laſſen fid wohl an jeder lleberfegung madjen, zumal von etwa anderen Gefichtöpunften aus, als die ber Vleberjeger wählte. Indeſſen würde hier aud) eine flrenge Benrtheilung meiftens nur Geringfügiged und Unbebeuten- des auszufegen finden, 4. B. etwa, daß ein Ausdrud, der wiederholt in ganz gleicher Bedeutung vorfommt, ohne befonveren Grund ungleich überfegt wurde, vie wenn in bem Hymnus des Nerſes hreghink in ber flebten Strophe mit anges, in ber neunten mit étres célestes wiedergegeben ift; denn legterer Ausdruck wäre aud) an erfterer Stelle nicht bloß pajfenb, fonbern paffenber gewejen, weil hreghink (eig. Weurige) den Gegenfat zu hogheghenk (eig. Grbige = Menſchen) bilbet, und anges gleich, in ber zweitnächften Zeile wieder vorfommt als richtige Ueberfegung von hreschtagk. Üebrigens ift bier ber Sinn des Originals, wie von felbft Har, richtig ausgebrüdt; dagegen in ber vierten Strophe findet (ij Untichtiged. Sie lautet: Nous te confessons avec les Cherubins, auteur de la vie de toutes choses, Puissance unique trois fois sainte, Pere, Fils et Saint- Esprit; en qui est glorifié l'homme baptisé et instruit par la fois: aie pitié etc. Hier erfcheint bie lleberfegung der Worte: hor hancuzeal'*s m'g*rteal iev havatov khostovaneal mit en qui est glorifié etc. als unridjtig. Wir jegen babet voraus, daß die angeführten Worte auch im Original des lleberfeperó fid eben fo finden, wie das armenifche Brevier von Amftervam (1662) unb von Venedig (1827) und das Tpeol. Ouartalfehrift. 1856. II. Heft. 30 452 ᾿ Néve, armen. Ritual von Venedig (1840) fie in vollfommener Uebereinftimmung mit einander darbieten. Hancuzanel näms- lich Heißt „ruhen madjen, zur Stufe bringen, faire reposer“, wie εὖ Hr. N. in der zehnten und dreiundzwanzigſten Strophe aud) felbft über[egt, hancuzeal mithin „zur Ruhe gebracht, rubent und wird gern von ber tube ver Berftorbenen gebraudjt, wie e& aud) Hr. N. in ver zehnten Strophe mit defunt überjegt; in der Bebeutung glorifier aber wird Das Wort fonft nicht gebraudt. Sodann megertel, mit Ini ober Hi conftruitt, ift au das Saufen auf Semanben, auf ben Namen Jemandes (vgl. Matth. 28, 19. Apg. 19, 3.5. 1 @or. 1,13. 15. in Ὁ. arm. Ueberſ.). Endlich khostovanel bebeutet nicht instruire, fondern confesser und wird namentlich vom Glaubenóbefenntnif gebraud)t. Nerſes felbft 3. B. beginnt fein rhythmiſches Glaubenóbefenntnif Amit dreimaligem khostovanim in Bezug” auf bie brei götts lihen Perfonen, [o wie aud das von Schröder mitge theilte acmenijde Symbolum mit kbostovanimk beginnt. Die Strophe lautet alfo wörtlich über(egt: „Wir befennen mit ben Seraphim (bie sröbek des Originals find nicht Cherubim, fondern Seraphim) dich Urheber des Lebens aller Dinge, vreimalheilige Eine Herrlichkeit, Vater unb Sohn und Heiliger Geift, auf weldje ber zur Ruhe Gelangte getauft war, unb bie er im Gíauben befannte; erbarme bid) deines Gefchöpfes 2c." Auch in der dreiundzwanzigſten Strophe find bie hancuzeal hogik nicht verherrlichte (Ames glorifiées) , fonbern ruhende Seelen, wie ſchon bie Wechſel⸗ beziehung von hancuzeal unb hanco zeigt ; verherrlicht find freilich auch bie Seelen ber Heiligen, aber das hancuzeal drückt blefeó nicht aus. Die Stelle lautet alſo: „Mit ben zur Ruhe gelangten Seelen ver Heiligen laß ruhen bie hymnes funäbres de l'Eglise Armeönitnne. 453 Seele des Entfchlafenen* (oec Plur. des morts ftebt aus fBerfeben flatt des Sing.). Was den anfangs berührten Hauptzwed der Schrift betrifft, jo ift flat, bag Gebete und Gefänge für vie Abs geftoxrbenen, wie fle von Hm. N. aus bem Scharagan mits getheilt werben, ben Gíauben an einen Reinigungsort nad, dem Tode zur ſchlechthinigen Vorausſetzung haben und ohne ibn in ihrer dermaligen Geftalt gar nicht hätten entftehen und üblih werben fóhnen. Eie find aber üblich nicht bloß bei deu unixten, fonbern auch bei den nichtunirten Armeniern, was zugleich zum Beweiſe dienen mag, baf fle im bet armenifchen Kirche, wenn aud; nicht ihrer jegigen Form, fo bod) ihrem wejentlihen Gehalte nad) älter fein müjfen ale das Schiöma, unb zur Zeit, wo dasſelbe ausbrach, fchon allgemein als ein ehrwürdiges unveräußerliches Erbgut au6 früherer Zeit müfjen gegolten haben. Die getrennte Partei bat auch ben Inhalt des Scharagan, fo weit er für einen Reinigungsort fpricht, nicht befeitigt ober geändert, unb feíbft in bem zu Gonftantinopel unter ber Oberaufficht des nidtunirten Patriarchen herausgegebenen Scharagan findet fi nad Hr. R: 3. Ὁ. die Stelle (im armen. Ritual von Venedig (1840) S. 461): „Furdtbares Geheimniß des Priefters! mit ausgeftredten Armen fteht er auf den Stufen vor bem heiligen Altare; das Weuer erlifcht, das Dunkel weicht, bie betrübten Seelen freuen fi, denn Vergebung ber Sünden findet Statt, der barmherzige Herr erbarmt fif der Seelen unferer Gntfdjlafenen. ^ Wenn daher bie getrennten Armenier wenigftens zum Theil fid weigern, ein Fegfener zugulaffen, wie ſolches bie Fatholifche Kirche lebrt, fo fallen fie, wie Hr. N. richtig bemerkt, in denfelben Wiverfpruch, wie die ruſſiſche Kirche, welche das Begfener .90* ἀπά Néve, bymmes funbbres de l'Eglise Armónienne. verwirft, aber bod) für vie Abgeftorbenen betet. Bei ſolchem Eahverhalte fonnte Hr. N. auch mit Recht fagen: Ni les schismes ei les coniroverses qui abondent dans l'histoire ecclésiastique de l'Arménie, ni les assertions negatives des défenseurs de l'église indépendante des Armeniens, ne peuvent meltre en doute la foi persévéranle de cetie chretienté orientale dans la nécessité de la priere pour les moris, ei dans l'efficacité de celle priére pour le sou- lagement ei le salut des &mes qui, préservées de la damnslion, subissent des peines expialoires dans l'autre vie (p. 37). Herr Prof. Neve. ift. bereitd feit. geraumer Zeit im Gebiete der orientalifchen Literaturen thätig und hat bie; felben fdjon burdj mande fchägbare Beröffentlihungen bes reichert. Auch die armenifche Literatur gieng dabei nicht ganz leer aus, obwohl fie verhältnigmäßig weniger Berüds fihtigung fand, als 4. 98. die indiſche. Hr. 9. fcheint ihr aber fortan mehr Aufmerffamfeit unb Thätigfeit zuwenden zu wollen, was um fo erfreulicher ift, aló fie bei ihrer anerkannten Wichtigkeit für Gefdjite unb Theologie unter uns nod nicht fo viele Freunde und Bearbeiter gefunden hat, als ihr im Interefje der Wiffenfchaft und Kirche zu wuͤnſchen wäre. Zugleich erjcheinen bie berührten Leiftungen als ein neues Zeichen bes frifchen Aufblühens und regen wiſſenſchaftlichen Lebens ber Fatholifchen Univerfität Löwen, auf das die Quartalſchr. Schon früher aufmerkfam zu machen veranlaßt wurde (Jahrg. 1851. ©. 322 ff.). Φ εἴτε, Oswald, bie Lehre von den HI. Gacramenten, 455 3. Die Dogmatifche febre von den heiligen Sakramenten ver katholifchen Kirche. Bon Dr. 3. f). Oswald, Profeffor der Theologie am Seminartum Theodor. zu Paderborn. 1, 80. Die allgemeine Lehre, ble Taufe, die Firmung unb die Euchariſtie. Münfter in der Aſchendorffſchen Buchhand- lung. 1856. — Gr. 8. 601 ©, Preis 1?/5 Thlr. Während die meiften theologifhen Disciplinen im katholiſchen Deutſchland fdon feit lange her einer fehr forgfältigen Pflege fid zu erfreuen haben, fat dagegen die Fatholifche dogmatiſche Literatur feit ven (epten Jahr⸗ zehenten in Deutfchland nur wenige Erfcheinungen von größerer SSebeutung anfzumweifen. Die durch bie moderne unchriftlihe Wiſſenſchaft veranlaßte neue und feftere Sunbamentirung der bogmatifhen Theologie hat längere Zeit Binburd) alle Kräfte faft ausichließlih in Anſpruch genommen. Nachdem nunmehr ble Grundlagen wieder fidet geftellt, Scheint auch für ble dogmatiſche Wiſſenſchaft bie Zeit zum SBeiterbaue, der wohl in manden Bezies hungen fid ale ein burdgreifenber Um⸗ unb Neubau verhalten — bürfte, gefommen zu fein. Als einen {εὖτ danfenswerthen Beitrag hiezu begrüßen wir die oben genannte Schrift. Diefelbe ift, wie in der Vorrede bemerft wird, aus mehrs jährigen Borlefungen entftanden und junádft für Theos logie⸗Studirende, dann für ben Seelſorgs⸗Clerus überhaupt beftimmt. Beiden wünfchte der Bf. „für bie im feelforgs lichen Leben wichtigfte Partie aus ver Dogmatif nit nur ein vollftändiges, für alle Fälle genügenves, fondern zus gleich ein gemütblich anregendes, Intereffe und Liebe für bie Wiſſenſchaft des Seife weckendes Lehrbuch in bie 456 Oewald, Hände zu geben.” Dabei hofft er, „auch für die Wiſſen⸗ ſchaft und den gelehrten Theologen ein Weniges geleiftet zu haben,” indem er beftrebt war, „bie Pofitivität unb objectiv kirchliche Genauigkeit der fcholaftifchen Theologie unb deren, melde ihr folgen, zu verbinden unb auszu⸗ gleichen mit ber größern Innigfeit, alfeitigeren Durch— dringung und fpeculativern Auswerthung des Gegebenen, welche fid bei ben Beſſern unter ben neuern, befonberé beut[en Theologen findet.” Diefe Erklärung über Bes flimmung und Haltung der vorliegenden Schrift fann nicht verfehlen, im voraus das lebhaftefte Anterefie für fie zum erweden, zumal fle einen Gegenftand behandelt, welcher, wie ber Bf. nicht ohne Grund bemerft, von der neueren deutſchen Theologie bisher in auffallenber Weife ifl ver nadhläßigt worden. Und in ber That bezeichnet biefelbe hierin eine entjchievene Wendung zum Befleren. Ihr Bor zug gründet fid nidt fo faft darauf, baf fie das ein, fhlägige, ungemein reichhaltige Material in erſchoͤpfender Vollſtaͤndigkeit in fid) aufgenommen hätte; in biefer Hin- figt dürften ihr tie ausführlicheren bogmatifden Werke aus ben legten. Jahrhunderten wohl insgefammt ben Rang ablaufen unb find biefe duch fle nod keineswegs entbehrlich geworben; was fie vor blefen unb ben meiften ſpaͤteren auszeichnet, ift vielmehr die eigenthümliche Be handlungsweiſe des Gegenftandes. Um von ber rein formellen Seite der Darftelung vorerft noch abaufehen, verdient vor Allem unfere volle Anerkennung das überall fid) Fund gebende Streben, in die Tiefe des Gegenſtandes einzubringen, bie Innern, verborgenen Beziehungen, das. Sneinandergreifen unb ben organifhen Zuſammenhang bet einzelnen Momente theils unter einander, theils mit ben febre von den Hl. Sacramenten. 457 - übrigen Grundlehren und Grundthatfachen ver göttlichen Heilsöfonomie und die Berührung derfelben mit den natürs lichen Wahrheiten der Vernunft und Erfahrung aufzufinden, mit einem Worte den [peculatioen Gehalt ver einzelnen Blaubenswahrhelten herauszuftelen. Es ift baburd) bem geiftvollen Verfaffer gelungen, dem anfcheinend fo fproóben, burdj und durch pofitiven Gegenftanbe die fruchtbarfien fpeculatioen Geſichtspunkte abzugewinnen. Insbeſondere gilt dieß von feiner Darftellung ver heiligen Gudjariftle αἰ Sarrament und Opfer, der am forgfältigften ausges arbeiteten und gelungenften Partie des Werkes. Aber auch fonft überall, oft wo wir e6 am wenigften erwarten, treffen wir in diefer Schrift auf Gedanken , die durch ihre Originalität und Tiefe überrafchen und über mande Lehr punfte ein neueó Licht verbreiten. Ob freilich alle bie neuen, originellen Speen, vie der Vf. vielleicht mit etwas zu freigebiger Hand ausgeſtreut bat, durchaus probehaltig, ob nicht manche berfelben mehr geiftreid) al& wahr, ob nicht einige — wir fagen nicht: hinter bem Dogma zurüdbleiben, denn Pas fcheint nicht des Verfaſſers Art zu fein, bem Glauben der Kirche auch nur das geringfte zu vergeben — aber in allzu füfnem Fluge bie bem Fatholifhen Sog: matiker gezogenen Schranken in etwas überfdyveiten, ohne inbeB bem Gíaubenéinfalt felbft direct zu nahe zu treten; das wollen wir bier, da wir uns auf Unterfuhung unb fBeurtbeifung des Einzelnen nicht einfafjen fónnen, uns ent|djleben [affen. Auf mande von dgl. eigenthümlichen Anſichten und Meinungen will übrigens der Df. ſelbſt fein zu großes Gewicht gelegt wilfen, wie 3. B. auf feine An- nahme, daß in Kraft des Sacramented der Firmung „eine perfönliche und wefentliche Imvohnung des heiligen . 458 Oswald, Grifleó" im Menschen eintrete, während in ben übrigen Sarramenten der bl. Geift nur dynamiſch, als Urfache unb Spender der Gnate nämlih, mit dem Menichengeifte in Rapport tritt. (€. 284 f) Hienach würde bie Firmung eine Art göttliher Obfeffion Berborbringen. Das aber darf ficher nicht angenommen werden und berechtigen die angezogenen Stellen der Schrift keineswegs hiezu. Gbenjo will e8 und, um nod) eine andere Anficht des Vf's. zu berühren, αἱ eine Weberfpannung des katholiſchen Sacramentöbegriffed erfcheinen, wenn ©. 59 gefagt wird; „Die facramentalen Worte find bl. Zanberformeln, die Materie bl. Saubermittel, das ganze Anftitut der Sacra⸗ mente eine hl. Magie.” Damit hat ver Bf., ohne εὖ zu beabfidjtigen, gerade ben Punkt bezeichnet, auf ben man proteſtantiſcher Seits ven katholiſchen Sactamentsbegriff hinzudraͤngen ſucht, um ſich die Beſtreitung desſelben ſehr leicht zu machen. Wie man auch immer vie Wirkungs⸗ weiſe der Sacramente ſich vorſtellen mag, ob als eine phyſiſche, oder blos moraliſche, das darf man nicht aus dem Auge verlleren, daß die bewirkende Urſache (causa efficiens) der Gnade nicht bie Sacramente find, ſondern bet hl. Geiſt, δὲν fid) ihrer Dlegu als Inſtrumente be dient, durch die er wirkt, an die er alſo ſeine Gnaden⸗ wirkſamkeit nicht abgegeben hat. Ein magiſcher Vorgang laßt fid) darin nicht erblickn. Manche ähnliche Gedanken des Vf's. mögen indeß blos deßhalb auf ben erſten Blick etwas befremdlich erſcheinen, weil ble Ausdrücke, in ble er ſie gekleidet, nicht immer ſorgfaͤltig genng abgewogen, oder auch weil ſie etwas zu keck hingeworfen und nicht ſtreng deducirt ſind, waͤhrend ſie dagegen, wenn ſie ſich in einer mehr bemeſſenen Form oder als Glieder einer Lehre von den 81. Sacramenten. 459 dialectiſch ſich abwicelnden Gedankenreihe praͤſentirten, wohl allgemeinen Beifall finden würden. — | Mir müjfen darauf verzichten, auf bie Anfichten des Vf's. im Einzelnen beurtheilend einzugehen, da ed faum eine andere Partie bet. Dogmatif geben dürfte, in welcher noch fo viele Fragen offen und daher verjdjebene Aufs faffungen zuläffig find, wie in ber Lehre von den Sarras menten. Nur der Bemerfung fónnen wir und nicht ent» halten, daß uns bie €. 232 f. entwidelte unb von vielen Theologen vertretene Anfiht, die Grb[ünbe {εἰ woefentlidy nichts anderes alà „ver Verluft oder aud) ber Nichtbefig der allen Nachkommen Adams bevingsweife zugebachten höheren Ausftattung” und der Unterjhieb zwifchen bem Zuftande der gefallenen Natur und ber f. g. natura pura ſei demnach ein blos relativer (Bier einfacher Nichtbefig, bort ftrafbarer Verluſt) — als eine nicht zu billigende Berfümmerung beó Begriffes ber Erbfünde und ber von ihr aus gezogene Schluß auf das Loos ber ohne Taufe aus biejem Leben [deibenben Unmuͤndigen, bad ber Df. febr ausführlih S. 222—237 befpricht, als unhaltbar ers ſcheint. Ebenfo möchten wir. gegen die Anmerkung auf €. 246 im Namen des BL Th. Cäcilius Eyprianus und des Papſtes Agatho Verwahrung einlegen. Eine etwad längere Stelle glauben wir jebod) aus ber uns vorliegenden Schrift ausheben zu follen, um bamit dem Lefer zugleich eine Probe ver Darftellungsweife des Vf's. zu geben. Wir wählen Diegu ben Paſſus, in weldem berfelbe feine eigenthümliche Auffaffung von ber Natur unb Bedeutung des facramentalen Charakters entmidelt — eine Auffaffung, bie um fo mehr Beachtung verdient, je weniger e$ bem Theologen bisher gelungen ift, ben Des 406 Oswald, N griff beffelben in befriedigender Weife feftzuftellen. Daß an den farramentalen Charakter gewiffe, theils active, theils pajfive SSefugnifje und Vollmachten gefnüpft find, unb hienach die Bedeutung beffelben beflimmt werden muß, wird aud) von Ὁ. anerkannt unb diefe Seite des Charakters von ifm die „charismatifche” genannt. : O. glaubt aber, noch weiter gehen und einen innern, wejentlihen Zus fammenfang befjelben mit ter facramentalen Gnade annehmen zu müffem. „Der Ausfpender ver Gnade (im weiteften Umfange) ijt bec hi. Geift und blefer tt gótt lider Cubftanj. Der Urgrund der Gnabenotbnung, in weiche ber Menſch verfegt werben foll, muß daher in einer gewiſſen fubftantieflen Innewohnung und Vereinigung bes Bl. Geiftes mit ber Subftanz der menſchlichen Seele gefebt werden, woburd biefe eine beftimmte, neue fubftantielle Dualität empfängt. Die €uó6ftan; der Gnade alfo Baben wir; biefe aber iff nod nicht die Gnade {εἰ} ἢ, fondern iſt ihr Prinzip ober ifr Urgrund. Keine Subs ftanz ift ohne Kraft gedenkbar. Sf nun aber ble Kraft des der menſchlichen Seele innewohnenden, und ihrer Subs flanz eine reale Qualität verleihenden Hl. Geiſtes, welche Kraft die Anlagen und Bermögen der menſchlichen &eefe zu ber Üübernatürlicden Sphäre emporhebt, ift diefe ble heiligmachende Gabe? So fcheint es. Aber bei näherer Betrachtung werben wir nod) weiter unterfcheiden müffen. Eine Kraft oder ein Vermögen Tann immerhin noch ein gehemmtes und gebinberte8 Vermögen fein, ein ſolches, das bei der bloßen Anlage bleibt, aber nicht die Bes fühigung zur Aeußerung ber Kraft an fid träge. Ein Geefeſſelter befigt zwar das Vermögen zu laufen, aber ein in feiner Sraftäußerung gehemmtes. Nur, wenn fein Lehre von ben M. Gacramenten. 401 Hinderniß vorhanden, fchreitet bie Kraft zur Befähigung oder zur Dispofition bin. Diefe Befähigung ift es dann, welche man ben Habitud oder Suftanb nennt. Ein folder eft ift ble heiligmachende Gnabe, twweldje eben ef» wegen and) bie habitnelle heißt; die bann ihrerſeits in einzelnen Handlungen over Aften fid) auswirkt unter bem in ihr zugeficherten göttlichen Beiftande, welcher Davon [εἴθ aftuelle Gnade heißt. Wir haben alfo für bie Ents faltung der übernatürlichen Heilsordnung vier aufeinander folgende Momente: Subftanz (fubftanziele Dualität), ble Potenz, (entweder gehemmt ober thätig; ἀνεργής oder &repyrs,) den Habitus unb ben Aktus... Das Bermögen nun, welches nur in bem Falle, bag fein Hinvers nif eintritt, energifch und wirffam, fonft aber tobt, ftare und gebunden ift, dies Bermögen für die höhere Orbnung, dieſe übernatürliche aptitudo, ift der Charakter, oder richtiger eine folche gibt der Charakter des Saframentes, fofern er im Zufammenhange fteht mit der heiligmachenden Gnade. Wenn - bei gehöriger Dispofition im Gaframente bie Lraft mit ihrer Energie ertheilt wirb, fo wird bie & mabe ertfeilt ; wird aber ber vorhandenen Sünde wegen nur bie ges hemmte Kraft gewährt, fo wird nur ver Charakter ers theilt ; biefer aber trägt jederzeit die Möglichkeit in ὦ, durch Befeitigung des Hinderniſſes, in bie Befähigung Ὁ. h. in ben Habitus ber Gabe, wieder überzugehen. Der Ga; rafter ohne Gnade ift in dieſer Hinficht eine ſchlummernde, ftarre, durchaus leblofe, aber beó Lebens fähige Kraft; feine Kraft, die etwa nur wegen pbofifder Um reife der Bethätigung ermangelte, fonft aber regjam und lebendig wäre, ſondern butd eim eth iſches Hinderniß gelähmte,, Iatent geworbene Kraft. Wir Fönnten babet 403 . Oswald, bem Charakter nad dieſer Seite hin ten Träger bet heiligmachenden Gnade nennen. Und wollten wir eine bes fannte Analogie heranziehen, fo Fönnten wir ihn als den Gnaben ftoff bezeichnen. Nicht immer iff Wärme vor handen, 100 Wärmeftoff, und ber Grab ber erfteren richtet fi nicht durchaus nach bem Maß des Llegterem. Das Caloricum fann ja gebunden, kann [atent fein. Eo ift es der Charakter, ohne die Gnabe, in feiner habituellen und aktuellen Wirkfamfeit. Wird. aber das Hinderniß ges hoben (unb in bem Maße, wie εὖ gehoben wirt), fo lebt der tobte Charafter auf (reviviscit sacramentum), bet ſchlummernde erwacht; die Kraft wird entbunben und ents faltet fid babituell zunächft zur heiligmachenden Gnade, ble bann aftuell fid) bethätigt in bl. Handlungen. Nach ber andern charismatifchen Eeite dagegen fann ber. Kraft des Charakters burd) Feine ethiſche Indispoſition, übers haupt durch feine Gewalt auf Erden, ein Hinderniß feiner Wirkſamkeit in den Weg geftellt werben... Dieſe zweite Seite feiner Bedeutung muß man bei feinem Ramen „unauslöſchlich“ vorwaltenn im Auge behalten. Dieß ijt audj ber Grund, meffaló man häufig tiefe Seite aue; fehließlich hervorhebt, unb fo ben Charakter als Charisma ver Beiligmadjenben Gnade gegenüber unb zur Seite ftellt. Gleichwohl ift er aud, wie wir zeigten, deren Voraus⸗ fegung unb Prius gleihfam; unb alfo fani die gefammte Wirkung des Sacramentes als Gegung des Charakters betrachtet werden; wie ἐδ denn ἀπῷ wohl faum anders zu denken ift, aí$ taf jedes Sacrament eine einheitliche Befammtwirfung hervorbringt.“ (S. 80 ff.) Hiemit ift im ver That befriedigend erklärt, worauf auch des Vf. Abſehen hauptfärhlic gerichtet war, daß (nad) bet gemeinen Lehre von den BI. Sacramenten. 463 Annahme der Theologen) bei ben f. g. charakteriſtiſchen Sacramenten bie facramentale Gnade, wenn fie entweder wegen Inbispofition nicht empfangen worben, ober durch nachfolgende Sünde wieder verloren gegangen, in Folge ber Buße auflebe, ober wieder aufíebe; woraus unmittels bar folgt, daß die Wiederholung dieſer Sacramente nicht blos unftattbaft, fonbern überflüfftg ift. Ienes nehmen . bie Theologen insgemein aud) rüdfichtlich, ber faccamentafen Gnade ber Oelung und ber Ehe an, und D. trägt babet fein Bedenken, aud) tiefen beiden Sacramenten „einen allerdings nur zeitlichen, aber doch andauernd ber Seele inhärirenden Charakter” zu vindiciren. Nur den beiden Sacramenten der Buße und Euchariſtie fpricht .er ben Charakter gänzlich ab, aus bem Grunde, weil beide nad feiner Annahme Feine ſpezifiſche Gacramentógnabe verleihen. Allein felbft die Richtigkeit dieſer letzteren Ans nahme vorauódgefebt, wird blefe Exception bem Vorwurfe ber Sneonfequenz bodj faum entgehen fónnen. Nimmt der Charakter die ihm. vom Vf. angewiefene Mittelftellung zwifchen der „Onadenſubſtanz“ (ber ber menſchlichen Seele durch den innemofnenben Hi. Geift mitgetheilten ſubſtanziel⸗ len Qualität) und bem Habitus der Belligmadjenben Gnade wirflih ein, wird er ald Gnabenfraft gefaßt, welche fid bethätigend ven Ginaben ftant bewirkt; jo fann man fid das Zuftandefommen des letzteren ohne Verleihung bes Eharafters nimmer mehr erklären und muß baber vieler für ale Sacramente ohne Ausnahme in Anſpruch ger nommen werben. Damit aber ift, um uns [fo aud brüden, eben das Charafteriftifche des Charakters verloren gegangen. Die Sacramente der Taufe, Yirmung und Prieſterweihe zeichneten fich Dinmoieberum vor ben übrigen 464 Oewald, blos dadurch aus, daß ſie beſtimmte Rechte und Vollmachten verleihen; eben darin, in dieſer „charismatiſchen“ Wirkung ginge alſo der ſacramentale Charakter wiederum auf, unb wir wären demnach über bie Auffaffüng ber Altern Theo; logie um feinen Schritt Binauégefommen. Aber bievon auch abgefehen, dürfte es ſchwer halten, fid) von jener „ſubſtanziellen Qualität,“ welche bie menfdjlide Scele in Folge der fubftanziellen Einwohnung des bl. Geiſtes em⸗ pfangen foll und der ihr inbárirenben Kraft over Potenz, welche beide, obwohl im nädften Cauſalzuſammenhange mit der heiligmachenden Gnade ftebenb, doch wieter von diefer reell verfchieden umb fo 4. ſ. ablösbar fein follen, einen Maren Begriff zu bilden. Faßt man dagegen vie heilig« madenbe Gnade, was fie nad ihrem Urfprunge unlängs bar ift, als (fürbauermbe) Einwirkung bes heiligen Geiftes auf ben Menfchengeift, wodurch bie Bermögen des legteren übernatürlich gehoben und gefräftigt werden und fo ein Habitus ber Gerechtigkeit und Heiligkeit im Menfchen gepflanzt wird, fo fann man fid ber etwas bedenklichen Annahme einer fubftanjlellen Qualität und Gnadenkraft, welche felbft den Verluſt ber Gnade durch [frere Eünde überbauern foflen, recht wohl entrathen. Der präfumirte Wieberein, tritt der dur ble &ünbe verlornen Gnade nad, erfolgter Buße würde unter dieſer Borausfegung nidt ald Wieder⸗ herftellung einer gelähmten fibernatürlidjen Potenz, fondern einfach als Mieveranfnüpfung der durch bie betreffen, den Cacramente dauernd zugefiherten und burd bie GCíünbe blos. untertbrodenen heiligenden Ginmirfung des Geiſtes Gottes auf ben Menfchengeift in einer beftimmten Richtung zu betradjten fein. Bon biet aus müßte dann aud die Wrage παῷ ber phyſiſchen ober moraliichen Lehre von den BL, Sarramenten. 105 Gaujalitàt ber Cacramente in etwas anderer Weife bes antwortet werben, als fie ber Bf. ©. 55 ff. beantwortet δαί. — . Haben wir im Bisherigen ausfhließlih bie formell wiffenidaftlle Seite der O'ſchen Schrift ind Auge ges faßt, weil uns ihr Vorzug vor den älteren Bearbeitungen bauptfähli auf dieſer Seite zu liegen fdeint; fo wollen wir damit feineswegs zu bet Meinung verleiten, als fel das wiffenfchaftlihe und fpecnlative Element das vor; wiegende in ihr und diene bemfelben ber pofitive bogmas tiſche Etoff zur bloßen Folie. Es ift vielmehr bereits angebeutet worden, daß ber Df. überall und vor allem bes mübt ift, die pofitive Firdjlide Lehre möglichft objectio und vollftändig darzulegen. Die Anordnung des Stoffes, die - er hiebei befolgt, ift bie herkömmliche: Begriff, Name und Realität des Sacramentes; äußeres Zeichen (Materie und Worm); Wirkung; Ausfpenvder; Empfänger; Heils, nothwendigfeit des Eacramented. Blog ber Lehre von ber bl. Euchariſtie ift ein weitered Hauptftüd mit der Ueber⸗ ſchrift: „bialectifche und Tpeculative Erörterung“ beigegeben, welches den Zwed hat, die „vialeftifhen Schwierigkeiten“ zu befeitigen unb ble „Congruenz der eudhariftiichen Gegen, wart“ [peculatio zu begründen. Auf bie Beweisführung aus der Schrift und der firdlidjen lleberlieferung hat ber Df. faft burdjgángig große Eorgfalt verwendet und bie Leiftungen feiner Vorgänger, inóbejonbere, wie εὖ fheint, Bellarmin’d und Peronne’d dabei überall berüdfichtigt. Nur in Darlegung der patriftifchen Lehre begnügt er fid zumeift mit ber Anführung der Hauptfächlichften dicta probantia, ohne auf das, was gegneriſcherſeits vorgebracht wird, weitere Rüdficht zu nehmen. Es ift dieß ein Mangel, 466 m Oswald, der fi vornehmlich in ber Lehre von der Euchariſtie als Sarrament und Opfer empfinblid macht. lleberfaupt aber find wir der Anfiht, daß ber Fatholifhe Dogmatifer fid) nicht länger darauf beſchränken follte, einzelne, aus bem Zufammenhbange geriffene Beweisftellen ans der Schrift und ber patriftifchen Literatur zu fammeln und mechaniſch aneinander zu reihen, um damit das firhliche Dogma von außen her zu ftügen und bie gegen baefel6e gerichteten An- griffe abzuwehren; fein Augenmerk follte in viefer Be- ziehung vielmehr darauf gerichtet fein, ben biblifhen und patritiihen Xehrbegriff zu erheben, bie objective Dialektik des kirchlichen Glaubens zu verfolgen und auf- zuzeigen. Dadurch daß bie kirchliche Lehre in ihrer Genefió und Entwidlung von innen heraus. erfannt wird, wird fie in ihrer Innern Nothwendigfeit begriffen unb gegen jeben Angriff von augen fider geftelt. Die wiſſenſchaftliche Verftändigung fodann hat den ihre Entwidlung tragenden und in ihr fid manifeflirenden Denkprozeß blos aufzu⸗ nehmen und zum Abflug zu führen und hat fo einen fideren Ausgangspunkt und ein klar vorgezeichnetes Ziel; während dagegen nad) bet bisher gemein üblichen dogs matifhen Methode die firdjliden Lehrfäpe als fertige vor uns hintreten in-ftarrer Objectivität, ble erft wieder burdj das fubjective, allen Zufälligfeiten ausgeſetzte, veflectirenbe und räfonnirende Denken in Fluß gefebt werben muß, wenn man nicht überhaupt auf eine wiſſenſchaftliche Ver⸗ mittlung unb Verftändigung im Voraus verzichten will. — Die form ber Darftellung betreffend, bemerft der Bf. felbft, taf er die urfprüngliche Form bes mündlichen Vor⸗ trags nicht aͤngſtlich unterhrüdt habe, weil fie ibm vie διε und Lebenbigfeit der Colorits zu heben fien, Lehre von ben bl. Gacramenten. 461 Diefen ihren Urfprung verläugnet denn in ter That tie Darftelung des Vf. nur felten. Der EStiliftifer wird . manches an derſelben augzuftellen haben, inóbejonbere ben allzu verſchwenderiſchen Gebraud) von theilweife ungewöhns- lichen und nicht febr glüdlid) gebildeten Fremdwörtern und $unftaudbrüden (y. B. €. 110 ,vevotejjenartige Bevors jugung Einzelner”) mifbilligen; bem Dogmatifer wird vies jelbe als etmad zu profus, zu wortreich unb rhetorifch ericheinen unb er wirb wohl hie und da bie Beftimmtheit und Schärfe des Begriffes und Ausbrudes vermiffen, welche die älteren dogmatiſchen Werke auszeichnet. Aber einen Vorzug hat bie Darftelung des Bf. vor ber der ältern Theologen voraus, bejjen Werth nicht gering anzus ihlagen ift: fie bewegt fidj febr leicht unb frei, ja erhebt fid nicht felten bis zu einem Igrifchen Schwunge; (te feffelt bie Aufmerkfamfeit des Lejerd, ohne ihn zu ermüben unb Ipricht auch das Gemüth reiht wohlthuend an. — Wir ſchließen Diemit unfere Anzeige der D. Iden Schrift. Ungeachtet der einzelnen Ausftelungen, vie wir glaubten an ihr machen zu müffen, Tann das Gefammturtheil über fle bod) nur ein febr günftige& fein und nehmen wir feinen Anftand, biefelbe namentlid) bem Seelforgsclerus auf das Märmfte zu empfehlen. Möge der Df. ven zweiten Band, welcher die Lehre von ben vier übrigen Gacramenten (unb hoffen wir, aud) voy den Sacramentalien) behandeln wird, recht bald nachfolgen laſſen. — Der Preis des Werkes ift im Berhältniffe zu feinem Umfang unb feiner guten Ausftattung nicht zu hoch geftellt. Lic. $i gfeíber. — — — — Theol. Quartalſchrift. 1856. IIl. Heft. 31 468 Ueltzen, 4. Constitutiones apostolicae, Textum graecum recognovit, praefatus est, annotationes criticas et indices subiecit Guil. Ueltzen, theol. cand. Suerini et Rostochii sumptibus Stil- lerianis. 1858. XXVIII unb 284 ©, in 8. Pr. fl. 3. 54 fr. Ungeachtet die Pfendo s Glementinifden Schriften bie Gelehrten zu fo mannigfaltigen Unterfuchungen verans (aft hatten, fo theilten fie tod) alle mit einander das $008, nur Wenigen leicht zugänglich zu fein. Denn die Ausgabe des Eotelier in beffjen eigener Bearbeitung fo wohl, ald in ben von Clericus einerſeits bereicherten, andererſeits verfhlimmbefferten Auflagen ift jo ſelten und in Folge beffen fo theuer geworben, bag nur Wenige fi zur Anfchaffung derſelben entfdjliegen mochten over fonnten. Diefem vielfach beklagten llebelftanbe ift. in neue fter Zeit in einer für den erften Anlauf allerdings ziemlich befriedigenden Weile abgeholfen. Die Recognitionen er fchienen in einer zwedmäßigen Hand⸗Ausgabe von Gerd: dorf, bie Homillen gaben in berichtigter unb bereicherter Recenfion Schwegler und Dreſſel heraus und von bem apoftolifhen Gonftitutionen ift uns leider! erft vor drei Wochen die fdon vor etwas längerer Zeit ans Lidt getretene Edition von Uelgen zugefommen. Ueber Dref- fee Leiftungen und damit einfhließlih aud) über tie Schweglers haben wir anderswo unfer Urtheil abgegeben. Was von lleígen erftrebt unb erzielt ift, foll. uns hier be ſchaͤftigen. Um unfer Endurtheil über Ueltzen's Leiſtungen gleich am Eingange unſerer Recenſion zu geben, ſo glauben wir, dasſelbe nicht Fürzer unb treffender ausſprechen zu fónnen, Constitutiones apostolicae. 469 als mit ben Worten des römifchen Kunftrichters: ,Curae testimonium meruit." Die äußere Anordnung der Velgen’ihen Andgabe ift biefe. Nach der im Munde eines. Lutheranerd gar [onbet bar f(ingenoen Zueignung an die Heren Kliefoth und Krabbe („Reverendis in Christo patribus (Ὁ |) sanctae theologiae doctoribus etc.“) folgen bie ,Testimonia veterum* (©. V—XI); $ 2, ,Recentiorum iudicia^ (€. XII—XXI), führt die Anfihten Älterer unb neuerer Gelehrten über ven — Urfprung, die Zufammenftelung und f. f. ber apoftofijden Gonftitutionen bem Lefer in kurzen Umrifjen vor; $3 ift Editiones priores et nostra (Ὁ. XXII—XXVI) betitelt ; die €. €. XXVII und XXVIII find tem Titel ber apofto: liſchen Eonftitutionen in den Handfchriften und Ausgaben gewidmet; ber Gert ber ‚apoftolifchen Gonftitutionen füllt €. 1—254; die brauchbaren, jedoch nit vollftännigen Indices der Schriftſtellen, der Eigennamen und ver rerum ecclesiasticarum“ et(tteden ſich von &. 262—280. Sen Schluß des Werkes bibet eine.Sugabe zu $ 3, ein „Index signorum et vocum per compendia scriptarum.* Für ‚Beihaffung neuer Fritifcher Hilfsmittel, bezüglich Reviſion fchon benugter, Bat ber Herausgeber leider feine Schritte gethan, ob[d)on das fo dringend Noth that. Sein ganzes Beftreben war nur darauf gerichtet, mitteld der, in welcher Weife denn auch immer, von Anderen benugten Hülfgmittel und ber aus diefen gemachten Mittheilungen eine möglichft berichtigte Hands Ausgabe zu liefern. Was die von früheren Herausgebern zu Rathe gezogenen Hand- ſchriften betrifft, fo dürfte tie Wieverauffindung der von bem erften Herausgeber des griechifchen Terted, Turrianus, benügten Manuferipte wohl für immer bem Gebiete from- 31 * 410 Uelizen, mer Wuͤnſche angehören, da meine Belannten in ten italienifchen Bibliotheken bis jept Feine Spur von ihnen haben auffinben fónnen; ih mir aud) fobin nicht mit der Hoffnung ſchmeicheln darf, meine eigenen fpäteren Nachforſchungen in benfelben von einem glüdlicheren Er folge gefrónet zu jehen. Der vom Berfaffer erwähnte, nie benußte, von Montfaucon in „Biblioth. Coislin.* €. 271 näher befchriebene Cover Nro. 212, ift nicht mehr vorhanden; ihm ift wahrſcheinlich bei ber -in Folge des Brandes Mo- nasterii scli Germani a pratis notfjmenbig gemorbenen Ueber⸗ tragung biefer Bibliothek in die Eönigliche ein werthlofes Menävlogium fubftituirt. Don ben codicibus regiis, die Eotelier benugt hat, habe ἰῷ nur Nro. 1326 und 2347 wieder auffinden können, nicht aber bie Numer 772, 1026, 2430; da ble Numerirung der meiften fónigliden Mann- feripte eine dreimalige Veränderung erfahren hat, und bim reldenb orientirende Goncorbamyen nit vorhanden find. Indefjen bebaute ich das eben nicht fehr, da id von ben Ganoneó zehn Manuferipte der einen Rerenjion voll Ständig, ſechs derfelben zum Theile; von ben Hand: Schriften einer andern Recenſion zwei Codices voll. ftánbig, drei zum heile verglichen habe. Ich age: „einer Recenfion“ und dann „einer andern 8o cenfion:” venn die Ganoneó eriftiren, wie bei Ber gleihung der Handſchriften mir Far geworden ift, in doppelter Stecenfton ; die erfte Recenfion findet fich ba, wo die Canones alle ber Reihe nad) auf einander folgen; bie andere, wo biefelben in den Kirchenrechtöbüchern δα Griechen unter den übrigen Firchlichen Verordnungen in ber ihnen zuftändigen Rubrik ihren Pla finden. - Von Brad: ftüden des achten Buches, ungefähr in ähnlicher Geftalt Constituliones apostolicae. 471 unb von faft gleichem Umfange, wie fie ber von Grabe ab: gefchriebene und ins Latein übertragene, von Babricius fpáter aus Grabe's Papieren in feiner Ausgabe des Hippolytus veröffentlichte codex Baroccianus enthält, habe ih fünf — Handſchriften, für einzelne Fragmente aus anderen Büchern verfchiedene Codices collationirt. Ueberdies werben wir unferen Apparat burd) Vergleihung von Handſchriften in anderen Bibliotheken bedeutend vermehren. Was die von Üelgen erwähnten Codices Nro. 364, 1614 und 931 be: trifft, fo ift 1614 eben berfelbe, welcher bei Gotelier bie Nro. 2347 trägt, (ober Nro. 364 enthält auf einigen Blättern SSrudjftüde, größten Theil aus bem VIII. Buche; Gober Nro 931 aber enthält libr. 2 cap. 4 zov- τὸν ἥλιον (fo hat der cod.) — libr. 7 cap. 48 κύριε βασιλεῦ incluftve. Aus ber 9Bergleidjung dieſer Handſchrift hat fid mir ergeben (was ohnehin bei genauer Durchmu⸗ fterung ber Varianten fofort Jedem einleuchten mußte), daß bie von Glericus mitgetheilten lect. varr. der Wiener Handſchriften, Siro 46 unb 47, febr unvollftändig find und überdies dem Gober 46 zugefchrieben wird, was in 41 (id) findet, und umgekehrt. Unfere Handſchrift ftimmt mit ber Wiener Nro. 46 ſtets überein, wie das bie wenigen Stellen, wo cod. 46 ausdbrüdlid genannt wird, ſattſam beweifen; vergl. 3. 3B. 3, 1, 1 p. 76, wo in beiben die Worte διότε — ἐπαγγελέαν fehlen, und dieſelben ibid. $ 2 ὀγδοήκοντα haben; libr. 3, 6, 3, p. 79 ftimmen beibe wieder überein; libr. 4, 14, 2 p. 98 laſſen beide ἀγέου aus unb libr. 5, f, 5 p. 101 fat unfere Handſchrift τέως, unb fo aud wohl cod. vindob. 46, aus bem das falſche ϑέως notirt ift. (Gingebenf des golbenen, bei Gis fationen, fo viel als thunlih, nie aus dem’ Auge zu 472 Uelizen, verlierenden 9Borteó : „In duobus aut tribus testibus constat omne verbum* geben wir zur Beurtheilung veſſen über, was Ueltzen für die Terted » τι geleiftet hat. Wir bedauern aufrihtig, taf wir mit einer Rüge den Anfang zu machen und gezwungen ſehen. “Diefe be fteht darin, taf Herr llelgen Gotelier'é eigene Ausgabe zu Rathe zu ziehen verfäumt, und den Angaben des Geri cus unbebingteó- Vertrauen gejdjenft. hat. Denn jener Ausiprud des Römers: „Velut error bonestus est magnos duces sequentibus fann ihm hier nicht zur Rechtfertigung dienen; ba ja einem Manne, wie llelgen, bie Schlottrig- feit, deren fid in allen feinen Werken der flüdtige, ober flaͤchliche Clericus im höchſten Grave ſchuldig gemacht fat, mehr als befannt fein, mußte. So hatz. 9. libr. 1, 3, 1 p. 3 marg. ed. Cotel. ganz richtig „al. &ríceig pro Erslang.“ libr. 2, 55, 2 p. 65 finden fi im Cotelier'ſchen Texte die Worte πάντες ἄνϑρ. o. πε. αὐτῷ; libr. 6, 23, 2 p. 151 hat Eotelier ἡλέου im Texte, ebenfo ibid. c. 26, 2 p. 153 ἐξ, ibid c. 27, 2 p. 154 ἅτε n. f. f. Haec hactenus. An manden Stellen fat Herr Lelgen ba6 Verderbniß richtig erfannt, nur hätten wir gemünfdt, er hätte ben Muth gehabt, feine Verbefjerungen auch überall in ben Gert aufzunehmen; denn tie im Terte befindlichen Lefearten find fámmtlid ein fache Schreibfehler, meiftenó durch vie gleiche Ausſprache von zu und z entflanben, oder gar $yeblet bet erften Herausgeber ſelbſt. So hat er 2, 36, 5 ©. 51 richtig χρῖνε (text. xoivar) ; ibid. 39, 2 €. 52 ὅταν ϑέ- λωσι (vulg. 9éAovor); ib. 43, 5 €. 57 πορεύησϑε (text. 7togeveg9e); ib. 53, 5 ©. 63 ποιῇ (text. ποιεῖ); 4, 5, 2 €. 93 φάγωμεν und πίωμεν (text. φάγομεν und rrio- uev); 5, 17, 1, Ὁ. ποιῆσϑε (vulg. ποιεῖσθε); 7, 2, 1, Conslituliones apostolicae. 473 €. 161 ἐὰν φιλῆτε (text. Qulstre) ; ib. 27, 2 &. 171 προσ- δέξασϑε (text. προσδέξασϑαι) vermutfet, — Vermu⸗ tungen, bie ber oben erwähnte, von und verglidjene codex . fámmtlid) beftätigt, aus bem 2, 50, 1 ©. 61 &xos anftatt ber Sertfejeart ἔχει (Ueltzens Vermuthung ἔχῃ if ganz unzuläßig) zu lefem ift. Solche offenbare Fehler müfjen unbebenflid auch ohne handſchriftliche Auctorität verbeffert werben: baher verdienen aud) bie Herausgeber, daß fie, getreu der Marime „video meliora proboque, deteriora sequor“ epl Clem. ad Cor. 1 cap. 39, nit ὄψει in ven Sert gejegt, jonbetm das falfche ὄψη der Hanpichrift in bemfefben belaffen haben, eine ernfte Rüge. Ebenfo Dat. Here Uelgen 2, 17, 5 €. 27 τῶν (vulg. τὸν) ἁμαρτιῶν; ibid. 28, 1 αὐτὴν (vulg. αὐτῇ); ib. 47, €. 3 διώξεις (text. διώξει}; ib. 63, 3 ©. 75 χεῖρας αὐτοῦ (text. y. ἑαυτοῦγ; 7, 6, 2, ©. 164 ἀλαζονεῖαι (text. ἀλαζονέαι) vermuthet — Bermuthungen, die wiederum, wie nod viele andere, fänmtlid) ber genannte Gober beftátigt. Wir haben abfidjtlid jo viele Stellen herausgehoben, theils, weil εὖ angenehmer ift, loben zu fónnem, als tabeln zu müffen, tfeiló, um in ein helles Licht zu Teen, wie nadjfáfig von ben frühern Herausgebern ober ven Collatoren die Codices verglichen find. An anderen Stellen jebod) fónnen wir [εἶπε Bermus thungen und Gorrectionen nicht billigen. Belegen wir aud) biejeó mit einigen Beifpielen, in bie wir einige anbere Be: merfungen einfließen laften wollen. Libr. 1, 1, 2 p. 1 n... τοῦ aylov πνέυματος, ὡπλισμένοι διὰ Ἰησοῦ καὶ ἐν- στερνισάμενοι ἃ. ſ. f.; ἐνστερνισάμενοι(ς ita emendare ausus sum e v. 14, 2 (jebod) ift zu bemerfen, baf codd. Vindo- bon. und Paris. dajelbft eine ganz andere Leje-Art haben) φ 474 Ueltzen, quod vulgo legitur ἐνσεερνεσμένοι.“ Allein tae vorherge- hende ὠπλεσμένοε und der Zufammenhang der Etelle, welche ben Begriff einer in ihren Wolgen fortdauernden Handlung erforbert, lehrt und, daß ἐνδσετερνισμένοιε ju emen diren fei. Ebenfo emenbiren wir and) ἐνεσεερνισμένος bei Phot. ep. 1 p. 22, wo ver Tert ,ὐ τὸν ϑεῖον ἔρωτα ἐνστερνισμένος ^ hat; das Verbum simplex findet fid 1. Clem. ad Cor. 2, ἐστερνισμένοε ἥτε" (sc. αὐτοὺς i. e. λόγους, ber befjet ποῷ αὐτὸν, wenn man tie jepigen Interpunctionen beibehält; wir aber möchten mit doxov- μενοι καὶ προσέχοντες ten Dativ τοῖς ἐφοδέοις ϑεοῦ verbinden, nad) Ausmerzung ber Interpunction nad ἀρ- κούμενοε und τοὺς λόγους αὐτοῦ ἐπεμελῶς (wir tilgen gíeid)en Falls das bier in ben Ausgaben befinblide Komma) von ἐστερνισμένοι ἦτε abhangen laffen). Ibid. 8, 8 €. 10, ne . ἀνδρὶ πρόσεχε --- μόνῳ, ἐν δὲ ταῖς πλατείαις σχέπουσα τὴν κεφαλὴν σου“: hier ift παῷ μόνῳ das Komma, nah ἐν das δέ zu ftreihen; wer mit llelgen σχέπου emenbiren will, muß das δέ in ve verwandeln; se z- und bemgemáf. Ibid. 10, 2 ©. 11: „... . δυνήσεσϑε ... ἐγγίσαι . . . καὶ ἀναπαύσεσϑαι 1. f. f. cod. vind. ave- παύσασϑε (? ἀναπαύσεσϑε, quod placet) Ueltzen; fchreibe vielmehr ἀναπαύσασθαι. — Libr. 2, 1, 1 ©. 13 p. c 5 S. ὅτε τρόπῳ τοὶ. . . ὑπάρχεε . . .*; ὅτε scripsimus Cotelerii conjecturam secuti pro vulgato Ort". Ueltzen; inbeffen ijt die begründende fBartifel ovo mit linredt aus ifrem Beflsftande verdraͤngt. bid. 2, 2 €. 13: „Obro ydo δοκιμαζέσϑω, ὁπότ᾽ αὐτὴν χειροτονίαν λαμβάνων καϑίσταταε u. f. f"; fortasse legendum ὁπόταν τήν.“ Melgen. Mit Nichten; hingegen wird bet Lefer mit uns verbeſſern: Οὕτως ἄρα u. f. f. jebod e Constitutiones apostolicae. 475 muß ferner zwifchen αὐτὴν unb χοιροτονέαν ein τὴν einges jhoben werben, das in Folge des Homdoteleuton ausgefals fm ift. Ibid. 8, 2: „. . . καὶ ὀνειδισϑησόμεϑα καὶ ἡμεῖς ὑπὸ τοῦ κυρίου elc.^; ,Umó un κυρίου aut male additum esse videlur aut legendum τῷ τοῦ κυρίου etc.“ Ueltzen. διε ἐπὶ τοῦ κυρίου, vgl. Kühner gr. Gr. I. ©. 295, 3 c. — Ibid. 18, 5 ©. 29: ἐὰν !aueinons u. j. f.*; „Vindob. ἀμελὴς (sed sequi oporteret ἧς, unde forte factum αἀμδλήσης Cler.).“ Ueltzen; unnöthig; einfacher wäre εὖ übervieß ja ἀμελῆς zu fihreiben. Gleich darauf $ 8 ift die SSermutbung, daß ὅτε einzufchieben fei, übers flüffig. Ibid. 37, 3 ©. 51: „. . . ἐπιχαιρεσικάκους . .. „ıta cum vindobb. (v. s. cap. 21, 2, wo inbeß Par. ἐπε- χαιρέκακοι hat); vulgo χαιρεσικάκους u. ſ. f." Ueltzen. Richtiger wohl ἐπεχαιρησίκακος nad) Lobeck ad Phryn. ©. 770. Lies indeſſen mit Paris. audj an u. €t. χαιρεχάκους. lbid. 42, 2 €. 55: „... καὶ ἐπιδείξετε συχοφαντην etc.“ „ita ex Bov. Turr. coniectura assecuti sumus; vulgo ἐπιδείξας αὐτὸν, inepte.^ Uelizen. Man emenbire mit und ber SBaláograpfle und bem Sinne gemäß... καὶ ἐπιδείξατε αὐτὸν συκοφάντην u. f. f. = und ifr [9 ihn dem gemäß an ben Pranger ftellen als einen u. ſ. f. Ibid. 55, 1 ©. 65 hätte llelgen einfad) δ &avrov in den Tert Segen follen; „eosdem per se ipsum^ hat ja Ihon Eotelier richtig überfept. Ibid. 57, 7 ©. 67 fteht das ungriechifche Wort ναυστολόγων in bem Sext; emendire ναυ- τολόγων oder ναυλολόγων, wie wir aud) epist. Clem. ad Jacob. cap. XIV ©. 21 ed. Schweg., S. 20 ed. Dressel, anderswo verbefjert Duben. Ibid. 61, 3 ©. 73 Hätte er ἕσταμαι und ibid. 4 ἔστε in den Sert fegen follen. Libr. 6, 3, 1 ©. 130 „.. . Φαραὼ καὶ τοὺς αἰγυπτίους καὶ πάντας τοὺς παρ᾽ αὐτῶν μετ᾽ αὐτῶν“; „Cot. μετ᾽ αὐτῶν 416 Teltzen. emendslisuen παρ αὐτῶν indica; Terr. legume videiur zep αὐτοῖ." Uelzen. Man ememtür mit απ πάντα τὰ παρ᾽ αὐτοῖς mer αἰτῶν" amt bene bei πάστα τὰ uf. f. an tie Βοῇε, Wegen umb übrigen Kriegs- materialien ber Yegrpter, tie ja ber Herr mit ibmen in beu Fluthen des reiben Meerrb begab. — id 5, 2 €. 131 ,... συκηλάτω uw. ( 6" „EL m mg. σικιγλάτω, siculi rectius legi etiam Cot. monet, comeciura, mi fallor, mecessaria ex Is. 1, 8." Uelzen Bei Euieb. Dem. evang. 2, 3 €. 132 ed. Gaisíord, [δι Geitford nad Cuita6 pag. 3306 EF om parıp (wo tie ed. Paris. σικυ- χκράτῳ als offenbaren Schreibfehler hatte; σιαιλήεω Bat S. eine von Gaisford verglidene Handſchrift); PCDE (mit tiefen Buchflaben werden wir in unjerer bemnädfligen Ausgabe tie von und vergfidenen Haudſchriften bezeichnen) haben alle σεκυηράτῳ (maß ans P. nicht notirt ig, der auch für Gaisford jetod, wie gewöhnlich bei ihm, höchſt ſchlecht verglihen war, wie audj biefe Stelle lehrt) haben ein- flimmig covzoaro, jevod CD am Rande mit yo. σικυη- λάτῳ, was ein anderer von und verglichener und mit B zu begeichnenver Gober hat; Eclog. Prophet. €. 171. L 11 ed. Gaisford hat Eufebins jebod) σικυηλάτῳ, wenn man diefer Angabe trauen kann und barf bei der fo traurigen Beſchaffenheit aller in usum Gaisfordii verglidenen Hands ſchriften. An unferer Stelle der apoftolifden Gonftit. muß mit Paris. σικυηράτῳ gefchrieben werden. — Ibid. 26, 2 €. 153: ,,.ᾳ..... φάσκοντες ὅτι σεμνοί τινες ἔσομεν“ 1. f. f.; ne. . ἔσομεν Scribere ausus sum pro vulgato ἐσμὲν elc." Ueltzen. Mit Recht fagt erauv sut sum; denn écogev if griechifchen Ohren ganz unbefannt. Einen aͤhn⸗ lichen Barbarismus hat Muratori in ber Emendation einer Constitutiones apostolicae, 411 Stelle bet von ifm veróffentlidjten Gedichte des Oregoriue von Nazianz ©. 147 ὦ zu Schulden fommen lafjen. Zur Sache vergl. epist. Ignat. interp. ad Philad. Kap. 6. — lbid. 27, 2 ©. 154: ,... χωρίσαι 7 μόνη u. f. f." ; Mefgen hat ἀλλ᾽ vor ἢ In ben Tert gefept; wir ftellen paláograpbi[d) richtiger alfo ‚her, χωρίσαι ed un μόνη u. f. f. Lib. 7, 1, 2, ©. 161 hat Paris. τοῦ ϑανάτου οὐ κατὰ „Ah ἐξ ἐπιβαλῆς. lbid. fap. 5 ©. 163 .. - . ϑρασύς ἵνα μὴ πάϑης" u. f. f.; ἵνα hat Eotelier aus Anaftafius beigefügt; Par. fat θρασύς μήτε πάϑης. Richtig; ber Gonjunctio hat bier biefelbe 3Bebeutung, wie 1 Clemen. ad Cor. fap. 37, die wir anderswo gegen Jacobſon als ridjtig erwiefen haben. Ibid. 27, 2 ©. 171: ,... τὸν ϑεὸν, ἤπερ dobaleı.“ ,ἤπερ: praemittendum videtur μᾶλλον.“ Ueltzen. Gar überfläffig; denn μάλλον wird oft von ben fpäter griedijd Schreibenden ausgelaffen 4 98. Isid. Pel. 5, 10; „rois 7ὰρ δρῶσιν ἢ τοῖς πάσ- χουσιν 7) τιμωρία anoxeita“; wo ber lat. lleberfeper bie Stelle ganz mifiverftanben hat. Das Wort μᾶλλον erinnert mid an eine fchöne Stelle des Gregor. Nyss. Tom. 1 p. 396 Bed. Par. 1683 , vie ich geftüigt auf handſchriftliche Auctorität alfo Derftelle — was zwiſchen ben Slammern fih findet, fehlt in der Ausgabe —: .. : καὶ Eorıv ὡς ἄν τις ὅρῳ τὴν διαφορὰν αὐτῶν Unoypaıpsızv, αἰσχύνη μὲν ἐπιτεταμένη αἰδώς, αἰδὼς δὲ τὸ ἔμπαλιν ὑφδιμόνη , αἰσχύνη. [Μᾶλλον δὲ κυριώτερον ἂν τις καϑίκοιτο τῆς ᾿ τῶν ὀνομάτων ἐμφάσεως, εἰπὼν αἰσχύνην μὲν εἶναι τὴν μετὰ πρᾶξιν τῶν κατεγνωσμένων ἐπιγινομένην αἰδώ, αἰδὼ δὲ κατὰ τὸ ἀντίστροφον τὴν πρὸ τοῦ γενέσθαι τι τῶν κατεγνωσμένων αἰσχύνην, di ἧς ἡ ὁρμὴ τῶν ἀπρεπῶν ανακύπτεται.] δείκνυται δὲ καὶ τῷ κατὰ πρόσωπον 4 418 Leitzen. Comstist;omes aposiobcae. χφώμαει » τῶν παϑών [τούτων] διαφορά u. V i. Do tem Gregor von Sivíia Toll zu feiner Zeit nach Kräften auígebelfen werben : fehren wir zu unferer €telle zurũck an ter wohl εἴπερ — si vel maxime zu ſchreiben fein wirt. Hier enten wir unfere Recenfion ter lleígen'fden Ausgabe; tenn nur Einiges "von bem Vielen, was wir zu bemerfen hatten, wollten wir Bier niekerf&reiben. Se ted) Fonnen wir nidt umhin, hier am Schluſſe nochmals unfer Bedauern tarüber auszuſprechen, daß burdy des Herausgebers Schuld dem forgfältigen Gotelier die Webler des fchlottrigen Clericus beigemeflen find. Möge das eine Barnung für andere fein! Uebrigens find Drud und Papier tiefer Ausgabe bes friedigend, der Preis nicht Body. - Dr. Rolte. 5. Schen und Wirken des heiligen Simeon Stylites. Bon P. Pius Bingerle, Benediktiner von Marienberg. Innsbruck 1855. Berlag von Selidlan Raub. €. XII und 319. Preis fl. 1. 3 fr. Nachdem Herr P. Pius Zingerle bereits im Jahre 1845 in den katholiſchen Blättern von Tirol anfünbigte, daß er eine ausführliche Darftellung des Lebens und Wirfens bes bi. Simeon Stylites veröffentlichen werbe, wartete Jeder, bet den berühmten Orientaliften kannte und eine quellen, mäßige grünblide Gelchichte des BL Simeon wünfchte, mit Verlangen auf die Erfüllung des in aller Form gege benen Verſprechens. Denn wenn auf ber einen Seite vie neuere Literatur einer. eingänglichen und auf vollftánbige Kenntuiß und rechte Würbigung der Quellen geftügte Ber Leben und Wirken des heil, Simeon Sıylite. 479 handlung des Heiligen, der eine fo anferordentlihe (ὅτε fheinung in der Geſchichte der Kirche bildet, bis zur Stunde entbehren mußte, fo ließe fid) auf der andern Gelte erwarten, ba in Zingerle ſich alle Eigenfchaften vorfinden, welche jowohl für bie Erforfhung ber zumeift fyrifchen Quellen, aus welden Simeons Leben zu fchöpfen ifi, ale für bie rechte Würdigung dieſes außergewöhnlichen Lebens vorhanden fein müflen, wenn nicht ble abgefchmadten und unverftändigen Urtheile wieder aufgewärmt werben follten, weldje jelbft gefeierte Schriftfteller über ben heil. Simeon in Umlauf. gebrad)t haben. Wenn Gibbon meint, Sanatifer, welche fid wie Eis meon quälen, jeien einer [ebenbigen Liebe für Andere uns fähig, wie denn bie Mönche jedes Zeitalter und Landes fij durch Gefübllofigfeit und Graufamfeit ausgezeichnet haben, fo ift das bei einem Apoftaten erflärlih. Deß⸗ gleichen darf Herder, welder den Heiligen einen Thoren von Ginftebfer nennt, der auf einer Säule alt unb grau geworden, nicht mit[fpredjen, wenn von einer fo eminenten Erſcheinung hriftlicher Abtödtung bie 9tebe ift, und Andere übergehend brauchen wir aud) darauf nichts zu halten, wenn nod) Hafe ben heil. Simeon nur heidniſche Büßer πα» abmen faffen will. Aber wir können es nicht läugnen, daß bie außerordentliche Ericheinung des heiligen Säulen- ſtehers auf ben erſten Anblid und für bie gewöhnliche Ginfidt vermunberlid) vorkömmt unb einer nähern Erklärung bevarf. Für biefe bat, abgejfeben von katholiſchen Gelehrten, bie, wie 3. 9. ber felige Möhler in feinem Fragmente über das chriftliche Mönchthum, ba unb tort eine Bemerfung über Cimeon nieberlegten, in umfafjenderes Weile Ule 480 Leben und Wirken mann in feiner Abhandlung: Symeon ber erfte Säulen- heilige und fein Einfluß auf die Verbreitung des Chriften- tbumó im Orient (Zeitjchrift für Hiftorifche Theologie 1845. $. 3 f) in anerfennenómertfer Weife beigetragen. Wir durften aber billiger Weife nicht erwarten, daß ein aufer ber Kirche fiehender Mann eine Erfcheinung wie den heit. Simeon vollftändig begreifen werde. Um fo freubiger bes grüßen wir unjer vorliegenbeó. Bud, das allen Anfor- derungen Genüge leiftet. Es ift zunaͤchſt nicht für gelefrte Leſer gefchrieben ; wenigftenó meint das ber Herr Verfaſſer in feiner Bes ſcheidenheit; aber e8 beruht auf einer vollftändigen f'ennt- nif ber wichtigeren Quellen und einer Fritifchen Würdigung - Ihrer Nachrichten. Der Herr Berfaffer erkennt es als notbwenbig an, feiner Darftellung eine kurze Würdigung biefer Quellen voranzufchiden; benn ,Gimeonó Lebensgeſchichte enthält joviel Wunvderbares und linglaublidjeó, bag es über allen Zweifel erhabene Zeugen fein müffen, die über ihn δὲς ridtenb unjern Glauben gewinnen follen.” (S. VII.) Diefe Zeugen werden nun vorgeführt und furj charak⸗ teriſtrt. Es find Drei Zeitgenoffen, welde ben erften Rang einnehmen, ba fie tem Heiligen im Leben naheges ftanden, und ihre Berichte entweder auf eigener Anſchauung ober den Nachrichten zuverläffiger Augenzeugen beruhen. Cosmas, ein Priefter von Phanir in Eötefyrien, ſchrieb 15 Sabre nad bem Tode des Hi. Simeon, im Jahre 474; er war ein Nahbar und. Freund des Heiligen. Aud Theodoret von Eyrus, ble zweite Quelle, fand mit Simeon in freundfchaftlichem Verkehr, und Antonius, der des Heil. Simeon Stplites. 481 dritte, bem wir unjere Nachrichten verdanken, war ſogar ein Schüler Simeons. Was bie Glaubwürdigkeit dieſer Männer erhöht, ijt der Umſtand, daß ſie das Gewicht ihrer Nachrichten wohl fühlten und nicht verkannten, daß ſo außerordentliche und wunderbare Dinge ihnen kaum ‚geglaubt werben bürften. Cosmas verfichert daher, daß er nur berichte, was er mit eigenen Augen gejehen und mit eigenen Hänben berührt habe, was in ber Ferne vorgegangen, [εἰ von wahrhaftigen Leuten geichrieben worden. Theodoret jagt geradezu, baf er zwar bie ganze Welt ald Zeugen habe, aber bod) fürchte er, bie Nachwelt möchte feinen Bericht für Fabelwerk halten. Zugleich gibt er zu verfteben, daß er aus ben Thaten des Heiligen eine Auswahl getroffen habe, wobei er biejenigen aufgenommen zu haben [deint, welde nod am melften Glauben zu finden hoffen durften. Nach biejer Furzen Charakteriftif ber Quellen geht ber Berfafjer auf feinen Gegenftanb über. Wir dürften viel: leicht wünfchen, daß bie Beſprechung ber Quellen eingäng- lider geworben wäre, damit ber Zweifel an ber Glaub⸗ würbigfeit biejer wunverbaren Dinge bis auf ben legten Reſt verbrängt würde. Allein im Verlaufe ver Darftelung wird bod) immer wieder aushrüdli angeführt, wer für diefe und jene That als Gewährsmann einftehe; und fo kann bie umfländlihe Vorführung des Fritifchen Apparates allerdings als überflüffig erſcheinen. Nichtsveftoweniger glauben mir darauf aufmerfjam maden zu bürfeh, daß aus der Stellung Theoborets zu Reftorins die größte Slaubwürbigfeit feiner Nachrichten über Simeon folgt, ba er bier feinem heiligen Freunde unb befjen Wirkſamkeit gegen den Neftorianismus als theoretifcher Gegner gegen: . 482 Reben und Wirken überftebt, aljo ficher nicht zu Gunften Simeons Rachrichten erfunden oder Thatfachen übertrieben haben fann. Wenn aud (S. 169) Hievon fury die Rebe ift, fo würde ber günftige Eindrud ber Schrift fider gewonnen haben, wenn an die furze Nachricht über Theodoret In der SBorrebe die wichtigften Daten aus feinem Leben, feiner [chriftftelerifchen Wirffamfeit und Parteinahme in den kirchlichen Kämpfen angereiht worben wären. Herr Zingerle behandelt num feinen Gegenftand in ffe ben Büchern, von welchen das erfte Simeons Leben bis zum Austritt aud dem Klofter von Televa, das zweite bis zum Anfange [εἰπε Stehend auf einer Säule, das dritte bie Darftellung feiner Lebensweife auf der Säule im Allge- meinen fchildert. Die bret Folgenden Bücher behandeln die Wirffamfeit des Styliten, und das fiebente ble lepte Krankheit und bet Tod des Heiligen. Als Anhang wird die obrebe des Heiligen Dichters Safob von Sarug auf ben BL Simeon und ausgewählte Stellen aus ben Tagzeiten des Heiligen im maronitifchen Weftbrevier zus gegeben. Es ἰῇ εν nur Beſcheidenheit des gelehrten Herrn fRerfajferó, wenn er befennt: „Ein hiſtoriſches Werk zu ſchreiben, wie fle jegt geforbert werben, fo baf auch bie ganze Zeit, in der ein Mann auftritt, im anfchaulichen, lebenbigen Bilde vor ben Lefer tritt, dazu fehlte e8 mir an Quellen» Stubium, an gefhichtlidem Willen, und redlich gefagt, aud) an Geſchick.“ Borzüglich im vierten, fünften unb fedften Buche tritt und das anſchaulichſte Bild bet ganzen Zeit Simeons entgegen. Es wird uns ber Schaus plag geídjilbert, auf bem feine Säule ftanb, das reiche, fhöne Syrien, voll großer Städte, blühend in allen Ges bes heil. Simeon Gtyfites. " 489 werben für reizende Verfchönerung des Lebens. In Mitten biefer üppig und weichlich gewordenen Landſchaft ftand bet heilige Büßer auf feiner Säule ein ftrafendes und aufs richtendes Beispiel für die Schwachen und Berfunfenen. Diefes erſchütternde Beifpiel wirkte auch auf bie Heiden, [o daß ein ganzes Kapitel ben Styliten als ὁ εἰν επ ἐν fehrer fdilbert. Im ganzen Scaaren, Hunderte, ja Zaufende oft auf Einmal, famen ble Araber, naächſt ihnen die Libanioten, aud) für Perſien wirkte er, und einft famen. Leute, welche breigebn volle Monate zur Reife verwenden mußten, beren 9So[f in den Quellen nicht ge nannt wird, unter benen aber Uhlemann Parter ver muthet. Die foclale Wirkfamfeit Gimeonó, welche im fünften und bie wunderbaren Sranfenheilungen, welche im fechften Kapitel gefchilvert werden, übergehend, nennen wir nod) bie Beziehungen, in welchen Simeon zum faiferliden Haufe, zu ben. Uebergriffen bet Suben und ven Kämpfen wider Neftorianismug unb Eutychianismus ftand, aus welden hervorgeht, daß er eine wahre Säule ber Kirche im fünften Jahrhun⸗ bert war, fo daß unjere gegenwärtige Schrift als eine durch bie Quellen beglaubigte umſtaͤndliche Ausführang ber Säge erfheinen kann, welde Katerfamp und Möhler vor Jahren über ben Heiligen ausgefprodhen haben, baf ex ale ein fo außerorbentliches Beifpiel ber Buße „die erfchlaffte Zeit befhämt unb ein Vorbild aufgeftelt hat, was ber menſchliche Wille für und burdj Gott yermöge.” An diefen Sag Katerfamp’s reiht ft Möhler's Urtheil an, welcher in feiner oben genannten Abhandlung ausruft: „Wer hat jemals einfamer geftanben, als Simeon ber Stylite? Und bod) — wel’ ein Wirfungsfreis bildete fid) um ihn Der." Theol. Quartalſchrift 1856. III. Heft. 32 414 Ueltzen, quod vulgo legitur ἐνστερνισμένοι.““ Allein das vorherges hende ὡπλισμένοι und der Zufammenhang ber Stelle, welche den Begriff einer in Ihren Folgen fortdauernden Hanplung erfordert, [efrt uns, daß ἐνθστερνιεσμένοι zu emen biren ſei. Ebenfo emendiren wir aud) ἐνεσεερνισμένος bei Phot. epl. 1 p. 22, wo der Tert ,0 τὸν ϑεῖον ἔρωτα ἐνστερνισμένος ^ Bat; das Verbum simplex findet fid) IL. Clem. ad Cor. 2, ἐστερνισμένοι Tre“ (sc. αὐτοὺς 1. e. λόγους, bet befjer ποῷ αὐτὸν, wenn man bie jegigen Interpunctionen beibehält; wir aber möchten mit doxov- μενοι καὶ προσέχοντες den Dativ τοῖς ἐφοδίοις ϑεοῦ verbinden, nad) Ausmerzung ber Interpunction nad ἀρ- κούμενοε unb τοὺς λόγους αὐτοῦ ἐπιμελῶς (wir tilgen gleihen Falls das hier in ben Ausgaben befinblidje Komma) von ἐστερνισμένοι ἦτε abhangen laffen). Ibid. 8, 8 ©. 10, ne. . ἀνδρὶ πρόσεχδ — μόνῳ, ἐν δὲ ταῖς πλατείαις σχέπουσα τὴν χεφαλὴν σου“: hier ift nad μόνῳ das Komma, nad ἐν das δέ zu flreihen; wer mit Velten σχέπου emenbiren will, mug das δά in ve verwandeln; ve z- und demgemäß. Ibid. 10, 2 ©. 11: „. . . δυνήσεσθε . ἐγγίσαι . . . καὶ ἀναπαύσεσϑαι u. |. f. cod. vind. eva- παύσασϑε (? ἀναπαύσεσϑε, quod placet) Ueltzen; fdyreibe vielmehr ἀναπαύσασϑαι. — Libr. 2, 1, 1 ©. 13 p. «5 . ὅτε τρόπῳ τινὶ. . . ὑπάρχει . . ." 5 ,, ὅτε scripsimus Cotelerii conjecturam secuti pro vulgato Ozi**. Ueltzen; inbeffen ift bie begrünbenbe Partifel oz. mit Unrecht απὸ ihrem Beſitzſtande verbrängt. Ibid. 2, 2 €. 13: Οὕτω ydo δοκιμαζέσϑω, ὁπότ᾽ αὐτὴν χειροτονίαν λαμβάνων καϑέσταταε τ. ſ. f"; „fortasse legendum ὁπόταν τῆν.“ eigen. Mit 9tidjten; hingegen wirb bet Lefer mit uns verbeſſern: Οὕτως ἄρα u. f. f.; jebod e Constitutiones apostolicae. 475 muß fermer zwiſchen αὐτὴν unb xuporoviev ein τὴν einger ihoben werben, das in Folge des Homöoteleuton ausgefalr [en if. Ibid. 8, 2: „. . . καὶ ὀνειδισϑησόμεϑα καὶ ἡμεῖς ὑπὸ τοῦ κυρίου etc.“ ; „und ὑπ xuplov aut male additum esse videtur aut legendum τῷ τοῦ κυρίου οἷο.’ Ueltzen. Lies ἐπὶ τοῦ χυρίου, vgl. Kühner gr. Gr. II. ©. 295, 8 c. — lbid. 18, 5 ©. 29: ,éav Ἰάμελησῃς u. 1. F.*; Vindob. ἀμελὴς (sed sequi oporteret ἧς, unde forte factum ἀμελήσης Cler.).^ Ueltzen; unnöthig; einfacher wäre e8 überdieß ja ἀμελῇς zu jchreiben. Gleich barauf $ 8 ift die Vermuthung, daß ὅτε einzuſchieben fei, übers flüffig. Ibid. 37, 3 ©. 51: „. . . ἐπιχαιρεσικάχους . . . iia cum vindobb. (v. s. cap. 21, 2, wo inbef Par. ἐπε- χαιρέχακοι hat); vulgo χαιρεσικάχους ἃ. f. f." Ueltzen. Richtiger wohl ἐπεχαιρησίκακος nad) Lobeck ad Phryn. ©. 110. Lied inbejjen mit Paris. audy an u. St. χαιρεκάκους. lbid. 42, 2 €. 55: ,... καὶ ἐπιδείξετε συκοφαντην etc.“ ita ex Bov. Turr. coniectura assecuti sumus; vulgo ἐπιδείξας αὐτὸν, inepte.^ Ueltzen. Man emenbire mit und ber Paläographie unb bem Sinne gemäß... . καὶ ἐπιδείξατε αὐτὸν συκοφάντην u. j. f. — und ifr folt ihn tem gemäß an ben Pranger ftellen als einen u. f. f. Ibid. 55, 1 ©. 65 hätte llelgen einfad δε ἑαυτοῦ in ben Tert feben follen; „eosdem per se ipsum^ hat ja [don Gotelier richtig überfegt. 1014. 57, 7 ©. 67 flet das ungriechiſche Wort ναυστολόγων in bem Gert; emendire vov- τολόγων ober ναυλολόγων, wie wir aud) epist. Clem. ad Jacob. cap. XIV ©. 21 ed. Schweg., &. 20 ed. Dressel, anderswo verbefiert haben. Ibid. 61, 3 ©. 73 Hätte er ἕσταμαι und ibid. 4 ἔστε in den Tert fegen follen. Libr. 6, 3, 1 Ὁ, 130 4... Φαραὼ καὶ τοὺς αἰγυπτίους καὶ πάντας τοὺς παρ᾽ αὐτῶν μετ᾽ αὐτῶώγ“; „Cot. uev αὐτῶν 418 Ueltzen, emendalionem παρ αὐτῶν indicat; Turr. legisse videtur παρ᾽ αὐτοῦ." Ueltzen. Man emenbite mit und πάντα τὰ παρ᾽ αὐτοῖς μετ᾽ αὐτῶν“ und benfe bei πάντα τὰ u. f. f. an ble 9tofje, Wagen unb übrigen Kriege materlalien - ber Aegypter, ble ja ber Herr mit ihnen In den Fluthen des rothen Meeres begrub. — Ibid. 5, 2 €. 191 ,... συκηλάτω u. j. f.^ ,M. in mg. σικυηλάτω, Sicuti rectius legi etiam Cot. monet, coniectura, ni fallor, necessaria ex Is. 1, 8.“ Ueltzen. Bel Eufeb. Dem. evang. 2, 3 C. 132 ed. Gaisford, liest Gaisford nad Suivas pag. 3306 EF σικυηράτῳ (wo die ed. Paris. σικυ- χράτῳ als offenbaren Schreibfehler hatte; σικλήτω hat S. eine von Gaisford verglidjene Handſchrift)) PCDE (mit biefen Buchftaben werden wir in unferer demnächftigen Ausgabe bie von und verglichenen Handfchriften bezeichnen) haben alle σικυηράτῳ (mas ans P. nicht notirt ift, ber aud) für Gaisford jedoch, vole gewöhnlich bei ihm, höchſt ſchlecht verglichen war, wie auch biefe Stelle lehrt) haben eins ftimmig σικυηράτω, jebod) CD am Rande mit yo. σικυη- λάτῳ, was ein anderer von ung verglichener und mit B zu bezeichnender Gober hat; Eclog. Prophet. €. 171. 1. 11 ed. Gaisford hat Eufebius jebod) σικυηλάτῳ, wenn man tiefer Angabe trauen fann unb darf bei bet fo traurigen Beſchaffenheit aller in usum Gaisfördii vetglidenen Hands Schriften. An unferer Stelle der apoftolifchen Gonftit. muß mit Paris. σικυηράτῳ gefchrieben werden. — Ibid. 26, 2 ©. 153: ,... φάσχοντες ὅτι σεμνοί τινες ἐσομεν" u. f. f.; gr. . ἔσομεν scribere ausus sum pro vulgato ἐσμὲν eic." Ueltzen. Mit Recht fagt erau sus sum; denn ἔσομεν iff griechifchen Ohren ganz unbefaunt. Einen áfm lichen Barbarismus hat Muratori in ber Emendation einer Constitutiones apostolicae. 477 Stelle ber von Ihm veröffentlichten Gedichte des Gregoriue von Nazianz ©. 147 ὦ zu Schulven fommen laffen. Zur Sache vergl. epist. Ignat. interp. ad Philad. Kap. 6. — lbid. 27, 2 ©. 154: ,... χωρίσαι ἢ μόνη u. f. f.^; Uelgen hat ἀλλ᾽ vor ἢ in ben Gert gejegt; wir ftellen paläographifch richtiger alfo -her, χωρίσαι ei un μόνη u. f. f. Lib. 7, 1, 2, ©. 161 hat Paris. τοῦ ϑανάτου οὐ κατὰ ... GÀÀ ἐξ ἐπιβελῆς. lbid. Kap. 5 ©. 163 „. .. ϑρασύς ἵνα μὴ πάϑης" u. f. f.; ἵνα hat Eotelier aus Anaftafins beigefügt; Par. hat ϑρασύς μήτε πάϑης. Südtig; ber Gonjunctio hat bier biefe[be Bedeutung, wie 1 Clemen. ad Cor. fay. 37, die wir anderswo gegen Sacobfon als richtig eriwiefen Haben. Ibid. 27, 2 ©. 171: „... τὸν ϑεὸν, ἥπερ dofaleı.“ ,ἤπερ: praemittendum videtur μάλλον." Ueltzen. Gar überflüffig; denn μάλλον wird oft von ten fpäter griechiſch Schreibenden ausgelaſſen 4 2. Isid. Pel. 5, 10; „rois Jag δρῶσιν ἢ τοῖς πασ- χουσιν 7) τιμωρία anoxeita"; τοῦ der lat. lleberfeger vie Stelle ganz mißverftanden hat. Das Wort μάλλον erinnert mid an eine [done Stelle des Gregor. Nyss. Tom. 1 p. 396 Bed. Par. 1683 , die ἰῷ geftügt auf handfchriftliche Anctorität alfo Derftelle — was zwiſchen ven Klammern fid) findet, fehlt in ver Ausgabe —: .. : χαὶ ἔστιν ὡς dv τις ὅρῳ τὴν διαφορὰν αὐτῶν ὑπογράψειεν, αἰσχύνη μὲν ἐπιτεταμένη αἰδώς, αἰδὼς δὲ τὸ ἔμπαλιν ὑφειμένη . αἰσχύνη. [Μᾶλλον δὲ κυριώτερον ἂν τις καϑίχοιτο τῆς ᾿ τῶν ὀνομάτων ἐμφάσεως, εἰπὼν αἰσχύνην μὲν εἶναι τὴν μετὰ πρᾶξιν τῶν κατεγνωσμένων ἐπιγινομένην αἰδώ, αἰδὼ δὲ κατὰ τὸ ἀντίστροφον τὴν πρὸ τοῦ γενέσθαι τι τῶν κατεγνωσμένων αἰσχύνην, δὲ ἧς 7 ὁρμὴ τῶν ἀπρεπῶν αἀνακύπτεται.] δείκνυται δὲ καὶ τῷ κατὰ πρόσωπον 418 Ueltzen, Constitutiones apostolicae. χρώματι ἡ τῶν παϑῶν [τοὐτων] διαφορὰ n. f. f. Sod dem Gregor von Nyſſa foll zu feiner Zeit nah Kräften aufgeholfen werben : febren wir zu unferer Stelle zurüd, an der wohl s/meo = si vel maxime zu fihreiben fein wird. Hier enden wir unfere Necenfion der Ueltzen'ſchen Ausgabe; denn nur Einiges "von dem Vielen, was wir zu bemerken hatten, wollten wir hier nieberfchreiben. Ser doch fónnen wir nicht umbin, bier am Schluffe nochmals unfer Bedauern darüber auszuſprechen, bag durch des Herausgebers Schuld bem forgfältigen Goteller bie Fehler des fchlottrigen Clericus beigemefjen find. Möge das eine Warnung für andere fein! Uebrigens find Drud und Papier biefer Ausgabe bes friedigenp, ber Preis nicht bod. - | Dr. Rolte. 9. Seben und Wirken des heiligen Simeon Stylites. Don P. Pius Dingerle, Benebiktiner von Marienberg. Innsbruck 1855. Berlag von Felician Rauch. ©. XII und 319. Pres fl. 1. 3 fr. Nachdem Herr P. Pius Zingerle bereits im Jahre 1845 in ven fatholifchen Blättern von Tirol anfünbigte, daß εἴ eine ausführliche Darftelung des Lebens und Wirfens bes bí. Simeon Stylites veröffentlichen werbe, wartete Jeder, bet den berühmten Orientaliften fannte und eine quellen, mäßige grünblide Gefdidte des Hl. Simeon wünfchte, mit Verlangen auf die Erfüllung des in aller orm geges benen SBerfprédjené. Denn wenn auf ber einen Seite vie neuere Literatur einer eingángliden und auf vollftánbige fenntuif unb redjte Würdigung ber Quellen geftügte Ber Leben und Wirken des heil. Simeon Stylites. 479 handlung des Heiligen, ber εἶπε jo auferorbentlide Gr» fheinung in ber Geſchichte der Kirche bildet, bió zur Stunde entbehren mußte, o ließe fidy auf der andern Seite erwarten, daß in Zingerle fid) alle Gigenfdjaften vorfinden, welche ſowohl für bie Grfor[djung der zumeift ſyriſchen Duellen, aus welden Simeons Leben zu fchöpfen ijt, als für bie rechte Würdigung dieſes außergewöhnlichen Lebens vorhanden fein müfjen, wenn nicht ble abgefchmadten unb unverftändigen Urtheille wieder aufgewärmt werben folíten, welche felbft gefeierte Schriftfteller über bem heil. Simeon in Umlauf gebracht haben. Wenn Gibbon meint, Sanatifer, welche fidy wie Εἰς meon quälen, felem einer lebenvigen Liebe für Andere utt fähig, wie denn bie Mönche jedes Zeitalter und Landes fih durch Gefühllofigfeit und Grauſamkeit ausgezeichnet haben, fo ift das bei einem Apoftaten erflärlih. Deß⸗ gleichen darf Herbier, welder ben Heiligen einen Thoren von Ginftebfer nennt, der auf einer Säule alt und grau geworden, nicht mitfprechen, wenn von einer fo eminenten Erſcheinung dyriftfidjer Abtödtung vie 9tebe ift, und Andere übergehen brauchen wir aud) darauf nichts zu halten, wenn nod Hafe ben heil. Simeon nur heidniſche Büßer nad» ahmen lafjen will. Aber wir fónnen es nicht läugnen, daß die außerordentliche Erſcheinung des heiligen Säulen, ftiehers auf ben erften Anblid und: für bie gewöhnliche Einfiht verwunderlich vorfómmt unb einer nähern Erklärung bevarf. Für biefe hat, abgefehen von fatfolifdyen Gelehrten, bie, wie 5. 3B. ber ſelige Möhler in feinem Fragmente über das chriftlihe Mönchthum, da und dort eine Bemerfung über Eimeon nieberlegten, in umfaffenberev Weife Uhle⸗ 480 Leben und Wirken mann in feiner Abhandlung: Symeon ber erfte Säulen, heilige und fein Einfluß auf vie Verbreitung des Chriften- tbumé im Orient (Zeitfchrift für hiftorifche Theologie 1845. $. 3 f) In anerfennenswerther Weiſe beigetragen. Wir durften aber billiger Welfe nicht erwarten, tag ein außer ber Kirche ftebenber Mann eine Erfcheinung wie den heil. Cimeon volftändig begreifen werde. Um fo freubiger be grüßen wir unfer vorliegendes Bud, das allen Anfor- derungen Genüge leiftet. Es ift zunächft nicht für gelebrte Leſer geſchrieben; menigítenó meint das der Herr Berfafler in feiner Ber ſcheidenheit; aber ἐδ beruht auf einer vollftändigen Kennt: nif ber wichtigeren Quellen und einer kritifchen Würbigung : Ihrer Nachrichten. Der Herr Verfafjer erfennt es als notbroenbig an, feiner Darftelung eine kurze Würdigung tiefer Quellen voranzufchiden; denn „Simeons Lebensgeſchichte enthält joviel Wunverbared und Unglaublies, tag εὖ über allen Zweifel erhabene Zeugen fein müjfen, bie über ihn be richtend unfern Glauben gewinnen follen.^ (S. VII.) Diefe Zeugen werden nun vorgeführt und fury djataf teriſtrt. G6 find drei Zeitgenoffen, welde den erften Fang einnehmen, ba fte bem Heiligen im Leben nahege ftanben, und Ihre Berichte entweder auf eigener Anſchauung oder den Nachrichten zuverläffiger Augenzeugen beruhen. Cosmas, ein Priefter von Phanir in Eötefyrien, ſchrieb 15 Jahre nad bem Tode des hi. Simeon, im Jahre 474; er war ein Nachbar und. Freund des Heiligen. Auch Theodoret von Cyrus, bie zweite Quelle, ftanb mit Simeon in freundſchaftlichem Verkehr, und Antonius, der des Bei. Simeon Sthlites. 481 britte, bem wir unjere Nachrichten verdanken, war ſogar ein Schüler Simeons. Was die Glaubwuͤrdigkeit diefer Männer erhöht, ijt bet limftanb, daß fie dad Gewicht ihrer Nachrichten wohl fühlten und nicht verfannten, daß fo außerorbentliche und wunderbare Dinge ihnen faum ‚geglaubt werden bürften. Cosmas verſichert daher, daß er nur berichte, was er mit eigenen Augen gefehen und mit eigenen Händen berührt habe, was in ber Ferne vorgegangen, fei von wahrhaftigen Leuten gefchrieben worden. Theodoret jagt geradezu, daß er zwar bie ganze Welt ald Zeugen habe, aber bod) fuͤrchte et, bie Nachwelt möchte feinen Bericht für Fabelwerk halten. Zugleich gibt er zu verftehen, daß er aus den Thaten des Heiligen eine Auswahl getroffen habe, wobei er diejenigen aufgenommen zu haben jdeint, welche nod am meiften Glauben zu finben hoffen turften. Nach biejer Furzen Charafteriftif der Duellen geht der Berfafler auf feinen Gegenftand über. Wir dürften viel; leicht wünfchen, daß bie Beſprechung ber Quellen eingánge licher geworden wäre, damit der Zweifel an der Glaub⸗ würbigfeit diefer wunverbaren Dinge bis auf ben fepten Reſt verdrängt würbe. Alein im Verlaufe ber Darftellung wird doch immer wieder ausbrüdlid angeführt, wer für diefe und jene That ald Gewährdmann einftehe; und fo fann bie umfländlihe Vorführung des Fritifhen Apparates allerdings als überflüffig erfiheinen. Nichtsdeſtoweniger glauben wir darauf. aufmerffam machen zu dürfen, daß aus ber Stellung Theodorets zu Neftorius die größte Glaubwürbigfeit feiner Nachrichten über Simeon folgt, ba er hier feinem heiligen Freunde und beffen SBirffamteit gegen den Neftorianismus als theoretifcher Gegner gegen: . 492 Urkunden. Collega et Connotario meo, ac testibus supra scriptis praesens interfui, eaque omaia et singula sic fieri vidi et audivi: ideoque hoc praesens electionis decretum manu Demini Valentini Schulteys Notarii Stol- pensis scriptum confeci, subscripsi, publicavi, et in’ banc publfeam formam redegi, signoque, nomine et cognomine meo, solítis et consuetis, una cum dicti Capituli majoris sigilli appensione communivi ac consignavi in fldem et testimonium omnium et singulorum prae- missorum rogatus pariter, et requisitus. Et Ego Joannes Benserus 3) Clericus Misnensis Dicceseos, publi- cus sacra Apostolica authoritate Notarius, quia supra dictis, Capitoli congregationi, Scrutatorum assemptioni, jurementorum praestationi, scrutinioque per ordinem facto, votorum iuquisitiomi et inscriptioni, eorumque fin Capitulo publicationi et habitae Capitulari coliationi, communisque electionis commissioni, et factae electionis publiceationi, es Capituli approbationi, consensusque in electionem petitioni et praestationi, omnibusque aliis οἱ singalis, dum, sicut praomittiter, ferent et agerentur, una eum Domino Wolfgango Leve, Notario Stolpensi, Collega et Connotario meo, ac testibus supra scriptis praesens interfui, eaque omnia et singula sic fieri vidi et audivi. Ideoque hoc praesens electionis decretum mama Demini Valentini Schulteys Notarii Stolpetisis scriptum confeci, subscripsi, publicavi et in hanc publicam formam redegi, signo, nomine et cognomine, meis solitis et consuetis, una cum dieti Capituli majoris sigilli sp- pensione communivi et obsignavi in fidem et testimonium ommium et singulorum rogatus pariter et requisitus. Das Procuratorium, fo der abgefandte Herr Hieronymus von Kummerftabt für ſich mit Hatte, lautete alfo: Nos Joannes Dei gratia electus Episcopus Misnensis his nostris litteris testamur, quod Venerabilem et Nobilem virum Bieronymum a Kummerstadt ingenuae nostrae Ecclesiae Misnensís Canonicum, Praepositum Budissinensem et Decanum Wurtzensem, nobis sincere dilectum obligavimus, ut Sanetissimo in Christo Domino, Domino Paulo, divina providentia Papae IV. Domino nostro clementissimo debita nostra obsequia deferat, et a Sanctitate ipsius, nomine nostro 1) Johann Benfer ift Canonicus zu fBubiffin worden 1564. ὅτ ift aud, ober fein Oruder Georgius, Confessarius Monalium zu gauban, und Pfarrer zu Heiners⸗ dorf bei Sauban geweien. Gein Bater Georgius mat Schulmeifter unb Stadtſchreiber gu Hoyerswerda bei Wittgenau. Nachdem diefer aber die Lutherifche Religion ver laffen, fol er zu Budiſſin Vicarius und Wendiſcher Prediger ad S. Nicolaum daſſelbſt worden (en. Urkunden, 493 humiliter petat. muneris dé Collegarum nostrerum unanimi sententia nobis impositi, approbationem et omnium Episcopatus nostri Misnensis jurium et consuetudinum, libertatum atque faculiatum, quemadmodurh illa omnia et singula a Romanis Pontificibus Ecclesiae mostrae pie supt cencessa οἱ liberaliter donata, confirmationem: plenariam in- super éi potestatem facientes, ut nomine nostro juramentum clientelae debitum iu auimam nostram fideliter praestet, bona fide promittentes, quaecunque Legatus noster nomine nostro fecerit, et promiserit, quod illa pro nostro erga Sedem Apostolicam summo studie perpetuo simus servaturi atque rata habituri, non aliter, ac si ipsi coram illa sancte ptomississemus. (Quodsi praedicto Legato nostro plura fortasse erunt facienda, quam in his litteris sunt expresse posita, illa omnium harum literarum testimonio pro expressis et inviolabiliter servandis haberi volumus, cum illa clausula: cum libera etc. In quorum omnium fidem mandatum hoc nostrum sigilli nostri appeusione muni- vimus. Datam in arce noswa Episcopali Wurtzen 13. Julii 1555. Darauf fchrieb ber Pabſt fowohl an das Kapitel, ale bem neu erwählten Biſchof ſelbſten, biefen beftättigte, jenen befahl er aber, ναῷ - fie folchen allen Gehorſam leiften folíten. Der Beftättigungsbrief lautet .alfo : Paulus Episcopus, Servus servorum Dei dilecto fllio Joanui de Haugwitz electo Episcopo Misnensi salatem, et Apostolicam bene- dictionem. Divina disponente clementia, cujus inscrutabili provi- dentis ordinationem Buscipient universa, ad apostolicae dignitatis apicem sublimati ad universas orbis Ecclesias aciem nostrae con- siderationis extendimus, et pro earum statu salubriter dirigendo "mpostolici favoris auxilium adhibemus. Sed de illis propensius nos :cogitare convenit , quos propriis carere pastoribus intuemur, ut juxta -cor nostrum pér factae in illis canonicae electionis confirmationem, "aut simplicis provisionis auxilium pastores praeficiantur idonei, qui commissos sibi populos per suam circumspectionem providam, et providentiam circamspectam salubriter dirigent, ac inlorment, ac bona Ecclesiarum ipsarum non solum gubernent utiliter, sed et multimodis efferam incrementis. Sane nuper Ecclesia Misnensis, cui bonae memoriae Nicolaus episcopus Misnensis, dum viveret, prae sidebat, per obitum dicti Nicolai Episcopi, qui extra Romenam curiam debita naturae persolvit, pastoris solatio destituta, dilecti filii, Decanns et Capitulum ipsias Ecclesise, ad quos juxta com- - cordata inter tiatienem germanicam et sedem Apostolicam inita electio personae idoneae in Episcopum Misnensem, per Romanum Pontifirem 494 Nrkunden. pro tempore existentem ad electionem hujusmodi praeficiendae, per- tinere dignoscitur, seu illorum major, et sanior pars pro futura Episcopi Misnensis electione celebranda vocatis omnibus, qui volue- runt, potuerunt et debuerunt electioni hujusmodi commode interesse, die ad eligendum praefixa, ut moris est, convenientes in unum, el per viam scrutinii procedentes, Te ipsius Ecclesiae Canonicum, de legitimo matrimonio procrestum, et in Diaconatus ordine constitutum im Episcopum Misnensem , nemine discrepante, elegerunt, Tuque electioni hajusmodi, illins Tibi praesentato decreto, consensisti, et deinde electionis hujusmodi negotium proponi fecisti in Consistorio coram nobis, petens illam authoritate apostolica confirmari, in his omnibus statutis ad id a jure temporibus observatis. Nos igitur electionem hujusmodi, nec non idoneitatem et merita personae Tuse examipari fecimus diligenter, et qaia invenimus, electionem ipsam de eadem persona Tua, cui apud nos de litterarum scienti, vitae munditia, honestate morum, spiritualium providentia, et temporalium eircumspectione aliisque mnltiplicium virtutum donis fide digna testi- monia perhibentur, fuisse canonice celebrstam, illam de fratrum nostrorum consilio, authoritate praedicta approbamus et confirmamus, Teque eidem Ecclesiae in Episcopum praeficimus, et Pastorem, curam et administrationem ipsius Ecclesiae Tibi in spiritualibus et temporelibus plenarie committendo, in illo, qui dat gratias et lar- gitur praemia, confidentes, quod dirigente Domino actus tuos, praefata ecclesia sub tuo felici regimine regetur utiliter, et prospere dirigetur, ac grata in eisdem spiritualibus et temporalibus suscipiet incrementa. Jugum igitur Domini tuis impositum humeris prompta devotione suscipiens, curam, et administrationem praedictas sic exercere studeas solicite, fideliter et prudenter, quod Ecclesia ipea gubernatori provido et fructuoso administratori gaudeat se commis- sam, Tuque praeter aeternae retributionis praemium, nostram et dictae sedis benedictionem, et gratiam exinde uberius consequi merearis, Datum Romae ad S. Marcum anno 1555. Octavo Cal. Novembris, Pontificatus nostri anno primo. Nebſt blefem fchickte ihm ber Pabſt mod) einen andern Brief, worin uthalten 1. die Vollmacht, daß εἰ fid) möge laſſen gum Biſchofe weihen. 2. Das Jurament, fo er zuvor ablegen ſoll. Der Brief lautet. alfo: Paulus Episcopus, Servus servorum Dei, dilecto filio Joanni -lecto Misnensi salutem οἱ apostolicam benedictionem. Cum nos pridem electionem de persona tua ín Episcopum Mismensem per ‚dilectos filios Decanum et Capitulam Ecclesiae Mimensis tano cert Urkunden, 495 modo pastoris solatio destitutae, canonice celebratem, de fratrum nostrorum consilio apestolica authoritate duximus approbandam, et confirmandam, praeficiendo Te eidem Ecclesise ih Episcopum Mis- nensem et Pastorem, prout in nostris inde confectis litteris plenius coniinetur. Nos autem ea,.quae ad Tuae commoditalis augmentum cedere valeant, favorabiliter intendentes, Tíbi Diacono ut postquam Presbyter fueris, in quocunque malueris Catholico Antistite, gratiam et communionem apostolicae sedis habente, arcitis et in hoc sihi assistentibus duobus vel tribus catholicis Episcopis, similes gratiam et communionem habentibus, munus consecrationis suscipere valeas, ac eidem Antistiti, ut recepto prius per eam a Te, nostro et Ro- manae Ecclesiae nomine, fidelitatis debitae solito juramento juxta formam praesentibus annotatam munus praedictum authoritate nostra Tibi impendere licite possit, plenam et liberam eorundem tenore praesentium concedimus facultatem. Volumus etiam, et authoritate praedicta statuimus et decernimus, quod si non recepto a Te per ipsum Antistitem praedicto juramento, idem Antistes munus ipsum tibi impendere, et si illud suscipere praesumseris, dictus Antistes a Pontificalis officii exercitio, et tam ipse, quam tu ab administratione tam spiritualium, quam temporalium Ecclesiae nostrae suspensi sitis eo ipso. Praeterea etiam volumus, quod formam hujusmodi a Te tunc praestiti juramenti nobis de verbo ad verbum, per proprium nuntium quantocitius destinare procures. quodque per hoc Venera- bili fratri nostro Archiepiscopo Magdeburgensi, cui Ecclesia ipsa Misnensis Metropolitano jure subesse dignoscitur, nullum in posterum praejudicium generetur. Forma autem juramenti, quod praestabis, haec est: Ego Joannes electus Misnensis Episcopus ab hac hora, ul antea, fidelis ero Beato Petro, sanctaeque romanae Ecclesiae, ac Domino nostro Paulo Papae IV. suisque successoribus canonice in- trentibus. Non ero in consilio, aut facto vel consensu, ut vitam perdant, aut membrum, seu capiantur, seu in eos manus violenter quomodo libet, ingerentur, vel injuriae aliquae inferantur quovis quaesito colore. Consilium vero, quod mihi credituri sunt, per se, ent Nuntios, aut litleras ad eorum damnum, me sciente, nemini pendam. Papatum Romanum, et regalia Sti Petri adjutor eis ero ad retinendum, et defendendum contra omnem hominem, Legatum apostolicae sedis in eundo et redeundo honorifice tractabo, et in suis necessitatibus adjuvabo. Jura, honores, privilegia, et authori- tatem Romanae Ecclesiae Domini nostri Papae et successorum prae« . 498 Urkunden. dictorum: conservare et defendere, augere e& promovere curabo, nec ero in consilio, facto, seu traciatu, in quibus contra ipsum Dominum nostrum, vel eandem Romanam Ecclesiam aliqua sinistra et praejudicielia personarum, juris, honoris, status et potestatis eorum machinentur; et si talia a quibuscunque procurari novero, vel tractari, impediam hoc pro posse, et quanto citius potero com- mode significabo eidem Domino mostro vel alieri, per quem ad ipsíus notitiam pervenire possit. Regulas S.S, Petrum, decreta, ordinationes, sententias, dispositiones, reservationes, provisiones et mendata Apostolica totis viribus observabo et faciam ab aliis observari. Haereticos, Schismaticos et Rebelles Domino nostro, et successoribus praedictis pro posse persequar et impugnabo. Vocatus ad Synodum veniam, nisi praepeditus fuero canonica praepeditione. Apostolica limina citra singulis annis, ultra vero montes singulis biennis visitabe per me, aut per meum Nuntium, nisi absolvar apostolica licentia. Possessiones vero ad mensam meam pertinentes non vendam, nec donabo, nec impignorabo, nec de ndvo infeudabo, vel aliquo modo alienabo, etiam cum consensu Capituli Ecclesiae meae inconsulto Romano Pontiflce. Sic me Deus adjuvet et haec sancta Dei Evangelia. Datum Romae ad $8. Marcum anno 1555. Octavo Cal. Novembris. Gben tiefer Pabſt überſchickte ihm nod) zwey andere Briefe, einen an Kaifer Carolam V. geflellt, den zweiten an den Erzbifchof zu Magde⸗ burg, in beiden wurde er benenfelben beftermaßen recomendiret, baf fie ihm im Kalle bec Noth ihren Schub und Hllfe leiften follen. Da nun Joannes nach abgelegten Jurament zum Priefler unb zum Bifchofe war geweihet worden, fieng er feine Regierung ganz löblich unt eifrig an, welches nicht nur Churfürften Augusto mißflel, ſondern biefer andy von jenem verlangte, damit ec feinem gethanen Verſprechniſſe nad» fomme, wozu der fBifdjof aber fchlechten Willen bezeugte, fondern mancherley Hinderniſſe, befonders das geleiftete Jurament vorfchäßte, unterbeffen auch an den römifchen ünb böhmifchen König Ferdinand na Prag feine gefanbte Herrn Petrum. Bochin von Lusen auf fBitftis, und Erhardum von Achen bet Rechte Doctor mit einem Schreiben de dato Stolyen den 9. Oftober 1556. abfertigte, welche um ble Belehnung und Confirmation ber bifchöfl. 9tegalíen solicitiren follten, welche aud erfolget das fünftige Jahr in nachfliehendem Briefe: Wir Ferdinand von Gottes Gnaben Roͤmiſcher König etc. befennen Öffentlich mit diefem Briefe und thun funb alfermänniglich, taf une bet Ehrwuͤrdige Johannes, erwählter und confirmirter Bifchof zu Meiffen, Urkunden. 491 ξεν Fürft und lieber Andaͤchtige durch feine Gewalttraͤger, nehmlich bie Geſtrengen und Ehrſamen, Gelahrten, unfere Lieben und Getreuen Peter Bochin von Luſen auf Pitſchin, unſern Hauptmann der alten Stadt Prag, und Erharden von Achen der Rechten Doctor, unſere Näthe, gehorſamlich fürbringen laſſen, wie wohl Gr zu uns anſtatt bec Bömifchen Kaiferl. Mafeftät unfers lieben Brudern und Herrn zu fommen, und feine Regalen, Lehn, unb Weltligkeit ans unſern Händen perjönlich, al$ er zu thum fchulbig wüßte, zu empfahen willig wäre, fo wetbe et doch daran durch fein unb feines" Etiftes Ehehafft verhindert, unb ume derhalben umterthänigft angeruffen und gebeihen, daß wir im Namen unb von wegen hochgedachten Kaiſerl. SRajeflát ihm feine unt. gemeltes feines Stifte 9Reifen, Megalien, Lehn und Weltligfeit in allen umb jebeu Mannichaften, Herrſchaften, Lehnfchaften geiftlihen und weltlichen, Bergs werfen, Wildbahnen, Waiden, Ehren, Rechten, Würben, Sietben, hoben unb niedern Gerichten, Gerichtszwäugen, und allen andern Mechten unb Gerechtigkeiten darzu gehöxenn, nichts ausgenommen, fo von Ihren Lieb⸗ unb KRaiferl. Majeftät und bem Hi. Reich zu Lehn rühren, zu eu za verleihen, audj alle, unb. jegliche feine, unb bes gemeldeten feines Stifte Meiften Gnad, Freiheit, Recht, Briefe, Privilegia, und Hand⸗ je, fo Ihme, feinen fBotbern, und dem Stift zu Meiſſen von Römifchen Kaifern unb Köuigen, oder andern Fürften unb Heren gegeben find, umb fe erlangt, und bagu ihr alt Herfommen und gute Gewohnheiten, die Qr ww» feine Vorvordern bisher gehabt, unb redlich hergebracht haben, in allen und jeden ihren SBunften, Gtüden, Artikuln, Inbaltungen, und Begreiffung zu erneuern, zu confirmiren und zu beftättigen, gnáblglid) gernbeten. Da Haben wir angefehn fold) fein demüthig Gebet, ond Räte getreue und πάρε Dieufte, bie feine Borfordern und Gr Gode ermeldeter Kaiſerl. Majeſtat, und unfern Vorfordern, unb bem hl. Seide ejt williglich und unverdroffen geihan haben, und Er hinführo wohl tun mag und fofi. Und darum auch fonverlich auf Päbſtlicher Heiligkeit Confirmation und SBefátilgung aus wohl bebachtem Muthe, gutem Mathe, unſerer und des Meiche Fürſten, Grafen, Freyen, Herren, Glen, und Getreuen, und Mäthen Willen, demſelben unfern Fürſten Sohanfen, ete wählten unb confirmirten zum Bifchofe zu Meiſſen, αἴ und jegliche feine, und des gebachten feines Stifts Meiffen, Regalten, Lehen, und Weltligkeit, mit allen und jeglichen Mannfchaften, Herrfchaften, geiſtlichen und weltlichen, Lehnfchaften, Angern, Bergwerfen, Wildbahnen, Maiden, — Ehren, Merten, Würben, Sieben, Höcften und nievern Gerichten, Gerichts » Zwängen, und allen andern Rechten und Gerechtigkeiten darzu gehörend, nichts ansgefchloffen, im Namen unb anflatt hochgedachtet 408 Urkunden, Kaiſerl. Majeſtaͤt zu Lehn gnaͤdiglich verlichen, umb dazu all? unb jede fein und feines Stifte sbberübrte Gnade, Freyheit, Mechte, Briefe, Privilegia, und Handfeften, unb darzu ihr alt Herfommen umb gute Gewohnheit, die Er-und feine Vorfordern bisher gehabt, unb Löhlich hergebracht Haben, in allen und jeglichen ihren Inhaltungen, Geſetzen, Bunften, Artikuln, Meinung und Begreifungen, ble wir alle unb jede befonber {ἅτ genugfom wollen beflimmet unb angezogen haben, anflatt iebbe und Kaiferl. Majeſtaͤt gnábiglid) erneuert, confirmiret und beflättiget. Verleihen, yernenern, confrmiren unb beflättigen auch foídje& alles von wegen Shrer Liebde und Kaiferl. Mojeſtaͤt Vollkommenheit, und rechten Willen is Kraft diefes Briefes, was wir Ihm von Billigkeit und Rechtswegen daran zu verleihen und zu beflättigen Haben, und meinen umb wollen, daß der gemeldete unfer Fürſt von Meiffen in obberührten fein, und feines etiíte Meiffen, Regalien, Lehn und Weltligkeit mit allen ihren vorge, dachten Bugehörungen, von Hocherwähnter Stm. Kaiſ. Majeſtaͤt, und bem bi. Reiche In Lehns Weife inne haben, befigen, und fid) der fammt allen jeglichen vorbeflimmten fein und feines Stifte Gnade, Freyheiten, Rechten, Briefen, Privilegien, Handfeſten, alten Serfommen, und guten Gswohnheiten, brauchen unb geniffen foll und mag, in aller maffen, die feine Borfordern Bifchöfe zu Meiflen bis auf Ihm, unb Gr bisher inne gehabt, gehalten, genoffen, befeffen und gebraucht haben, von aller männiglich ungehindert. Doch aller Kaiferl. Mafeftät und bem Hi. eich an, unfern unb faſt männiglih an feinen Rechten umporgreiflich und unſchaͤdlich. Des vorgemelbete unfer Fürſt zu Meiffen hat uns auch batauf durch bie vorgenannte Petern von Bochin, und Doctor Gefarb Yon Oden in Kraft ihrer Gewalt, an feiner flatt, nnb in feiner Stelle gewöhnliche Gelübbe, auch Eid getban, Ihro Kaiſerl. Majeflät, und uns an Ihrer Majeſtaͤt ſtatt von foídjen Regalien unb Weltligfeit wegen gehorfam und gewärtig zu fen, für feinen rechten natürlichen Herrn zu haben, zu dienen und zu thun, alsbenn einem Biſchof zu Meiffen einem römifchen Kaiſer von Mechtswegen zu thun ſchuldig unb pflichtig ifl. Und geblethen demnach im Namen, nnb von wegen hochernennten Kaiſerl. Majeſtaͤt allen und jeglichen des obgemelten Stifts zu Meifien, Grafen, Freyen, Herrn, Mitten, Knechten, Mannen, Boigten, Amtleutben, Dürgermeiftern, Raͤthen, Blirgern, Gemeinden, Hinterfaflen, nub Unter tbanen, in was Würden, Stande, und Weſens fte find, ernſtlich unb veriglich mit biefem Brief, taf fie dem obgenannten confrmirten zum Biſchofe zu Meiffen in allen nnd jeglichen Sachen feine unb feines Stifte Regalien, Lehn, Bericht, unb Herrligkeit berührend, als ihren vechten natürlichen Herrn ofue alle trung, und Widerrede gehorfam umb ‚Urkunden. 490 gewärtig feyn, auch fürber andern unfers umb bes Reiche Unterthanen, und Getreuen, daß fie ben obbeflimmten unfern Fürften zu Meiffen bei diefer unfer Verleihung der gemeldeten Regalien unb 9Beltligfeit, auch feinen und feines Stifte obberührten Gnaben, Freyheiten, Privilegien, Handfeften, alten Herfommen, guten Gewohnheiten Berneuerung, Con- firmation unb Beflättigung nicht irren und verhindern, fondern in bet alfo geruhiglich gebrauchen, geniffen, unb gänzlich babey bleiben laſſen, und barwider nicht tbun, πο jemands andern zu thun geftatten, in feine Weife, fo lieb einem jeden ſey hoͤchſt gedachter Kaiſerl. Majeftät und des Reiche ſchwere Strafe und Ungnad, und Verlierung einer Poen, nefmlid 60 Mark löthiges Goldes zu vermeiden, daß ein jeder, fo oft er freventlich dawider thun, halb in der Kaiferl. Majeftät und bes Reichs Kammer, und den andern halben Theil dem vorgenannten unfern dürften zu Meiffen, feinen Nachkommen, und Stift unnachläffig zu bezahlen verfallen feyn foll. Mit Urfundt dies Briefs verfiegelt mit unferu Königl. Infiegel, der geben iR in unfer und des 581. Reichs Stadt Regensburg den 16. Februar 1957. : - WMnterbeffen. bemühte fich der Ehurfürft zu Sachfen noch immer ben Biſchof zu betebem, daß er ben bifchöflichen Git und Amt Stolpen gegen Mühlberg vertaufchen, unb fein gethanes Berfprechen erfüllen folle, brachte es aud) fo weit, daß 1557. dieferwegen mit Genehmhaltung des Bifchofs ein Contract aufs Papier gefeßt worden, aber weil der Bifchof ben Contract zu unterfchreiben noch feine Luft bezeugte, brauchte der Churs fürft alles erfinnliche Zureden, theils durch fich felbften, teils durch feine Räthe, und als bem, Churfürften der Bilchof 1558. rund weg in einem Briefe zufchriebe: daß ers nicht tun werde, gab ihm der Churfürft zur Antwort: der Biſchof folle fid) Seit und Meile nicht laffen lang feyn, — er wifle fdjon Mittel, wie er fif helfen könnte, würbe er feiner Zeit erfehen, wollte er fie vor die Hand nehmen. Und fougleich gieng die Berfolgung des Bifchofs an, denn Joannes von Karlowik rüftet fid) zum Kriege wider ben Bifchof, zweifelsohne mit Wiffen und Millen des Ehurfürften, fonften ev fid) veffen nicht unterſtehen hätte dürfen. Die Urſach folchen Krieges war folgende: Als Nicolaus lI. von Karlowitz, Meifinifche Bifchof den 7. April 1555. zu Stolpen geftorben war, gaben befien Räthe Joannes von Haugwiß jeßiger Biſchof unb Joannes δι [ὦ hievon Nachricht bem Domlapitel, und biefed weiter bem Bifchof zu Naumburg als ihrem Decano, Julius, Pflug, welcher bann fogleid) Joanni von Haugwig fchriftlichen Befehl zufandte, daß ex in Beifeyn etlicher Perfonen zu Stolpen bes verftorbenen Biſchofs Sachen inventiren ſolle. Es geſchah auch in Gegenwart Theol. Quartalſchrift. 1856. II. Heft. 33 500 Urkunden. : Georgii yon KRarlowig, Henrici Rauchdorns, Kanzlers, Melchioris von Karlowig, Amthauptmanns zu Stolyen, und Joannis Fritſche, Syndici, nub warb unter andern gefunden ein Testament, welches der Gottfelige fóen damahls, als er noch Canonicus gewefen, verfertiget gehabtz item: eine ſchwarze Lade mit darauf eingefchnittenen Namen Carlowitz, barin etliche Säde voll Geld waren, unb weil ber gewefene bifchöfliche Thürfteher Hans Spor ausſagte: er habe e& ant des gottfeligen Biſchofs Munde gehört, daß alles, was in ber abe wäre, feinen Freunden ſeyn follte, Haben die Herrn Commissarii tas obige Teflament zum Gelde im die Lade geleget und folche wieberum verwahret. Und obfehon Ehriftoph von Karlowitz, Hieronymus, tnb Chriſtoph von Zehmen, unb Georgius von Kunbiger des verflorbenen Qeunbe burd) Thammen von Gebottenbotf, und Melchior Hauffen ald Churfürſtl. fächfifche Geſandten, welche sede vacante flets zur Stelle gewefen, Joannem von Haugwitz bitten laſſen, er wolle fbnen das Testament öffnen, nnb was baffelbe vermöchte, unb was in der Lade ihnen gehörete auf einen Revers ausantworten, fo i& e& bod) ihnen, aus Urfache, weil feine Instruction dazu vorhanden wäre, und ohne biefelbe man nichts tum bürfte, abgefchlagen worden, mit bem fBebeuten, fte follten bis zur Wahl eines neuen Blfchofe in Ruhe fleben, unterdefien wolle man die Lade verfiegeln, unb in ein wohlverwahrtes Bewölbe fegen faffen, darein fie auch willigten. Nachdem aber eben diefer Joannes von Haugwitz war zum Bifchofe erwählet worden, und ihm bte Biſchofowerder den 11. Juny in folcher Stadt gehuldigt Hatten, ließen ihn die Garlowißifchen Erben feines vorhin gethanen Verſprechens erinnern, und um Vollziehung deſſen anhalten, wozu fif) der Biſchof willig erboth, umb bae Teſtament Bffuete. Es wollten aber die Erben mit Herausgebung des gefundenen Teftamentes nicht zufrieden fen, for. dern gaben vor, εὖ fepe noch ein anderes vorhanden, welches er ale Biſchof gemadjt, und dieſes folle man Ihnen herausgeben, worauf ges antwortet wurde: man wüßte von feinem andern, fo fie aber was befferes darthun könnten, wollte (ij ber neuerwählte Bifchof aller Gebühr nad bezeugen. Man Hat ihnen auch Balb daranf gegen ausgeftellten Revers bie ſchwarze Lade famt dem Gelbe und Abfchrift des Teflamentes verab⸗ felget. Sie drungen aber gleichwohl mit allem Ernſt auf die Aushaͤndi⸗ gung des eingebilveten bifchöflichen Teſtaments, ja e& fam fo weit, baf Joannes von Karlowig auf Tſchuſchendorf 1) tem Biſchofe nachftehenben dehdebrief zuſchickte: Ehrwürbiger in Gott, Gnaͤdiger Fürſt unb Herr. Euer Fürfilichen 1) Dieſer war des Georg v. Carlowitz Bruder. Urkunden, 504 Gnaten werben fich gnáblg zu errinnern wiſſen, mit was Gewalt Quer Fürfl. Gnaden nach Abgang unfers freundlichen umb lieben Herrn unb Vetters Niklas von Karlowig, weiland Biſchofs von Meiffen fi, che biefelbe zu Ihren bifchöflichen Amte erwählet, bie zugefiegelten Zimmer und Käflen ose Beiſeyn derjenigen, bie zwar nach bem tödtlichen Abs gang unfers lieben Seren und Vetters zu erforderter Sieglung her οὖν benannten Bimmer ynb Kaften evfovbert, eröffnet, durch welche Eröffnung uns ein Teftament verrüdt, ober noch mit Gewalt vorenthalten wird. Nachdem aber ©. 8. O. auf unſer vielfältig Anſuchen durch unfte Freunde uns einen Handelstag gegen Biſchofewerda angeſtallt, welcher Hanbelstag auf 4. G. ὃ. ©. gefepten Freunde, beögleichen uns follte sollmächtig Heimgeftellt werben, nad) Erkennung berfelben ©. %. G. und uns fd jedes Theils weifen zu ἰαῇεπ. Es Hat aber G. F. ©. unan- gefehen,, daß unfer gnábigfter Herr, ber Churfürft zu Sachfen uns aus Guaben zwey augegebene Mäthe, als nehmlich Heinrich von Bersborf, Oberhauptmann, und Wolfen von Schönberg, Hausmarſchall, welche ben Abend zu vor gu Stolpen anfommen, fid) gegen G. 8. G. angeben, . wnb von wegen unfers guädlgfien Heren, des Ehurfürflen zu Sachfen, gebethen, ©. S. ©. wollte den angeftallten Tag felbft perfönlich befuchen, bamit einmal tem Handel abgeholfen werden möge. G6 hat aber alles keine Yrucht bei 6. W. ©. ſchaffen wollen, fondern ihr fuchen alles ab. geſchlagen. Da wir nun aber obermeiten Tag erit. und zur Stelle fommen, unb wmfre vier obgenannte Freunde ganz vollmächtig nebft E. δ. ©. vier gefeßt, gemeint, ©. 3. &. vier gefegte Freunde volicben auch von wegen E. F. ©. gevollmächligt fem, wie s6 denn von @. ὃ. ©. ift angeflatit worden, baben fie unfer ſuchen und Beſchwerung angehört, unb fich von wegen Q. 9. G. in keinen Handel eingelaffen, vtelweniger einige Bollmacht gehabt, unb uns alfo bisher mit ber Naſen herumge⸗ fürt. ©. W. ©. Haben über das alles auch mid) Hans von Gatlowig nicht bleiben laſſen, ſondern mich bin und wieder bei redlichen Leuten mit serdrüßlichen chrenrührigen Worten angegriffen, unb mid) einen armen unſchuldigen Menfchen als einen Uibeltbüter martern, und jämmerlich gerreiften laffen, da id) bod) bie Zeit meines Lebens von feinem. Ehr⸗ liebenden feiner Mißhaudlung bin bezüchtiget worden, vielweniger übers wieſen, auch ob Bott will Hinförber mit bec Wahrheit nicht gefchehen foll, muß ich obbenanter Hans von fotowi& vor meine Berfon Gott und ber Welt, und meinen Helfers Helfern Hagen, unb will hiermit mid) gegen G. jy. ©. geuugfam verwahrt haben. E. 8. ©. und bete felben Helfers Helfern und allen Unterthanen, bie ff wider mich, und meine Helfers Helfer brauchen lafien, nach Leib und Gut zu trachten, 33 * 502 VUrkunden. und was wege, unb ‚wie (ὦ dqs bedenken kann unb vermag. Will «6 aber dem lieben Gott befohlen haben, und mich, wie oben gemelt, ge⸗ nugſam verwahrt haben. Datum Dienſtag, welcher ift der 13. Septbr. im 1558. Jahr. Hans von Carlowitz. Tit. Dem Hochwüuͤrdigen in Gott Johann von Haugwitz, erwaͤhlten Biſchof zu Meiſſen. In Abweſenheit ſeinen Raͤthen zu erbrechen. Des folgenden Tages darauf als den 14, Septbr. fam Garlowig mit einer Menge Volks gegen Stolpen, willens, den Bifchof, tafern er zugegen wäre, gefangen zu nehmen, allein der Biſchof fold)e Feindſelig⸗ feit wahrnehmend, bat fido fümmerlidg durch ben. Schloßgarten salvirt, unb nad) Prag retirirt. Indeſſen ba Karlowigen dieſes fein Vorhaben mißlungen, faufete dieſer übel auf ben bifchöflichen Gütern, ohne einigen ernſtlichen Widerfland, fintemablen bec Adel unb die meiflen Unterthanen ſchon mit bem Lutherthum inflcirt waren, in denen bifchöflichen Wäldern hielte et Holzmarkt, verfaufte Jedermann, wer nur was.haben wollte, raumte die Schäfereyen aus, bie vor der Stadt waren, als aud) zu Wilſchdorf, und nahm die Fiſche ans bem Caras⸗Teiche, alfo orberte 1) er bis ben: 20. Septber. Die Stadt und Schloß mochte er aber nicht einbefommen, weil von dem Schloffe dreymal aus denen Stüden gegen ihn und feine Helfer gefeuert wurde, daher zog er von bannen ab mit 100 Reutern und etlichen Bauer Wägen nacher Wurtzen bie ambre bifchöfliche Stadt ?), Dort läßt er ans allen drey Schüfereyen das Vieh mad) bet Stadt Wurken treiben, baffelb(t bewahren, bis man die Schafe verlaufen fünne. Den 5. November fam er mit feiner Meiterey für bie Stadt, willens [ὦ derfelben mit gift zu bemádgtigen, fo ibm aber nicht angegangen. Zog alfo nod) demfelben Tag weiter nacher Mügeln, wo er alles Vieh von ber Weide wegnahm, das Schloß erroberte, weil Niemand Wehrhaftes zugegen, die Bürger hefchwaßte, daß fte ihn hinein» ließen, und endlich ihm gar Bulbigten. Den 8. November that er einen Ausfall gegen Wurken, und nahm 700 Gtüd Schweine von der Weide weg, die Bürger wollten diefe Wegtreibung verhindern, fochten mit ben Karlowitziſchen bis den 22. November, und weil babeg neun Bürger verwundet worden, unb fünf davon geflorben, retirirten fid) bie übrigen wieder in die Stadt und liefen bie Karlowisifchen auf ihre vielfache 4) orbern, altveutfches, ble und ba nod gebräuchliches Wort für: übel Haufen, gewaltthätia verfahren, das Oberſte zum Unterften kehren. ©. 2) Wurgen liegt zwiſchen Leipzig und Torgau an bem Fluß Mulve. - Urkunden. 503 Verheißungen in bie Etatt. Den Bürgern that Karlowig zwar fein Leid, aber allen Vorrath an Getreide und andern Dingen, fo des Bifchofe war, nahm er hinweg, und 208. weiter gegen Bifchofswerba, wofelbft er den 28. November anlangte, und fogleich von bem Mathe fchriftlich vers fangte eingelaffen zu werben mit beigefügten Drohworten, daß er wibris genfalls mit ihnen nicht beffer als mit denen zu Wurken verfahren werbe. Bekam darauf zur Antwort: Gie könnten für fid) nichts thun, well fie Ihrem Fürften bie Treue gefchworen, Gr alfo Carlowitz wollte 8 Tage in Geduld fliehen, bis fie an ihre Obrigkeit und ben Churfürften ale ihren Erbſchutzherrn folches berichtet und Antwort erhalten. Dareim Carlowitz willigte aber mit biefem Bebing, daß fid bie Stadt unter - folcher Zeit neutral aufführen foffe. Es hat ihnen aber auf ihr Bitten Garlowitz noch zwey andere Friften bewilliget. Unterbefien bewarb fi} der Bifchof zu Prag beim nenerwählten römifchen Katfer Ferdinand (fintemahlen beffen. Herr Bater Kaifer Karl V. den 21. Septbr. 1558. geftorben war) um Hilfe, brachte e8 auch fo weit, daß mehr ale ein Commissarius vom Ferdinando an ben Churfürften zu Sachfen dieſert⸗ wegen abgeferttget wurde. Die Stolpner und Bifchofswerder ermahnte der Bifhof ihm treu zu bleiben, und an Garfomipen fif) nicht zu ers geben, inbeme fij der Kaiſer feiner und ihrer annehme. Die Biſchofs⸗ werber fertigten ihre Bothen ab an ben Churfürften nacher Dresben, weil: biefer aber mit allem Fleiß, um nicht überlaufen zu werben, fi von Dresden weg nacher Lochau (jet Annaberg ?) genannt) begeben, übernahmen die Churfuͤrſtlichen Raͤthe derer Biſchofswerder Bittfchriften, und fertigten die Abgefandten mit einem bloßen Recepisse wiederum ab. Und als der Churfürft felbften ware angegangen worben, gab et bem Math zu Bifchofswerda folgendes Faltfinniges Rescript: - Bon Gottes Ginaben Augustus Herzog zu Sachfen Churfürft. Liebe Getreuen, Wir haben euer Schreiben hören verlefen, und Fünnen daraus nicht vermerken, daß end) Schaden zugefüget worden fey, ba ihr euch bann gegen uns, als dem Erbſchutz⸗ und Landesfürften, vergleichen gegen den unfern alfo bezeugen und verhalten werdet, wie getreuen Grbfchubs Borwandten und unfern Lanpfaflen eigent und gebührt. Auf ben Fall wollen wir uns hinwider gebührlich zu erzeigen wiſſen. Wollten mir euch hinwider nicht verhalten. Datum Lochan ben 3. Dezbr. 1558. An tie Räthe zu Stulpen aber fchrieb er folgender Mafien: Bon Gottes Gnaben Augustus Herzog zu Sachſen und Gfurfárft. 4) Annaberg liegt im Erzgebirge an der böhmifchen Gränge von Biſchofswerda 44, von Dresden 10 Meilen. 504 Usfunben, Lieben Gettenen, mns ifi eine offene Supplication im guern Namen au Uns geflellt, dariun ihr und um Schuß erfucht, fürgelragen worden , und wiewoßl wir nicht wien, woher folche Supplication gelangt, fónneu aud) daraus nicht werflefen, was für Schade euch zugefüget worden, wir wollen gefchweigen, baé uns angelangt, wie ihr euch unlángft vorfchienen eblicher Händel unterflanden, daraus wit wohl zu andern gegen euch verurfachet worden. Jedoch, ba ihr euch gegen und, unb ben unfers, wie getreuen, frieblichen Erbſchutz Verwandten und Untertbanen gebührt, verhalten werdet, wollen wir uns auch der Gebühr zu erzeugen willen, haben wir euch nicht verhalten mögen. Datum £odjau ben 5. Degembe. 1558. Karlowigen wurde unterbefien Seit und Welle lang, er wollte furzum Bifchofswerda haben, barum rückte er abermals den 20. Dezember hei tenben neblichtem Wetter früh um 9 Uhr mit 20 Pferden an das Budif⸗ finex Thor unb wollte eiugelaffen werben, und weil ihm wicht gewills fahret wurde, ritt ex in fchneller Gil mad) dem Stadt Vorwerk, Pida genannt, raubte da alle Schafe und Hafen Netze, und verfprach bald wieder zu fommen. Den 21. Dezber fom er mit (einem Bolfe auf ber Dresdner Ctrofje gegen Stolpen marfchirt, wider welche die Stolpner einen Ausfall tatem, uud mit den Feinden fd in Scharmitzel einließen, woben von beiden Theilen viele verwundet, ein Reuter von den Carlo⸗ wigifhen, vou Gtolpnern aber fünf Mann getödtet wurden. Mittlers weile liefen von bem Bifchofe Briefe de dato Prag 16, Dezber zu Stolpen ein an bie δ βίοι Räthe, barinnen enthalten war, daß fie weder Ctofpen nod) Bilchofswerda an Karlowigen übergeben follen, fondern wann fie fehen fi zu erwehren nicht im Stande zu feyn, beide Dexter lieber unter guten leidentlichen Bedingniſſen an den Churfürſten lieber abtreten mödten. Weil num biefes gleich an ben Churfärſten war berichtet worben, unb folches das zechte Intent des Churfürſten war, fo gab dieſer Befehl, es follte ein Ausſchuß von Alt Dresdnern unb Rade⸗ bexges Bürgers denen Gtolpmern zu Hilfe gehen, welche beu 24. Degber anfamen, unb fowohl in die €tabt als Schloß eingelafien wurden, an bie Bifchofswerber aber ergieng ber Befehl aus ber Megierung von Dresden, εὖ follte auf ben 26. Dezember drey Perſonen aus des tote Mittel erfcheinen bei ben Ghurfürfil. Mäthen, und daſſelbſt Beſcheids erwarten. An Karlowigen aber ergieng Churfürſtl. Befehl, mit ‚denen Drangfalen inne zu Halten, und zum gütlichen Vergleiche gu fchreiten, welches dann geſchahe fowohl von Seiten des Gümfürgden als Karlo⸗ wigens, nachdem dieſer leßtere Durch feine Fehde bem Meifinifchen Bifchofe über 30,000 Guiben Schaden getfam hatte. Der Vergleich beſtund im folgenden Punkten: ι Urkunden. _ 505 1) Solten Hanfen von Garlowig bem Weber über das aus bem ſchwarzen Kaſten fchon erhaltene Geld noch gegeben werben 4000 Giufben in vier Jahrcn, jedes Jahr 1000 Gulden, und jebes růckſtaͤndige 1000 Gulden mit 25 Gulden zu verziuſen. 2) Soll ber Biſchof allen bei dieſer Fehde verurfachten Schaden denen erſetzen, ſo es ſuchen werden. 3) Soll fid) Karlowitz ber Fehde für (i, feine Helfer unb Helfers⸗ helfer losſagen und vom fernerer Anforderung des Biſchofs Carlowitziſchen Teſtaments ſowohl er als feine Erben verzicht thun, nud bem Biſchof Joanni von Haugwitz [εἶπε Aemter, Ctábte,. Schlöffer aud Dörfer wiederum einräumen. Nachdem nug dieſe Punkia ſowohl vow Bifchofe Joanne als Karlo⸗ witzen waren bewilliget und unterſchrieben worden, ward zu Dresden ein Kongreß beliebt zwiſchen den Biſchof und Churfürſten wegen des Amts Stolpen, babin ſich ber Biſchof Joannes von Haugwitz aus Prag in eigner Perſon begab, und ſich mit dem Churfürſten Augusto in Tractat einließ, ber auch den 18. Januarii 1559. feine Enpfchaft erreichte wie folget: As Herr Sobaun Biſchof zu Meiſſen feine unb des Stifte Meiffen Gelegenheit, nad ſonderlich das bebadjt, daß tie Biſchoͤſe zu Meiſſen ſolch Stift, umb alle dazu gehörige Stifte, Sclöfler, Nemter, Städte und Dorfichaften in des GBurfürften von Sachen Erbſchuß, aud in . feiner Churfürſtl. Gnaden Marggrafthumb bezirckt und gelegen, und aljo mid allein folches Erbſchutzes gebrauchen, ſondern auch hierdurch alle Sewerbe, Handthierung und Nahrung des Stifts Meiffen Unterthanen und Verwandten fowohl als feiner Churfürftl. Gnaden Grbunterthanen in diefem Marggrafthum zum Beſten befördern werden. Als Dat fid bemelter Bifchof zur Erhaltung, Pflanzung, und Fortſetzung mehrer Ruhe unb Einigfeit zwiſchen feiner Churfürfll. Gnaden und Ihme dem füifdjof und beiderſeits Unterthanen, unb derer aller Nachfommenden etlicher Sachen und Artikuln halber mit Bodjermelbeten Ehurfürften vers finiget und vergliechen. 1) €» υἱεῖ bie Religionefachen anlanget, nachdem bet Biſchof von Meiften befunden, daß bie ‚Unterikauen und Verwandten des Stifts Meiffen fowohl, als affe des Churfürften zu Sachſen Erblande fid) für viel Jahren anher, unb fonderlich für Aufrihtung des jüngft beſchloſſenen BReligionsfriedens zu der Religion, fo ver göttlichen, prophetiſchen unb Apoſtoliſchen Schrift gemäß, und in der Augsburgiſchen Confession Téxyid) verfaſſet, bekannt, deren auch in ihren Kirchen, und fonften (id % 506 - Urkunden. verwandt und zugethan gemacht, und foldyer göttlichen Schrift, Confession und Religion gemäß halten und lehren laffen, derohalben denn auch bet Churfärft zu Sachſen In Kraft des Hi. Reichs⸗Abſchiedes und der kaiſerl. Mojeftät der Stiftsunterthanen halber Ao. 1555. zu Augsburg gegebenen Declaration begehret, daß es der Biſchof im Stift Meiffen bei folcher Religion, und betfalben gehaltenen Visitation bleiben laſſen wolle, Bat der Biſchof bewilliget, daß er es im bemeltem Stift in Religionsfachen bei ber vorlängfi darinn geftifteten und gepflanzten oben erflärten Religion bet Nugsburgifchen Confession gemäß halten, auch bei ver befchehenen Visitation allenthalben bleiben foll. und lafien will. 2) Es will und fol ſich auch diefer und folgende Bifchäfe mit Au⸗ lege der Trank» und andern Steuern im Stifft dieſer Erblanden nach richten und gemäß bezeugen, mub des Ehurfärften und Sr. Churfürftl. Gnaden NRachfommen Landtäge, wie vor Alters hergebracht, befuchen, befdjid'en, und ſich zu biefen Landen Halten, mit Zufchidung zu Roß und fuf, auch font im Ball der Noth mit tragen und mit leiden, wie auch je vorzeiten gefchehen. 3) Dieweil audj der Bifchof unb feine Borfahren in viel Wege empfunden, was Streite, Irrungen unb Unruhe der 'gemengten Wild⸗ bahnen Balber im Amt Gtolpen fid) je vorzeiten und unlängfl zugetragen, auch was Beſchwerung und Nachtheil ten Unterthanen beiderfeits tef halben begegnet, dadurch denn faft Fein Aufhören von täglichen hin» unb wieder Hagen gewefen, unb fif in bem nicht allein feine Churfürſil. Gnaden und ber Bifchof, auch deren Vorfahren, fondern auch deren Ságet, Börfter, Diener und Untertfanen allerdings mit einander nicht vertragen noch vereinigen mögen : derohalben vbermefter Bifchof bei fid) felbft bewogen, taf er des Orts nicht wohl richtig feyn fónne, umb im feinem felbft, auch feiner Räthe und Breunde Math befunden, weil fi bet Ehurfürft zu einem folchen gleichmäßigen Wechfel erbothen, tag ben 81. Reiche und Stift Meifien an Nutzungen nichts abgehen folle, daß folche Auswechslung fonderlih In Erwegung, well bes Ghurfürften Borfahren bei, und an Stiftung, DBermehrung, und Verbefferung bes Biethums, merklih und viel gethan, nicht auszufchlagen, fondern viel mehr dem Stift zu gut vorgenommen und geleget woütbe, fürnehmlich, wenn die Güter, fobagegen dem Stifte eingeräumt würden, ben andern des Stifte Gütern näher, den ber Stolpen, gelegen. Demnach Haben fich beiverfeits vergliechen,, daß die Auswechslung des Amts Gtolpen mit dem ftattlichen wohlgeleguem Amt und Stadt Mühlberg gefchehen folii, ohne allen Abgang des Reichslehns, und anderer Berechtigfeit und Nutzung des Stifte Meifien. — Q6 foll aber tem Biſchof an ber geifllichen Juris- Urkunden. 50} diction, fo viel er allenthalben deren befugt unb in Brauch hat, Fein Eintrag gefchehen 3). e 4) Es will fi aud) feine Churfürſtl. Gnaden aller guten Nachbars ſchaft gegen bet ron Böhmen imb Marggrafthum aufi diefer Aus⸗ wechslung halber, unt fonfl verhalten 2). Die Auswechslung unb Uibergabe dauerte vom 26. bis 29. Januarii 1559. und glei baranf gieng bie völlige Meligionsänderung in bem Amte Stolyen für fid), und ward an allen Drten kutherifch geprebigt, welches vorhin unter bem Bifchofe noch nicht öffentlich gefchehen durfte. Der lebte fatf. Pfarrer zu Stolpen, fo. zugleich des Bifchofe Commis- sarius Generalis in geiftlichen Weſen, unb aud) Canonicus (Gantor) beim Budiffiner Domflifte in ber Laufig war, mußte von Stolpen ab und nacher Bubiffin ziehen; berfelbe hieß Jacob Heinrich, Fein von Statur, und wie man fagt, Philippo Melanchtoni ganz ähnlich ausgejehen haben fol 3). Φ 4 1) u. 2) Diefe zwey Bunfte hat ber Ghurfürft nicht gehalten. 3) Jacobus Heinrici ſchreibt an ben Rath zu Bilchofswerda folgenden Klage: brief: u Meine allezeit gutwillige Dienfte zuvor. Ehrbare, Ehrenhaftige, unb Wohlweiſe Herrn, befonders gute Breunde. Ich habe in allermege unb Zeiten einen Ehrbaren Kath der Stadt Biſchofswerda nicht anders hören rühmen, nod felber dafür geachtet, auch noch gehalten, ale Ehrliche, aujridjtige, Ehriftlide und nun vermorrene Reute. Höre, weiß, unb glaube noch gar nichts anders, denn eben diefes, nnb aller Ret- tigkeit von einer Tóbliden Sammlung. Ich werde aber Bleneben burdj glaubhafte Männer glaublid) berichtet: als follte einer, Urban Lotter genannt, euer Mitbürger und Rathsgenoß in eures Bürgermeifters, Martin 9teuftátter8 Haufe Mittwochs nad Nicolai gefeflen feyn, welcher fromme Biederleuthe und fonterlich meine Berfon mit anrüfrigen, Schmaͤh⸗ fter» und Scheltworten beläfliget, aufs gräulichfte an- gegriffen, beſchwäret und neläftert, mich alfo, und meine Ehre verleimbet, und ein Hein Schaͤlklein, ein Lederlein, ein Büblein, und loßes Diännlein gefcholten Haben fol. 3a mid, ber ἰῷ bod) wegen meines Etandes, Amtes, und wie ich verhoffe, unvertabeften Wandels von ifm und mánniglid follte billig verfchonet feyn worden, ja der auch feine Perſon nicht fennet, und daneben ihm fein Leid getban. Zudem foll. ermelveter Cuer Yurgermeifter (in deffen Haufe ſolches gefchehen) dabey gefeffen, folge meine Ehrenverlezung wohl gehört, und vielleicht verhänget haben. Well ic tenm auch vielfältig vernommen, als follten etliche eurer Verwandten unter bem € ein des 5f. Coangeliums, und reinen Worts Gotfe& gar zu viel von fi felbft halten, andere Leute verachten, und das Evangelium und Wort Gottes mißbrauchen, fo will mir nachdenklich und faft glaubtíd) ſeyn, daß diefer mein Ehrenverleger foldyer Mißgeburt ber neuen Chriften auch einer fepe. 3d thue mich aber gar nicht ver. fehen, daß ein ehrbarer Rath au folder unevangelifcgen, und unchriſtlichen Handlung foflte zublingen, und einige Nachängungen tbum. Denn je das rete und wahre Evangelium Ghriftt, und fein göttlihes Wort ſolches nicht, ſondern viel anders lehret, als daß ein enangelifger Dann feinen Nächften nicht verlachen, mit feinem $08 Urkunden. βίο Joannes ídiiug [ebenu feine Blefibeng auf in feiner οἰ 8. Stadt Burgen, fo mit bem Lutherthum fchon angeſteckt war, und Chur⸗ Bruder nicht uum, ihn auch nicht Racca, Thor unb Narr fagen, ja fein zornig Gebaͤrde und Wort bezeugen und zuſprechen fol. Zubem vnerbeut auch das wahre Evangelium den Gfriften, unb will mit nidten, bag man richten ober urtheilen oder verdammen fol. Wäre aber bier immer verhandelt, da foll er mit einer gleiten Elle wieder gemäflen werden. Demnach müßte mein Verläumder und Géreuránter vieleicht falber ein Schalk, Leder, Bube und fejer Diann feon unb bleiben. Weil ih aber ein Vrediger nun übers 40. Jahr gemejen, unb mod bin, fo weiß id) Gott lob noch wohl, bag ein Chriſt, ob er gefcholten ift, foll er nicht wieder (djelten, ob er beleidigt feo, [οἱ er nicht brofen; doch ift ihm recht zu fuden unverfihränfet. Indem denn das Evangelium, und Wort aus den Munde Gbrifti «ud zwei Schwerter faber will, deßwegen τόνε ich mich, als der feine Gbre zu vertbeidigen ſchuldig, folder meiner Verlaͤſterung mie gedacht, bei (δ. QG. Rath als chriſtlicher ordentliher und Recht liebender Obrigkeit ffagenb beſchweren, unb an- neben, freundlich fittenb: den benannten Urban Lotter alfo, unb zu Recht einzu- nehmen, und mir einen Tag zu ernennen, ba ihm einigerley Schalfftüden, Leder ftüden , gb Bubenftüden auf mid) bewußt, aud) wie Recht, mit der Wahrheit zu erweifen, Ihm auferleget werbe: oder aber ifm in ſolche und feheinbare Strafe zu nehmen, unb einen öffentlichen unb gerichtlichen Wieberruf zu tun und abzubitten, bamit ich zu feiner Weiterung, und hohe Obrigkeit ferner mit Klagen zu erfuchen nicht verurfachet werde. Denen ich allen unb jeden bienftwilligen Gefallen zu leiften ἰῷ ganz geneigt bin. Gegeben zu Stolpen Mittwochs nad) Luciae des 1508, Jahre. Jakob Heinrich jetzo allda Pfarrer und Commissarius generalis. Ao. 1561. ben 9. July, ba er ſchon als Canonicus Senior zu Budiſſin wohnte, und an demſelben Tage früh in der Kirchen ber Metten beiwohnte, warb er daraus beruffen unter dem Vorwand, es wäre ein reifender Herr vor ber Kirche, ber. ibn gern ſprechen wollte. Da nun dieſer alte Herr Senior hinaus gehet, wird er von zwey Edelleuthen bis in bie Halle ber Rirdtfüre, fo der alten Schule gegenüber, begleitet, fogleih fpringet ber dritte Edelmann Georgius von Karlowig Hinze, griffen ben Geiftlihen feindlig an, warfen ihn mit Gewalt famt ben anfabenben Chorrock in ben vor bet Kirche fiehenden Wagen, bebeden ihn wohl mit Kopen, bamit er nicht fcfreien fónne, unb mußte er fogar bem einen im dem Wagen ju einem Befäße dienen, und alfo fuhren bie Menfchenräuber flüchtig fort durch das Jieienbadoec Thor um die Stadt perum, bis fie zum Hl. Geift Spital auf bie Dresbner Strafe gefommen, woſelbſt fle fille gehalten, ben jerfniebertem umb halbtobten Seren Benior aus bem Wagen gezogen, ihn wiederum rüdlings Bineingefeget unb weiter fortgerennet, unterwegs ihn aber bi$ in bie Königsberger Halde gräulich qe foren. Unterdefien Hätte man zu Bubiffin nichts gewußt, mo der Kerr Senior Heinrici geblieben feye, wann nicht eben damahls, al8 er in den Sagen geworfen xourbe, ein Knabe aus ben Schulfenftern gefchauet, und ble gemalttbátige Gntfügrung verrathen hätte. Weilen dann ber bamalige Landeshauptmann Johann von Schlieben auf Requisition be& Seren Decani Joannes Leisentrit denen Menſchen Räubern nachfegen ließ, auch in der Königsbrüder Haide (wofelbft fie die abgematteten Bierde fütterten, und mit dem Geiſtlichen ijr Baitnadtfpiel hielten) zwar ertappt wurden, aber permittelſt ber Pferde denen nachſetzenden gleichwohl entranuey, und ben Θεβν Urkunden. 808 fürſt Augustus allenthalben über die Pfarren Intherifche Visitatores beſtellet Hatte. Solcher Geflalten fahe bee Biſchof Hen ſehr Har, daß es im Sande Meiſſen wenig mehr werbe zu ſprechen Haben das geil. Weſen betreffend, und weil ex aud) beförchtete, der Churfürſt möchte ein gleiches auch fürnehmen in der aufi, als melde zwar im weltlichen Sachen der Srou Böhmen, in ben geifllichen aber dem Meißriſchen Biſchof unterworfen war, fo ſchrieb ex au bru. Decanum des Kapitels zu Budiſſin in bet Oberlaufig, als welches Capitulum von bem 9 είβν niſchen depeadent wat, uud oflerirte biefem Decano Joanni Leisentritt von Zuliusberg 1) das Amt eines Ofücialis generalis über ganz Laufe in geiftlichen Suchen. Er ſchickte auch qugíeid) biefertwegen zu gebadıtem Herrn Deoamo zwey feiner Gejanbien, Hieronymus vou Kummerflabt, Ganonicum zu Meiffen, unb Joannem Fritfch, Syadicum daſſelbſt, welche Rud) fchon das hierüber ausgefertigte Patent wit ſich Hatten, und alfo lautete: Dei gratis Nos Joannes Episcopus Misnensis notum singulis ot universis publicas hasce litteras lecturis, ant legi audituris. Siquidem Episcopele nostrum munus in uaque Lasatia ita, ut Nos lanquam Epiacopum Mismensem ‚ex recepta antiquitus justa coneue- Wdine deeet, qued ab his peribus aliquantum remotiores simus, facile et plene exercere nen possimus, nos maturo eum judicio et so bene oonsulta Excellentem οἱ Reverendum deveium Dominum Magistram Josnnem Leisentritium Denanum Bnudissimemsem , oon- sieniissims et optima ferma, et clausula, nt jure feri debet, e Jen in Stich Lehen. So warb er aus ihren ‚Händen eelößt, nacher Buviſſta $tbradt, unb ^oitberun auf freien Buß geftellt. Die Urſach, warum George von Karlowig mit bieíem Geiſtlichen alfo verfahren, ift ber alte Groll gemefen, weil diefer Bifchof Joannes von Haugwig ihme Georgio von Karlowitz die Vicaniat Stelle in ber Meißniſchen Domkirche, weil er nicht mehr ftubiret, genommen, unb ſolche befagten Jacobo Heinrici, damals Pfarrer zu Stolpen serlichen Hatte. Item aud barum, weil er allezeit biefen Heiprici in Verdacht hatte, ex fepe meiſtentheils Urfah, warum ber. Bifhof Joannes von Haug ' wig, des vorigen Biſchofs Nicolai von Karlowig, ihres Better Verlaſſenſchaft Qéneh den Karlowltzern zurlickhalte, wegen welqcher legten Urſach er Heinrici fid beim Halter [o mündlich aM ſchriftlich vertheidigt hatte. Dieſer Heinrici i endlich zur Peſtzeit in Babiffin geſtorben Ao. 1568. . 1) Diefer war ein geborner Dllmüger aus Mähren, ber feine Weisheit in denen Schulen zu Srafau in Bohlen erworben, wegen berfelben zum Budiſſiner Osmonient, affbanm gar unanimis votis zum "Decamat Ao. 1559. ben 22. Aug. gelanget, fahr löblich regirt bis an-fein Que, fo fi) ereignete 1586. ben 24. Nov. elt 59. 3alir 6. Monate 4$ Sage « 510 Urkunden. solet, in Commissarium nostrum generalem ordinndse et constituisse, ipsique eadem mandata, jura, οἱ potesintem eandem, quam ante baec tempora Commissarli nostri in Stelpen majorum nostrorum (longse memoriae) habuerunt, commendesse et tradidisse; ita etiam illum ordinamus, constituimus, tradimusque illi etiam potestatem bomine nostro, et nostri causa, ut controversas causas juxia jura et sequitatem decidere, et alia etiam exercere possit, quae in ejusmodi casibus fieri deceat, tenore, vi et testimonio istarum lit- terarum. Hac temen conditione, 'ut nos seu Episcopum Misnensem loco Capitis et Ordinarii ipsius, veluti aequum, habeat et cognoscat, inque causis gravioribus a Nobis consilium et auxilium petat, prost ipsi quotiescunque necessitas postalabit, non sumus defoturi. Quid- quid etiam in hoc offlcio fideliter, et ita egerit, unde bona cum conscientia Deo omnipotenti, et Sacrae Regiae Caessriae Majestati Clementissimo Domino nostro, nobisque tanquam loci Ordinario, et sing, quibuscunque ratio reddi poseit, id nobis tem' probabitor, acsi a nobis ipsis gestum et conclusum fuisset. Si etiam pleniori potestate, quam híc exprimatur, opus habuerit, hisce illi tam per- fecte, et integre eam damus, et concedimus perinde, acsi hisce proprie et verbotenus data et concessa falsset, Neque tamen heee mostra coordínatio in’ hemc sententiam accipiatar, nos nallo modo sostra: οἱ praedieti Episcopatus nosti antiquitas parta et usurpata jura hisce imminuere, vel alteri aliquam illorum partem communicare velle. Ea enim nübis, et jam iterum nominato Episeopstui nostro expresse praeservamus, de qua re hisce Nos solemniter protestamur. Omnia fideliter, et absque fraude et periculo. Ad evidens rei testi- monium has litteres bona cum scientia Secreto nostro obsignavimes, manuque propria subscripsimus. Datum in agce nostra Wurtzen die Veneris post Joannis Baptistae anno sexagesimo. L. S. Joannes Episcopus Misn. mppria. Nachdem ber Herr Decanus diefes angetragene Amt angenommen hatte, ſchrieb ($m abermahls der Biſchof nachflehenden Brief: Prompta officia mea defero Reverende, Excellens, humane, chareque Domine Decane, amice singularis. Quid Legati mei Hiero- nymus a Kummerstadt, Canonicus, et Joannes Fritsch, Syndicus Misnensis apud Venerabile Capitulum Budissinae, et Te praesertim, Mei, Episcopatusque mei Misnensis causa effecerint, illud ex ipsorum reletione prohe cognovi. Eisi vero alias satis conjicere possim, ad negotia satis multa Tibi ex officio incunfbendum esse, tamen, quod lbfunbet, — Bil Legatis meis Commigsariains causa agentibus ia facilem et premptam Te praebueris mihi, non possum Tibi non gratias agere. Dei etiam auxilio aliquando resarciam. Neque vero dubito, Te huie officio gblato et commendato ita praefuturum esse, ut Deo omnipotenti regi, Caesariaeque Majestati Clementisslmo Domino nostro, mihique et aliis quibuscunque bona cum conscientia, et honorum tuorum absque jactura rectam possis. rstienem dare. Si vero forte accideret, ut in causis intricatis et difficilibus consilio indigeres, offero ego me Tibi auxilio et consilio, quantum in me erit, praesto futuram; id quod ἃ me plane expectabis. Si quidem vero par est, ut aliquem etiam fracium laboris.et impensarum a Nobis percipias, qualem me Tibi per Legatos dajurem obiuli, talem .etinm nunc me tibi offero, Tibique ab hoc tempore incipiendo, triginta florenos annuatim im- perüri bisce pellicegr, petoque, ut hoc exile quale qualecuaque munus- aequi, bonique consulas. Nam si alia mei, Epíscepatusque exinaniti, nt te.non latet, esset conditio, plura erogare non dubi- trem. Te enim officiose diligere sum paratus. Datum Wurizen die Mercurii post Mariae Magdalenae anno sexugesimo. Joannes Episcopus Misn. mpprie. P. S, Chare Domine Decane tabellario Sigillum Commissaristus commisi, is, ut spere, id tibi recte traditurus est, reliquis Dominis prompta moa officia annuneies, rogo. — Der Titel auf bem Briefe war biefer: Reverendo bumanogue Domino Magistro Joanni Leisentritio, Deceno Bndissinensi, Canonico Pragensi et Olomucensi, et Episco- patus Misnensis Commissario generali, amico meo percharo. Nun fled. fid) Lerfentrit fein anvertrantes Amt fehr angelegen feyn, — that denen in die aufi eindringenden Churfürftl. Visitatoribus nach Möglichkeit Widerſtand. Indem aber Churfürſt Augustus erfahren hatte, daß Bifchof Joannes ben Decanum zu Bwviffin zu feinen Commissario generali über die geiftlichen Sachen in ber Lauſitz gemacht, warf er nicht Wut einen Haß auf den Bifchof, fondern bewarb fid) auch bei demſelben um beu Wicderruf, und bamit er das 9tmt von bem Decano wieder abnehme. Diefes wollte zwar der Bifchof nicht gerne thun, allein beu Churfürften ‚nicht in größere Feindſchaft wider fidy zu bringen, fchrieb er en den Herrn Decanum folgendermaffen: Meine ganz willige Dienfte zuvor. . Chrwürbiger, achtbarer, freund⸗ lichen Lieber Herr Dechant, beſondrer guter Freund. Eurem Suchen Ww überſchicke ich 30 Gulden mit Briefes Zeigern, und wann ifc 512 urkunden. wiederum εἰπε Bothſchaft gu mic haben werdet, fo wollet if mir eine Quittung darüber zuſchicken. Lieber Herr Dechant, ich kann euch freunde licher Meinung nicht verhalten, wie daß ich nenfücher- Weil von einem Rottlichen Churſaͤchſiſchen Rath exvetiaiórn Harte zu Rede gefeht Bin wotbén mit Vorwendung, daß Ihr den Sachen in etliden Thun allzu⸗ viel thátet, wäre derowegen gut, bamit es mörhte gewannt werden; dann ba fusches nicht gefchehe, mád)te e$ wohl mir pon Schaden und Nachtheil gereichen. Dieweil ich boum gar gerne fehe, taá Abe in enerm Com- missariaé eine gutte Maaß hieltet zu verhüttung allerley Unrichtigkeit, unb Beſchwerung; alß bitte ich euch gang Freumblichen, Ihr vellet ewrem Erbitten nach wohlbedaͤchtig unb mit guter Beſcheidenheit mit den Reli⸗ gionsfachen umgehen, und euch nit mehr enfm Hals laden, als ihr wohl ertragen ober verantiworten möge. d) habe Das freundliche Der» trauen in euch gelegt, Ihr werdet bes mehreren Theils unndthige Händel, un» bit euch bod) gu erheben, ober zu wenden fihwer, auch wohl un⸗ möglich feyn wollen, paseiren unb fahren laffen secundam Prophetiam Gamalielie. Ich wii beichen, ob ich irgenb um ben Herbſt, ville Bott, nach dem Gebirge vorruͤcken möge, alfbann Ich bebadjt, euch zu mir zu befcgeiven, und von allen Sachen wothbürftiger zu reden ſeyn werde. Detum Wurgen Mittwochs nat Exaudi 1561. Joannes Hpiscepus Miso. mpprie. Ti, Dem Ehrwürdigen, achtbaren, Herrn Magister Johann Leiſen⸗ trit, Dechanten zu Bupiffin, meinem befonders gutem Freunde. Nach Verleſung ſolches Beisfes ſahe ter Dechant Leifentrit gar wohl daß fulcher Behalten mon ber Basholifchen Religion in der Laufik gar bald würde zu Grabe läuten, wann er wider bie fächfifchen Visitatores feine Hilfe haben follte, ja Hiedurch fii ver Bischof des heimlich anges monumenen lutherischen Glaubens verbächtig machte, dannenhero berichtete Leifenteit von dieſen allen Kaiſer Ferdinandum 1. und ben Pabſtlichen Nuntium Melchiorem Bilia an deſſen Hofe, bath auch anbey, es mödyte bircd ihre Authoritses in ber Zauſitz ein befondrer Administrater Ecolesia- sticus eipgefeßet werben, bem alle bifchöfl. Gewalt zukaͤme. Dieſe Dow flellung that auch einen foldjen Eindruck bei beiten, bag zu biefem Amte noch dieſes Jahr (1561) durch fatferlidje unb pábflild)e Gewalt Johann Leiſentrit ernennet vourbe, ja ihm ber päbftliche Nuntius antbrcádiid an⸗ befahl: er folle ſolches Amt, werer des οη Sigill, niemanden, wes der auch feye, obue Borwiffen ano Willen bes päbfllichen Stuhls abtreten water Strafe des Bannıs. — Ao. 1562. den 1. Dfteber confirmiste es, Joannes von Haugwitz ben vom Huren Decano Leiſenttit in der Urkunden. 518 Vnbiffiner Domtlirche guflifteten Aktar S. Crucis printi ministerii, worinnen et ben. fihriftlichen Verboth tfate: daB blefe Fundation von Niemanden auf einigerley Weiſe folle zerflöret, ober zertrennet werden unter bem ewigen Side. Da aber fchon Áo. 1567. funbbat wurde, daß ber Bifchof bet katholiſchen Gíauben verlaffen, wiewohl ers noch für geheim hielte, fo fehrieb der paͤbſtliche Nuntius an ben Herrn Decanum und ganze Kapitel, dafern ber Decanus als jesiger Administrator Ecclesiasticns mit Tode abgienge, das Kapitel ohnſaͤumig einen andern wählen foffe, wobei ihm qud) das Lanbanifche Jungfrauen Kiofter committiret wird. Der Brief lautet alfo: Melchior Bilia Comes seroni, et Glareorarum, Dei et Apostolicae sedis gratia Protonotarius, et ad invictum Principem ac D. D. Maxi- milianum Il Rom. Hungariae et Bohemiae regem, in Imperatorem electum SSmi in Christo Patris ac D. N. D. Pii divina providentia Pepae V. et apostolicae sedis Nuntius cum potestate Legati de Eatere, Devoto nobis in Christo dilecto Joanni Leisentritio, Protonotario Apostolieo, et Comiti Palatino, utriusque Lusätise Administratort Ecclesiastico, Decano et toti Capitulo Collegiatae et parochialis Ecclesime 8. Petri civitatis Budissin. superioris Lusatiae Misnensis Diecesis salutem in Domino. Quendoque in propatulo sit, qued modernus Episcopus Mienensis ἃ romana Cetholica et universali Ecclesia desciscens, secteriis sese accommodaverit, simul et totam jurisdictionem ecclesiasticam in potestatem Illustrissimi Domini Electe- Tis Saxoniae (qui per suos Visitetores et Superintendentes illam jam gubernat, et Augustanae Confessioni a catholica Ecclesia non ap- probatae omnia conformare nitatur) tradiderit, utriusque autem Lusatige administratio ecclesiastica (quaegad Misn. Episcopatum aliu- quin pertinet) Tibi Decano rite gubernenda ab utraque potestate Ordinaria legitimo modo commissa sit, in qua ad decem annorum spatia te Dei adhibito adminiculo ita gesseris, ut dicti Visitatores variis modis eandem invadere, prophanare et occupare attentantes huc usque, taus Deo! frustra laborarunt. Hacque ratione haud imumerae Ecclesiae conservatae et Deo lucratae sunt, sed quia, ut ex cerlissimis argumentis et rationibus perfacile colligitur, timen- dum est, ne te Administratore et Decano sliquemdo juxia divinam dispositionem et voluntatem mortuo, dicta administratio prorsus de- seratur, atque in eam nominati Visitatores, vel loco illorum alii confestim irrumpendi, eandemque sibi vendicandi ansam arripiant, hocque modo religionis Catholicae reliquias pessumdent, moreque 514 Urkunden. suo devastant, aique eradícenb; imo etiam omnia, quae ad veram Catholicam pietatem spectant, impiae propbanationi et haeresum graasationi snbjiciant. Quepropter et potissimum cum sciamus, utram- que Lusstiam adhuc habere et. fovere hand paucos homines tam spirituales, quam saeculsres ante Baal genua noudum curvantes, sed per Christum orantes, ut ssepe dicta jarisdictionis spiritualis gubernatio sub catholico Administratore persistere valeat, spesque sit parva futura, ut Misnensis Episcopatus ad veram Ecclesine ca- tholicae obedientiam recuperetur. Insuper cum videamus in tota fere Germania rerum omnium perturbationem , statusque Ecclesiastici diminutionem, tandem etiam consideremus praefatae spirituelis ad- ministrationis, δὲ per consequens veri culus divini plantationem, seu conservationem adimendi, vel amittendi periculum, opere pre- tium Ecclesise putavimus, ut hujusmodi periculo eo tempestivius praevideremus. Officioque nostro satisfacientes et supra his per nos de opportuno remedio benigne provideri volentes, authoritate apostolica, qua in hac parte fungimur, non solum post tuum Decane e vivis decessum, verum etiam, quando e£ quotiescunque necessitas postulaverit, legitimis adhibitis rationibus et solemnitatibus, matu- roque praebabito consilio praelibatee Ecclesiae Budiss. totique Ca- pitulo Catholico tenóre praesentium concedimus, incorporamus et elargimur praedictum administrationis offücium; bisce serio, immo sub poena excommunicationis mandantes, ut nulla mora interposita non solum dictae Administrationis spiritualis possessionem apprae- hendatis, sed etiam confestim ex medio numero Praelatorum, vel cagobDicorum virorum aliquem, unum vel duos, (juxta temporis, loci vel personarum catholicarum requisitionem) modo ad hujusmodi of- ficium administrationis aptys et idoneus, de religione catholica optime sentientes rite eligatis et authoritate apostolica constituatis, nulloque modo peregrinos irruere patiamini. In cura vero Monasterii Monialium admodum quidem parvi, sed quoad plantsndam et con- servandam Religionem catholicam Oppidulo superioris Lusatiae Leu- ban 1) dicto, valde commodi, quod fuit et'est Ordinis peenitentiariae B. Meríae Magdalenue sub regnla Sti Angustini, in quo egerunt, agunt, et adbuc sunt Virgines, quae juxta antiquam et approbatam consuetudibem monaslicam sese pie gerentes, regulariaque instituta — — — — — ne 1) Das Magdalenerinnen⸗Kloſter Lauban ín ber Oberlauſitz hat ſich unter den heftigen Stürmen von 300 (eit damals verlaufenen Jahren bis auf ben heutigen Sag erhalten. Φ. Urkunden. , | 515 dicti ordinis rite servantes, ejusdem etiam ordinis Praepositis superio- ribus, Visitatoribus, nec non Confessariis, sive sacriflcnlis, immo etiam Provisoribus tam in saecularibus, quam etiam spiritualibus rebus, privilegiis et juribus in Saxonia, Misnia et Thuringia quondam deputatis et constitutis ante multos jam annos una cum monasteriis de facto privatae et omnino destitutae sunt; istarum vero Monialium monasteriolum in hunc usque diem quasi orphanum, et desertum jaceat, jam ultra viginti annos haud certum, multo minus sui ordinis habens Praepositum, vel Rectorem, aut Presbyterum, qui ista una cum Virginibus legitime regeret et in debitam curam reciperet, praeserlim vero (quod dolendum est) Religioni catholicae plantandae praeesset, visitaret, reformaret, ac Virgines professionem ejusdem Ordinis emittere volentes, benediceret, et consecraret, praeter Te Decenum, qui ratione officii Administrationis (ne sectariis daretur occasio illud invadendí, irrumpendi, et occupandi, atque cultum divinum extinguendi) pietatis ergo curam illius susceperis. Quare nulla alia, quam ut primo articulo exprimitur, ratione hisce Tibi, dum vivis, et post mortem tuam praedicto Capitulo Budis. eodem tenore facultatem damus, concedimus, ordinamus, et dispensamus, immo mandamus, ut illius monasterii Virginum suscipiendarum, divini cultus juxta ritum vere catholicum augendi curam habeatis, et nullis parcatis laboribus, donec omnia in tutelam et regimen receperitis, teneatis, et defendatig una cum omnibus juribus et reliquis neces- sariis procurandis, acquirendis, et repetendis. ^ Nec non dictae Administrationi et Capitulo atque Ecclesine universae debere subjecta esse, et permanere, authoritate apostolica damus potestatem, quam ipsarum Ordinis Praelati habuerant et habere potuissent: Priorissam eligendi, Virgines noviter in dictum Ordinem assumendi, ipsasque juxta ipsarum regularum exigentiam introducendi, instituendi, in- vestiendi pro Religione catholica, et vero cultu divino ampliando, saepe tactum monasterium retinendi, in eodem omnia conservandi, recuperandi, et cum summa necessitas postulaverit, in omnibus cum plena, libera, et conjuncta facultate omnia et singula, quae ad hujusmodi regimen de jure vel-.consuetudine, aut alias pertinent, faciendi, dicendi, gerendi, et exercendi, authoritate apostolica eodem tenore praesentium haec, et praecedentia vobis et successo- ribus vestris concedimus et elargimur, donec per ipsammet sanctam Sedem apostolicam (ad cujus beneplacitum praemissa damus et con- cedimus) aliter provisum, statutum, et mandatum fuerit, a qua quidem poena excommunicationis nonnisi per nos aut sedem apo- Theol. Ouartalſchrift. 1856. MI. Heft. 34 516 Urkunden. stolicam absolvi possitis non obstantibus quibuscumque Apostolicis ac in Provincialibus et synodalibus Conciliis editis, generalibus vel specialibus Constitutionibus et Ordinationibus dictorum etc, monasterii, ac ordinis fundatione et dotatione statufisque et privilegiis, etiam juramento, confirmatione Apostolica, et quavis alia firmitate robo- ratis. Datum Pragae in monasterio S. Agnetis nono Calend. Jnnii anno a nativitate Domini millesimo, quingentesimo sexagesimo septi- mo. Pontificatus praefati Sanctissimi Domini nostri Domini Pii V. anno quinto. Melchior Bilia Nuntius Apstcus mppria. Stem ein Brief des Nuntius auf Pergament und mit anhängenben Sigil, der alfo lautet: Melchior Bilia Dei et Apostolicae sedis gratia etc. dilecto nobis in Christo Joanni Leisentritio, S. Theologíae Doctori, Protonotario Apostolico, Comiti palatino, Sanctissimi Domini nostri Papae Capel- lano ac Episcopatus Misnensis per superiorem et inferiorem Lusatiam Administratori et Commissario genersli, nec non Budissinensis Ecclesiae Decano et Canonico Olomucensi, salutem in Domimo. Cum non sine animi dolore a fide dignis intellexerimus statum Reli- gionis catholicae Romanae ecclesine, in dies deteriorari, officio nostro deesse haud potuimus, quin in rebus statum religionis con- cernentibus currenti calcar adderemus, deo authoritate Apostolica, qua fungimur in bac parte, Tibi in virtute sanctae Obedientiae et sub excommunicationis poena districte praecipimus et mandamus, ut Spiritualia dicti Episcopatns Misn. diligenter, et quantum in Te est, ut hactenus administrasti, et exercuisti, administres, et exorceas, donec et quousque a nobis vel superiore nostro aliod habueris im mandatis, alioquin ad dictae excommunicationis sententiae declaratio- nem, et alias graviores poenas arbitrio nostro imponendas procede- mus, non obstantibus in contrarium facientibus quibuscunque. Datae Viennae Austriae, quarto Nonas Junii anno a nativitate Domini millesimo quinquagesimo sexagesimo septimo, Pontificatus 8. Domini nostri Dom. Pii V. anno secundo. Melchior Bilie mppria. 4 Obgleich ſolcher geftalten bem Bifchof Joanni bie geiſtliche Juris- diction in ber Laufig war entzogen, unb bem Bubiffiner Kapitel und Leifentrit gegeben worden, fo blieb ver Bifchof bennod) befagtem Kapitel ganz geneigt, ba er mit felben noch immer. freundlich correspondirte. s Urkunden. 517 Den 8. April 1576. ſchrieb er am daſſelbe, damit es ihm bie 150 Rihlr. weiche er demfelben bargelichen Hatte, wieberum autüde gebe, fintemahlen fih aber das Kapitel mit ber zu gebenden Türfen Steuer entfchuldigte, fo erboth fid) der Biſchof durch ein Schreiben de dato Wurgen ben 14. Oftober 1576. dem Kapitel noch 500 Rthlr. und nod) ein mehreres, dafern ers zu thun im Stande feyn würde, barzuleihen gegen Sinfen und genugfame Berficherung. Ao. 1579. bem 25. July fchrieb Kaifer Mubolyh II. an Leisentrit alfo: - ' | ^ Süütbiget, anbüdjtiger, lieber, getreuer. Wir Haben aus deinem gehorfamen Bericht die Befchwer gnaͤdigſt angehört und vernommen, was für Unordnungen in bem Kirchenregiment und geiftlichen Disciplin, deren Jurisdietion und Administration bir von uns in beiden Marggrafthümern ‚ der Lauſitz anvertranet (t, daſſelbſt in ter Niederlaufitz einreiffen wollen. Was wir nun barauf den MWohlgebornen unferm Rath und Landvogt daſſelbſten Jarislauo von Kollowrat auf Petersburg, fowohl auch bem gefttengen unferm lieben getreuen Esaiae von Minfwig auf Uckro unferm Hauptmanne allda gnäbigft auferlegen, folches wirft bu aus innliegender Abſchrift gehorfamlich vernehmen; laſſen uns aber gleichwohl beine Gorg» fültigfeit und Fleiß in allen Gnaben wohlgefallen. Und befeblen wir dir derwegen gnäbiglich: bu wolle dir Hinfür bag, wie bisher gefchehen, bie Berwaltung ber Geiftlichfeit, unb berofeben angehörige Kirchen» Sachen mit embfigen Fleiß angelegen feyn laſſen, und nicht geflatten, daß einige Neuerung, wie bu e8 jet geklagt Haft, darinnen fürgenommen noch verflattet werde. Wurde abet bieBfall8 weiter durch jemanden was attentirt, ober dir an deiner Administration einiger Eintrag oder Ver⸗ hinderung zugefügt werben wollen, (welches wir uns gnábigfl nicht vet» fehen) fo wirft du ſolches jederzeit unfäumig an uns bringen, und darauf anfers gnábigften Befcheids unb Resolution in gehorfamb gewärtig feyn. Gegeben auf umfern Tönigl. Schloß Prag den 25. July 1579. Rudolph II. mppria. Ao. 1581. in festo Corporis Christi ſchickte ber Churfüurſt ſeine Commissarios an ben Biſchof Joannem mit völliger Vollmacht unb ernftlichen Befehl, der Bifchof folle alle feine Güter und Ginfünfte an ihn abtreten. Wiewohl ber Bifchof in folchen Handel fid) nicht gern einloffen wollte, fondern allerley wichtige Urſachen vorwandte, daß εὖ nicht wohl angehen werde folchen Churfürftl. Begehren Hierinfalls Genüge zu leiften, fo wurde er bod) aus Anfehn des gewaltigen Ernſtes dahin 94} 518 Urkunden. bewogen , daß er fich einen Furgen Auffchub zur Uiberlegung biefer Sachen halber ausbath. Dieferwegen beruffte et alle Canonicos des Meißnifchen Domfliftes (diefe aber waren fchon alle Intherifch) berathſchlagte fich mit benenfelben, was zu thun fey, eröffnete gegen ihnen feine Meinung unb Willen, bag er fein Bisthum ihnen übergeben wolle. Selbe aber wollten εὖ nicht übernehmen aus Furcht gegen ben. Churfürſten, fondern bathen ihn, er möchte εὖ lieber an des Churfürflen Sohn Christianum abtreten, und folchen zum Bifchof in Meifien ernennen. Da nun bievon das Budiffinee Domſtift fdleunige Nachricht erhalten hatte, fchrieb es am den Bifchof folgendermaßen: Hochwürdiger burchlauchtigfter Fürft und Herr etc. Euer Fürfllice Durchlaucht entbitten wir unfer Gebet mit allen willigen Dienflen, und haben berofelben aus höchften Mitleiven, unb vertreulich zu willen tfum wollen, welcher geflalten aus gemeiner Sage bes Volks zu unfern Ohren gefommen, daß Euer Fürftl. Durdylaucht wo nicht das ganze, jebocdh ben merflichfien Theil Ihres Bisthums Meiffen an den Churfürften au ' Sachſen werben abtreten müffen. Dafern nun ble Sache alfo, wie man erzählt, fich verhielte, würbe diefes Unglüd uns wahrlich, ale Chliſten gebührt, febr fchmerzlich fallen. Dahero, wofern biefes fein groß Bes benfen uótbig Bat, fondern uns ficher zugefchrieben fann werben, bitten wit Heftiglih: damit Ew. Fürftl. Durchlaucht von bieftr Sache durch ein Schreiben mit biefen foldjer wegen von uns abgejandten Bothen uns benachrichtigen belieben möchten, und wir von bem allerhoͤchſten Gott deſſen Gnade und Güte, auch neuen unb. gefünderen Sinn, und Sentenz mit unfern unabläffigen eifrigen Gebet erbitten könnten, wie bann ber ſchuldigſte und chriftliche Fleiß in uns nicht ermangeln fol. Wir hoffen daher Ew. Fuͤrſtl. Gnaden werden aus gewöhnlicher guter Neigung gegen uns ein folches unfer Bitten uns nicht abjchlagen, weder Ihr gütiges Gemüthe gegen uns vor (go ändern, beffen Gebádgtnif wegen ber vielen MWohlthaten feine Bergefienheit in uns wird tilgen fónnen. Gegeben in Gil zu Bupiffin ben 30. Mai 1581. . Ew. Fürfl. Durchlaucht bereitwillige Diener Decanus, Senior und ganze Kapitel der Collegiat und Pfarr ficche zu Bupiffin. Darauf gab ihnen der Biſchof nadjflefenbe Antwort: Urkunden. 519 s Bon Gottes Guaben Joannes Bifchof zu Meiffen und Probſt zu Naumburg feinen Gruß. Ehrwürbiger, eblet, lieber anbächtiger , an eben ben Abend für biefen gegebenen Brief haben τοῖς beinen fowohl als bes ehrwürdigen Kapitels unfrer Bubiffiner Kirche durch gegenwärtigen Uiberbringer et» haften, unb wir wären nach Ablefung dererfelben Briefe nicht fchwer gewefen, auch auf euer Inftändiges Bitten fchriftlich zu berichtigen, bafern es hätte füglich gefchehen koͤnnen. Weil aber vieles bem Papir angue vertrauen nicht rathfam zu ſeyn fcheinet, fo haben wir für gut erachtet, dich zu unfern getrenen Amtmann in Belgern, Chriftoph von Haugwiß, nad) Bopfa 1) (wo ep fich jet anfhält) zu verweifen, von diefem, wann ihr werdet zufammen fommen, wirft bu alles, wovon eure Briefe zu wiffen verlangen, weitläufig unb fo viel als nöthig feyn wird, erhalten, welchen Unterricht bu alsdann befagtem Capitulo mittheilen wirft, vod) mit dieſem Bebing, damit ihr auf eine Zeit lang die Gadje niemanden mehr eröffnen wollet. Welches ich eud nicht habe verbergen wollen, alg denen, welchen id) will gütig und günftig feyn. P. S. Wir verlangen auch, damit bu beiliegenden unfern Brief Chriſtoph von Haugwitzen zufenden dich bemühen, welches dir zum Nutzen gereichen wird, wie in bem Briefe fiehet. Datum Wurken ben 2. Juny 1581. Joannes Episc. Misn. mppria. Bald barauf fchrieb der fBifdjof an Herrn Decanum keifentritt folgender Geftalt : Ehrwürbiger, Edler, lieber Anvächtiger, auf jenen deinen Brief, beffen wir im vorigem unfern Briefe an bid) haben Meldung getfan, ift abermahlen ein anderer vom 19. Tage dieſes Monats nachgekommen, barinnen wir deinen befondern, auch ber beimigen, und benachbarten für mich angenommene Sorgfalt, unb in biefem unfern Stande gegen uns tragende Mitleiven nicht fowohl erfehen, ald audj aus bem vorigen Briefe, darinnen Ihr mein &didfal höchften zu betrauern fcheinet, bie Lieb gegen mir erfahren, für welche wir bir, ‚und einen jebeu beſonder⸗ lichen, und wie billig, Dódjflen Dank abflatten. Obfchon wir nichts mehr wünfchen, als baf unferer Sachen Zufland dir am beften befannt wäre, fo ift doch, wie bu felbften befenneft, nicht rathfam weder ficher 1) Votzka liegt an ber Laufiger Bränze, 4 Stunde von Bifchofswerba, 2 Meilen von Bubiffin. _ Belgern liegt eine Meile von Torgau an ber Gibe. 520 lirkunden. ΄ davon etwas zu ſchreiben; fo viel abet απ uns feyn wird, werben wir Gelegenheit fudjen, bequem zufammen zu fommen, ba bu mit Gottes Hilfe von uns unterfchiedenes vernehmen wir, unb fo fíat, daB bu ein mebreres nicht wirft verlangen dürfen. Don der Uibergabe aber unfers Bisthums objdjon vieles Gerede unter dem Poͤbel gehet, iſt es bor dem meiften Theil der Menfchen nod) unbewußt, zu was Ziel und Ende biefe unfere Sachen gerichtet feyn, welche gewißlich, wie ſchwer fe feyn, alfs haben wie fie aud) mit vorhergehenden Berathichlagungen aufs gemanefte unterfucht. Wir ſeyn aber der gänzlichen Zuverficht zu Gott, biefe Sachen werben nach deſſen gütigften Borfichtigfeit mit glüdlichern, als jemand vermeinet hätte, Ausgange befchlofien werben ; wie wir bann nicht zweifeln, e$ werde ber al[mádjtige Gott uns fo viel faffen, und auch nachgehenbs hinzugeben, als wie viel wir, unb andern ehrlichen Männern, wie bit bero gefchehen, zu helfen genug feyn wird. Und zwar was immer für ein Glücke uns aus Zugebung des barmberzigen Gottes, begleiten wich, verfprechen wir euch. doch gütigfl, baf wir fo gegen bir, als gegen andere. Freunde gnäbigft geneigt verbleiben, und in biefer freunbfchaftlichen Treue flerben werben. Datum Wurtzen den 12. Juny 1581. Joannes Ep. Misn. mppris. : Abermahls fchrieb ihm ber Biſchof alfo: Don Gottes Gnaden Joannes Bifchof zu Meiffen, und Probſt zu Naumburg. Ehrwürdiger, fürtrefflicher, lieber andächtiger, wir zweifeln nicht, bit feye fchon genugfam aus allgemeiner Rede des Volkes, ale auch aus Erzaͤhlung unfere Hauptmanns in Belgern, unſers lieben getreuen Chriſtoph . von Haugwig auf Potzkau bekannt, und vollfommen wiſſend, was für angenfcheinliche Urfachen uns Haben angetrieben, daß wir benen auch ehrwärdigen, edlen und gelahrten Herrn, unfern lieben anbádytigen Mit⸗ brüdern bem Seniori und Capitulo unfrer Meißnifchen Kathedralkirche ba$ bishero uns anvertraute, unb nach Kräften, bie Gott der Allmächtige verliehen, ofngefábr in die 26 Jahr vou uns verwaltete Bisthum anjeko freywiflig resigniren und abtreten werben, und von Hand zu Hand aute händigen, welches ber allmächtige Gott mit feiner Barmherzigkeit begládeu wolle. Indem aber bu vielleicht dich eben noch mit uns gut wirft zu entfinnen wiffen, mit was für einem Binpniffe unb Bebingniffe wir dich für 21 Jahren zum Commissario generali befagten unfere BistEums in beiden Marggrafthümern Ober» und Nieberlaufig, auch unter was für Befoldung beftellet Haben, welche: bis dato allezeit von felber Zeit bit jährlich in gebührenden Terminen iſt gezahlet worden, Und weil bu aud) Urkunden, 521 aus deinen beimohnenden Berftande felbften gar leicht erachten fannft, es feye weber ber Gerechtigkeit, weber bem DVerftande gemäß, damit wir nach gefchehener Resignation weiterhin diejenigen Dexter beftellen, unb wegen bejagten deines Amts fernere Unkoſten, und Befoldungen auss fpenden follten. Dahero fagen wir dir ernftlichen für bem Fleiß, Gorg: fait, Mühe und Arbeit, bie bu bei bicfem Amt angewandt, gütigften Danf, nicht zweifelnde, bag, obfchon du von uns deiner Mühfamfeit gebührende Belohnung nicht erhalten Haft, bit gleichwohlen der barmherzigfte Gott foie haͤuffig beilegen werbe. Hernach aber wieberufen wir die vote gemeldete und von uns jährlich gegebene SBefofbung auf ben inſtehenden Tag Bartholomaei als gewöhnlichen Zahlungstermin, und thun alles gleichfam tilgen, güttig verlangende, damit du folches nicht zum üblen deuten, fonbern bet entfproffenen Dingen Beränderung aufchreiben wolleft, und bit gänzlichen einbilden, dafern diefe Enderung nicht fürgefallen wäre, wutbe auch diefer Wieberuff ober wieder Abnehmung bes Amtes niemalen erfolgt feyn. Und beinebenft haben wir vorgemelten unfern Hauptmanne zu Belgern Christoph von Haugwitz anbefohlen, damit er die SBefofbung auf inflefenben Michaelis Tag bit. (dafern bu vermeinft fo fang warten zu fónnen, fo wir hiermit gütlich verlangen) oder bafern dieſe furge Derweilung oder Aufichub von bir nicht mag erbethen werben, er bir foldje Geld an befagten Termin Bartholomaei gegen fchriftliche Quitti- rung, auszahle, bir zu gefallen. Welches wir dir auf beiderfeits unferer erheifchenden Nothdurft zu größern Unterricht nicht bergen wollen, als bie wir bir wohlgünftig und geneigt feyn *). Datum Wurgen ben Gontag nach Joannis Baptistae anno 1581. Joannes Ep. Misn. mppria. Weil aber bei angehender Veränderung bes Meißnifchen Bisthums auch in der Somfirdje zu Bubiffin ble Bürger allerley Neuigkeiten vors zunehmen begunnten, und bieferwegen Herr Leifentrit 2) famt bem Kapitel 1) Diefer Brief zeigt an, es müfle der 3Bifdjof entweder nicht gewußt haben, daß ihm die Jurisdiction über bie 9aufí& [don feye benommen, unb Herr Leifentrit gegeben worben, ober er müſſe fid alfo verfiellet Haben, ala wüßte er& nicht. 2) Diefem Manne ift. es vorzugsweife zu banfen, daß die Collegiatkirche ad 8. Petrum zu Bupdiffin (geftiitet von Biſchof Bruno II. von Meißen 8 Cal. Jul. 4221), das Capitel (ba& Einzige, meines Willens, in ganz Seutffjfanb, in welchem fid) die canonifche, d.i. gemeinſchaftliche Lebensweiſe bis auf den heutigen Tag erfalten fat); bie dazu gehörigen Gemeinden und fe(bft das an bie Laufitz grängende Niederland Böhmens dem fatfolifden Gíauben erhalten wurde. Welchen Angriffen von Seite des Proteftantismus das Bubiffiner Gollegtarftift ausgefegt war, mag am Anſchaulichſten heute nod Jedermann daraus. entnehmen, daß von der 522 Urkunden. an ben bamaligen Kalfer Rudolph gefchrieben Hatte, antwortete biefer Kaifer ihm d. d. Prag 22. Septb. 1581. in folgendem Briefe (vide Tit. Capitul. de anno 1581). Am 13. Dezember 1581. beflättigte Raifer Rudolph Leisentritium nicht nur aufs neue zum bifchöfl. Administrator in der Ober» und Süeberlaufig, fondern befahl zugleich allen Amtsleuten benfelben zu fchüßen. Das Patent lautete alfo: Wir Rudolph IL etc. entbieten allen und jeden unfern Unterthanen, geift- unb weltlichen, was hohen oder niedrigen Würde, Standes, Amtes, oder Weſens, bie in beiden unfern Marggrafthünern Obers und Nieder Laufig wohnen, oder faßhaft feyn, unfre Faiferl. Gnade und alles Gute. Lieben getreuen, wir machen uns gnábigft Feine Zweifel, euch fey ges Borfamft bewußt: nach maßen noch weiland unfer geliebter Herr und 9infert Kaifer Ferdinandus fowobl, als hernach Kaifer Maximilianus II. unfer geliebtefler Herr und Vatter, beider hoͤchſt löblichſter feligfter Ges daͤchtniß, und bann auch Ichlichen, nicht weniger wir verrudtten 77. Jahre ben würdigen unfern lichen getreuen Johann Leifentsit, Decant zu _ Budiffin aus fondern bewegenden und genugfamen Urfachen in beiden unjern Marggrafthüümern Ober» und Nieverlaufig zu einen Administrator in allen unb jedlichen geifllichen Sachen genommen, ibn barinn beflättiget, und dießfalls ihm nothwendigen Befehl, welcher mafen Er in fürfallenden Gadjen vorgehen folle, getban. Sowohl bei eben unfern 2anbeépógten und Hauptleuten baffe6ft auferleget haben, Ihm hierinnen gebührlichen Schuß zu halten, aud) gar nicht zu verflatten, daß demfelben zuwider von Semanden, wer ber auch fey, das wenigfte fürgenommen, ober sttentirt, fondern demſelben gebührlichen, auch zeitlichen vorfommen, unb entgegen gangen, auch alfo alles dasjenige, fo dergleichen fürfallen möchte, abgefchafft werde. Demnach aber doch wir gehorfamb berichtet worden, wie bemfelben zu entgegen feithero allerley fürgelauffen ſeyn fol, wir aber in Gnaden entfchloffen feyn, folches keineswegs nachzu⸗ fehen, fonbern vielmehr angeregten Leisentrit bei ber Ihm demandirten und auferlegten Administration gnädigft zu fd)ügem, und fanbjubaben, Collegiatkirche bem Kapitel nur ber Gor geblieben, während Thurm und G diff berfelben bis auf ben heutigen Tag von ben Brotefianten oceupirt if. Nur bie felfenfefte katholiſche Gefinnung Leifentritt's, bie ihn mit Heldenmuth ftreiten machte, hat das Stift vom Unterganyge gerettet. Als die Lutheraner das Domflift ſtürmten und plünderten, barg fif Leifentritt mit den Schlüſſeln ber Schazkammer unb bes Archivs drei Tage in ber Benerefle (zum Andenken deſſen ſchaut nod Heute ein feinerner Kopf zur felben heraus), bis bie größte Gefahr vorüber war. Diefer Dann verdient eine Dionograpbie, zu meldjer das Archiv des Budiſſiner Gollegiat ſtifts eben fo intereffante&. als reiches Material enthält. G. Urkunden. 523 anch beyzubehalten. Derowegen fo haben wir Ihm Leisentrit an jcho abermahlen und entlichen auferlegt, daß et in berfelben Ihm deman- dirten geiftlichen Administration mit fondern emfigen Fleiße verfahren, über den geifllichen Stiftern, Klöftern und Pfarren, auch der katholiſchen Religion treulich Halten, diefelbe nad) aller feiner Möglichkeit befórbern helfen, angetegten Stiftern auch nothwendigen Beiftand leiften, und bae . wider einige Secten einreißen, Beränderungen fürnehmen, nod) auch den geiftlichen Stiftern, als unfern Kammerguth, das wenigfle entziehen, oder ihnen was widerwärtiges unb nachtheiliges zufügen laſſen; fonbetu viel» mehr zu Verhüthung deſſelben alle gute forgfältige Aufachtung geben, unb dafjelde entweder für fid) felbft, auch mit und neben unfern Landes» vözten und Hauptleuten zeitlich votfommen. Wo aber je ihrer Anord» nungen nicht gehorfamet werben wollte, daß fie ſolthes alóbann uns zu gebührlichen Einfehn berichten foflen. Welchem nach unfer enblidjer unb ernfllicher Befehl ift: bag alle und jede unfere Unterthanen, ſonders aber die geiftlichen bei den Stiftern fowohl, als bie Pfarrer in beiden unfern SRarggraftfümern Ὁ. unb N. Laufig in fürfallenden Sachen allein an⸗ geregten Leisentrit für ihren orventlichen von uns deputirten Admini- strator erfennen, auch zu me Zuflucht haben, unb fich Hiervon durchaus nicht abwenden laſſen, auch ihme fonflen in feiner Administration einigen Qintrag thun, fonbern vielmehr Some allen (djulbigen Gehorſam leiften, und fid) dießfalle der Gebühr erzeigen, als lieb einen jenen fey unfre ſchwere Strafe und Ungnabe zu vermeiden. Das meinen wir ernflich mit Urkund biefes Briefes. Befiegelt mit unfern aufgedruckten Snfitgel. Gegeben auf unfern fónigl. Schloß Prag den 13. December 1581. L. S. Rudolph Il. mppria. Mittlerweile Hatten fid) Meißner Canonici mit dem Bifchof babin verfianden, daß fie die Resignation von ihm annahmen, weil das ganze Bisthum den Churfürften in Schuß folíte gegeben werben, mithin gieng bie solemne Resignation den 20. Oktober 1581. für fid), wovon bie Acta publica alfo lauten: In nomine Domini amen. . Anno a nativitate ejusdem 1581. indictione X. regnante serenis- simo et invictissimo Principe et Domino Domino Rudolpho ejus nominis II. Rom. Imperatore Augusto sub Caesariae Majestatis ipsius regimine Imperatorio anno quinto die mensis Üctobris XX. bic in arcis Wurzefisis Bibliotheca, quae ad aream arcis spectat, in Re- verendorum non generis solum Nobilitate, verum etiam sapientia, eruditione, plurimarumque viriutum praestantia Ornatissimorum viro- 524 Urkunden, rum ac Dominorum, Domini Senioris, totiusque Cathedralis Ecclesiae Misn. Capituli, et mei Notarii publici, testiumque infra acriptorum ad hoc specialiter vocatorum, et rogatorum praeseutia personaliter constitutus est Heverendissimus in Christo Primceps et Dominus, Dominus Joannes IX. Episcopus Misn. Dominus meus clementissimus, tenens et babens in manibus suis chartam seu schedam, in qua mens ei voluntas suae Celsitudipis erat conscripta. Cumque illam praedictis Dominis Capitularibus clara atque intelligibili voce pro- legisset, eam postea statim mihi praememorato Notario cum speciali mandato, cujus infra mentio fiet, in manus meas tradidit: Tenor resignationis. In nomine Sanctissimae et individuae Trinitatis, amen. Nos Joannes Dei gratia Episcopus Misn. vobis Nobilitate generis, sapientia, eruditione ac virtute praestantibus viris, ac Dominis, Domino Seniori, totiusque Ecclesiae nostrae Cathedralis Misn. Capitulo, Confratribus nostris dilectis primum a Deo optimo msximo salutem precamur et felicitatem; deinde clementer significamus: nos non dnbitare quin vobis omnibus et singulis constet, quod Episcopatum Misn. (Deo pro sua providentia sic volente et disponente) ultra annos sex et viginti administraverimus, Etsi etiam gubernationem illam nostram talem fuisse, quae omni prorsus repraebeusione caruerit, minime gloriamur, tamen eam sedulitstem , atque diligentiam in illa recte pieque in- stituenda a nobis adhibitam fuisse, ut et ipsi Deo, omnium actionum nostrarum inspectori oculatissimo, et insuper hominibus, iis prae- sertim, qui sanioribus judiciis sunt praediti, nec pro usitato perversi mundi more, etiam quae optime acta gestaque sunt, dente canino arrodere sunt assueti, illam probare possimus, conscientia nostra locuples est testis. Animus quidem nobis fuit in hac quasi palestra ad extremum usque vitae spiritum perseverandi, Deoque ip ea, qua nos pro divina sua sapientia et bonitate collocavit, statione inser- viendi, sed permultae, eaeque gravissimae causae, quas hoc loco recensere nimis longum, et taediosum quoque foret, nos impule- runt, ut post longam consultationem et cum amicis habitam delibe- rationem hac provincia in nomine Dei nos abdicare, et quod reliquum vitae spatium supererit, illud sbsque strepitu, et in bona, quod dicitur, pace, ita tamen, ne earum rerum, quae ad cultam divinum pertinent, 'obliviscamur, transigere decrevimus. Quod igitur felix ac faustum Ecclesiaeque Misnensi et vobis omnibus ’salutare sit, nos Joannes, Dei gratia Episcopus Misn. ante dictus vobis Reverendis Dominis Cepitularibus ejusdem Ecclesiae Cathedralis Misn. Confratri- Urkunden. 525 bus, et amicis quoque charissimis post remissum et relaxatum juramentum Ecclesiae a nobis sub initium Administrationis nostrae praestitum, totius ejus gubernationem, quemadmodum illa a Prae- decessoribus nostris, nunc in Christo feliciter requiescentibus, ante annos, ul supra monuimus, viginti sex nostrae demandata οἱ con- creta est fidei (iis tamen fundis, quos de vestro assensu, et voluntate ad vitse sustentationem necessariam , donec illam nobis prorogaverit omnipotens, reservavimus, exceptis) non vi, dolo, sstu, fraude, nec sinistra aliqua macbinatione circumventi, sed ex certa nostra scientia et spontauea et libera voluntate, modo, et forma, quibus possumus et debemus, coram praesenti hoc Notario, et testibus septem fide dignis ad hunc solemnem et publicum actum specialiter vocatis οἱ requisitis, ad manus vestras, ut penes quos ex antiqua et hactenus introducta et constanter observata consuetudipe, aliam idoneam, satisque qualificatam personam in nostrum locum vel eli- gendi vel substituendi jus atque potestas pertinet, resignamus, ejus- que juribus omnibus et singulis, quae huc usque ad nos spectarunt, vel in posterum, quacunque id retione vel modo spectare ad noa possent, in forma juris optima renunciamus, vobisque bona fide, et juramenti quoque loco promittimus, nos banc spontaneam et liberam resignationem nullo unquam tempore revocare velle, ita tamen et non aliter, ut pro recepta a nobis stipulatione Illustrissimo Principi ac Domino Domino Augusto Electori Saxoniae, Domino Domino Clementissimo, gubernatio ejus ad certos annos in commendam detur; qui buic maneri ad Dei potissimum gloriam, et ad subdito- rum quoque salutem et commodum , ut longo tempore praesit, faxit. idem ille, in cujus nomine resiguatio et renunciatio quoque baec a nobis jam fecta est, Deus nempe Pater cum filio suo unigenilo, apirituque saucto, benedictus in saecula saeculorum! Hujus etiam protectioni divinae Vos omnes et singulos, consilia item vestra, atque adeo res et actiones vestras omnes commendamus, vobisque ut Confratribus et amicis nostris charissimis omnia humanitatis el verae benevolentiae officia ultro pollicemur, et promittimus. dixi. Postquam quidem recitationem eorum, quae in supra dicia charta erant comprehensa, et iu hoc publico scripto, ut patet, ex speciali mandato de verbo ad verbum fideliter sunt repetita, Re- verendi Domini de Capitulo Episcopatus Misnen. resignationom nominatam et renuncietionem quoque omnium δὲ singulorum jurium ipsius (exceptis tamen excipiendis) sic ut praefertur, administrandam duxerunt, et statim re quoquo ipsa admiserunt, saepe nominato 526 Urkunden. Reverendissimo Domino Episcopo pro suo et erga Ecclesiam οἱ rem publicam quoque, quem multis in rebus experti essent, amore et studio singulari, proque multiplicibus in se omnes et singulos pri- vatim collocatis beneficiis, reverenter gratias agentes, seque illius benignitati in posterum quoque commendantes. Atque haec omnia οἱ singula acta sunt anno, indictione, die, mense, hors et loco, quibus supra in praesentia Nobiliom et Doctissimorum virorum: Christophori de Haugwitz ín Potzkau, Capitanei Belgerani, Joannis Spigelii de Pristebellis, Capitanei Wurzensis. — Magistri - Georgii Reuschii, Patris, Cancellarii, Henrici de Ekersberg Marschalli, Magistri Georgii Runzleri Canonici Wurzensis, et Erhardi et Chri- stophori de Haugwitz ministrorum sulicorum, testium: ad hoc specia- lter rogatorum. Quibus quidem omnibus, sic ut praemittitur, ordine debito, nulloque externo acta interveniente, actis, mihi Notario uno ore mandarunt, tam saepius Reverendissimus D. Episcopus, quam ejus quoque Reverendi Domini Capitulares, ut quae hac die, et hora, et in loco quoque praefato coram nobis omnibus acta, lectaque essent, diligenter consignarem, et ad perpetuam quoque rei memo- riam in publicam formam redigerem, quod quidem pro officii mei debito illis denegare nec potui, nec volui. Ego itaque M. Joannes Reuschius F. patria Misnensis et Misnensis quoque Diecesis publicus S. imperii authoritate Notarius, quoniam liberae, voluntarine et spontaneae resignationi et renunciationi, earumque admissioni, quarum supra mentio facts est, nna cum supra memoratis testibus praesehs igterfui, atque haec omnia sic, ut recitatum est »fleri vidi, et au- divi, ideo ea in hanc publicam formam redegi , et super bis omni- bus praesens hoc publicum instrumentum confeci, illud manu mea propría conseripsi, et nomine, cognomine, et sigillo quoque meo solito corroboravi, ad haec omnia specialiter rogatus et requisitus. Es behielt fi aber der Bifchof zu feinen Unterhalt vor Sorntzig, Alt» und Neu» Mügeln, und das Schloß 9iugetfal zur Wohnung, umb trat ſodann allererft zu der Intherifchen Religion öffentlich nicht nur allein fiber, fondern heurathete auch im 58. Sabre feines Alters Christophori von Haugwis auf Potzkau, Hauptmanns zu Belgern eheleibliche Tochter mit Namen Agnes, die nicht nur feine nahe Blntefreundin, [onberm auch feine Pathe war, indem er fie Ao. 1560. im Jänner aus der Taufe gehoben. Die Hochzeit ward gehalten zu Dresden in festo Corporis Christi 1582. wobey erſchienen ſeyn des Ghurfürken Geſandte und Ministri, die Capitulares von denen Dum» Stiftern Magdeburg, Meiffen, Merfeburg, Naumburg und Wurken. Es [oll ber Bräutigamb dabey Urkunden. 527 brav gefoffen, gefpielt und getanzt haben. Nach vollendeter Hochzeit it er mit feiner Liebſten nach feinem Wohnſchloſſe Rugethal gefahren. Zum Heurathsgute gab er diefer Agnes 50,000 Rthlr. und nebft dieſen jährlich 300 Rthlr. zum Schmuck und Kleidung. Er foll. kurz vor Abtretung feines Bisthums die Monftranzen, Kelche, Rauchfäfler zum Trinfgefchirr haben verarbeiten laffen, bie bifchöfl. Ringe feiner Vorfahren, aud) bie guldene Kette des heiligen Meifnifchen Bifchofs Benno unter feine guten Sreunbe ausgetheilt haben, bie Perlen und koſtbaren Steine von denen bifhöfl. Mützen genommen, und fole in bie Hochzeit« Kränze, unb Ringe verfepen laflen, womit er bie ammefenben Jungfern befdjantet. Mit tiefer Agnes hat er 13 Jahr gelebt, aber feine Kinder mit ihr erzeuget. Er farb endlich zu Stugetfal auf feinem Schlofie, und warb in ber Kirche zu Neus Mügeln vor bem Hochaltar begraben, wo fein Leichenftein folgende Furze Inscription enthält: Der Hochwürdige, Edle geftrenge Herr Herr Johann von Haugwig auf 9tugentga(, Thum Probſt zu Naumburg, ift in Gott vers fhieden den 26. Maji 1595. feines Alters 71 Jahr 8 Monate, 13 Tage, beme Gott gnabe. \ Bei beffen Tode Bat fid) diefer feltfame Casus zugetragen: G6 war der Tag, an welchem der Bifchof geflorben, ein recht heller und feft Lieblicher Staptag, um die Zeit aber, ba er angefangen mit bem Tode zu ringen, hat fid) zu Mügeln ein fo gewaltiger Sturmwind ers hoben, daß man in Sorgen ftunbe, alle Häufer würden von bemfelben umgeriffen werben, er that aber weiter feinen Schaden, außer baf er das am dortigen Rathhauſe mit eifernen Klammern feft. angemachte fleinerne Wappen dieſes Biſchoſs mit großer Gewalt abrieß, auf ben Boden warf und zerfchmetterte, und fogleich als diefes gefchehen, warb die Luft wieder (tile, der Himmel heiter und fíat, wie zuvor. Durch ein ordentlich Teftament vermachte er feiner leiblichen Schwefter 32,000 Fr. und verficherte fie darüber mit bem Gute Roth⸗Naußlitz in bet Laufik zwifchen Bubiffin und Bifchofswerda an der Drespner Straffe gelegen, alles übrige blieb feiner Agnes, welche nadjgefenbe Ao. 1599. fid) au Georgium von Wehſen auf Bürfersporf, Churfächfifchen Rath, Ober⸗ fleuereinnehmer und Hauptmann der Aemter Stolyen und Radeberg vete heurathete, unb vier Töchter mit bemfelben erzeugte. Sie ftarb enblid) auch zu Dresven ben 2. November 1631. im 70. Jahre ihres Alters, ijr wurde zu Oresden in ber Frauenkirche eine Grabfchrift gelegt wie foíget : 528 Urkunden. D. O. M. 8. Agues Haugwiciana vidua Natalibus qua patrem, qua matrem antiquissimis nobilissimis ex domo Potzkaviensi orta, ob pietatem, mores et formam incomparabilis sui saeculi foemina primis nuptiis Josnni ab Haugwits Episcopo quondam Misnensi per annos XIII. sine prole tamen secundis votis Joanni Georgio a Wehsen per XXXII. copulata et quatnor filiarum facta parens Obiit 4 Non. Novemb. anno MDCXXXL aetatis suae exemplo raris- simo LXX. anno hebd. X. vivit parte sui coelo meliore superstes. Generi, fillaeque ex pio gratoque affectu merentes poni curarunt. Ginzel. Literarifcher Anzeiger Nr. 3. usn ppne quu cp ott p REC ——— e — eá——— ai dnm Die Hier angezeigten Schriften findet man in bec H. aupp'fden Buch- handlung (faupp & Siebe) in Tübingen vorräthig fo wie alle Er⸗ fheinungen der neueften Litteratur. Im Berlage des Unterzeichneten ift erfchlenen und in allen Buch» bandlungen zu haben: Ueber hanonifdes Gerichtsnerfahren gegen Kleriker. Ein rechtsgefchichtlicher Berfucd zur Löfung der praktiſchen frage der Gegenwart von Wilhelm Molitor, Domvicar und geiftlidem Rathe zu Speyer. 284 SS. gr. 8. elegant geheftet 2 fl. 42 fr. rh., 2 fl. 2 fr. 6.34. ober 1 Rthlr. 18 Ser. „Die Frage nad) der Art und Weife der Ausübung der Firchlichen Gerichtsbarkeit ift in der Gegenwart". — wie ter Berfafler in ber Eins leitung fagt — „wieder eine praftifche geworben, deren g3fung zu ben dringenden zu gehören fdjeiut." Diefe auf dem hiftorifchen Wege anzu» bahnen, ift die Aufgabe, welche fid) vorliegende Schrift gefegt hat. Sie tritt dadurch in bie nächſte Beziehung zu der neuen Lebensentfaltung in der Kirche, welcher es ergeht „wie bem Kranken, der aus einer langen Betäubung erwacht, oder bem Gefangenen, der feine Glieder von ben läftigen Banden frei fühlt, unb die Hoffnung bat, auch bald bie Kerfer- thüre fij öffnen zu fefe, und bie volle Freiheit zu erhalten. Der geheimnißvolle Leib des Herrn auf diefer Erde fühlt eben ein neues, verjüngtes Leben in feinen Gliedern fid regen, und affe Organe dieſes Leibes ber einen heiligen allgemeinen Kirche möchten. mit frifcher Kraft in ihr Amt eintreten, damit nachgeholt und erfeht werke, was feit Jahrzehnten verfäumt worden, unb feft uud banerhaft und ven Bedürf⸗ niffen einer neuen Zeit entfprechend wieder aufgebaut werbe, was bie ablaufende Zeit der Serflórung unb des Verderbens nievergerifien unb jertrümmert Bat. ^ Mainz im März 1856. Franz Kirchheim. fe d 1 528 Urkunden. ít D. O. M. 8. Á Agnes Haugwiciana vidua Z Natalibus qua patrem, qua matrem antiquissimis nobilissimis Ζ ex domo Potzkaviensi orta.gj " ob pietatem, mores et fo f » e incomparabilis sui saec fi y primis v 7 ; P Joanni ab Haugwitz Er; (ὁ ὅς per annos XIII. s f Pf nd ser | ff Joanni Georgio a » et quatuor f , rt n Obiit 4 Non. Novemb. v, ,' grau simo LXX. anno hebd und Sohn in P Generi, filiaeque ex Ζ VERSTÄNDNISS DES CORDATS VOM XVII. AUGUST MDCCCLV. | Royal 8. Geh. Preis 4 gGr. 2 — — — gi Palm & Enke in Erlangen if neu erſchienen unb durch y Yuchhandlungen zu beziehen: ebersberg, Julius, Das Sceiertags-Budh. Ein Aranz von neuen Erzählungen, ber veiferen Jugend Deutihlands und Báuéliden Kreifen über haupt zur Bereplung des Geifteó und Kräf, tigung des Charafters herzlih gewidmet. gr. 8. 244 Seiten; eleg. geh. 16 Ng. od. 1 fl. rhn. Diefes Büchlein aus der Feder eines rühmlichſt befannten Schrift ſtellers bat allenthalben die beifälligfte Aufnahme gefunden — unter | andern namentlich in der katholiſchen Literaturzeitung 1858, | Sito. 25, νεῖ Münchener Sugenbfreunb IX. Band Nro. 53, dem öfterreich. Bürgerblatt 1856. Nro. 6, der Zeitfchrift f. v. oͤſterreich Gymnaſien — und verbient, al6 eine Zierde jeder Hrinligen Samilienbibliothet auf das Waͤrmſte empfohlen zu werben. — — 2 m 2 —ÓA Theologiſche »talſchrift. mehreren Gelehrten ‚ausgegeben von . &uhn, D. ». Hefele, D. Welte, Ὁ. Bukrigl und D. Abrrle, Brofefforen ber fat. Theologie an der K. Univerfität Tübingen. Achtunddreißigſter Iahrgang. Biertes Duartalheft. Tübingen, 1856. Berlag ber H. Laupp'ſchen Buchhandlung. -— faupp & Siehrd. — | Drud von ὅ. Laupp jr. Ι. Abhandlungen. 1. Die rechtlichen Wirkungen der Ereommunication. (Bortfegung.) 8. 3. Die Adminiftration der Saeramente. (6 bedarf Feiner weitläufigen Auseinanderjegung, um darzutbun, daß ble Ercommunicirten von ber Spen⸗ dung ber Sacramente, der Darbringung des bl. Meßopfers und überhaupt von der Bornahme kirchlicher Handlungen, bie einen Ordo vorausfegen, ausgefchlofien felen. Dieß liegt im Begriffe dieſer Strafe und verfteht fid) ebenfo von fefbft, ald das Verbot, bie Sacramente zu empfangen: derjenige, ber wie ein Heide und Zöllner aus bem Schooße der Kirche ausgeftoßen wurde, fann doch unmöglich ale Ausfpender und Verwalter ihrer Gnade und Heilsmittel, als ihr Diener und Bevollmächtigter bei Vornahme ber heiligen Handlungen thätig fein. ieburd) würde nicht nur das Anfehen ber Kirche unb das einfache fittliche Gefühl bet Gläubigen in hohem Grabe verlegt, fonbern aud) bie den Sarramenten ſchuldige Ehrfurcht unb bie Achtung vor 855 532 Die Wirkungen der Ercommunlcation. den Kirchenſtrafen gröblich Dintangejept, davon ganz abges fehen, daß in ber Vornahme einer joldet Handlung zus glei) eine communicatio in sacris enthalten wäre. Won dieſem Gefidtópunfte aus hat denn aud) die Gefeggebung die Adminiftration der Sacramente und überhaupt bie Vers richtung irgend welcher heiligen Handlung den Ercommuni- cirten firenge unterfagt und erflärt, baf fid) Jeder bets felben im Uebertretungsfalle einer ſchweren Sünde fdjulbig made !). Ueber dieſen Bunft herrſcht unter den Ganoniftet nicht ber geringfte Zweifel: es fann fid) hier nur batum handeln, ob einzelne Fälle nicht denkbar felen, in welchen ein (rcommunicirter trop des firdjliden Verbotes und ohne eine Sünde zu begeben, ble Cpenbung eined Sacramentes . oder die Celebration der BI. Meſſe vornehmen dürfe. Die Möglichkeit folder Fälle ift allgemein zugeftanden und wenden mir unfer Augenmerk juerft auf den Ercom- municirten felbft, jo wird ihm aus bet Vornahme. ber einen ober andern ber in Rede ftebenben. Handlungen 1) c. ult. in. X de clerico excommunicato ministrante. 5. 27: „Si celebrat minori excommunicatione ligatus, lícet graviter peccat, nullius tamen notam irregularitatis incurrit.^ Wenn hier bie im Stande der Excommunicatio minor vorgenommene Gelebration der δ. Mefie als ein grave peccatum bezeichnet wird, fo muß der, mit bet Excommunicatio major Belegte durch die Darbringung des b. Opfers in nod viel höherem Grade fid) verfündign. In c. 4 X h. & wird bie Vornahme bet bi. Handlungen ein delictum genannt, das mit der immerwährenden Depoſition beftraft werben folle, — Wie febt die Kirche bie Darbringung des bl. Meßopfers burd) einen Ercom⸗ municirten verabfcheue, geht unter Anderem auch daraus hervor, baf bisweilen der Altar, auf dem εὖ gefchehen, niedergerifien, die babel bes nfigten Paramente verbrannt und der Kelch eingefchmolgen wurde. gl. Qurter, Sunnocenz III. $8». Il. €. 113. Die Wirkungen der Greomuiunicattoi. 533 | feine Schuld ermadjfen, wenn er nit wußte, taf er excommunicirt fel 1), ober wenn er durch Anwendung phyfifchen Zwanges ober Einjagung fchwerer Furcht — burdj Drohung mit bem Tode, Verftümmelung, Verluſt bed Vermögens iv. dazu gezwungen wurde oder wenn er ald Excommunicatus occultus durch Unterlaffung einer folden Handlung fein Verbrechen offenbaren unb baburd) großer Gefahr oder ſchweren Stadjtbeilen fid) aus- fegen würde 3), jedoch ift der legtere Ball an bie. breifache Bedingung gefmüpft, daß Fein Aergerniß gegeben werde, daß der Ercommunicirte bie Abjolution vorher nicht mehr - erlangen fónne und daß er vor ber Adminiſtration eine aufrichtige Neue erwede, denn fonft wird er von einer Sünde nicht freizufprechen fein. — Aber ber Grund, welder einen Ercommunicirten zur Cpenbung der Sacramente beredjtigt, Tann aud) auf Seiten des Empfängers liegen unb er tritt überall ba ein, wo biejer in dem áuferfen Nothfalle — in articulo mortis fi befindet. Daß die Taufe einem Gterbenben, falle Ἰοπῇ Niemand anweſend ift, ber fie abminiftriren fónnte 5), durch einen Ercommunicirten gefpenbet werben bürfe, unterliegt feinem ὦ Zweifel *) , denn die Taufe ift ein sacramentum summae 1) c. 9 X h. t. 5. 27: „Quia tempore suspensionis ignari ce- lebrastis divina: vos reddit ingnorantia probabilis excueatos. 2) Suares, |. c. Disput. XI. sect. 1. n. 4. Geiß, ‚Verwaltung der Sarramente S. 209 f. 3) Sft neben dem ercommunicirten Briefter noch ein Laie gegen, wärtig, fo fpendet der Lehtere bie Taufe Navarrus, Manuale, c. XXIL n. 7. 4) Augustin, De baptismo, L. I. c. 2: „Si quem forte coegerit extrema necessitas, ubi catholicam per quem accipiat non invenerit, et in animo pace catholica custodita per aliquem extra 534 Die Wirkungen ber. Excommunication. necessitatis, ohne fie ift die Erlangung des ewigen Heiles unmöglih: es verlangt daher bie chriftliche Liebe, viefe größte aller Wohlthaten unter feinen Umſtänden einem Sterbenven zu entziehen. — Nicht fo übereinftimmend lauten die Anfichten in Betreff des Sacramented ber Buße: angefebene Eanoniften behaupten "), dafjelbe könne aud in articulo mortis von einem Ercommunicitten nicht aeminiftritt werben, indem einerfeit8 zur gültigen Spen- bung die kirchliche Jurisdictionsgewalt unumgänglich noth- wendig fei, bie ja durch bie Ercommunication entzogen werde, andererfeits fónne hier von einem eigentlihen Falle bet Noth, ber die priefterlihe Thätigfeit eines Ercommunis cirten vechtfertigte, ble Rede nicht fein, benn wenn’ bet Eterbende eine vollfommene Rene — contritio perfecta — erwecke, verbunden mit bem Berlangen nad) dem Carta; mente, fo genüge bieB zur Sündenvergebung aud) ohne den wirfliden Empfang des Letztern 2), mithin fei bie Buße unitatem catholicam positum acceperit, quod erat in ipsa catholica unitate accepturus: si statim etiam de hac vita migraverit, non eum nisi catholicum deputamus.“ Cfr. L. VI. c. 5. Bei Gratian findet fid) die erflere Stelle c. 40 C. XXIV, q. 1. 3n demſelben Sinne fpricht {ὦ Urban IL aus Epist. XVII ad Lucium: „Subito mori- turo prius baptismate, quam Dominici corporis communione, vel aliis sacramentis consulitur. Et dum forte catholicus non invenitur satıus est ab haeretico baptiemi sacramentum sumere, quam in aeternum perire.“ Bei Hard. VI. II. p. 1649 Initio unb bei Gratian c. 6. Dist. XXXIL . 1) Navarrus, De poenit. Dist. VI. c. 1. n. 87. Coverruvias, Alma Mater, I. $. VI. n. 8. und tie bei Fagnani, Comment. ad c. 13 X de constit, 1. 2. n. 28 unb c. 11 X de sponsal. 4, 1. n. 1 ans geführten Autoren. 2) Trid. Sess. XIV. c. 4 de poenit: ,Docet praeterea, etsi contritionem hanc aliquando caritate perfectam esse contingat hominemque Deo reconciliare, priusquam hoo eacrementum aci Die Wirkungen der Gxconmunication. 535 fein sacramentum summae necessitatis, wie die Taufe, und deßhalb Fein Grund vorhanden, daffelbe in articulo mortis burd) einen Excommunicirten fpenben zu laffen. Allein die angeführten Argumente haben vie nöthige Beweisfraft nicht, um bie entgegengefegte Anficht zu entfräften. Denn was bie Firchliche Jurisbiction betrifft, ſo wird fte aller dings burd die Ercommunication entzogen over wielmehr ihre Ausübung fudpenbirt, aber nur für bie gewöhnlichen Berhältniffe des Lebens, nicht auch in articulo mortis: für ben lestern fall hat bie Kirhe, um das Seelenheil ihrer Kinder nicht zu gefährden, bie gültige Ausübung berjelben immer geftattet und das Triventinum räumt bie Gewalt in articulo mortis zu abfolviren, allen Prieflern ein, obue irgend eine Beichränfung beizufügen 1), alfo werben aud wir eine jolde nicht ftatuwiven dürfen, vielmehr vie in Rede ftehende Befugniß auch auf tie ercommunis cirten Priefter ausdehnen müfjen und zwar um fo mehr, ale εὖ fid) bier um, feine Gunftbegeugung gegen jene, —- fondern gegen bie Sterbenden handelt, melden bie Kirche die facramentale Abfolution unmöglich entziehen fann, bloß wegen einer Strafe, mit weldher ber Priefter belegt ift 9). Daß fobann ble contritio perfecta, wenn fie mit bem Verlangen nadj dem Sacramente verbunden ift, eusctpiatur , ipsam nihilominus reconciliationem ipsi eontritieni sine sacramenti voto, quod in illa includitur, non esse adscribendam.* 1) Sess. XIV. c. 7 de poenit: „Verumtamen pie admodum, ne hac ipsa occasione aliquis pereat, in eadem ecclesia Dei custoditum semper fuit, ut nulla sit reservatio in articulo mortis atque ideo omnee sacerdotes quoslibet poenitentes a quibusvis peccatis et cen- suris absolvere possunt. ^ 2) Giraldi, Expositio Joris Pontificii. Rom. 1829. P. U, p. 842. 586 Die Wirkungen der Greommiunicatlon, audj ohne ben wirklihen Empfang des letztern die &ünbens vergebung bewirfe, ift ausprüdliche Lehre der Kirche, aber ἐδ kann audj nicht in Abrede gezogen werben, daß eine foldje vollfommene Reue nur in ben feltenften Fällen — namentlih für Sterbende — erreichbar fei, daß in ber Regel die atiritio !) die δε Ctufe von Zerfnirichung und Neue fein werde, zu ber fie fid) erheben fönnen. Dieſe aber reicht zur Erlangung ber Sündenvergebung ohne den wirfliden Empfang des Sacramented nit hin 7): ſollen alfo die Gläubigen, um es milde auszubrüden, nicht einem zweifelhaften Schidjale entgegengeben, fo muß in arliculo morlis dad Sacrament ihnen gefpendet werben, biefes ijt mithin wie bie Taufe ein sacramentum summae necessitalis unb ebendeßhalb, wie dort, im Falle ber Noth aud) ein Ercommunicirter berechtigt, ἐδ zu adminiftriren ?). Dabei wird freilih als unerläßlihe Bedingung immer vorausgeſetzt, daß ein wirklicher Nothfall vorliege, d. D. daß εὖ durchaus unmöglich, fel, einen andern, nicht ercoms municirten Priefter ausfindig zu maden, um aus feinen - Händen das Cacrament zu empfangen, denn wenn ein 1) Contritio imperfecta, quae attritio dicitur, est dolor ac de- testatio de peccato commisso vel ex turpitutinis peccati consideratione, vel ex gehennae et poenarum metu conceptus, peccandique vo- Juntatem excludens, cum spe veniae. Cir. Trid. Sess. XIV. c. 4 de poenit. 2) Trid. |. c.: „Et quamvis attritio eine sacramento poenitentiae per se ad justificationem perducere peccalorem nequeat, tamen eum ad Dei gratiam ih sacramento poenitentiae impetrandam disponit.* 3) lieber die untidjtige Behauptung Fagnani's (1. c.) bie Con- gregatio Consilii habe entfchieden, daß ein ercommunlcirter Prieſter feibft in articulo mortis nicht gültig abſolviren könne, vgl. Giraldi, 1. c. P. I. p. 766, Die Wirkungen der Ercommunication. 537 folder gegenwärtig wäre‘, fónnte von einem Rothfalle bie Rede nicht fein), und weber ber Ercommunicirte das Sacrament gültig fpenben, nod) ber PBönitent dafjelbe in erlaubter Weife von ihm verlangen. Dieß gilt jelbft bann πο, wenn der Ercommunicirte vermöge feiner perjönlichen Eigenſchaften zur Vornahme ber BL. Handlung geeigneter, — gelehrter, erfahrener ıc. fein follte, als ver Andere, denn obwohl ber SRónitent, bejonderd in articulo mortis, auf fein Seelenheil mit ber größten Sorgfalt bedacht zu fein und immer ben beften Gewiſſensrath beiguziehen ver- pflichtet ift, fo Schließen bie vorliegenden Verhältniffe, wenn ter nicht ercommunicirte Priefter nur überhaupt fähig ift, das Cacrament würdig zu ſpenden, feinen Nothfall in ber Meife in fid), daß die Zuziehung des Grecommunicirten als gerechtfertigt erjcheinen fónnte. (δ᾽ mag dem Pönitenten überlafien bleiben, privatim und außerhalb des Sacramentes in befonderd wichtigen Angelegenheiten ven Letztern zu δὲς ratben, denn wo es fid) um das Geelenbeil Danbelt, ift, wie wir fpäter darlegen werden, ber. Umgang mit Grcom: municirten geftattet, aber bis zur wirklichen Admini— ration des Sacramentes darf diefe Einräumung nicht ausgedehnt werben. Die aufgeftellten Grundſaͤtze finden aud in bem Falle noch unbebingte 9Inmenbung, wenn ber Greommunicirte der eigene Pfarrer des 1) „Congregatio censuit, Sacerdotem alioquin idoneum, si tamen ad audiendas confessiones approbatus non sit, non posse valide a peccatis mortalibus absolvere poenitentem in articulo mortis consti- tutum, ubi parochus praesens jam perhibeatur paratusque sit in- frmi audire confessionem illumque absolvere, neque ulla. subsit causa parochum ipsum recusandi.“ Bei Gallemart, Concil. Trid, Sess, XIV c. 7 de poenit. 538 Die Wirkungen der Ercommunication. Pönitenten fein follte, benn da einerfeitd bel Spentung bet Sacramente ber würbigere Minifter bem weniger würdigen immer vorgejogen werben fol, und andererfeits tle pfarı- liche Syuridbiction burd) die Strafe des Bannes fuspendirt it, fo ftebt bier ber Pfarrer jevem andern Priefter, der zu Handen ift, nach, feine Eigenfchaft als parochus proprius fommt nicht mehr in Betracht und ebenbarum fann et bie Apminiftration des Bußfacramentes weder felbft bean; ſpruchen, nod ber Sterbende bajfelbe von Ihm verlangen ). — Was ba6 Sacrament des Altars betrifft, fo iR ἐδ zur Erlanguug des Heiled nicht abfolut nothwendig, weßhalb die Behauptung aufgeftellt wurde ?), es fónne in articulo mortis, eben weil fein Nothfall vorliege, von einem ercommunicicten Priefter ohne ſchwere SBerjünbigung nicht gefpenbet werden. Allein obwohl das Erftere feine vollfommene Richtigkeit hat unb bie daraus gezogene Sol gerung im firengen Sinne des Wortes nicht beftritten werben Fann, [o glauben wir bod) ber enigegengefehten Meinung ?) folgen zu müfjen, weil fie mit bec Liebe und Eorgfalt ber Kirche, die fie allen ihren Kindern, nament⸗ lich den Sterbenden gegenüber erweist, mehr im Einflange ftebt aló tie andere. Wenn wir aud) zugeben, die Eucha⸗ riftie fel an fid) Fein sacramentum summae necessitatis, [o ift auf der andern bod) Seite ebenfo wahr, baf fie in bet Ctunbe bed Todes von ben heilfamften Wirfungen fein unb bem Gterbenben zur größten Beruhigung unb zu uns bejchreiblihem Troſte gereichen werbe: warum follte bie 1) Suares, 1. c. n. 11. 12. 2) Alteríus, l. c. p. 84 seqq. und ble dafelbſt citirten Autoren. 3) Naverrus, Manuale c. XXII. n. 4. Sueres, I. c. ἢ. 17 seqq. Die Wirkungen der Greommunication, 539 Kiche fie ihm, ohne taf von feiner Seite irgend eine Verſchuldung vorliegt, im Falle ber áuferften Noth ent ziehen — bloß deßwegen, weil der Priefter, ber allein gegen: wärtig ift, ber Strafe bed Bannes unterliegt? Würde die - Kirche baburd) nicht die Sünde des Schulvigen am Un⸗ [huldigen ftrafen? Wenn bie Gefeggebung Demjenigen, ber in der Außerften leiblichen Noth fid) befindet, ge- ftattet, aus den Händen eines Grcommunicitten Brod unb Zebensmittel zu empfangen — und Jenem, fie zu geben, jolíte e8 mit ihrer milden, barmherzigen Gefinnung verein- bar fein, bem Sterbenven zu verbieten, das τοῦ bes Himmels im Ctanbe der größten geiftigen Verlafjenheit von einem Grtcommunicirten ftd) barreldjen zu lafien? Zwar wird geltend gemadjt, bag vie Gefege in articulo mortis bloß die Spendung der Taufe und Buße ausprüdlich ge- ftatten, nicht aber zugleich bie Euchariſtie, allein es läßt fid aud feine Beftimmung ausfindig machen, welche ihre Adminiftration verbieten würde, ja es finden fid) Stellen, aus welchen beutíid) hervorgeht, die Euchariſtie wolle für ben Ball ber áuferften Noth der Taufe und Buße gleich: geftellt werben. Während ber Dauer des Interbicted war ftrenge genommen bie Spendung jebeó Sarramentes unters fagt, ben Sterbenden jevoh, um Ihr Seelenheil nicht zu gefährden, der Empfang der Taufe und Buße geftattet 5: wenn nun Innocenz IL, indem er bie fegtere Einräu- mung aufs Neue beftätigt, Hinzufügt 2): „in illo verbo, per quod poenitentiam morientibus non negamus, eiaticum etiam, quod vere poenitenlibus exhibetur, intelligi volumus, 1) c. 43 X de sentent. excommun. 5. 39. 2) c. 11 X de poenit et remission. 5. 88, $40 Die Wirkungen der Exreommunlcation. ut nec ipsum decedentibus denegetur ,* fo fann et babel nur von der Erwägung geleitet gewefen fein, daß bie Df. Gudjariftie, wenn fle auch in Betreff ihrer Nothwendigkeit den beiden andern Sacramenten nicht vollfommen gleich⸗ fefe, doch ben Sterbenden um des bloßen Interbictes willen nidt vorenthalten werben dürfe, taf es vielmehr eine Forderung der chriſtlichen Liebe fei, ihnen biefelbe wie ble Buße gefeglid zu geftatten. Eolite hierin für unfer Ball nicht ble 9Inbeutung liegen, daß in articulo mortis unb in Ermangelung eines andern Priefters wie vie Buße fo auch das Sacrament beó Altar durch einen Excom⸗ muncirten abminiftrirt werden könne — unb wenn wir aud) nicht behaupten wollen, bag die Richtigkeit dieſer Anſicht über allen Zweifel erhaben fel, fo ijt fie doch jeden⸗ falls bie mildere und bem Sinne ber firhlichen Gefet: gebung angemefjenere.e Der can. ultim. C. XXIV. q. 1., wo von bem hl. Qermenegio rühmend hervorgehoben wird, et babe fid) beharrlich gemelgert, aus ten Händen eines Häretiferd die Kommunion zu empfangen, und ben Tod einem ſolchen Sarrilegium vorgezogen, fpricht nicht gegen unfere Behanptung, denn ber Kanon bezieht fi auf einen ganz andern. Ball: ber Heilige befand ſich nicht in articulo mortis, fonbern es Banbelte fih um ben Empfang ber Gudjari(tle zur Ὁ ftergelt; außerdem war εὖ nicht vie einfache Adminiſtration des Sacramentes, vielmehr folte darin eine Anerfennung und Aneignung ber Härefie liegen 1) — und gerade ble war der Grund, 1) „Superveniente autem paschalis festivitalis die; intempestae noctis silentio ad eum perfidus pater Arrianum episcopum misit, ut de ejus manu sacrilegae consecrationis communionem perciperet, atque per hoo ad pairie graliam redire mererglur." Die Wirkungen der Ercommunication. 541 warum er eó fo energifch gurüdroleó, zwei Umftänve, unter melden aud; nad unferer Anfiht die Euchariftie niemals aus ten Händen eined Ercommunicitten empfangen werben darf. — Die übrigen Sacramente — Firmung, lebte Oe⸗ lung, PBriefterweihe und Ehe — find zur Erlangung des Ceelenheiles in feiner Weife unbedingt nothwendig und ftehen in dieſer Richtung weit unter der hi. Euchariſtie, — ed wird deßhalb als Grunbjag feflzuhalten fein, ba fie in articulo mortis nie durch einen Ercommunicirten gefpenbet werben dürfen. Jedoch halten wir in Betreff ber legten Oe» fung und ber Ehe eine Ausnahme für zuläßig. Wenn ber Kranke in Bolge feiner fürperliden Leiden in ber Weife des Bewußtſeins beraubt ift, daß er weder ble facramentale Abſolution, nod) bie Gudjariftie empfangen fann, fo fcheint bie unctió extrema für ibn ein sacramentum summae ne- cessitatis infoferne zu werden, al8 bie attritio, zu ber er fid) vielleicht allein erheben fonnte, für fid) die Sünden, vergebung nicht bewirft, wohl aber, in Verbindung mit bem Sacramente, das ibm aljo, wie wir früher bei ber Buße bemerften, zur unerläßlichen Bedingung bet Seligfeit wird, folglich in viefem Außerften Salle aud) durch einen Grcommunicirten gefpenbet werben darf. Wie fid) aber derartige Fälle nur felten erreignen werben, gerabe fo verhält e8 fid mit ber Ausnahme in Betreff der Ehe. Wir glauben, bag ihr ein excommunicirter Pfarrer in ers laubter Weife affiftiren fónne, wenn fie auf bem Todbette ad legitimandam prolem eingegangen werben will und wegen Kürze der Zeit Fein anderer Priefter für bie Affir ftenz delegirt werden fann, denn hier handelt es ſich um einen großen Vortheil für bie Weberlebenven, deſſen fte nicht theilhaftig werden fónnten, wenn ber ercommunicirte 542 Die Wirkungen der Ercommmunication. Pfarrer unbedingt von ber Afliftenz ansgefchlofien wäre. Es liegt alfo wirflih ein δα! der äußerfien Roth vor, der zu Theilnahme des Pfarrers um fo mehr berechtigt, als ex dabei eigentlich fein &acrament (penbet ἢ), fonberm bem Acte, in welchem bie Rupturienten εὖ fid ſelbſt fpenben, bloß als Zeuge anwohnt *). Wenn wir von den bisher angeführten Ausnahms⸗ fällen, in welchen ver ercommunicirte Priefter ohne Sünde die Sacramente fpenden fann, abfeben, fo ift für ale andern Berhältniffe als oberfter Grunbfag feftzuhalten, daß ibm die Adminiftration derfelben ftrenge unterfagt fei: aber wenn er biefe Handlungen — die Verwaltung ber Sacra⸗ mente, die Darbringung des hi. Meßopfers, bie Spenbung ber firchlichen SSenebictionen — dennoch vornimmt, jo find fie, wenn dabei der Ritus der Kirche beobachtet wurde, vollfommen gültig und vermitteln Demjenigen, ber fiewürigempfängt, die ihnen innewohnende Gnade Denn auf vie Wirffamfeit der göttlichen Gnadenmittel hat einerjeitd bie perfönliche Würdigkeit oder Unwürdigkeit des Spenvers feinen. Ein fluß 5), anvererfeits vermag das bloße Verbot der Kirche, fobald bie von Chriftus vorgefchriebene Form und Materie fowie bie nöthige Intention des Minifters vorliegt, ber Entfaltung ihrer innern Kraft fein Hinderniß in den Weg zu legen. Dieß gilt mit Ausnahme ber Buße von allen 1) „Ex veriori et receptiori sententia parochus non est minister magni hujus sacramenti, sed est testis spectabilis.^ 8, Congreg. Concil. in Spoletana 31 Julii 1751 bei Richter, Concil. Trident. p. 229. 2) Bol. über blefe beiden Ausnahmefälle Suares, I. c. n. 23. 24. 3) Trid. Sess, VII, c. 12 de sacrament. Die Wirkungen der Ercommuntcation. 543 Gacramenten, Wenn einzelne Stellen, wie c. I. C. IX. q.I, wo ®regor ber Große fagt: ,Nos consecrationem dicere nullo modo possumus, quae ab excommunicatis ho- minibus est celebrata, ^ anjubeuten (deinen, bag bie von einem ezcommunicirten SBijdjofe ertheilte Weihe ungültig fei, fo flegt ber Widerſpruch mehr in den Worten, als in dem Gedanfen, den fie audbrüden wollen. Daß eine folche Ordination vollkommen Gültigkeit babe und ber Orbinans bus character indelebilis wirklich empfange, ift allgemein anerkannt !): der orbinirende Bifchof ertheilt auf die. Häntennflegung alles Dasjenige, was er felbft Dat, nur jene Vollmachten und SBefugnijje fann er nicht übertragen, ble er ſelbſt nicht befigt *). Nun aber hat bet ercommunis eirte Bifchof immer nod) den Orbo, ber ja der Seele uns ausloͤſchlich inhärirt, er kann ihn alfo mittheilen und bet Betreffende ift wirflid orbinirt; dagegen hat ber Biſchof, folange er in der Grgommunication verharrt, die Ausübung ber Ordimes nit, blefe kann er nicht mittheilen, ber Orbinirte ift alfo von ben Funktionen bet empfangenen Weihe (uSpenbirt. Das Gleiche ergibt fid aud denjenigen Gefegeóftellen, welche beftimmen, daß bet in biefer Weife Orbinirte die mit ber empfangenen Weihe verbundenen Acte ausüben dürfe, fobalb er bie nöthige Dies venfation erhalten habe 3): von einer Wiederholung der 1) Fagnani, Coment. ad c. 1 X de schismaticis. 5. 8. n. 29. 2) c. 18. C. I. q. 1: ,Sed e contrario asseritur, eum, qui hono- rem. amisit, honorem dare non posse, nec illum aliquid accepisse: * quis nibil in dante erat, quod ille posset accipere. Aquiescimus et verum est certe, quia quod non habuit, dare non potuit.^ Cfr. c. 24. C. I. q. 7. . 3) c. 2 X de ordinatis ab episcopo. 1. 19; „Cum clericis, qui e 544 Die Wirkungen der Ercommunlcation. Drdination ift nicht bie Rebe, — die von bem ercommunis cirten Bifchofe ertheilte Weihe war alfo an fidj gültig und nut die Ausübung derſelben unterfagt. Sollen bems gemäß die Worte Gregors nicht: mit ber in bet Natur der Sache gelegenen Anfchauung ber Kirche und deren au druͤcklichen Gefeggebung in offenem Widerſpruche ftehen, fo fónnen fle nicht den Sinn haben, als entbehre die Orbis nation an fid) und principiell der Gültigkeit, vielmehr wollen fie nur auébrüden, die von einem Excommunicirten ges . fpenvete Weihe [εἰ mangelhaft und unvollflänpig und fónne im ftrengen Sinne bed Wortes eine Gonfeccation nicht genannt werben, infofern fie die Ausübung der Sunctionen, ble fonft mit ihr übertragen werbe, nicht , mittheile.. — Wie mit der Ordination, jo verhält es fid) aud; mit ber Ehe, ble vor einem excommunicirten Pfarrer eingegangen wurde, — fte ift vollftändig gültig. Zwar wird hiegegen geltend gemacht, die Affiftenz des Pfarrers {εἰ ein Act ber Jurisdiction, tiefe aber habe er in Folge der Ercommunication verloren, alfo {εἰ feine Gegenwart wirfungslos und bie von ihm abgeſchloſſene Ehe ungültig H. Eelbft wenn bie Affiftenz des parochus proprius fein Aus» fluß der Jurisviction fel, fo habe feine Anweſenheit od jedenfalls ben Zweck, über die eingegangene Ehe ein öffents liches amtliches Seugnif abzugeben: ba aber die Excom⸗ munication bie Bähigfeit zur Zeugenfchaft entziehe, fo {εἰ die Ehe audj in diefer Richtung ungültig *). Allein bet erfte der angeführten Gründe, daß ble Affiftenz bed Pfarrers ab excommunicato episcopo ignoranter ordines receperunt, per suos . poterit episcopus dispensari.* Cfr. c, 4. 5 C. IX. q. 1. 1) Avila, 1. c. c. VI. disput. 1. in fin. , 2) Weiß, Archiv der Kirchenrechtswiſſenſchaft. VBd. I. ©, 96. Die Wirkungen der Excommunleation. 545 einen Jurisdictionsact in (id) Schließe, ift eine bloße Bes bauptung, bie mit Nichts näherhin erwieſen werben fann und ed wäre [don um befmillen ein febr gewagtes Bes ginnen, einer fo wichtigen Handlung, wie bie Eingehung ver Ehe ift, ohne Weiteres die Gültigfeit ab[preden zu wollen. Indeſſen laßt (id in pofitiver Weiſe vartbun, baf die Gegenwart des Pfarrers Fein Act der Juris bietion fei. Denn da alle Handlungen, bie aus ber Juris: bietion fließen, ungültig find, fobalb ihnen bie nöthige Ins tention und Zuftimmung bejjen mangelt, ber fie vornimmt 5, io müßte aud) bie Ehe ungültig fein, wenn fie corfm pa- rocho invito, vel per vim compulso, vel contradicente eingegangen wurde. Run aber ift allgemein befannt unb e8 liegen ausbrüdliche Entſcheidungen ber Congregatio Con- cilii darüber vor 2), baf eine berartige Ehe keineswegs ungültig fei: folglich fann bie Affiftenz fein Ausfluß ver Jurisdiction fein unb alfo ber limftanb, ba bie Ercom> munication bie Rechte ber letztern entziehe, feinen Grund abgeben für bie Nichtigkeit ber Ehe, welde vor einem ex» communicirten Pfarrer abgefchloffen wurde. Außerdem hat fi die genannte Gongregation aud birecte dahin andges ſprochen 9), daß die Affiftenz des Pfarrers fein Act ber Jurisdiction fei, vielmehr handle er dabei ald amtlicher Zeuge, um mit ben andern Zeugen tie Thatfache bes ftätigen zu fónnen, ba bie Nupturienten wirflid) eine Ehe 1) „Actus agentium non operantur ultra eorum intentionem." Cfr. Sanches, De matrimon. L. III. disput. 21. n. 4. 2) Bei Richter, Concil. Trid. p. 234 seq. 3) ,Parocbus in matrimonium nullam exercet jurisdictionem, sed est testis spectabilis, qui cum aliis testibus certam reddat ec- clesiam , hunc atque illam matrimonium contraxisse." Bei Richter, l. c. p. 229. Theol. Quartalſchrift. 1856. IV. Heft. 36 546 Die Wirkungen bet Ertomniunieation. eingegangen haben. Hiemit gelangen wir zum zweiten Grund, der gegen die Gültigfeit ber coram parocho ex- communicato eingegangenen Ehe geltend gemadjt wir. Allein aud) dieſes Argument beweist nicht, was es bes weifen foll, denn obwohl die Greommunicirten vom ger richtlihen Zeugniffe im Allgemeinen ausgeſchloſſen find, fo übt dieß doch auf bie Affiftenz des Pfarrers feinen Ein, fluß: das Tridentinum verlangt einfach feine Gegenwart, ohne überjeine etwaigen Eigenfhaften etwas Näheres zu bemerfen, es will alfo — in favorem metrinfbnii — wie die Übrigen Zeugen fo auch ben Pfarrer zulafien, fobalp er vermöge feiner leiblihen und geiftigen Dispofition nur überhaupt fähig ift, ven .Gonfenó zu vernehmen und ibn nachher zu bezeugen, eine Ans forberung, welcher auch ber ercommunicirte Pfarrer voll ftändig entfprechen fann. Der Umftand, daß die Excom⸗ municirten fonft von ber Zeugenfchaft ausgejchloffen find, fommt bier nicht in Betracht, denn das Decret. des Tri⸗ dentinums weist ihn ausdruͤcklich nicht zuruͤck und wir haben, ba e$ ein decretum odiosum ift, fein Recht, über bem Mortlaut desfelben hinauszugehen und ftrengere Bedingungen zu ftellen als es felbfl. — Die Gründe, welde für ble Ungültigfeit einer folden Ehe angeführt werben, find bem gemäß nicht ftidfaltig: aber wenn wir bie tridentinifche Beftimmung als ein decretum odiosum auffaffen unb firicte interpretiren, fo ergiebt fid) bie Richtigfeit unferer Anficht aud) pofitio aus feinen eigenen Worten. Das Goncil ver langt die Anmwefenheit des Pfarrers: bie ift aber aud πο der Ercommunicirte, er verliert in Folge dieſer Strafe fein Beneficium nicht !), eà tritt feine Erledigung des letztern 1) gár ! die entgegengefegte Anficht beruft fid) der Verfaſſer der Vi» Die Wirkungen der Grtommunication, 547 ein und wenn er aud) für ble Dauer ber Ercommunlcatlon ber Einfünfte beraubt ift unb bie Functionen des Amtes’ in erlaubter Weife nicht ausüben fann, — Inhaber feiner Pfründe, alfo in unferem Sale Pfarrer it er immer nod. Aſſtiſtirt er einer Ehe, fo wird viefe in’ Wahrheit coram parocho abgeſchloſſen, fie ift alfo gültig, benn bet Forderung be8 Triventinums ift vollftánbig Ge; nüge gefchehen. Bon diefem Standpunkte απὸ Dat aud die Congregatio Concilii die Frage aufgefaßt, indem‘ fie in einer eigenen Declaration erflärte, eine coram parochó ex- communicato eingegangene Ehe [εἰ gültig und beftehe zu’ Recht 1). — Freilich das darf nicht aufer Acht gelaffen werden, daß e8 fid) hier immer nur um die Gültigfeit' eines Actes handelt, der im Widerſpruche mit bem firdy handlung bet Weiß, Archiv a. a. D. €. 98 auf c. 53 $. 1 X de appellation. 2. 28: „Consuluisti nos, utrum, si quis excommuni- cationis sententia innodatus, ante denuntiationem ipsius ab ea, tan» quam minus rationabiliter promulgata, in eo casu, in quo ante sen-. tentiam appellatio vires obtinuisset, curaverit provocare, eo quod per appellationem interpositam excommunicantis videiur jurisdictio dormitasse, ipse denuntiare possit eundem et ad tempus ecclesiasticia beneficiis ciericum spoliare. Nos itaque respondemus, quod, cum exequutionem excommunicatio secum trahat et excommunicatus per denuntiationem amplius non ligetur, ipsum excommunicatum de- nuntiare potes, ut ab aliis evitetur. Et illi proventus ecclesiastici merito subtrahantur, cui ecclesiae communio denegatur.^ Allein daß υἷε Worte: ad tempüs ecclesiasticis beneficiis clericum spoliare nicht, von bem förmlihen VBerlufle bea Beneficiums verflanden werden fönnen, fondern auf die Entziehung des Einfommens zu deuten feien, ergibt fid fav aus bet Antwort, bie der Papſt in Betreff dieſes Fragepunktes ertheilte: et illi proventus' ecclesiastici merito subtra- hantur, cui ecclesiae communio denegatur. 1) S. Congreg. Concil. 3. Mart. 1594. Bei Barbosa, Summa Apostol. Decisionum. s. v. matrimonium, n. 7. 36* 548. Die Wirkungen der Ercommunication. lichen 9tedjte einmal vorgenommen ift; daß er unerlaubt fei und der ercommunicirte Pfarrer eine fchwere Cünbe be gebe, verfteht fid) von felbft. In den gewöhnlihen Ber; hältnifjen hat er fid) ver ?lffifteng zu enthalten unb es wird entiweder ber Biſchof durch Ernennung eines Etellver treterd die nöthige Vorſorge treffen ober, fall tieg nod nicht gefchehen konnte, bet Ercommunicirte einen andern Priefter zur Anhörung der Eonfenserflärung belegiren, was der Erftere troß ded Bannes in gültiger Weife thun kann, benn eine foldye Delegation ift nad) der richtigeren Anficht gleichfalls fein Jurisvictionsact 3). — Bon der allgemeinen Regel, daß die Gnabenmittel ber Kirche, von Ercommuni- cirten gefpenbet, gültig feien, madt Ὁ α ὁ Sacrament der Buße eine Ausnahme. Da die Apminiftration desfelben nicht nur bie potestas ordinis voraugfegt, fonbern zugleih ein Ausfluß ber kirchlichen Jurisdiction ift 7), bie (egtete aber durch bie Ercommunication entzogen wird 3), fo muß bie facramentale Abfolution ex defectu jurisdictionis nichtig fein; außerdem begeht ber Pönitent durch ben Em; pfang feinerfeits eine Sünde, es mangelt mithin die Inte: 1) Senches, |. c. n. 6 seq. 2) Trid. Sess. XIV. c. 7 de poenit: ,Quoniam natura et ratio judicii illud exposcit, ut sententia in subditos duntaxat feratur, per- suasum semper in ecclesia Dei fuit, et verissimum esse synodus haec confirmat, nullius momentí absolutionem eam esse debere, quam sacerdos in eum profert, in quem ordinariam aut subdelegatam non habet jurisdictionem." 8) c. 4. €. XXIV. q. 1; c. 24 X de sentent. et re judic. 2. 27 ; c. 1 de offic, vicar. VI. 1. 13; c. 10 de offic. jud. delegat. VI. 1. 14. Diefe Stellen reden zunaͤchſt nur von bet Aufhebung der Juris biction in foro externo, aber fie werden von den (δαποπίβεπ allgemein aud) auf bie Gerichtsbarkeit in foro interno bezogen, da fein Grund vorliegt, bei ber leßtern eine Ausnahme zu flatuiren. Die Wirkungen der Grecommuntcatipn. 549 grität be8 SBefenntniffeó unb bie nöthige Neue, zwei Mos mente, die fon für fid allein das Cacrament ungültig madten, aud) wenn bet Spender ber erforderlichen Juris⸗ distion nicht entbehren würbe. Jedoch treten biefe Verhält: niffe nur bann ein, menn ber Empfänger des Sacramentes wiffentlid und in bófer Abſicht handelte: befand er fid) dagegen ohne fein Verſchulden in Betreff der Gr: communication des SBriefteró in einem unbefiegbaren Irrs thume und erfüllt er, foweit in feinen Kräften fteht, ge» wilfenhaft alle Bebingungen, bie zu einem würdigen Ems pfange gehören, fo wird der facramentafen Abfolution bie Gültigkeit nicht mangeln, denn in biefem Kalle ftebt dem SBónitenten ein vollgültiger Entſchuldiungsgrund zur Seite"), die Integrität des Befenntnifjes ift nicht beeinträchtigt unb ble nöthige Neue vorhanden; auf Seite des Priefterd aber wird bie mangelnde Jurisdiction von der Kirche zu Bunften des Empfängers fupplirt 2), weil ed nicht in ihrer Intention liegen Fann, einen ihrer Angehörigen ohne [εἰπε Schuld und bloß deßwegen der facramentalen Gnade zu berauben, weil ber abfolvirende Priefter in der Ercoms munication ftd befindet. Wenn aber bie meiften Cano⸗ niften diefe Vergünftigung auf ben Fall befchränfen, wo ber Irrthum in Betreff der Ercommunication des Priefters ein allgemeiner ijt und von ber Öefammtheit der Gemeinde getheilt wird, dagegen das Cacrament für ungültig erflären, fals ver Empfänger bloß in einem Brivatirrthume fih befunden habe, fo ift nicht wohl einzufehen, womit biefe Unterfcheidung begründet werben c. 9 X de clerico excomm, ministrante. 5. 27, 2) L. 8. Dig. de offic, praetor. 1. 14. \ 550 Die Wirkungen der Ercommunication. fónnte. Die Kirche fupplirt bie Iurisdiction lediglich in - ber Abfiht, daß Feines ihrer Mitglieder unverjdulbet ber göttlichen Gnade verluftig gehe: ift aber tiefe Rüdficht ber Milde und Barmherzigkeit nicht ebenfo nöthig, wenn der Einzelne in ber angegebenen Richtung für fi allein In einem unbefiegbaren Srrtbume fid) befindet, ald wenn bet legtere bet Gefammtbeit fid bemädhtigt bat? Iſt der Einzelne, der, wie natürlich immer vorausgejegt wird, abfolut außer Ctanb war, die Ercommunication des Abfolvirenden zu entbeden, unb demgemäß bona fide unb im aufrichtiger Abfiht das Eacrament empfängt, feiner: ſeits Nicht ebenjo unjdjulvig, aló eó die Geſammtheit bei einem allgemeinen Irrthume ij? — Mit woeldem Rechte wirde alfo bie Kirche ihm die in Stebe ftehende er; günftigung entziehen, während fie diefelbe ver Gefammtbeit engebeiben läßt? Wäre man für einen ſolchen Fall nicht zu der Annahme genöthigt, fie trage für das Seelenheil des Einzelnen, baó bod) aud) von unenblidem, unermeß- [idem Werthe ift, weniger Sorge, als für das ber Ge; fammtfeit? Eo wenig bie genannte Unterfcheidung in der Natur bet Cadje gelegen ift und auf Vernunftgründe ges ftügt werben fann, ebenfowenig läßt fid) für biefelbe irgend eine Gejegeóftele namhaft machen, im Gegentbeife, die L. 3 Dig. de offic. praetor., welde von ben Ganoniften anger rufen wird, [prit für unfere 9Infit. Es ijt befannt, vag nad rómijdjen Rechte bie Eclaven unfähig waren, Staats⸗ ämter zu beflelben 1). Nun hatte fid) ein entlaufener Sclave, Namens Barbarius Philippus, in Rom um die Prätur bes worben unb biefelbe erlangt, weil man ihn irrthümlich für 1) „Quod attinet ad jus civile, servi pro nullje habentur," L. 32 Dig. de regul. jur. 50. 17. m ' A Die Wirkungen der, Grcommunicatton, 951 einen Freien hielt. Nachdem er einige Zeit fein Amt vet» waltet hatte, wurben feine wahren perfünlichen Verhältnifje entbedt und εὖ handelte fid jegt barum, ob feine Amts⸗ handlungen rechtliche Gültigkeit haben? Ulpian bejaht bie Frage und vindicirt feinen richterlichen Acten gefegliche Kraft „propter utilitatem eorum, qui apud eum egerunt." Alfo um ber Einzelnen willen follen feine vichterlichen Gut[djelbungen Rechtskraft haben, zu Gunften ber Ein zelnen, die feine öffentliche Auctorität in 9Infprud) nahmen, fol der Irrthum in Betreff feiner perſönlichen Verhältnifje ohne Wirkung fein. Die Rüdfiht auf das Wohl ber Ein- zelnen ift hier das entjcheidende Moment. Warum follte ‚die nämlihe Anſchauung nidt audj auf die Bußgerichts- barfeit Anwendung finden und das Wohl des Einzelnen ausſchließlich ber Gefihtspunft fein, ber bei Entſcheidung ber vorliegenden Frage allein in Betracht fommt? Iſt vieg aber einmal anerfannt, fo muß jene Unterſcheidung bin: wegfallen und e8 als unwesentlich betrachtet werben, ob ber Irrthum des Pönitenten ein allgemeiner ober bloß privater geweſen jei, denn bie Rüdficht auf das Seelen- heil verlangt die Eupplirung ber Syuridbiction bei dem legtern ebenfo dringend und mit bemfelben Rechte, wie bei dem erftern. — Wenn ein Ercommunicirter, ben lebtges nannten Wall des unverfchuldeten Irrthums abgerechnet, das Sacrament der Buße nicht gültig zu fpenden vermag, jo fann er aud) zur Adminiftration desjelben einen andern Priefter nicht gültig delegiren, denn ba ber Gegenftand, ber belegitt wird, eine Jurisdictionshandlung ift, fo ift εὖ and die Delegation felbft 1), mithin, von einem Excom⸗ 1) L. 3 Dig. de jurisdict, 2. 1: „Jurisdictio est etiam judicis dandi licentia." 552 Die Wirkungen der Ercommuntcation. municirten vorgenommen, ungültig. Aus vemfelben Girunbe fann der excommunicirte SBifdjof feinem ‘Priefter feiner Diöcefe In gültiger Seife die zur Verwaltung des Buß⸗ ſacramentes nöthige Approbation ertheilen. Der Excommunicirte macht fi durch Cpenbung bet Gacramente oder Vornahme anderer bf. Handlungen nidt nur einer ſchweren Cünte ſchuldig, fondern er verfältt aud beftimmten kirchlichen Strafen. Nach be ältern Disciplin traf ibn immermübrenbe 9[bjegung. Das Concil von Antiohien!) im S. 341 fagt c. 4: „Wenn ein Bifchof von der Synode verurtheilt wurbe ober ein Priefter ober Diacon von feinem Bifchofe, und ed wagt, irgend eine Function feines Amtes vorzunehmen, [εἰ εὖ al Biſchof ober als Diacon, fo foll es ibm nicht geftattet fein, weber auf einer andern Synode Hoffnung. auf Mievderherftellung, nod aud Grlaubnig zur Ders tbelbigung zu haben, vielmehr find Alle, tie mit ifm vers febrten, aus der Kirche auszujchließen, namentlih wenn fie die über ifn verhängte Sentenz fannten und es dennoch wagten, mit ibm in Gemeinſchaft zu treten.” In gleichem Sinne verorbnet die zweite Synode von Carthago 3) (im I. 390) c. 8: „Wenn ein Presbyter von feinem Bifchofe ercommunieirt worden ift, fo fann er bei ben benachbarten Biihöfen Klage erheben, worauf ble legterm feine 9Inge legenheit unterfuchen und ihn mit bem Bifchofe wieder ber» fóbuen foffen. Wenn er diefed aber nicht thut, ſondern 1) Bei Hard. 1. p. 595 unb Gratian c. 6. C. XL 4. 3. Saft wörtlich ift die Stelle wiederholt in den Capitula Martini episcopi Bracarensis c. 37. Hard. Ill. p. 396 und in diefer Faſſung audj in das Decret übergegangen. c. 7. C. XI. 4. 3. 2) Bel Hard. 1. p. 953 und Gratian c. 5. C. XI ς 8. Die Wirkungen der Greommunicatton. 553 von Stolz getrieben, gänzlih vom Biſchofe fid) lostrennt unb ein Schisma herbeiführend abgefondert das hl. Opfer tatbringt, jo foll er als ein Gegenftanb des Fluches an; gefehen und von feiner Stelle entfernt werden.“ Diefelde Strafe der Abſetzung ſpricht die eilfte Synode von Carthago im, J. 407 c. 11 über diejenigen Glerifer ans, meldje, von ihrem Biſchofe ercommunicirt, nad) Stalien fid) begeben und dort in die Kirchengemeinfchaft einfchleichen, Ὁ. b. die Functionen ihres Ordo unerlaubter Weife wieder vornehmen !'). — Der Umftand, daß bie aufgeführten Gas nones, mit Ausnahme des leptern, fámmtlid in das allge meine Gefegbucd der Kirche aufgenommen wurben, liefert den Beweis, daß bie Abſetzung für das in Rede ftefenbe Verbrechen auch πο fpäter allgemein zur Anwendung fam: bie Größe ber Strafe εὐ εἶπ! ber Schuld gegenüber qud) als vollfommen- gerechtfertigt, denn in der Cpenbung bet Cacramente 2c. liegt von Seiten des Grcommunicitten eine frevelhafte Verachtung ber Firchlichen Auctorität, eine große Ilnehrerbietigfeit gegen die HI. Sacramente und vie. nahe Gefahr des Schismas. Nichtsdeſtoweniger ift das Decretalenreht von jener urfprünglichen Strenge abgegangen; ed Toll bie Violatio censurae in erfter Linie nicht mehr mit förmlicher Depofition und dem Verluſte des Benes fiiums, fondern mit ber Srregularität beftraft werben. Der Eintritt der letztern ift nun zwar in feiner Geſetzes— flelfe direct ausgefprochen, aber wenn die Sufpendirten 3) 1) „Quicumque autem non communicans in Africa, in trans- marinis ad communicandum obrepserit, jaciuram clericatus ex- Cipiat.^ Ber Hurd. I. p. 923. 2) c. 1 de sentent. et re judic. VI. 1. 14: „Ab exequutione officii per annum noverit se suspensum, sciturus, quod, si suspensione 4 554 Die Wirkungen der Ercommuntcation. und Interdicirten ) für ben Ball, ta fie eine heilige Handlung vornehmen, mit der Irregularität bedroht find, unb die Grcommunication als f o[dje tie Sufpenfion und das Inderdictum personale in fid ſchließt, fo folgt mit Nothwendigkeit, tag tie Irregularität für den genannten Sall um fo mehr die Gxcommunicirten treffen müfle. Diele Schlußfolgerung ift von ben Eanoniften allgemein aner—⸗ fannt *) und es herrſcht hierüber nicht Ver geringfte Zweifel, ja das Gefeg felbft ftellt fid) nicht unbeutlid auf ben gleichen Standpunkt, denn wenn c. ultim. X de clerico excomm. ministrante 5. 27, gefagt wird ?), daß Derjenige, ber im Stande der Fleineren Ercommunication celebrirt, zwar ſchwer fid) verfündige, aber nicht in bie Irregularität verfalle, fo ift damit ziemlich deutlich ausgefprochen, daß das Qeptere bel Demjenigen eintrete, der celebrirt, während er in der Excommunicatio major ſich befindet *). — Die angebrobte Irregularität trifft den Ercommunicirten ipso facto in bem Augenblide, in welchem er fid) ber verbotenen Handlung fchuldig macht, und es ift hiebei gleichgültig, ob die Grcommunication eine öffentliche ober geheime fel, denn die Gefebgebung macht zwifchen beiden feinen Unterfchieb durante damnabiliter ingesserit se divinis, irregularitatie laqueo se involvet secundum canonicas sanctiones." c. 1 de sentent. excomm. VI. 5. 11: „Si contingeret eos, sic suspensos, divina officia exsequi, sicut prius, irregularitatem non effugient." 1) c. 20 de sent. excommun. VI. 5. 11: „Is, cui est ecclesiae interdictus ingressus, irregularis efficitur, si contra interdictum hujusmodi divinis in ea se ingerat, in suo agens officio sicut prius." 2) Cavarruvias, Alma Mater, I. 4. VI. n. 9. 3) ,Si cejebrat minori excommunicatione ligatus, licet graviter nujlius tamep natam irregularitatis incurrit." 4) Engel, Colleg. Universi Jur. can. L. V. tit. 39. $ 2. n. 65. Die Wirkungen der Ercommunication, 555 und bie Bulle Ad vitanda kann bier nicht in Betracht fommen '), weil burd) fie nur den Gläubigen, nicht aber den Grcommunicirten eine Bergünftigung zugewendet werben will, was offenbar ber Wall wäre, wenn ein Ex- communicatus toleratus in die genannte Strafe nicht ver fallen würde. — In gleicher Weife trifft die Irregularität nicht bloß: die Majoriften, fonbern auch bie Minoriften, die ald Ercommunicirte irgend eine Handlung ihres Ordo feier ih unb in ber Eigenfchaft αἱ Orbinirte vornehmen, denn bie Gefege machen auch bier feinen Unterfchied, — fte bes Proben mit ber SIrregularität nicht bloß vie Presbyter, Diacone unb Gubbiacone, ſondern überhaupt die Eles .tifer ?), aud) führt ber ganze Titel bie Ueberfchrift: de clerico excommunicato ministrante. Da nun bie Mings tiften fo gut ald die Majoriften unter ben Begriff bet Cleriker fallen 3) und bie Gefepe, die in allgemeinen Aus» druͤcken reben, willfürlich nicht reftringirt werden dürfen ?), jo fónnen bie Minoriften jenen: Strafandrohungen gegenüber feine Eremption in Anſpruch nehmen 5), wie denn aud die römifhe PBönitentiarie am 20 December 1650 ausprüdlih in biejem Sinne entſchieden hat 9. — Der wirflide Eintritt ber Irregularität ift an zwei Bes 1) Reiffenstuel, Jus Can. L. V. tit. 27. n. 19. 2) c. 2. 3. 6. 7 X de clerico excommun. minist. 5. 27. 3) c. 1 Dist. XXI. ,Generaliter autem clerici nuncupantur omnes, qui in ecclesia Christi deserviunt, quorum gradus et nomina haec sunt: Ostiarius, psalmista , lector, exorcista, acolythus, sub- diaconus, diaconus, presbyter, episcopus.“ 4) c. 22 X de privileg. 5. 33. 9) Pirhing, Jus can. L. V. tit. 27. $. VI. n. 37. 6) Fagnani, Comment. ad c. 2 X h. t. n. 17. 3Bgl. eine hieher gehörige Sleuferung Benedicts XIV. bei Girajds, 1. c. P. I. p. 700, 556 Die Wirkungen der Ercommunication. dingungen gefnüpft, die wohl zu beachten find. Nach bet erften muß die Firdhlihe Handlung, tle ber Ercommunis eirte verrichtet, ein Ausflug des Ordo fein und von ihm ex officio al8 Diener der Kirche unb in feier [idjer 9B eif e vorgenommen werden, denn nur von btefen Funftionen reden bie betreffenden Gefebe, bie wir, ba fie Etrafbeftimmungen enthalten, über ihren Wortlaut nicht ausdehnen dürfen. Demgemäß hat bie Darbringung bes bí. Meßopfers, die Spendung der Gacramente, die Bor: nahme ber firdjfiden Benerictionen jedesmal die Irregu⸗ larität zur unmittelbaren Folge, während bie legtere bei denjenigen Acten, die nicht aus bem Ordo fließen, — Be: erdigung, Predigt, Affiftenz bel ver Ehe, Ertheilung von Dispenfationen, Verleihung von Beneficien, Betheiligung an firdjfid)en Wahlen, obwohl ber Betreffende ſchwer fid verfündigt, nicht in Wirkfamfeit tritt 1), Ebenſo macht tie Spendung ber Nothtanfe den excommunicirten Elerifer nicht irregulär, weil er bier weder von feinem Ordo Gebraud macht, noch als Diener ber Kirche thätig ift, fondern eins fad; eine Handlung vornimmt, zu welcher auch febev ale im alle ber Noth berechtigt ift; aber wenn ein ercommuni« cirter Priefter, nachdem die Nothtaufe burd einen Laien bereitö gejpenbet worben ift, ble Taufceremonien nadjbolt, [o contrahirt er die Irregularität, weil die ſe Bunctionen ein Ausfluß des Ordo find unb von ihm feierlid, in feiner Eigenfchaft al ‘Priefter, vorgenommen werden. Die gleichen Principien gelten in Betreff der ordines minores: werden fie von einem Grecommunicirten in felerliher Seife und ex officio ausgeübt, fo ziehen fie bie genannte Strafe under 1) Rei fenstuel, 1. c, n. 6. Die Wirkungen der Creommunication, 557 bingt nad) fid. Da aber die mit denſelben verbundenen Sunctionen nad gegenwärtiger Praris, freilich im Wider (pude mit ben Beftimmungen des Tridentinums !), foft ausfhließlih von Laien vorgenommen werben, fo wird ein Cleriker, ber fie ohne alle Beierlichkeit, ohne bie bes treffende Kirchenkleivung und ganz in ber Weife ansübt, wie εὖ regelmäßig von Laien gefchieht, nicht irregulär, denn er handelt hier nicht ex officio und als orbinirter Diener ber Kirche, fonbern gleidjjam ald Laie ?). Die (rage, ob ven PBriefler, der im Stande ber Ercommunication das Sarrament ber SBu fe [penbet, ebenfalls bie Irregularität ^ treffe, ift vielfach verneinenb beantwortet unb dafür gels - tend gemacht worben, daß er, weil bie Handlung ungültig und ohne Wirkung iei, eigentli Fein Sacrament ſpende, außerdem fepe die Irregularität immer ein voll enbeteó Verbrechen voraus 3), Hier aber liege nur bet Verſuch vor: allein äußerlid nimmt ber Betreffende bie bi. Handlung im feierliher Weile, als Diener der Kirche und unter Beobachtung des kirchlichen Ritus vor, er thut, jo viel an ihm liegt, Alles, was zur wirklichen Spenbung bed Sacramentes gehört, er mad ſich be8 Ungehorjams gegen bie beftebenben Geſetze und ber Unehrerbietigfeft gegen das Sarrament in gleihem Maaße, wie bei Spens bung jebe8 andern, ſchuldig, es wird ihm alfo. aud bie gleiche Ctrafe treffen: ob ber Act von feiner innern Wir- fung begleitet fei oder nicht, ift hier ohne Sebeutung. Auch 1) Sess. XXIII. c. 17 de ref. 381. die Entfcheidungen bec Con- gregatio Concil. bei Fagnani, Comment, ad c. 2 X de clerico ex- commun. minist. 5. 27. n. 19. 20. 2) Pirhing, 1. c. n. 39. Reiffenstuel, |. c. n. 22. 3) Reiffenstuel, Jus can. L. V. tit. XII. $. 2. n. 31, 558 Die Wirkungen der Excommunication. bei tet Wiedertanfe wird das Gacrament und felite Gnade nicht gefpentet, die Handlung ift innerlich ohne Wirkung und vod wird nah ausbrüdlichen Beflimmungen teó Rechts derjenige Elerifer, ver die äußeren Geremonien, vornimmt ober anch nur bei benjelben fid betheiligt, uns bedingt irregulär '): das Gleiche wird alfo auch bei der Buße der Fall fein. — Die zweite der obengenannten Bedingungen, ohne deren Vorhandenfein bie Irregnlarität nicht eintritt, geht dahin, daß ter verbotene Weiheact mit Wiifen und Willen und in der böslichen Ab- fücht, baburd) bie Vorfchrift der Kirche zu verlegen, vot, genommen worben fei, denn bie Irtegularität ift als Strafe aufzufaffen, die als ſolche immer eine perjönlihe Schuld vorauéfebt, alfo nicht Platz greifen fann, wo das be wußte Handeln und bie bösliche Abficht fehlt: meg; halb audj ble Geſetze, die für unfern Hal die Irregularktät' androhen, immer in Ausbrüden reden, bie auf eine wiſſent⸗ liche und abfichtliche Verlegung des Firchlichen Gebotes Bin; weifen — „qui praesumserint divina officia celebrare ?), qui damnabiliter se ingesserit divinis^ etc. 3). Hietaus ers geben ὦ als unmittelbare Conſequenzen folgende Grund» füge: a) Wer fih in Betreff feiner Ercommunion in einem unüberwindlichen Irrthum befand, verfällt durch ble Vor⸗ nahme eines ber verbotenen Welheacte nicht in die Irregn⸗ larität ^); dagegen wird fte ihn treffen, voetut der Irrthum ein felbftverfchulveter war und durch Anwendung einiger 1) c. 2 X de apostat. 5. 9. 2) c. 4 X h. t. 5. 27. 8) c. 1 de sentent. et re judic. VI. 2. 14. 4) c. 9 X b. t. 5. 27. Die Wirkungen der Excommunication. 559 Mühe Hätte befeitigt werben Fünnen 1), venn im einem ſolchen Salle liegt Fein Entfchuldigengsgrund vor. Dad Gleiche finvet ftatt, wenn ber Glerifer von feiner Ercoms munication Kenntniß hatte und zugleich wußte, daß tie Bomahme τώ εν Handlungen ihm in Bolge hievon unterfagt fei, jedoch darüber in Unmifjenheit fi, befand, daß auf ben Vebertretungsfall die Irregularität gefept fel, benm ed wird nicht behauptet werben fónnen, baf bet feßtere Umftand jede bösliche Abficht ausfchließe und von ber Schuld, das Gebot ber Kirche übertreten zu haben, frei made 2). b) Wenn ein ercommmnicirter Priefter, weil ein anderer nicht anweſend ift, in articulo mortis die Sa— eramente fpenbet, — ober eine Bunction feines Orto vot: nimmt, weil er durch ble Unterlaſſung berfelben fein Ver⸗ gehen entbeden und fid) großen Stadjtfeilen an Ehre over Leben auéfegen würde, fo ift er, wie wir bereits oben bes merften, von jeder Verfchuldung frei und ebendeßhalb ber Srregularität nicht verfallen 5). c) Diejenigen Cleriker endlich, welche in einer offenbar und erweislich ungültigen Greommunication ſich befinden, contrahiren durch Verrich⸗ tung eines Weiheactes die Irregularität nicht, denn da eine ungültige Eentenz ohne alle rechtliche Wirkung ift, fo fönnen (te fid) burd) Nichtbedbachtung verfelben feine Ver: ſchuldung unb alfo aud) feine Strafe zuziehen 4); wobei freilich bemexft werben. muß, bag fie, wenn die 9tullitàt 1) Glossa: ad c. 9 cit. verb. probabilis. 2) Thesaurus, De Poenis ecclesiast. s. V. Ceteurae, c. XI. n. 1 in fin. 3) Reiffenstuel, l; c. L. V. tit. 27. n. 11. 12. 4). ,Non debet is poenam canonicam sustinere, in cujus dam- natione non est canonica prolata sententia." c. 64. C. XL. 4. 3. 560 Die Wirkungen der Creommunicatios. der Sentenz nicht allgemein befannt ift, um ein etwaiges Aergerniß zu vermeiden, der öffentlihen Sunctionen fid zu enthalten haben. — Anders, als bei der vollen Gewiß- heit in Betreff der Nichtigkeit der Grcommunication, vers hält εὖ fi im Falle eines bloßen Zweifels. Diefer ift in vierfader Zorm móglid. Einerſeits fann der Cleriker zwar willen, daß vom Richter der Bann über ihn ausges fproden wurde, aber er ift darüber im linflaren, ob et wirflih aus einem gejeglihen Grunde unb unter Beobach⸗ tung bes vorgefchriebenen Proceßverfahrens erfolgt fei, ober er fann, weil ihm bie Sentenz nicht förmlich infinuixt wurde, darüber zweifeln, ob das Gerücht, weldhes über feine Er; communication ihm zu Ohren gefommen, wirflih wahr fei unb Glauben verdiene. 9Inbererfeitó kann er bei dem ipso facto eintretenden Banne barüber in Ungewißheit fid) bes finden, ob vom Gejege auf das Vergehen, deſſen er fid) ſchuldig gemadjt, wirkli bie Ercommunication geſetzt fei, ober umgelehrt, ob die That, bie er begangen, in Wahr: heit dasjenige Verbrechen fei, das, wie er weiß, mit bem Banne belegt if. In allen biejen Fällen ber Ungewißheit und des Zweifel über das wirkliche Vorhandenſein ber Ercommunication Bat fi der Glerifer jeder kirchlichen Funktion zu enthalten 1), weil hier der allgemeine Grund» fag zur Anwendung fommt, taf im Zweifel der ficherere Weg zu wählen [εἰ *). Verrichtet er dennoch irgend einen Pd -— — 1) c. 5 X ἃ. t. 5. 27: „Licet sutem in hoc non videatur om- nino culpabilis exstitisse; quia tamen in dubiis via est eligenda tatior, etsi de lata in eum sententia dubitaret, debuerat tamen potius se abstinere, quam sacramenta ecclesiastica pertractare.* 2) c. 12, 18. 24 X de homicid. 5. 12. Cfr. Fegnani, Comment. ad c, 9 X de constit, 1. 2. n. 171 seqq. Die Wirkungen der Ereommunication. 561 Weiheact und ftellt fi nachher heraus, daß er fi wirflih in der Ercommunication befunden habe, fo kann ihn der Zweifel, in weldem er gehanbelt, vor dem Eintritte der Irregularität nicht ſchützen ). — Was enblid) die Frage betrifft, wer von ber Irregularität, ble wegen ber violatio censurae contrahirt wurbe, zu dispenfiren beredtigt fei, fo muß fie dahin beant: wortet werden, daß eine derartige Dispenfation zu ben pápftliden Refervatfällen gehöre ?) und der Biſchof zur Ertheilung verfelben nur dann das Recht Habe, wenn bie Irregularität eine geheime ἰβ 5). — Neben bet Irregularität, von welcher wir im Bisherigen redeien, fennt die Firhliche Gefeggebung für bie auferften Bälle des Ungehorfams nod eine andere, ſchwerere Etrafe. Wenn ein Grcommunicirter, obwohl er bereit irregulär geworben ift, dennoch fortfährt, tie Sunctionen feines Orto auszu⸗ üben, fo joll er im Einne der ältern Ganoneó für immer abgefegt*) unb fámmtíider Seneficien beraubt werden). "Diefe Etrafen treten übrigenó nicht ipso jure ein, jondern erfordern eine ſpecielle richterliche Sentenz; 1) Suares, 1. c. sect. 3. n. 7. :2) c. 1 de sent. excommun. VI. 5. 11; c. 1 de sentent. et re judic. VI. 2. 14. 3) Trid. Sess. XXIV. c. 6 de ref. 4) c. 3 X h. t, 5. 27: ,Clerici autem, si qui a suis, aut etiam de mandato Romani pontificis ab alienis episcopis interdicti vel ex- communicati ante absolutionem divina officia celebraverint, nisi moniti sine. dilatione redierint, perpeluae depositionis sententiam pro ausu tantae temeritatis incurrant." 5) c 6X h.t. 5. 27: ,Presbyteros autem et alios clericos, qui pro suis excessibus a te nexibus anathematis canonice innodati, praesumserunt vel praesumunt officia celebrare divina, rationabiliter poteris omnibus beneficia ecclesiasticie &poliare." Theol. Quartalſchrift 1856. IV. eit. 37 562 Die Wirkungen der Greemasmaizatian. zugleich muß ilmen eine Wamung vorhergeben, wiewehl bet Richter in befonders dringenden Verhälmiſſen auch ohne eine folde vorſchreiten fann ἢ. Für ven foll, tag am einem Orte eine größere Anzahl von Elerifern im Stande ber Greommunication bie Functionen ihres Amtes forts während ausübten, follen mur vie &übrer unb An ftifter mit ber fóumliden Abſezung unb Beraubung bet Beneficien befttaft, tie llebrigen, die als weniger ſchuldig erfiheinen, auf eine befimmte Zeit ab officio jaspendirt, Allen aber eine angemejjene Buße auferlegt werden ἢ). Der Grund tiefer SBeftimmung ift leicht erfichtlich: εὖ foll ver hindert werden, daß nicht turd) Abſetzung fo Bieler ver Gottesdienſt beeinträchtigt werde oder fürmlicher Prieflers mangel eintvete; wenn aber bie betreffende Decretale, vie an ben Erzbiſchof von Toledo gerichtet ift, tie Zahl bet Schuldigen auf 40 fefjegt, fo ijt dieß nicht fo aufzufaſſen, als ob bieje Anzahl immer und überall ald maaßgebend zu betrachten wäre, vielmehr will bamit bem Richter blo ein Anhaltspunkt gegeben. werden, nad) weldem er (id unter Berüdfihtigung der beftebenben Berhältniffe, ver Größe und Ausdehnung des Ortes, der Gefammtzahl der Glerifer 2c. im Allgemeinen zu richten habe 3): Die bargelegten Grunbfáge beziehen fld) auf die Bleris fer, meídje trog der über fie verhängten Ercommunication die Gacramente abminifiriren oder überhaupt irgend einen Weiheact vornehmen: was aber die Qlänbigen betrifft, . ble bei ihnen tie Sacramente 1c. empfangen, fo machen 1) Pirhing, |. c. & I. n. 5. 2) c. 4 X h. t. 5. 27. 3) Pirhing, l. c. n. 7. Die Wirkungen der Ercommunication. 563 fie ſich dadurch "einer ſchweren Eünde fhuldig 1) und vers fallen in ble Excommunicatio minor, tie, wie wir unten ausführlich zeigen werben, Jeden trifft, ber mit einem Gebannten Umgang pflegt, und im vorliegenden Falle mit am fo größerem Rechte eintreten wird, αἱ es fid) um eine communicatio in sacris handelt! — Eine weitere Strafe it für die Gläubigen in den Gefegen nicht ausgefprochen, namentlich fann von: bee Irregularität die Rede nicht fein, denn diefe ift immer nur ben ab miniftrirenden Gleri fern, nicht aber ven Laien, bie bei ihnen die Cacramente empfangen, angedroht. Nur die Ordination macht eine Ausnahme: wer (id) von einem excommunicirten Bifchofe weihen läßt, ift von ber Ausübung des empfangenen Dro, jufpendirt und bieB felbft dann nod, menn er nicht wußte, daß ber betreffende Biſchof ercommunieirt fei, bie Unwiffenheit fann hier feinen Entſchuldigungsgrund bilden, weil die Eufpenfion meniger eine Strafe für den Orbinirten, al vielmehr die naürliche Folge der Unfähigkeit des Or, dinirenden ift, — tiefer hat wegen ber Ercommunication die Ausübung ber Weiheacte fe[bft nicht, er fann fie alfo in biefem Zuftande aud) einem 9Inbern nicht mittheilen 3). Bei ber Difpenfation dagegen, die ber in diefer Weife Drdinirte zur wirflihen Ausübung feines Ordo nótfig hat, macht εὖ einen Unterfchied, ob er beim Empfange beffelben von ber Ercommunication des Biſchofs Kenntniß hatte ober nit: im erftern Balle kann nur ber Papſt, im leptern 1) e. 25. €. XI. q. 3; c. 5. X de his, quae vi metusve causa Sunt, 1.40. Cfr. Fagnani, Comment. ad c. 1 X de schismat. 5. 8. n. 62. . 2) Barbosa, De offic. et petestate Episcopi. P. II. Allegat. 48 n. 9. 37* 504 Die Wirkungen der Grcommun leation. aber and) der eigene SBifdjof bie Diſpens ertheilen 1). Gben[o fann Derjenige, der durch Einjagung fchwerer Furcht gezwungen wurde, fid) von einem Ercommunicirten weihen zu lafjen, durch den eigenen Bifchof difpenfirt werben ?). Unfere ganze bisherige Auseinanderfegung, wornach die Ercommunicirten die €acramente ic. nicht (penben und bie Gläubigen fie von ihnen niht empfangen dürfen, gilt bloß den Excommunicatis vitandis gegenüber: in Betreff ver tolerati hat tie Gonftanger Bulle eine Milderung der ältern Gefege eintreten [affen. Das freilih muß hier vor Allem feftgehalten werden, daß jene Bulle ven Ercoms municirten feine Vergünftigung einräumen wollte, — es fónnen alfo auch die tolerati nicht ohne MWeitered und aus freien Etüden die Sarramente adminifiriren unb bie: felben gleichſam auferángen, für fie gilt nod) vollftändig das ältere Recht, welches ihnen unbebingt. jeden Verkehr mit den Gläubigen unterfagte 3) — und fie würben fi durch eine derartige, willfürlihe Vornahme von Meiheacten noch heute eben[o verfündigen und ber Irregularität vers fallen, wie ehevem. Aber ven Gläubigen fat die Gr: travagante Martins V. die Einräumung gemadt, daß fie fortan „in receptione sacramentorum * bie Tolerirten nicht mehr zu meiden verpflichtet feien: fie fónnen alfo in erlaubter Weife aus den Händen eines nift fpeciell 1) c. ultim, X de ordinatis ab episcopo etc. 1. 13. 2) Thesaurus, 1. c. s. v. Ordines, c. XXIV. n. 1 in fin. 8) c. 9 X de clerico excommun. minist. 5. 27: , Excommunicatos non vilare multo magis, quam non vitari, periculosum existit: non vitare siquidem, cum in eo sit, excommunicatus sine delicto nom potest, sed, cum ex aliis pendeat, sine suo delicto poterit non vitari." Die Wirkungen der Greommunicatton. 565 ercommunicirten Prieſters die Sacramehte 2c. empfangen, woraus auf der andern Seite mit Nothwendigkeit folgt, daß tet Ercommunicirte, wenn fie von ihm verlangt werden, fie fpenben bürfe, denn erlaubt Fordern unb erlaubt Spenden find Wechfelbegriffe, das Grftere hat das Leptere zur notfmenbtigen Vorausfegung und ift Jenes ger feglich geftattet, fo muß es aud; Diefes fein, — felbft vie facramentale Abfolution madjt hievon feine Ausnahme '), fie ift, von einem Excommunicatus toleratus verlangt und gefpendet, nicht nur gültig, fonbern aud) erlaubt. — Wenn übrigená Martin V. den Gläubigen geftattet, bei ben Ercommunicitten, bie nicht fpeciel und unter Anführung ihres Namens öffentlich befannt gemadt worben find, bie Sacramente zu empfangen, fo fönnen aud) fie nicht unbes bingt und nad) Willfür biejelben fordern, vielmehr verlangt ber Geift und bie Intention ber Bulle, tag fie durch berlei Forderungen einerfettà den andern Mitchriften fein Aergerniß geben und den Ercommunicirten dur ihren Umgang nicht ermuthigen, in feiner Sünde und Widerfpenftigfeit zu vete harren — denn Beides würde bie Forderung unerlaubt machen, andererjeitö muß für bie legtere irgend ein Grund vorliegen, ein gemijfer Grad von Nothwendigfeit, ein Nutzen oder bie Abwendung von Echaden fie al8 geboten erfcheinen laffen. Nur unter dieſer Vorausſetzung hat die Gonftanjet Bulle ben Gläubigen jene Einräumung gemacht: fonnen fie alfo ebenso leicht und ohne irgend welchen Nachtheil von einem Nichtercommunicirten bie Sacramente ıc. empfangen, [o dürfen fie biefelben von einem Excommunicatus toleratus ——— — — — — “ 1) Sei, die 3Bufgeridtébatfeit des Pfarrers. ©. 86 f. 566 Die Wirkungen der Crcommunication. nicht fortem ). — Nach tem firengen Wortlanie ter ges nannten Bulle wäre ed den Gläubigen aud) geflattet, {εἰδῇ bei Häretifern und €diómatifern, tie nidt ſpeciell ercommmnicirt find, den Gottesdienſt zu bejuchen und fegar die Earramente zu empfangen, fall hinreichende Gründe Dieu vorliegen — und eine Reihe von Theologen un? Ganoniften Ὁ hat eine ſolche communicatio in sacris für völlig erlaubt exflárt, wenn bie nachſtehenden Umſtände zufammentrefien: a) εὖ müfje die ánferfte Roth, der Mangel jedes andern Gottesdienſtes und die linmóglidfrit, fonjtwie bie Cacramente zu empfangen, dazu treiben, b) wenn bie afatholifchen Gultusdiener gültig orkinirt ſeien und bie Eacramente ohne wefentlihe 9lenberumg der fatholifchen Liturgie atmiriftriren, c) ed türfe in der communicatio in, sacris von Eeiten bed $atbolifen feine Anerfennung oter Billigung der Lehre jener religiöfen Genoffenfchaft enthalten fein und d) durch die Theilnahme an tem fremden Gottes: blenfte ben eigenen Ölanbendgenofien fein Aergerniß gegeben werden. — Allein diefer Anſicht tritt Benebict XIV. mit der SBemerfung entgegen, daß biefelbe theoretiſch ihre Stidtigfeit habe, taf aber das wirkliche Zufammentrefien el jener Beringungen nahezu unter die Unmöglidyfeiten gehöre, mithin vie fatbolifen, welche in ber angegebenen Weiſe mit Häretifern 2c. verfehren, nur in den allerjelten- ften Fällen von ber Begehung einer ſchweren Sünde werben fteigefprod)em werben können. Es {εἰ deßhalb beſſer und für die Praxis fiherer, denjenigen Theologen beizuſtimmen, 1) Suares, 1. c. sect. 4. n. 11 seqq. Engel, 1. c. n. 62 seq. 2) Bei fBenebict XIV. De synodo dioeces. L. VI. c. 5. n. 2. 3) L. c. Die Wirkungen der Ercommuntcatton. 567 bie eine [οἵδε communicatio in sacris für unbedingt vers werflich erflären. In gleihem Sinne bat fih aud die Congregatio de propaganda fide in einer Inftruction für bie Miffionäre des Orients vom 3. 1729 ausgefprodhen 5. . Es laſſen fid) allerdings, heißt e8 vafelbft, Fälle benfen, in welchen eine communicatío in sacris mit ven Schisma⸗ tikern als erlaubt erfcheine, aber practifch müffe als oberfter Grundſatz feftgebalten werden, bag eine folde uns bedingt verboten und ſündhaft fei, denn bei einem jo innigen SRerfebr liege immer bie Gefahr febr nahe, allmählig vete führt zu werden und vom Glanben abzufallen, es werde ben eiftigen unb aufrichtigen Katholifen Aergerniß gegeben und bie Schißmatifer burd) bie Anerfennung, bie dabei ihrem Glauben wenigftend äußerlich gezollt werte, in ihrem Irr⸗ - thume beftärft. — Das Gewicht dieſer Gründe unb bie Richtigkeit der Anfiht, daß eine active Theilnahme am Gottesdienfte und ben Cacramenten einer afatholifhen Secte in faft allen Bälen fündhaft jei, wird Niemand in Abrede ziehen: dagegen iff e8 etwas ganz 9Inbereó, wenn ein Katholik einem fremden Gottesvienfte lediglich paffiv bei- wohnt, entweder bloß um feine Neugierde zu befriedigen, oder bie jenfeitigen Religionsgebräuche aus eigener An- ſchauung näher fennen zu lernen. Eine derartige Theil: nahme fann nicht unter den Begriff ber communicatio in sacris fallen und eben beffalb nicht als eine ſündhafte Handlung angefehen werben ?). 1) Bet Giraldi, 1. c. P. I. p. 562 seqq. An verfelben Stelle findet fid) eine Grflürung der Congregatio Inquisitionis vom J. 1753, die von ben naͤmlichen Grundfäßen ausgeht. 2) Devoti, Instit. can. L. IV. tit. 18. 6. 11 in fin. 568 Die Wirkungen der Greommunicatton, 8. 4. Die paffive Theilnahme am heiligen Meßopfer und andern firhlihen Sanb[ungen. Verweigerung des chriſtlichen Be- gräßnifies. Wie die Ercommunicirten von dem Empfange unb ber Adminiftration der Sacramente ausgeſchloſſen find, fo bürfen fte aud) bei ber Darbringung des hl. Mefopfers unb ber Vornahme der übrigen firhlichen Handlungen nicht anmefeno fein; in gleicher Meife iff ihnen aud die Ehre und Wohlthat des chriſtlichen Begräbniffes entzogen. Was in erfter Linie die bl. Meffe betrifft, fo vers fteht [ὦ die Surüdwelfung und Fernhaltung der Gebannten von felbft, — fie liegt in ber Natur der Sache. Denn abgejehen tavon, daß in einer ſolchen Theilnahme eine communicatio in sacris mit dem Priefter und der Gemeinde liegen und auf ber andern Eeite die Strafe der Ercoms munication viel von ihrer Etrenge verlieren und das Ans ſehen derfelben in den Augen der Gläubigen herabgebrüdt würde 1), widerftrebt e& dem natürlichen fittlihen Gefühle, einen öffentlichen Sünber, einen Unbheiligen, einen mit bem Fluche beladenen Verächter Gottes unb ber Kirche zur Beier der göttlihen Geheimniffe, zum heiligen und unbefledten Opfer des neuen Bundes ohne Weiteres zuzulaſſen: hat ja bod) vermöge des unverborbenen religiöfen Bewußtfeing fchon unter den Heiden allgemein der Glaube geherrfcht, daß 1) Bon den Brieftern, welche die Ercommunicirten zu den Sacras menten zulaffen ober vor ihnen bie hi. Mefle celebrixen, fagt bie Eynode von Poitiers im 3. 1284. c. 1: „Ex qua quidam participatione non solum se inficiunt, imo et alios laedunt, quibue contemnendi excommunicationem et censuram. ecclesiaslicam tribuunt. incenti- vum.“ Hard. VIL. p, 940. Die Wirkungen der Crcommunication. 569 bird) ble Anweſenheit eines Unreinen und Unheiligen bei ben Opfern bie Gottheit beleidigt, die dargebrachte (Babe entweiht und bie erflehte Gnade zurüdgehalten werde, weß⸗ halb ἐδ überall Praxis war, vor dem eigentlichen Beginne bes Opfers und nachdem Stillſchweigen geboten worven, ele Profanen und Unheiligen fpeciel aufzufordern, ὦ zu entfernen und ble Stätte, wo die bL. Handlung vorgenommen werben follte, zu verfajfen 1). Hiemit überelnftimmenb finben. wir denn aud fchon in ber älteſten Kirche allgemein das Beftreben, die Heiligkeit des euchariftifchen Opfers durch Sernhaltung ber Günter. unb Unreinen vor Profanirung zu bewahren: ber Diacon hatte nad) Beendigung. der Rede des Bifchofes und einiger Gebete an die Gatedjumenen, bie öffentlichen Büßer unb überhaupt an Alle, bie aus irgend einem Grunde ber Gemeinídjagt mit den Gläubigen ent» behrten, bie Aufforderung zu richten, daß fie die Berfamms Iung verfajjen *) unb erft wenn dieß gefchehen war, begann — — — 1). Set Herold rief mit lauter Stimme: τές τῇδε: wer ift zugenen ? unb bie Anweſenden antwortete: πολλοὶ xdyaSo(, viele Fromme. Oper ber feierliche Ruf lautete in beſtimmterer Faſſung: ἑκὰς βέβηλοι! ἑκὰς, ἑχὰς, ὅστις ἀλιτρὸς. Byl. Lafaulr, das Sühnopfer der Griechen und Mömer, in beffen Studien bes claffifchen Altertbums ©. 272. — Auf den nämlichen Gebrauch beziehen fih die Worte Virgils, Aen. VI. 258: procul o procul este profani — unb Livius, XLV. c. 5. fagt: omnis praefatio sacrorum eos, quibus non sunt purae manus, sacris arcet, — An einzelnen Tempeln der Götter war dieſelbe Abficht, bie Profanen und Unheiligen fernzuhalten, durch Weberfchriften über bem Eingange — ausgevrüdt, 3. 3B. un παριέναι εἴσω τῶν περιῤῥαντηρίων, ὅστις un καϑαρὸς ἐςι τὰς χεῖρας, oder, wie bie Aufichrift an dem berühmten Heiligthume zu Spidaurus lautete: “Ayror χρὴ νηοῖο ϑυώδεος ἔνδον ἐόντα ἔμμεναι" ἀγνείη δ᾽ ἐςὶ φρονεῖν ὅσια. — Cfr. Lobeck, Aglaopham, I. p. 17. 2) Consiit. apostol. L. VIIL c. 9: ,,xai 0 διάκονος λεγέτω" ano- λύεσϑε οἱ ἐν μετανοίᾳ, καὶ προςτιϑέτω" μήτις τῶν μὴ δυνα- 870 Die Wirkungen der Greommunication, ba eigentlihe Meßopfer, damit εὖ ja nicht durch die Anwefenheit eines Unheiligen entweiht werte und for wohl biefer als bie llebrigen ftatt göttlichen Segens Unheil und Berverben über Kd) bringen ἢ. Wenn in Folge bet damaligen Kirchendisciplin [don bie Gatedmmenen unb bie Poenitenten vor bem Beginne der missa fidelium fid zu entfernen hatten, fo kann εὖ feinem Zweifel unters biegen, baf das Gleide in noch viel höherem Brave von den Ercommunicirten, die ja wegen fchwerer Vergeben aus ber Gemeinihaft ver driftliden Gemeinde fórmiid) auégeftofen waren, geforbert wurde — unb aud) bie Spätere Geſchichte ber Kirche bietet aus allen Jahrhunderten bis auf bie Gegenwart Binlánglide Beweife hiefür bar. Gregor, der Große, erzählt von zwei Nonnen, bie im Etande ber Ercommunication geftorben und in einer Kirche beerdigt worden waren, daß man, fo oft vom Diacon die erwähnte Aufforderung an bie verfammelte Gemeinde ges μένων προελθέτω.“ Während ter. Bí. Handlung ſelbſt wurden bie &büren forgfältig bewacht, damit fein. Ungläubiger ster Ungetaufter eins trete. Cfr. L. Il. c. 57 ie Bn. 1) Duß der Grund, aus welden tie Entfernung bec Tinreineu ges forbert wurde, wirklich im bet Beforgniß gelegen Habe, εὖ moͤchte as Bl. Opfer durch den Anblick oder ben Genuß ven Seiten folcher Menfchen entehrt werden und bie Betreffenden ſchwere Schule auf (6b labem, ergibt fd) aus der Art und Weife, wie Chryfotumus (Hemilia de flio prodigo, Opp. T. VL p. 313 edit. Francof.) ober wer fonft der Bew fafjer tiefer Rede i, ben ebengenannten Ruf des Diacons autylificixt: un τις τῶν χατηχουμένων, μὴ Tig τῶν μὴ ἐσϑιόντων, μή τις τῶν κα΄ σαστόπων, μή τις TOY μὴ δυναμένων ϑεάσασϑαι τὸν μόσχον ἀσθιόμενον, μή τῷ τῶν μὴ δυναμένιον ϑεάσασϑαι τὸ οὐράνιον αἷμα, τὸ ἐκχυνόμενον εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν, μή τιῖ ἀνάξιος τῆς ζώσης ϑυσίας, up τις ἀμύητος, μή T ug δυνάμενος ἐκαϑάρτοις χείλεσι προςφψαύσασϑαι τῶν φρεικτῶν μυφηφρφέω ν." Die Wirkungen der Crcomurunication, Bra ridet wurde, geſehen habe, wie fie aus ihrem Grabe fid) erhoben und die Kirche verließen ; was fie [o lange wieder holt hätten, bis endlich die für fte baxgebradyten Oblationen pon bem opfernden Prieſter angenommen umb die Verftorbenen dadurch in die Gemeinſchaft der Kirche wieder aufgenommen worden jelen ἢ). Die Gxiti£ mag über bie biftorifche Wahr⸗ heit diefer Erzählung urtheilen, was fie will, das geht jevdenfalld aus derfelben ungweideutig hervor, daß zur Zeit Gregors die Grcommunicirten von der Theilnahme am bL. Opfer ausgeichloffen waren, benn ohne dieſe Vorauss jegung wärbe ber wunderbaren Thatſache, die er berichtet, die wejentlichfte Grundlage entzogen und fie ſelbſt als vollig unvermittelt fid darftellen. — Dieſelbe Praxis, wornach vie Gebannten von ber Mefje (id) fernzuhalten haben, bezeugt aus dem zwölften Jahrhundert das Eoncil von Rheims, wenn ἐδ, wie bei einer längft beftebenden Einrichtung zu gefchehen pflegt, mit wenigen Worten fügt 2): „Pro- hibemus, ne divinum officium celebreigr, sed nec cam- pana pulsetur in urbe, vel in castro, vel in curte (= Hof, Dorf), ubi aliquis excommunicatus praesens fueril ^ unb bie bereit erwähnte Synode von Poitiers beftimmt 9), daß biejenigen Priefter, weldje in Gegenwart eined Ercommunis eirten celebriren würden, nad dem Ermeſſen des Biſchofs und im Verhaͤltniſſe ihrer Verſchuldung mit einer größern oder geringern Geldftrafe, bie für die Armen zu verwenden fei, belegt werden follen. In gleicher Weiſe ſchließt das gemeine Recht *) die Gebannten von jebweder Theils 1) Gregorii Dialog. L. II. c. 23. 2) Concil. Remens. ann. 1148. c. 7. Hard. VI. II. p. 1304. 3) Concil. Pictavens. ann. 1284. c. 1. Hard. VII. p. 941. 4) c. 1. $. 1 Dist. XXV; c. 48 X de sentent. excommun. 5. 39; c, 8,de privileg. VI. 5. 7, \ 572 Die Wirkungen der Ercommuntcation. nahme am euchariſtiſchen Opfer wiederholt und aufs Nachdrücklichſte από. Betrachten wir die SBeftimmmgen ber noch jet allge mein gültigen Gefe&gebimg über den vorliegenden Punft des Nähen, fo macht fih ver Ercommunicirte, ber (τοῦ des fitdjliden 9Rerboteó tem heiligen Meßopfer eigen, mádjtig anwohnt, regen vorfáglider Mißachtung der über ihn verhängten Genfur, wegen Verlegung der dem Heiligen fchuldigen Gfrerbietung und weil er mit den Gläubigen unbefugter Weife in Verkehr tritt, einer ſchweren Sünde ſchuldig und zwar ift es hier gleichgültig, ob er ein Excom- municalus vitandus ober toleratus fei, da bie Bulle Mar: tin’s V. zu Gunften der Ercommunicirten an de ältern Gefe&gebung nichts ändern wollte. — Obwohl in: beffen eine derartige Betheiligung an bet heiligften Hands - [ng des dyriftfiden Gottesdienſtes für ben Gebannten eine ſchwere Verſchuldung in fid) ſchließt, fo hat tod) die Kirche für tiefe Bergeen weiterhin feine befondere Strafe feftgefegt — mit alleiniger Ausnahme e$ Falles, in welchem der Biſchof oder ein anderer Prälat im Etande der Ercommunication einem Priefter befiehlt, vie Meſſe in feiner Gegenwart zu celebriren: hiebei contrahirt der Befehlende mad) der übereinftimmenben Anficht bet Ganoniften 1) die Irregularität. Zwar auf eine fpecielle und ausdruͤckliche Gefebesftelle fann tiefe Behaup⸗ tung nicht geftügt werden, denn wenn Innocenz II. von einem Bifchofe, ber in der genannten Weife die hi. Meſſe 1) Glossa ad c. 2 de privileg. in Clem. 5. 7. verb. celebreri. Covarruvias, Alma Mater, L $. VI, n. 9 in fin. Navarrus, Manuale, ὃ, XXVII n. 244. \ Die Wirkungen der Excommunieatlon. 573 vor fd) lefen ließ, bemerkt 1): cum eo misericordiam fa- eientes poenam, quam canon minatur, ei non duximus infligendam, |o wird darunter nur eine vom Richter arbi trär zu verbángenbe Strafe und nicht ble Srregularitàt, die ja ipso jure eintritt, verftanben werben fóunen. Aber bie obige Meinung findet in bem allgemeinen Rechtsſatze: Qui facit per alium, est perinde, ac si faciat per se ipsum ?), ihre hinlängliche Begründung : ber Befehlende ift bie eigent- liche Urfache, daß das hl. Opfer gefeiert wird, — was auf feine audorüdlide Beranlaffung hin gefchieht, muß fo-ans gefehen werben, als hätte er es felbft getban. Da nun jeder Gxcommunicirte, ber-bie hl. Mefje celebrirt, in vie Srregularität verfällt, jo wird dieſe Etrafe ibn aud im vorliegenden Halle, bet der perfönlihen Celebration rechts lich gleichfteht, unbebingt treffen. — Was fodann ben Briefter betrifft, ber mit Willen unb Willen in Gegenwart eineó Excommunicatus vitandus dad bi. Meßopfer vatbringt, fo begeht er durch diefe communi- - calio in sacris eine ſchwere Eünve 5), er verfällt in ble fleinere Ercommunication und unterliegt folange bem In- terdictum ab ingressu Ecclesiae, bi ihn der firchliche Obere, - befjen Ercommunicationsjentez er mißachtete, nad) geleifteter Genugthuung freijprid)t 5). 1) c. 5 X de clerico excommun. ministrante. 5. 27. 2) c. 72 de regul. jur. VI. 5. 12. ᾿ 3) c. 18 de sent. excomm. VI. 5. 11: „Is, qui in ecclesia, sanguinis aut seminis effusione polluta, vel qui, praesentibus majori excommunicalione nodatis , scienter celebrare praesumit, licet Yn hoc temerarie agat, irregularitatis tamen, (cum id non sit expressum in jure) laqueum non incurrit.“ 4) c. 8 de privileg. VI. 5. 7: „Qui vero contra praesumserint, ingressum ecclesiae sibi noverint interdictum, donec de transgres- 574 Die Wirkungen ber Excommunieatlon. Ans biefem doppelten Verbote, wornach weber ber Ge⸗ bawnte dor heiligen Meſſe anwohnen, uod ber Prleſter fle in feiner Gegenwart celebriren darf, ergeben fi für ble Braris folgende Grunbfáge, die in allen Bällen uns bedingt beobachtet werben müffen. Sft in ver Kirche ein Grcommunicirter zugegen und hat die Meile ned) nit begewnen, jo bat fie ber Priefter gänzlich zu unterkaffen: Erſcheint aber der Grcommunicirte ezft nad) dem Beginne berjelben, fo ift os die Pflicht des. Vriefters, innegubalten und entweder felbft oder durch einen Andern den Excom⸗ municitten. unter Anführung feines Namens aufzuferbern, bie Kirche zu verlaffen. Wenn ev tee Aufforderung feine Folge gibt, fo. verfällt ex ber bem Papſte reſervirten Gr» communication und. ſoll durch ole Kivchenbiener !) und, falls (olde nicht zur Hand find, durch vie gerade Anweſenden mittelft Gewaltanwendung, fo welt es vie Helligkeit: des Ortes: geſtattet 5), ansfernt werden. Iſt ba Leptere nicht möglich, fo hat ber Prieſter, wenn ble Meffe nod) nicht bis jum (anon, over wie Andere mit geringerer Wahrſcheinlich⸗ keit behaupten 3), bis zur Conſecration vorgefchritten ift, biefelbe gänzlich abzubrehen und ben Alter zu verlaffen; hatte aber ver Canon bereits begonnen, fo. foll ex tle Hi. Handlung, die jegt Feine Unterbrechung mehr geftattet 5), ohne irgend eine Auslafjung, ohne Eilfertigfeit mit ber ges sione hujasmodi ad arbitrium: ejus, cujas sententiam contemserunt, satisfoverimt competenter.“ 13 Benedict. XIV, Insti. LV. vers. fm. - ' 2) „Boelesia non. est custodienda more castrorum." Thesaur. De Poenis eceles. s. v. Censura, c. X iu fin. 3) Bol. über biefe Frage rob, Verwaltung der hochheiligen Vuchariſtie. €. 277. 4) c. 16 €. VII q. 1. Die Wirkungen dev Exxourmunication. 575 ziemenden Ehrerbietung und Würde bis zur Communten fortfegen unb dann abbrechen, — bie nady ber Sumption des Kelches Folgenden Gebete entweber in ber Gacriftel nad holen: oder, wenn dieß untbunlid) i£, ganz weglaffen !). — Ueber bie Stage, wie fid die Gläubigen für ben Wall, bag ein Greommunicivter mit ihnen bie Meſſe bören wolle, zu verhalten haben, find bie Anfichten ber ältern Canoniſten nicht gang übereinftimmend. Einige berfelben bemerken: bag ber Briefter vie Meffe gu unterlaffen ober obzubrechen habe, liege in ber Natur ber Sache, denn er trete als Gelebrant mit dem anwejenden Ercommunicirten in unmittelbare Berbindung. und es finde wirflich eine commnnicatio in sacris zwiſchen beiden ftatt; amberó das gegen geftalte fid das Berhältaiß zwiſchen dem Excom— municirten unb. ben übrigen Hörern, hier {εἰ Seber nur für fij anweſend und verfalte fih pajfio zu bat andern, ed finde zwifchen ihnen fein gegenfeitiger Verkehr, alfo auch feine commmnicatio in saeris ftatt und eben deßwegen können die Gläubigen während ber Meffe, bie ber Priefter nad) bem Beginne des Canons bis. zur Kommunion fortfege, tufig anmejenb fein, Allein bie Behauptung, daß: zwifchen Denjenigen, vie eine und biefelbe Meſſe hören, gar feine gegenfeitige Beziehung ftattfinbe, kann in ber Art und Weile, wie file bier geltend gemadt mire, nicht auf 9) Das hier angegebene Verfahren ift vorgezeichnet von bem allges meinen Goncil zu Bienne — c. 2 de sent. excommun. in Clement. 9. 10, aber aus bem Wortlaute der Stelle geht hervor, daß es von ber Synode nicht erfi eingeführt, fondern fdon vorher in der Praris allgemein beubachtet wurde, wie denn auch bereits die Deeretale Clemens’ Ill. vom: Sy. 1190 in ὁ. 16. X de sent. excommun. 5. 39 und das mehrfady erwälmte Eoncil von Poitiers im 3. 1284. (Hard. VII. p: 941) das Beftehen- veffelben bereits vorauoſe tzen. i 576 Die Wirkungen der Excommunication. recht erhalten werben: die Anweſenden treten bei dem hl. Dpfer in die innigfte geiftige Verbindung, fie bringen bass felbe gemeinfam burd vie Hände des Prieſters bar, fie biben mit diefem unb unter fid) eine geiftige Einheit, fte beten gegenfeitig für einander uno ver Priefter woiebetum betet für fie, — εὖ geftaltet fi zwifchen Allen ver lebenvigfte Wechſelverkehr und barum wird eine mirflide communicatio in sacris nicht in Abrede gezogen werben fónnen. Deß- halb Bat tie überwiegende Mehrzahl ber. Kanoniften mit Recht fid dahin anégefprodjen, daß die Giánbigen, falls ein Ercommunicirter eintrete und auf die an ifre ergangene Aufforderung fid) nicht zurüdziehen wolle, mit Ausnahme des Altardieners alsbald bie Kirche zu verlaffen haben; wibrigenfalls fie wegen verbotenen Verkehrs mit einem Gebannten bie Excommunicalio minor fid) auziehen würden 1). — llebrigenó verfteht es fid) von ſelbſt, baf al tiefe Vorfhriften für bem cefebrivenven Priefter wie für bie Glüubigen nur ben Excommunicatis vilandis gegenüber Geltung haben, denn ber Umgang mit ben toleratis ift ftit dem Conſtanzer Concil in kirchlicher fowohl als in politifcher Beziehung völlig freigegeben. — Wie vom Anhören der DI. 9Neffe, fo ift ber Ercom⸗ municirte aud) ansgefchloffen von ber Theilnahme an Pros eeffionen und andern firhlichen Keierlichfeiten, von der Ans wefenheit bei óffentiid)en Gebeten und den verfdylebenen Benebictionen, denn alle biefe Hantlungen fallen unter ben * A — 1) Suares, 1. c. Disput. XII. sect. 1. n. 15. 16. Fagneni, Comment. ad c. 43 X de sent. excommun. 5. 89. n. 2; Reiffensiuel, ὁ. C. L. V. tit. 39. 6. 5. n. 144; Ferraris, Prompta biblioth. edit. nova. 1847. s. v. Excommunicalio. art, IX. n, 10. Die Wirkungen der Grcommunication, 577 Begriff der officia divina, von melden fte ohne Unterſchied fernzuhalten find. Anders aber verhält εὖ fj mit bem Anhören ber Predigt: wie fdon in ber alten Kirche ſelbſt die Ungläubigen bei der Homilie des Biſchofs ams weſend fein burften 1), damit fie Gelegenheit hätten, bie Lehren des Chriftenthums fennen zu lernen unb fid al, mählig zum llebertritte vorzubereiten, fo ift audj den Gr; communicirten geftattet, ber Predigt anzumwohnen ?), weil fie ald das wirffamfte Mittel betrachtet wird, biefelben zur Beſſerung und Sinnesänderung zu vermögen. Nach Bes enbigung dieſes Theils des Gottesdienſtes haben fie aber dann ungejäumt bie Kirche zu verlaffen. Wenn hienach der Kirchenbann kein Hinderniß bildet, der Predigt ang i wohnen, jo folgt daraus tod) Feineswegs, daß ein Gr» communicitter baó Previgtamt aud verwalten dürfe, 1) Dieß ergibt fid) fdon aus bem Umftande, ba nach beendigter Predigt ber Diacon bie Ungläubigen, bie etwa gegenwärtig waren, aufs forderte, nunmehr die Berfammlung zu verfoffem. Constit. apost. L. VIII. c. 5: xoi πληρώσαντοΞϑ αὐτοῦ τὸν τῆς διδασκαλίας λόγον, dvagavrov ἀπιάντων, ὃ διάκονος, ἐφ᾽ ὑψηλοῦ τινος ἀνελϑὼν, κηρυτέτω" μή τις τῶν ἀκροωμένων, un Tig τῶν ἀπίςων." Mber es finden fid) aud) aus brüdiide Beſchlüſſe von Concilien, die den Ungläubigen das Anhören der Predigt geftatten. So verorbnet bie vierte Synode von Carthago im 3. 398. c. 84: ,Ut episcopus nullum prohibeat ingredi ecclesiam et audire verbum Dei, sive gentilem, sive haereticum, sive Judaeum, usque ad missam catechumenorum.* Bei Hard. I. p. 984 unb Grtatían c. 67 Dist. I. de consecrat. | 2) c. 43 X de sent. excommun. 5. 39: „Responso nostro postulas edoceri, an, cum Ferrarienses cives excommunicationis et interdicti sententiis sint ligati, liceat tibi viros et mulieres semel in hebdomada vel in mense apud aliquam ecclesiam convocare, quibue praedices verbum Dei et eosdem ad correctionem inducas. Super quo respondemus, quod sine scrupulo conscientiae hoc facere poteris, cum videris expedire: dummodo contra formam interdicti nullum eis divinum officium celebretur." Theol. Ouartat[drift. 1856. IV. Heft. 88 578 Die Wirkungen der Ercommunication. denn obwohl das 9egtere fein Ausfluß des Ordo, fondern blos der Jurisdiction ift 5, fo fallt bod) der Grund, aus welchem das pajfive Anhören ber Predigt geftattet ift, völlig hinweg und auf ber andern Eeite wäre e6 in hohem Grade ungegiemend und Aergerniß erregend, wenn ein aus ber Kirche gänzlich Ausgeftoßener ber. dyriftliden Gemeinde das Wort Gottes verfündigen wollte 2). — In gleicher Weife wie bei der Predigt ift e8 dem Ercommunicirten geftattet, die Kirche zur Zeit, wo In berfelben feine heilige Handlung vorgenommen wird, zu betreten und bafelbft feine Brivat- anbadjt zu verrichten 5); ebenjo fann er fid) ber 3Bilber, der Reliquien, bed geweihten Waſſers 1€. ald Anregungs⸗ und Unterftügungsmittel feiner religiöfen Uebungen δὲ dienen, denn einerfeits iſt weder ber SBefud) ber Kirche nod) der Gebraud) der genannten res sacrde burdy ein beſonderes Gefe& verboten, andererfeits liegt in ber privaten Ber nügung derfelben Feine communicatio mit ben übrigen Gläubigen, endlich ift ed bem Grecommunicirten immer ers laubt, privatim zu beten unb bie verfchievenen Andachts⸗ übungen für fi vorzunehmen: es wird ibm alfo aud nicht , 1) Fagnani, Comment. ad c. 43 X de sentent, excommun. 5. 39, n. 14. 15. 2) Unter den vom Gonflanger Goncil cenfurirten Lehrfäßen bes Job. Hus findet fi n. 17 auch folgender: „Sacerdos Christi vivens se- cundum legem ejus et habens notitiam scripturae et affectum ad aedificandum populum, debet praedicare, non obstante praetenea ex- communicatione. Quod si Papa vel aliquis praelatus mandat sacer- doti sic disposito, non praedicare, non debet obedire subditus." Bei Hard. VIL p. 411. 3) Coverruvias, Alma Mater, I. $. TII. n. 7. Navarrue , Ma- nusle, c. XXVII n. 19. Die entgegengefepte Meinung vertheibigt Fagnani, 1. c. n. 8 seqq. vgl. abet über bie von ifm beigebrachten Argumente Suares 1. c. sect. 3. n. 5. Die Wirkungen der Greommuntcation, 579 nnterfagt fein, derjenigen Mittel, welche tle Kirche zu vies ſem Zwede barbietet, privatim fid) zu bedienen. Daß ein folder unmittelbarer Gebrauch der res sacrae in ber Abftcht, bie BPrivatandadt zu fördern, unbedingt erlaubt fei, darüber Derrídjt Fein Zweifel. Aber die geweihten Sachen haben noch einen höhern Zwed und eine höhere Bedeutung — ed fnüpfen fih an fie beftimmte Bene, bictionen, indem bie Kirche bei der Weihe berfelben zu Gott fleht, er möge Diejenigen, die von ihnen ben rechten Gebraud) madjen, gewiſſe Gnaden und Wohlthaten fürs leibliche ober geiftige Leben zuwenden unb deren bie Glaäu—⸗ bigen, wenn fie ber Intention ber Kirche ent[predjen, wirt {ὦ theilhaftig werden. Die Beweife hiefür liegen nicht ferne. Bei der Gonfecration einer Kirche 4. B. betet ber Biſchof: Omnem hominem venientem adorare te in hoc loco placatus admitte, propitius respicere dignare, et prop- ler nomen tuum magnum ei manum tuam fortem et bra- chium tuum excelsum in hoc tabernaculo tuo supplicantes libens protege, dignanter exaudi, aeterna defensione con- serva, ut semper felices semperque in tua religione laetantes constanter in sanclae Trinitatis confessione, fide catholica perseverent !). Die Benebictionsformel des Weihwaſſers enthält unter Anderem bie Worte: - Adesto propilius in- vocationibus nostris..., ut crealura tua mysteriis tuis serviens ad abigendos daemones morbosque pellendos di- vinae gratiae sumat effectum; ut quidquid in domibus vel in locis fidelium haec unda asperserit, careat omni immunditia, liberetur a noxa; non illic resideat spiritus pestilens, non aura corrumpens, discedant omnes insidiae « 1) Pontif. Rom. De Ecclesiae dedicatione seu consecratiore, 98" 580 Sie Birlungen der Grcommunication. latentis inimici eic. '). In ähnlicher Weiſe lautet das Ges bet der Kirche bei ter SBenebiction der Bilder ?). Daß nun ter Ercommunicirte beim Gebraud) ber genannten res sacrae tiefer jpeciellen, durch das Gebet ver Kirche vermittelten &naten und Wohlthaten nicht theilhaftig werben fónne 5), leuchtet von ſelbſt ein, denn er ift, wie wir bes reitd tarlegten, von ben Suffragia Ecclesiae unbetingt από: geſchloſſen. — Was ferner ταῦ Breviergebet betrifft, fo fann ein Ercommunicirter der öffentlihen unb feierlichen Abhaltung bejjelben im Chore nicht anwohnen *), weil ex baburd) mit den übrigen Glerifern in unmittelbaren Ber; febr treten und den Gläubigen durch feine öffentliche Betheiligung bei biejer Hl. Handlung Aergerniß geben würde: dagegen ift ihm die private Perfjolvirung bes Officiums nit nur erlaubt, jonber er ift dazu aud) vers pflidtet, benn durch die Ercommmnication wird feine Shliegenheit, die [don vorher beftanden hat, aufgehoben, gugleid würde ber Gebannte durch eine derartige Befreiung απὸ feiner Strafe jogar Vortheil ziehen, wad mit bem Zwede berjelben unb der Intention der Kirche in birectem Widerſpruch ftünbe 5). Wenn demgemäß der Ercommunis 1) Missale Bom. Benedictio aquae. 2) Rituale Rem. Benedictio imaginum Jesu Christi Domini nostri, bestae Marise Virginis, et aliorum Sanctorum. 3) Suares |. c. n. 6. seqq. " 4) Can. Apost. c. 12: Εἴ τις καϑηρημένῳ κληρικὸς ὧν ὡς κληριπῷ συνεύξηται, καϑαιρείσϑω καὶ αὐτός. Synodus 8. Patricii c. 28: „Si quis clericorum excommunionis fuerit, δοίωϑ (non in cedem domo cum fratribus) orationem faciat.^ Hard. I. p. 1792. 9) Der bieffallfige Grundſatz des Rechts if ausgeiprochen in c. 5 X de donation. inter virum et uxor. 4. 20: „ne ad commodum © cedat, quod debet in poenam ejus potius retorqueri. ^ Cfr. c. 7 X de judic. 2. 1. Die Wirkungen der Grcommunicatton, 581 cirte das Breviergebet privatim für ſich unb zwar ganz in ‚ ber Form unb bem Umfange‘, in weldhem e& öffentlich gez betet wird, zu verrichten hat, fo fügen die Ganoniften 1) bod; die Bemerkung bei, daß er jedesmal ftatt der Bes grüßungsformel: Dominus vobiscum die Worte jeßen folle: Domine exaudi oralionem meam, fo daß er, wenn et ἐδ nidt thue, in bie Irregularität verfale. Wir glauben, daß dieß feine volftändige Richtigfeit habe, denn jenen Segenswunſch an die Gemeinde zu richten, ift felt ben älteften Zeiten ein Vorrecht des Biſchofs, des Presbyters und Diacons 3) — ber Betreffende handelt babel als Diener der Kirche und in feiner Gigenfdjaft als Orbinirter, er tritt in bie innigfte Beziehung zur Gemeinde und außer: bem liegt in den Worten eine Benebiction, indem bad- jenige, was fie anwünfchen, den Würbigen wirklich mitge- theilt wird 9): lauter Umftänve, welche biefe Begrüßungs- und Segendformel in bem Munde eines Ercommunicirten nicht nur als febr unpaſſend erfcheinen laſſen, fonbern fte auch in vie Reihe jener Weihacte ftellen, durch deren Vor- nahme der ercommunicirte Briefter 2c. nach der obigen Aus- einanberfegung ipso facto in die Irregularität verfällt. — Neben den bisher namhaft gemachten Wirkungen, welche ber Bann in Betreff der Theilnahme an ven BI. anb: lungen nad) fid) zieht, ift noch eine andere, febr wichtige zu erwähnen., Diejenigen, welde im Stande ver Ercom- munication, ohne Zeichen "ber Rene gegeben und bie Ab» 1) Navarrus, De oratione et horis canon. c. VII. n. 16. Co- verruvias, l. c. n. 8. Suares, l. c. sect. 2, n. 13 seqq. 2) Bingham, Origin. L. XIV. c. 3 6. 6. 3) Dal. Mad, Baftoraldriefe. €. 31. 582 Die Wirkungen der Greommunication. folution empfangen zu haben, ans viefem Leben [deiben, find von der Wohlthat des firdjliden Begräbniffes ansgefchloffen'), Ὁ. B. ihre Leihname dürfen nicht in geweihter Erde beftattet werben, alle mit bem riftlichen Begräbniffe verbundenen Feierlichkeiten haben zu unterbleiben und bie gewöhnlichen Erequien follen hinwegfallen 9. Den Grund biejeó Verbotes bes zeichnet dad Geſetz felbft mit ben Worten: Quibus non communicavimus vivis, non eommunicemus defunctis. Die Gläubigen würden dadurch, baf fie einen Ercommunicitten feierlich zu Grabe begleiten unb in gemelbter Grbe heifegen, Gebete für ihn verrichten und das hl. Opfer barbringen, mit demfelben in einem unerlaubten Verkehr und zwar, ba das Begräbnig zu ben hl. Handlungen gehört, in eine communicatio in sacris treten; fte würden Demjenigen, der in bem Suftanbe, in meldjem er lebte, ſterbend hartnädig verharrte unb ed verfchmähte, in bie Gemeinfchaft ber Kirche reumüthig zurückzutreten, nad) bem Tode, bet bod) an feinen Perhältniffen nichts änderte, Ehren unb Wohlthaten et» weifen, von welchen er im Leben ausgeſchloſſen war; fte würben nicht nur einen Unwürbigen, einen abfichtlichen Verächter der Firhlihen Gnaden in bie innigfte Lebens; gemeinihaft gleihfam gegen feinen Willen aufnehmen, fondern audj, inbem fie ihn neben den übrigen Gläubigen 1) c. 12. X de sepultur. 3. 28: „Sacris est canonibus institutum, ut, quibus non communicavimus vivis, non communicemus defunctis, et ut careant ecclesiastica sepultura, qui prius erant ab ecclesiastica unitate praecisi nec in articulo mortis ecclesiae reconciliati fuerint." Cfr. c. 7 X de consecratione Ecclesiae, 3. 40: c. 2 de haeretic. VI. 9. 2; c. 1 de sepultur. in Clement. 3. 7. 2) Denn dieje drei Diomente zufanımen confituisen ben Begriff bet Sepultura ecclesiastica. Soto, |. c. Dist. XLV. q. H. art, 3. Die Wirkungen der Ereommuntcation. 583 . beerbigten, einen Vorzug ihm einräumen, ven bie Kirche nur ihren gehborfamen Kindern zuwenden will, — was Alles ebenfofehr gegen das Gefühl ver Schidlichfeit und Gerechtigkeit, ald gegen eine confequente Handhabung ber äußern Disciplin verftoßen würde. Aber wenn wir hievon aud) ganz abfeben, fo ift die gemeinfame Begräbnißftätte ber Ehriften ein Heiliger Ort, ber vom Bifchofe unter ver[diebenen Gebeten, Gott möge Denjenigen, bie hier ruhen werden, gnábig und barmherzig fein, jpeciell eingeweiht wurbe ), fo daß Jeder, ber in ber Gemeinſchaft ber Kirche geftorben ift und hier beerdigt wird, an ben Früchten jenes Gebetes wirflih Theil bat; außerdem befteht innerhalb ber fatholifchen Kirche die [done Sitte, daß bie Gläubigen, fo oft fie den gemeinfamen Begräbnißort befuchen, für alle Abdgefchievenen, bie dafelbft ruhen, ihre Gebete vers richten: wäre ed nun nicht ein innerer 9Bleber[prud, Dies jenigen, die von ben "Suffragia Ecclesiae und ben allges meinen Fürbitten ber Bläubigen ausgefchloffen find, an einer folhen Stätte zu beerbigen und würde es baburd) nidt den Anfchein gewinnen, alà wollten fie in jene heilige Liebesgemeinfchaft, bie über dad Grab hinaus dauert, in welcher die Kirche ihre Glieber nod) nad) bem Sobe fort: während fegnet, frevelhafter Weife eingebrángt werden? Endlich liegt in der Verweigerung eines ehrbaren Begräb- nif eine bebeutenbe Verfchärfung des Banned unb ein febr wirffames Mittel, tie Furcht vor vem[elben fowohl bei bem Ercommunicirten felbft, als auch bei ben übrigen Gläubigen zu erhöhen unb blefe Strafe aud) äußerlich als das erfcheinen zu lajjen, was fie innerlich in Wahrheit ift —— 1) Pontific. Rom. De coemeterii benedictione, 584 Die Wirkungen ber Grcommunication, — οἵδ gänzlihe Ausſtoßung aus bem lebendigen Leibe Jeſu Ehrifti. Die thränenreihe und gebanfenlofe Eentis mentalität unferer ſchwaͤchlichen Zeit, melder das Gefühl für öffentlihe Zucht und Orbnung großentheild abhanden gefommen ift und ebenbarum das Verbot des Begräbnifies als eine ungeredhtfertigte Härte anfieht, vermag das Ges wicht blefer Gründe nicht zu befeitigen und wird bie Kirche in Ausübung ber großen Pflicht, als Stellvertreterin des Herrn, der einftens die Käufer und Verkäufer aus bem Tempel trieb, über die Heiligkeit ihrer geweihten Stätten zu waden, ble Rechte ihrer getreuen Kinder zu fchügen, den Ernft und ble Confequenz ihrer Disciplin, die im Laufe der Sahrhunderte aus den Berhältniffen mit innerer Noths wenbigfeit fi herausgebildet hat, aufrecht zu erhalten, in feiner Weife zu hindern im Stande fein. Wie febr das Verbot, das die Ercommunicitten vom chriſtlichen Begräb- nifje fernehält, in ber Natur ber Sache begründet fel, geht befonderd aud aus bem Umſtande hervor, daß fid) bajjelbe bereits in den älteften Zeiten der Kirche vorfindet und uns unterbrochen duch das ganze Mittelalter bi8 auf ie Gegenwart fij erhalten hat. Schon ble óffentliden Büser waren in den frühern Jahrhunderten, fall8 fie ohne Zeichen ber Neue und ohne geleiftete Genugtbuung ftarben, als nicht zu ber Gemein[daft ber Kirche gehörig von ber Wohlthat des chriftlihen Begräbnifies ausge⸗ fchloffen ): um wie viel mehr wird das Leptere der δαί gewejen fein bei den fórmli, Ercommunicirten? Das ihnen [don damals nad) allgemein beftehenver Dies. — 1) Bingham, Origin. L. XVL c. I. 6. 7. Morinus, De disciplina in sdminist. sacram. poenit, L. X. c. 9. Die Wirkungen der Grcommunicatton, 585 ciplin das Begräbniß verweigert worven fel, bezeugt © v» nefius in jenem befannten Briefe, ben er über bie Gr» communication des 9[nbronicuó unb feiner Genofjen an die übrigen Bifchöfe in ber Abficht richtete, denſelben bie Sentenz befannt zu geben und worin er fie unter Anderem aufforbert, mit den Gebannten in feiner Weife zu verfebren, namentlih aber nad) ihrem Tode das dreifilide Begräbniß ihnen zu verfagen ἢ. Die berühmten Worte: Quibus viventibus non communicavimus , mortuis communicare non possumus, auf melde das neuere Recht auébrüdlid) fid) beruft, Bat zuerfi Leo der Große audges ſprochen ?) und feine Nachfolger Gelaſius) und Ur banTl*). — haben fie unverändert wiederholt. Das ganze Mittelalter Dinburd) war bie 9[ué[djlieBung ver Ercoms municirtem von ber sepultura ecclesiastica unangefochten "und allgemein beftebenbe Praris, wie aus zahlreichen Gon: eilienbefchlüffen 5) und fpecielen Verordnungen einzelner Biſchöfe 5) flar hervorgeht. Selbft bie proteftantifche Kirche, 1) Synesii Epist. LVIII: ΗΠαραινῶ μὲν οὖν καὶ ἰδιώτῃ παντὶ καὶ ἄρχοντι, μήτε ὁμορόφιον ἀυτῷ μήτε ὁμοτράτιεζον γέγεσϑαι" ἱερεῦσι δὲ δια-- φερόντως, of μήτε ζῶντας ἀυτοὺς προσεροῦσι, μήτε τελευτήσαντας συμ προπέμψουσιν." ΄ 2) Epist. δὰ Rusticum Narbonens. Bei Hard. I. p. 1762 unb Gratian c. 1 C. XXIV. q. 2. 3) c. 37. C. XL. ᾳ 3. 4) c. 3. C. XXIV. q. 2. 5) Concil. Lemovicens. ann. 1031. Hard. VI. I. p. 884 seq. ; Concil. Remens. ann. 1148. c. 16. Hard. VI. II. p. 1306; Concil. . Santonene. ann. 1282. c. 1. 2. Hard. VII. p. 883. Sm Mittelalter wurden ble Gebannten vielfach auch außerhalb des Friedhofes nicht fórm» lid) beerdigt, fondern bloß mit Steintrümmern bebedit. Cfr. Du Cange, Glossarium, s. v. Imblocatus. 6) Bol. 4. B. die Weifung, welche ver Erzbifhof Laufrank vou 586 Die Wirkungen der Crcommunicatton. die bod) eine eigentliche SBenebictlon ber Begräbnißftätten principiell verwirft D, Bat früher tiefelben Grundſätze uns bedingt anerfannt und bie Gefeggebung *) fowohl, al8 bie Wiſſenſchaft 3) übereinftimmend gefordert, daß bie Ercom- municirten vom fivdjliden Begräbniffe ferne zu halten ſeien. — Wenden wir nun aber unfere Aufmerffamfeit auf vie positiven Geſetzesbeſtimmungen, ble das canos nifche Recht über Beerdigung von Excommunicirten απ, [ΠῚ und ble noch heute allgemein verbindende Kraft haben, fo begreifen fie folgende Momente in fid. Die Beerdigung eines Gebannten in geweihter Erde unb inmitten ber übrigen Gläubigen ift unbedingt verboten. Sollte eine derartige Verlegung ber kirchlichen Immunität, fel εὖ burd) Zufall oder Irethum oder burd) Anwendung von Gewalt, bennod) ftattgefunben haben, fo ift ber Leichnam des Ercommunicirten audzugraben und an einen andern, nicht geweihten Ort zu bringen; vermag man das Grab von denen bet übrigen Gläubigen nicht mehr zu unterscheiden, jo foll bie Ruhe ber Legtern nicht geftört unb nad) bec Etätte des unbefugt hier Beerbigten nicht weiter gefucht werben 9. Der Kirchhof felbft aber ift in beiven Fällen Ganterbury einem Abte in dieſer Beziehung ertheilte. Epist. canon. XII bei Hard. VI. 1. p. 1186. 1) Richter, Kirchenrecht. G. 644. 2) Dal. die verfchiedenen hieher gehörigen Beflimmungen ber pros teftantifchen Kirchenorpnungen bei Pertſch, das Set des Kicchen- bannes, ©. 411. 3) Carpsov, Jurisprud. Consistor. Defin. CCCLXXXII und Defin. CCCLXXXIV. An der erflern Stelle finden ſich auch einige fehr flarke Neußerungen Luthers fiber ble Beerdigung bet Greommunicicten. 4) c. 12 X de sepultur. 3. 28: ,Si contingat, quod vel ex- communicatorum corpora per violentiam aliquorum vel alio casu in coemeterio ecclesiastico tumulentur: si ab aliorum corporibus dis- » Die Mirfungen der Grcommunication. 587 als polIuirt zu betrachten !) und es dürfen auf ihm fo lange feine Beerdigungen mehr ftattfinben 3), big er eine fórmlidje 9Reconciliation erhalten hat. — Alle Diejenigen, bie wiffentfid ber Beftattung eines Ercommunicirten ans wohnen und ben Leichenzug begleiten, um bem Berftor- ftorbenen „vie legte Ehre“ zu ermeifen, verfallen in bie Fleinere Ercommunication 3), denn e8 liegt audy in bet bloß paffiven Anwefenheit ein Verkehr *) mit bem Ge bannten, ber jene Strafe ebenfogut nad fid) zieht, al8 bet Umgang mit bem Lebenden. Wer (id) aber bei einer foldyen Beerdigung actio betheiligt, indem er fie burd) Gewalt ober Drohung oder andere unerlaubte Mittel, mit Wiffen und Willen, aus Verachtung ber firdjliden Auctorität und mit ber beftimmten Abſicht, gegen ble beftehen- ben Vorſchriften bem Ercommunicirten die Ehre des Begräbniffes zuzuwenden, verantaft oder erzwingt, verfällt ipso facto in die Excommunicatio major 5), von melder ber Biſchof erft bann zu abfolviren cerni poterunt, exhumari debent et procul ab ecclesiastica sepullura jactari. Quodsi discerni non poterunt, expedire non credimus, ut cum excommunicatorum | ossibus corpora extumulentur. fidelium." 1) c. 7. X de consecrat. ecclesiae. 3. 40: ,Coemeteria, in quibus excommunicatorum corpora sepeliri contingit, reconcilianda erunt aspersione aquae, solemniter benedictae, sicut in dedicationibus ecclesiarum fieri consuevit. 2) c. unic. de consecrat. eccles. VI. 3. 21. 3) Glossa in c. 5 X de privileg. 5. 33. verb. sepelierint. 4) , Quibus viventibus non communicavimus, mortuis communi- care non possumus. “ 9) c. 1 de sepultur. in Clement. 3. 7: „Eos, qui propriae temeritatis audacia defunctorum corpora, non sine contemtu clavium ecclesiae, in coemeteriis interdicti. tempore, vel excommunicatos publice, aut nominatim interdictos, vel usurarios manifestos scieüter 588 Die Wirkungen der Grcommunicatton, das 9tedjt hat, wenn denjenigen Perſonen, bie durch die genannte Handlung verlegt wurden, 3. B. den Geiftfidjen, bie Dagegen Widerfpruc erhoben hatten, aber nicht gehört wurden, vollfommene Genugthuung geleiftet worben ft: eine Abfolution vor Erfüllung tiefer Beringung wäre null und nichtig ἢ. Außer den eigentlihen Veranlaſſern unb Urhebern der Beerdigung trifft ble vom Geſetze ausgeſprochene Ctrafe der Ercommunication aud) Sene, bie an berfelben wifjentlih unb in ber gleichen böslichen Abſicht — afe Geiſtliche, Sänger, Träger, Todtengräber 1c. thätigen Ans (δε nehmen, denn durch ihre Mitwirfung ift die Auss führung ber frevelhaften Handlung erft eigentlich möglich gemadjt, fie find gerade fo, wie die 9Beranfaffer, im Einne des Geſetzes zu ben sepelientes zu rechnen, mithin aud) der nämlichen Strafe verfallen 9. Endlich fteben auf ders felben Stufe ber Mitfchuld Diejenigen, welche zwar actio fid nicht bethelligten, aber dazu ſchwiegen unb durch dieſes Schweigen ihre Zuſtimmung und Autorifation ers theilten, während fte bod) vermöge Ihrer amtlichen Stellung, 4. 9. als Pfarrer, die feierliche Beerdigung hätten hindern follen 3). sepelire praesumunt, decernimus ipso facto excommunicationia sententiae subjacere: a qua nullatenus absolvantur, nisi prius ad arbitrium dioecesani episcopi eis, quibus per praemissa fuerit injuria irrogata, satisfactionem exhibuerint competentem." 1) Glossa in c..1 cit. verb. nullatenus absolvanlur. — Cfr. Alterius , 1. c. p. 154. 2) Thesaurus, De poenis eccles. s. v. Sepultura, c. V. 3) c. 47 X de sentent. excommun. 5. 39: „Ne autem solos violentiae hujusmodi auctores aliquorum praesumptio existimet pu- niendos, facientes el consentientes pari poena plectendos catholica condemnat auctoritas. Eos delinquentibus favere interpretamur, qui, cum possint, manifesto facinori desinuM obviare." Dal. Die Wirkungen der Grecommunicatton, 589 Wenn bie genannten Etrafen bei dem Begräbnifie jedes fpeciel Grcommunicirten eintreten, fo hat tie Ge⸗ fe&gebung in Betreff der Beerdigung notorifher und öffentlih verurtheilter Häretifer ober ihrer Begünftiger und Anhänger nod zwei verfchärfende Beftimmungen beigefügt. Wer fi einer derartigen Hand- (ung wifjentlih und in ftrafbarer Abficht, [εἰ εὖ als lir heber ober Helfershelfer, ſchuldig macht, fol [olange ver Grcommunication unterliegen, bi er ben Leichnam öffent: fid) ausgegraben unb an einen andern, nicht geweihten Ort gebradt hat ἢ); zugleih wird er ſelbſt der Härefie verbächtig und hat fid) eibid von biefem Verdachte zu reinigen 2). Als zweite Verſchärfung fügt die Decretale bei; et locus ille perpetua careat sepultura: v. ἢ. bie Ctelle, melde das Grab bildete, ift polluirt unb bleibt εὖ für immer, απ ὦ wenn ber Kirchhof bereits wieder reconcis liit worben ifi, — es foll an ihr für alle Zukunft Nies 'mano mehr beerbigt werben 3), — Mie enblid) bie Grcommunicirten in ungeweihter Erbe und. ohne jede Firchliche Feierlichkeit beerdigt werden ſollen, fo dürfen aud, wie faum zu erwähnen nöthig fein wird, bie mit bem chriſtlichen Begraͤbniſſe regelmäßig vers überhaupt die flare und gründliche Erklärung des betreffenden c. 1 de sepultur. in Clement. bei Alterius, l. c. n. 158 seq. 1) c. 2 de haeretic. VI. 5. 2: ,Quicumque haereticos, cre- dentes, receplatores, defensores vel fautores eorum scienier prae- eumeerint ecclesiasticae tradere sepulturae, usque ad satisfactionem idoneam excommunicationie eententiae se noverint subjacere, nec absolutionis beneficium mereantur, nisi propriis manibus publice exiumulent et projiciant bujusmodi corpora damnatorum, et locus slle perpetua careat sepultura." 2) Thesaurus, 1. c. Sepultura, c. IV. in fin. 3) Thesaurus, |. c. 590 Die Wirkungen der Ercommunication. bundenen Erequien nicht abgehalten werben Ὁ), ein Verbot, das in ber Natur ber Sache gelegen ift und fidj ſchon in der älteften Kirche allgemein vorfintet 9. — Die im Vor⸗ anftehenden namhaft gemachten gejeglihen Beftimmungen über Derweigerung bed kirchlichen Begräbniſſes beziehen fid übrigens im firengen Cinne unb nad ihrem ganzen Um; fange blo8 auf bie Excommunicali vitandi. Der Bes erbigurfg ber tolerati fónnen die Gläubigen anwohnen, ohne fid) einer €ünbe [ποίᾳ zu maden oder in eine Etrafe zu verfallen; ber Leihnam fann auf bem gewöhnlichen Friedhofe beigefegt werden unb alle kirchlichen Feierlichkeiten ftattfinden, denn die Bulle Ad vitanda hat zu Gunften ber Gläubigen ben Umgang mit den toleratis geftattet, was aud) auf das Begräbniß Anwendung findet, da εὖ weniger dem Verftorbenen zum 9tugen, als vielmehr den Leber lebenden zum Trofte gereicht und für fie eine große Woohlthat in fih fhließt 3. Dagegen haben aud) bei ben toleratis die gewöhnlichen Gebete des Prieſters und der Gemeinde, fowie bie nachfolgenden Grequien zu unterbleiben, weil diefe nur bem VBerftorbenen zu Gute kommen fónnen unb die Gonflanzer Bulle den Ercommunicirten feine Gunftbeyengung zuwenden wollte. — Da bie modernen Gejeggebungen den Grundfap aus gefprochen haben, daß Alle, welchen nit vom Staate das ehrbare Begräbnig zur Strafe entzogen ift, auf bem gemeinfamen Gottedader beerdigt werben follen, fo fann feidjt der Sal eintreten, daß die Polizeigewalt auch für die Excommunicati vitandi, namentlich wenn bie Centen 1) c. 28. 38 X de sentent. excomm. 5. 39. 5) Bingham , |. c. L. XVI. c. II. €. 13. 3) c. 22. C. XIII. q. 2. Die Wirkungen der Crcommunication, 591 ber Kirche ftaatlich nicht anerfannt wurde, das gewöhns- [ide Begräbniß auf dem Friedhofe in Anſpruch nimmt. Wir haben hier nicht bie Frage zu erörtern, in wieweit burd) eine folde Dumane Gefeggebung die óffent; lide Moral, das fittlihe Zartgefühl unb damit das eigene Sntereffe des Staates gefördert werde: wir ftellen ung lediglich auf den Ctanbpunft des pofitiven 9tedjtó und von ba aus die Sache betrachtet, werden folgende Principien feftgehalten werben müjfen. a) Wo die Kirche von Seiten des Staates, wie überall in Deutfchland, grunpgefeglich anerkannt ift, da hat fie ein Recht zu eriftiren unb nad ihren eigenen Gefegen zu leben. Diefe verweigern ben Excommunicalis vitandis aus hinreichend motivirten Gründen das chriftliche Begräbniß: wenn daher ble Staatögewalt das legtere fordert unb nöthigenfalls erzwingt, jo wird barin folange eine Verlegung der Firchlichen Freiheit liegen, αἰ der gemeinfame Friedhof geweihte Erde ift unb baé Begräbniß zu ven kirchlich⸗ religiöfen Handlungen gehört. b) Diejenigen, welde eine foldye Beerdigung wifjentlich und in ber beftimmten Abficht, bem Gebannten troß des firchlichen Verbotes vie Ehre des feierlihen Begräbnifies zu verichaffen, anbefehlen, veranlafjen oder dabei thätig mitwirfen, verfallen in Gemáfbeit des mehrerwähnten c. 1 de sepult. in Clem. 3.7, deſſen Geſetzeskraft nicht bezweifelt werben fann, ipso facto im die Excommuni- catio major unb müfjen von ber Kirche bis zur geleifteten Genugthuung als Gebannte betrachtet und behandelt werben. c) Der Geiftlie hat gegen eine derartige Forderung feier: (iden Proteft zu erheben und wenn biefer unbeachtet bleibt, . jedwede Mitwirkung bei dem Begräbnifje zu verweigern; im entgegengefegten Galle würde er als Mitfchulviger ber 592 Die Wirkungen der Grcomm unication. gleihen €trafe unterliegen. d) Da tie Kirche das Recht und bie Pfliht hat, unbefugten Eingriffen gegenüber ihre Disciplin aufredt zu erhalten, fo fann und muß fie ten Friedhof al polluirt betradten unb tie entmeibte Rubes ftátte der Gläubigen reconciliiren ἢ). — AU dieß ergibt ſich als nothwendige Confequenz aus den oben bargelegten Gruntfägen tes canoniſchen Rechts unb es fann von bem jelben im einzelnen Salle, folange tie Kirche ihre ΞΕ ταί: gefesgebung nicht zu ändern für gut findet, in feiner Seife abgegangen werden. — 1) Wenn ter Leichnam διό Ercommmicirten, wie unter beu ge gebenen Berhältnifien vorausgefeht werben muß, eu$ bem Friedhofe nicht mehr entiernt wird, fonbern daſelbſt verbleibt, fo if dieß fein Hinderniß ver Stecouciliation, teun audj für bem oben erwähnten Fall, in weldem das Grab des Greomunumicivten. midt mehr unterichieben werben famm unb alio der Leichnam auf dem Gottesader zu belaflen if, behaupten die Ganonijleu ciufimmig, daß die Reconcilietion nichtönehe- weniger möglid; (ti, — zu Gunflen der Gläubigen wird bas Grab des Greommunicirtem ale nicht vorhanden augefchen. Suares, L c. Disput. XII. sect. 4. n. 4. Prof. ober. 2. Der Quietismus in Frankreich. Zweiter Artikel. Wir haben bie Geſchichte des franzöſiſchen Quietismus in unſerem erſten Artikel bis zu den Conferenzen von Iſſy geführt. Wie wir dort bemerft, verlangte Madame Guion Anfangs Suni 1694 1) plóglid eine Unterfuhung und εὖ unterliegt faft feinem Zweifel, daß es vornehmlich ihre Freunde waren, Wenefon an der Spike, welde in ber Hoffnung, die volle unb enbgiltige Nieverfchlagung aller gegen bie neue Gebetöweife gerichteten Angriffe bamit zu erzielen, fte zu biejem Schritte vermocdhten. Daran fnüpft fid) unmittelbar die Geſchichte der berührten Gonferengen von Iſſy 2). — ©. hatte in bem Brief an Madame Maintenon, ber jene Bitte enthielt, eine Unterfuhung nit nur ihrer Lehre, fonbern audj, unb vorzüglid, ihrer Sitten verlangt 4) nicht 1693, wie es aus Verſehen in bem genannten Artikel heißt. 2) Bei der folgenden Darftellung fnb vorzüglich bie einſchlagenden Schriften von Zenelon und Bofluet, das Lehen Fenelons von Bauflet und das Leben der Madame ©. benügt worden. Da ein ſtetes ausdrück⸗ liches Verweiſen auf die einzelnen Belegftellen weber von befonderem Nutzen nod) auch leicht thunlich fehlen, ohne bie Arbeit allgufet angu» fchwellen, möge biefe allgemeine Berufung auf unfere Quellen genügen. Theol. Quartalſchrift. 1856. IV. Heft, 39 594 . * Der Quletismus und darauf ble Forderung gegründet, daß ihre Richter nut zur einen Hälfte aus Geiftlihen, zur andern aber ans Laien beftehen follten. Es ift Har, daß man damit von Seite der angefochtenen Richtung eine wohl berechnete Abs fidt verband; denn wenn es gelang, daß fittliche Verhalten ber G. zum erften, ja zum wichtigften Gegenftanb der Unter fuhung zu machen, fo bildete das freifprechenve Urtheil, das man bier vorausfehen Fonnte, jevenfals ein febr günftiges Praͤjudiz für die Prüfung der Doctrin unb ber ganze Proceß ließ auf dieſe Art ein für ble ©. und ihre Freunde fehr erfreuliches Refultat Hoffen. ' Allein Madame Maintenon ließ fid nicht überliften. Ohne Zweifel war e8 in biefen Tagen, daß fie Boffuet zu fich rufen ließ, um mit ihm ble ganze Frage zu berathen. Er Halt αἰ das Orakel bet franzöftfhen Kirche und war überbieß, wie fie wohl wußte, mit den Angelegenheiten ber ©. fpeciel vertraut. Mir haben fdon am Enve des erften Artikels kurz bemerft, wie bie Partei der ©. einen Verſuch machte, ben großen Bifchof von Meaur in ihr Interefe zu ziehen. Es gefhah dieß in der Mitte des Jahres 1693, al8 ble quieti ftifche Richtung, deren Mittelpuntt Map. G. bildete, bod ba und dort Aufmerffamfeit und Unruhe erregte. Weld großen Bortheil hätte es gebracht, wenn man fi in ben Schatten der erften theologifhen Gelebritàt von ganz Frank—⸗ reich hätte flüchten fónnen! Bofjuet felbft batte bis dahin nur wenig Zuverläffiges von ber Cade gehört: man fügte ihm zwar, daß aud) Fenelon ber neuen Gebetsweife huldige unb er unterließ e& nicht, bei bemfelben in biefer Angelegen⸗ beit ble und ba anzuflopfen; aber feine Fragen wurben nur ausweichend beantwortet, unb fo erfannte Boſſuet wohl, baf er vor einem Geheimniß fiehe, das man nod) nicht für in Fraͤnkreich. 595 gut fand, vor Ihm zu enthüllen. Unverſehens erfchien bel ibm ber Herzog von Ehevreur und bat ihn um eine Prüs fung der G.'fden Grundfäge. Bofjuet merkte gleich, daß e8 eigentlich Senelon fel, ber endlich mit der Sprache heraus⸗ rüde, und wenn er aud) keineswegs preffirt: war und nod weniger fid) zeigte, fid in eine Angelegenheit zu mifchen, die feine Didcefe gar Nichts anging, fo willigte er bod) im Grund fehr gerne in die dringenden Bitten bed. Herzogs, eine Unterfuhung über fid zu nehmen, ble fo interefjante Aufichlüffe zu liefern verſprach. ©. übergab ihm fofort ihre Bücher und auf-Discretion aud) das Manufeript, welches ble Darftellung ihres Lebens enthielt. (ὁ war Mitte Auguft 1693; ©. ging einftweilen auf das Land, während Bofjuet fid nad; Meaur begab, um dort in voller Ungeftörtheit bie ibm übergebenen Schriften gründlih zu prüfen. Er hatte fid) bis dahin nicht viel mit myſtiſchen Schriftftellern beihäftigt, unb es waren ibm in dieſer Beziehung nad, feinem eigenen Geſtaͤndniß nur vie Briefe des heiligen Franz — von Sales befannt. Das fonnte aber für einen Geift feiner Art kein Hinderniß fein, aud) In biefem bunfeln Gebiete aldbald ben Irrthum in allen feinen Schlupfwinteln zu erfennen, und ſehr frühe ftanb ihm vie llebergeugung ín voller Klarheit feft, bag er εὖ in feiner Lertüre mit offen- funbigen Ausjchreitungen, ja Beritrungen zu thun habe. Umfonft fudte ©. brieflich auf fein Urtheil zu wirken; nod, von Meaur aus verbot er ihr ihre Gnavenmittheilungen !), und in einer Gonferenz, die am 30. Januar 1694 Statt 1) Man vergleiche, was im erflen Artifel über diefen Punkt unb den vorgeblichen apoftolifchen Beruf der &. überhaupt beigebracht wot» den (ít. 39 * 596° Der: Ouletiömus) hatte, entwidelte Bofjuet der ©. Alles, was ihm nad einer forgfältigen Prüfung an ihren Grunb[ágen anftößig - erſchien. Es waren zwanzig Punkte, über melde er Ers Härungen verlangte; in etlichen gelang εὖ ver &., Boſſuet zufrieden zu ftellen, in ben meiften nicht, unb fie mußte fif bequemen, fo ſchwer ifr dad aud) fief, in ben ents ſcheidenden Fragen Unterwerfung zu verfprechen. In Betreff des muͤndlichen Gebeted und ber Verpflichtung zu bemjelben erflärte fie erft auf die förmlichſten Drohungen hin, daß fie ihren häretifchen Anfichten über biefen Gegenftanb entfagen wolle. Umfonft madjte €. in einem Brief an Bofjuet den WVerſuch, eben in ben Punkten, wo fie Bofjuet hatte nicht genügen können, ihre Lehre noch nachträglich, zu rechtfertigen ; in einem zwanzig Seiten langen Echreiben vom 4. März verbreitete fid) ber Bifchof nod) einmal mit ebenjoviel Klar: heit als Ruhe über alles Irrthümliche in ihren Schriften ; und ©. überzeugte fid nun ſchnell, bag ihre Sauber nicht bis an blefen ernften dogmatifchen Geift reihen. Sie brady raſch ab unb 309 fid) von SSoffuet wieder vollkommen zurüd. Es war ein großes Anliegen für ben Bifchof von Meaur gewejen, nadjem er jene Beiprehung mit ©. gehalten, zu Benelon zu elfen, um fid) zu überzeugen, ob es denn möglich fei, bag ein Mann, vor bem er fo unbe dingte Hochachtung hegte, wirklich diefe alled Maaß über- fchreitende Myftif theilen unb billigen fónne. Zu feinem großen Erftaunen aber hatte Fenelon in ber That für Alles Entfchuldigungen, indem er Manches ohne Weiteres in Schug nahm, unb bei Anderem geltend madıte, daß man bei einer Frau nicht den Buchftaben urgiren und jedenfalls von Ihren Büchern feinen €dlug auf ihre inneren Gefinnungen maden duͤrfe. Bofjuet erzählt fpäter, daß er das Zimmer in Frankreich. 597 Fenelons erfchüttert wieder verlaffen habe, und wer wollte bezweifeln, daß er über ble Beziehungen feines Freundes zu einer Sache, mie die ber G. war, fid) fortan jedenfalls febr ernfte Gebanfen machte? — ὅδ᾽ fann auf den erften Blick auffallen, warum Boffuet, nachdem bod) die Geheims nife des neuen Quietismus (id) faft vollfommen vor ihm entfchleiert, nicht fofort zur unerbittlichen Befämpfung einer Gadje fchritt, die er wenigftend fpäter für wichtig genng hielt, um an ihre Unterbrüdung bte Ruhe feined Lebens und bie ganze Kraft feines Genies zu fepen. Wie wir früher fdjon berichtet, beobachtete Bofjuet, nachdem feine Verhandlungen mit der G. ihr Ende erreicht, tiefes Stils, ſchweigen. Allein fo febr wir daran fefthalten, daß 3Bofjuet ſchon in dieſer erften Beichäftigung mit den Anſichten ber G. ihre Unhaltbarfeit erfannte und aud) wohl ihrer Bes jiehungen zu den Grunbjágen des anderwärts aufgetauchten Quietismus fid) hinlänglih bewußt wurde; — e8 verfteht fid) von felbft, daß ein voller Ueberblid über ble Sadıs lage auf das erfte Mal bod) nicht zu gewinnen war. Bers hängnißvolle Irrthümer, wie große Wahrheiten [affen ſich erft aus einer gewifjen Entfernung recht überfchauen unb wenn wir aud) über irgend eine Sache von Anfang an mit voller Entjchievenheit ben Stab gebrochen, fo bedarf bod felbft der begabtefte Geift feine gewiefene Zeit, um bie ganze Tragweite der Lüge zu ermefjen, ber wir gegenüberftehen. Aehnlich erging ed aud) wohl Bofjuet mit den gefährlichen Sägen, auf bie er in bem Büchern ber ©. "geftoßen war. Was bann biefe fegtere felbft betrifft, [o glaubte er jweifelohne, daß bie Irrthümer, in bie fie verftridt war, bod) mehr nur unorgani[d) um ben Mittelpunft einer im Ganzen frommen Gefinnung liegen und daß es folden 598 Der Quietismus Perſonen gegenuͤber genuͤge, in der Weiſe des Beichtvaters belehrend einzuſchreiten und Unterwerfung unter die Be⸗ lehrung zu verlangen. In der That hielt er, ſolange er damals mit ben Angelegenheiten ber ©. fid) zu beſchaͤftigen hatte, dieſen Standpunkt ein und daher ruͤhrte es, daß er am Schluß ſelbſt zu einem günſtigen Zeugniß für ©. fid bereit erklaͤrte, die es bei allem innern und geheimen Eigen⸗ finn an äußern Verſicherungen des Gehorſams nicht hatte fehlen laſſen. Freilich hatte es mit der G., wie Boſſuet nicht entging, nod) eine andere S8emanbtnif; fie erſchien in ihren Schriften als der Mittelpunkt einer myſtiſchen Richtung, und wie wir wiſſen, war ſie das auch. Aber wie nahe lag es einem Fremden, ‚anzunehmen, daß dahin glelenbe Aeußerungen in ihren Büchern entweder geradezu auf Rechnung ihrer eitlen Einbildung zu ſetzen jeien over bofj nur gemifje vereinzelte Sympathieen, wie fie a. 2. Benelon für ©. zu hegen ſchien, zu ihrer Vorausſetzung haben? — | Wie dem aber immer fei, To viel ift fier, daß zur Zeit, ald G. plöglich eine Gommifflon zur Unterfuhung ihrer Sitten und ihrer Lehre verlangte, Boſſuet verjenige Theologe war, bem vor Allen ein Urtheil in blefer Sade guftanb; und es muß ald durchaus lobwürdig bezeichnet werben, daß Maintenon fidj in ber vor fie gebrachten An- gelegenheit hauptfählih und zuerft an ihn wandte. In der Ünterrebung, die zwiſchen Beiden Statt hatte, gelangte bald ein ganz beflimmter Plan zur Reife, ber in ben folgenden Thatfahen feinen Ausprud fand. Es wurde bet GO. bedeutet, daß man auf eine Prüfung ihrer Eitten nit eingehen fünne, da biefelben von Niemand ernftlid angefochten fein; daß man aber in eine neue Unter in Frankreich. 599 juhung des Lehrpunftes willigen wolle. Ohne bie Uns wahrheit zu fagen, fonnte Maintenon verfidhern, daß man das Letztere fogar mit Vergnügen tbue. Wir jchweigen von bem allgemeinen Intereſſe, das fie fowohl ald der 3Bi[dyof von Meaur für bie Reinerhaltung des Glaubens trug. Mains tenon dachte ganz befonders burd) Einleitung dieſes Proceſſes bie perjónlide Schuld wieder gut zu machen, bie fie burd) ' langjährige Protection der ©. vor ber Kirche auf fid) ges laden haben fonnte; unb fefbft Bofjuet hatte wohl bei ber Sache einen ähnlichen [peciellen Gewiſſensgrund; ed unter fiegt nämlich feinem Zweifel, bag wenn er aud) noch über , die SBerfon ber ©. und ihre Freunde nicht viel anders dachte, als früher, ihm tod) bie Srrtbümer, bie er einft zu untere fuchen gehabt, nad) Iahresfrift bereits noch viel verberblicher erſchienen, als ehemals, und fomit eine Gelegenheit mit Freuden von ihm begrüßt wurde, die es ibm möglich machte, fid mit voller Entfchievenheit und öffentlich gegen biefelben zu erflären. Und noch ein anderweitiged Motiv hatten Boſſuet unb Maintenon, auf die fragliche Unterfuhung mit Freuden einzugehen. Beiven lag Genelon und wohl aud; fonft ber Eine und Andere febr am Herzen. Maintenon insbes jonbere trug fid) mit bem Plan, ben Erzieher ber Kinder Frank reichs, für den fie wirklich eine jehr große unb reine Vereh⸗ rung trug, durch ihren Einfluß bald auf einen bifchöflichen - Stuhl zu befördern. ‘Eine Unterfuchung, die mit einer Ver- werfung ber Lehre ber &. enben mußte, fehlen ganz geeignet, Senelon, mochte fid) nun ©. felbft entfcheiven wie fie wollte, nidt nur überhaupt für die Wahrheit zu reiten, fonbern insbeſondere aud) aus einer Bahn heranszureißen, auf welcher er jamt feinen Freunden in nicht gar zu langer Friſt fid „unmöglih" machen mußte. — Doc fafjen wir 600 Der Duletismus ben Faden bet Erzählung wieder auf! Indem man bie Unterfuhung auf bie Lehre beichränfte, bebeutete man ber Θ. zu gleicher Zeit, daß man ihr begreifliher Weiſe nur ein rein geiftliches Gericht gewähren fünne. Zur Berufung in daſſelbe ſchlug ©. ben Biſchof von Ehalons, Herrn von Noailles, ben nad)maligen Garbinal, und ben Superior von St. Sulpice, ven uns fdon befannten Tronfon vor. Don beiden Männern hoffte fie für ihre Gadje. Der Erfte, eine fein gefchnittene unb ſchmiegſame Geftalt, weniger durch Ges Ichrfamfeit und Schärfe, als durch abgerunbete unb zarte Bils bimg glänzend, brachte zum Minveften feine Befangenheit zu der Unterfuhung mit; ja feine Verbindung mit Wenefon, vielleicht auch der limftanb, daß feine Bafe in ble Ange legenheiten ver ©. verwidelt war, ließen die Betheiligten von feiner Seite eine pofitive Geneigtbeit zu einer milden Ents ſcheidung vermuthen. Sronfon, ein Achte priefterlihe Erfcheis nung, ein Charakter, ber aus feinem Glauben lebend, trot einiger Irrungen unbefledt unb von allen Barteien hochge⸗ achtet dur die fommenben Verwicklungen hindurchgieng, war Fenelon mit einer vaͤterlichen Liebe zugethan, und dieß, fowie das ganze innerlihe Weſen des Superior von Ct. Sulpice mochte wohl nicht minder bie Erwartung nähren, baf aud) von feiner Seite Nichts zu befürchten fei. — Der König genehmigte bie Borfchläge ber G. und fügte zu den beiden Männern, — was von Anfang an ausges machte Sache war, — als Dritten und als Präfiventen der Gommifflon ben Bifhof von Meaur. — Die Commifjäre eröffneten ihre Thätigfeit Anfangs Juli mit einem längeren Verhör, das fie mit Mad. G. anftellten. Sofort mußte diefelbe ihre gebrudten Werke herausgeben unb auf Ans bringen Bofjuets fügte fie dazu noch das Mannfcript ihres Φ in Fraͤnkreich. 601 Lebens. Eine Apologie, die fie Mitte September an ihre Richter einfandte, bildete das lebte Actenftüde’ves Proceſſes. .— Die drei Gommiffüre hatten mit ber Lectüre biejer vete ſchiedenen Schriften bi8 Ende September zu tbun unb bie. eigentlihen Gigungen Eonnten nicht vor Anfangs Oftober beginnen. Zum Orte berfelben wählte man aus Rüdficht für ben leibenben Tronfon Iſſy, das Landhaus von Ct. Sulpice Ein Plan für ihre Verhandlungen war von ben Commifjären bald gefunden. Sie famen nämlih in bem Gebanfen überein, eine Reihe von kurzen und präcifen Artikeln aufzuftellen und in ihnen theild bie gefunbe τῶν [ide Lehre über bie in Trage ftebenben Puncte zu formus liven, {δεῖ [δ bie derſelben wiberftrebenden aftermyftiichen Behauptungen zurüdzumeifen. Damit fonnte man hoffen, der nächften den Konferenzen vorgezeichneten "Aufgabe in be- friebigenber Weile zu genügen. Die SBeratfungen ber Commiſſion fließen inbe& auf mandje Klippen. Kaum δὲς gonnen, wurden fie an Harlay verrathen. Man hatte bie ganze Cadje forgfältig vor ihm zu verbergen geſucht; ale Oberhirte der Diöcefe, in welcher bie quietiftiiche Bewegung hauptſächlich fpieíte, mar er ja eigentlich vor jedem Andern jur richterlichen Entſcheidung über biefelbe berufen; und bod) verbot e& feine befannte damalige Haltung, ihn zu ben Conferengen beiguziehen. In der Abfiht die Gommijfton zu [prengen, cenfurirte der Erzbifchof auf bie erfte Kunde von deren Eriftenz die Schriften von ©. und Lacombe.. Indeß hatte diefer Schritt nicht den gewünfchten Erfolg ; Boſſuet erflärte einfach, daß damit die Aufgabe der Gom . mijflon, beftimmte Girunbjáge in ben ftrittigen Fragen feft- zujegen, keineswegs erledigt εἰ unb Harlay mußte bem weiten Verlauf des Proceſſes ruhig zufehen. — Uber die 592 Die Wirkungen der Greomm unicatton, gleihen Strafe unterliegen. d) Da ble Kirche das Recht und die Pflicht hat, unbefugten Eingriffen gegenüber ihre Disciplin aufrecht zu erhalten, fo fann und muß fie ben Friedhof als poluirt betrachten und bie entweihte Ruhe, ftätte der Gläubigen reconcilüiren 1). — AM dieß ergibt fij als nothwenbige Gonfequeny aus ben oben batgelegten Grundfägen bed canonifhen Rechts und ed fann von bens jelben im einzelnen alle, folange die Kirche ihre Straf- geſetzgebung nicht zu ändern für gut findet, in feiner Weiſe abgegangen werben. — 1) Wenn ter Leichnam des Greommunicitten, wie unter ben ges gebenen Verhaͤltniſſen vorausgefeßt werben muß, aus bem Friedhofe nicht mehr entfernt wird, fonberm bafelbft verbleibt, fo if dieß fein Sinderniß der Reconciliation, denn auch für ben oben erwähnten Fall, in welchem das Grab des Excommunicirten nicht mehr unterfchieden werden Tann und alfo der Leichnam auf dem Gottesacker zu belaflen if, behaupten die Canoniſten einftimmig, daß die Seconciliation nichtsdeſto⸗ weniger möglich fel, — zu Gunflen ber Gíüubigen wird das Grab des Greommunicirten als nicht vorhanden angefehen. Suares, l. c. Disput. XII. sect. 4. n. 4. Prof. Kober. 2. Der Quietismus in Frankreich. Zweiter Artikel Mir haben bie Gefchichte des Franzöfifchen Quietismus in unferem erften Artifel bis zu ben Conferenzen von Iſſy geführt. Wie wir dort bemerkt, verlangte Madame Guion Anfangs Juni 1694 !) plöglic eine Unterfuhung und εὖ unterliegt faft feinem Zweifel, tag es vornehmlich ihre Sreunbe waren, Wenelon an der Spike, melde in ber Hoffnung, bie volle und enbgiltige Nieverfchlagung aller gegen bie neue Gebetöweife gerichteten Angriffe damit zu erzielen, (le zu diefem Schritte vermodjten. Daran fnüpft fid) unmittelbar die Geſchichte der berührten Eonferenzen von Iſſy 5. — ©. hatte in bem Brief an Madame Maintenon, ber jene Bitte enthielt, eine Unterfuhung nicht nur ihrer Lehre, fondern audj, unb vorzüglid ihrer Sitten verlangt 1) nicht 1693, wie es aus Berfehen in bem genannten Artikel Heißt. 2) Bei der folgenden Darftellung fnb vorzüglich bie einfchlagenven Schriften von Fenelon und Bofluet, das Leben Fenelons von Bauffet umd das Leben der Madame ©. benügt worden. Da ein fletes ausdrück⸗ liches Derweifen auf die einzelnen Belegſtellen weder von hefonderem Nutzen noch auch leicht thunlich ſchien, ohne die Arbeit allzufehr anzu⸗ fchwellen, möge biefe allgemeine Berufung auf unfere Quellen genügen. Theol. Duartalfgeift. 1856. IV. Heft. 39 594 . * Der Quietismus und darauf ble Forderung gegründet, baß ihre Richter nur zur einen Hälfte aus Geiftlihen, zur andern aber aus Laien beftehen follten. Es ift flat, daß man damit von Seite der angefodjtenen Richtung eine wohl berechnete 906; fit verband; denn wenn ed gelang, das fittlihe Verhalten ber ©. zum erften, ja zum wichtigften Gegenftanb ter Unter fudung zu machen, fo bildete dag freifpredjenbe Urtheil, das man bier vorausfehen Fonnte, jedenfalls ein fehr günftiges Praͤjudiz für die Prüfung ber Doctrin unb der ganze Proceß ließ auf bieje Art ein für die G. und ihre Freunde febr erfrenliches Refultat Hoffen. Allein Madame Maintenon [le fid nicht überliften. Ohne Zweifel war es in biefen Tagen, daß fie Boſſuet zu fi rufen ließ, um mit ihm bie ganze Frage zu berathen. Er Halt al das Drafel bet franzöftichen Kirche unb war überbieß, wie fie wohl wußte, mit ben Angelegenheiten der ©. fperiell vertraut. Wir haben fhon am Ende des erften Artifeld Fur bemerkt, wie ble Partei der ©. einen Berfuch machte, ben großen Biſchof von Meaur in ihr Interefie zu ziehen. Es geſchah dieß in ber Mitte des Jahres 1693, als die quietis ſtiſche Richtung, deren Mittelpunft Mad. ©. bildete, tod, ba und bort Aufmerffamfeit unb Unruhe erregte. Welch großen Bortheil hätte e gebradjt, wenn man fi in ben Schatten der erften theologifhen Eelebrität von ganz Stant; reich hätte flüchten fónnen! Boſſuet felbít batte bis dahin nur wenig Zuverläffiged von der Sache gehört: man fagte ihm zwar, daß aud) Fenelon ber neuen Gebetöweife bulbige unb er unterließ es nicht, bei demfelben in tiefer Angelegen- beit ble und ba anjuffopfen ; aber feine tagen wurden nur ausweichend beantwortet, unb fo erfannte Bofjuet wohl, daß er vor einem Gebeimnig ftebe, das man nod) nicht für in Frankreich. 595 gut fand, vor ihm zu enthüllen. Unverfehens εὐ ίεπ bei ihm der Herzog von Chevreux unb bat ihn um eine Prüs fung der G.'ſchen Grunb[áge. Boſſuet merfte glei, taf es eigentlich Senelon fel, der endlich mit ber Sprache heraus⸗ rüde, unb wenn er aud) keineswegs preffirt: war und nod weniger fich zeigte, fich in eine Angelegenheit zu mijchen, bie feine Didcefe gar Nichts anging, fo willigte er body im Grund febr gerne in bie dringenden Bitten des Herzogs, eine Unterfuhung über fid) zu nehmen, die fo interefjante Aufſchlüſſe zu liefern verſprach. G. übergab ibm fofort ihre Bücher unb auf-Discretion aud) das Manufeript, welches die Darftellung ihres Lebens enthielt. Es war Mitte 9Iuguft 1693; ©. ging einftweilen auf das Land, während Boffuet fih nadj Meaur begab, um dort in voller Ungeftörtheit die Ihm übergebenen Schriften grünblid) zu prüfen. Er hatte fich bis dahin nicht viel mit myſtiſchen Schriftftellern befhäftigt, und es waren ihm in biefer Beziehung nad) feinem eigenen Geftändniß nur die Briefe des heiligen Franz — von Sales befannt. Das fonnte aber für einen Geift feiner Art fein. Hinderniß fein, aud) in biefem vunfeln Gebiete alsbald ben Irrthum in allen feinen Schlupfwinfeln zu erkennen, unb febr frühe ftanb ihm vie Ueberzeugung in voller Klarheit feft, daß er εὖ in feiner Lectüre mit offen; fundigen Ausfchreitungen, ja Verirrungen zu tbun habe. Umfonft fudte ©. brieflich auf fein Urtheil zu wirfen; nod von Meaur aus verbot er ihr ihre Gnadenmittheilungen !), und in einer Gonfereng, die am 30. Januar 1694 Statt 1) Man vergleiche, was im erften Artifel über diefen Punkt und den vorgeblichen apoftolifchen Beruf der G. überhaupt beigebracht wors den ift. 39 * 596 Der: Quletismus) hatte, entwidelte Bofjuet der ©. Alles, was ihm nad einer forgfältigen Prüfung an ihren Grunb(ágen anftófig - erihten. Es waren zwanzig Punfte, über melde er Gr; Flärungen verlangte; in etlichen gelang e& ber G., Boſſuet zufrieden zu ftellen, in ben meiften nidjt, unb fle mußte fld bequemen, fo ſchwer ihr das aud) fiel, in ben ents ſcheidenden Bragen Unterwerfung zu verſprechen. In Betreff des mündlichen Gebeted unb der Verpflichtung zu bemfelben erklärte fie erft auf die Förmlichften Drohungen hin, daß fie ihren häretifchen Anfichten über diefen Gegenftand entjagen wolle. Umfonft madjte ©. in einem Brief an Bofjuet ben WVerſuch, eben in ben Punkten, wo fie Bofjuet hatte nicht genügen fónnen, ihre Lehre nod) nadjttágld) zu rechtfertigen ; in einem zwanzig Seiten langen Echreiben vom 4. März verbreitete fid ber Bifchof nod) einmal mit ebenfopiel Klar- heit al8 Ruhe über alles Irrthümliche in ihren Schriften; und ©. überzeugte fid nun ſchnell, daß ihre Zauber nicht bis an diefen ernften dogmatifchen Geift reihen. Sie brach raſch ab und jog fid) von SBoffuet wieder vollfommen zurüd. Es war ein großes Anliegen für den Bifchof von Meaur gewejen, nachdem er jene Beiprehung mit ©. gehalten, zu Fenelon zu eilen, um fid) zu überzeugen, ob εὖ denn móglid fei, daß ein Mann, vor bem er fo unbe dingte Hochachtung hegte, wirklich dieſe alles Maaß über- Tchreitende Myſtik theilen und billigen fónne. Zu jeinem drogen Grftaunen aber hatte Fenelon in ber That für Alles Entfhuldigungen, indem er Manches ohne Weiteres in Schutz nahm, und bei Anderem geltend machte, daß man bei einer Frau nicht ben Buchſtaben urgiren und jedenfalls von ihren Büchern feinen Echluß auf ihre inneren Gefinnungen machen dürfe. Bofjuet erzählt fpäter, bag er das Zimmer in Frankreich. 597 Tenelons erſchüttert wieder verlafen Babe, und wer wollte bezweifeln, daß er über bie Beziehungen feines Freundes zu einer Sache, wie die ber G. war, fid) fortan jedenfalls febr ernfte Gebanfen machte? — Es kann auf den erften Blick auffallen, warum Bofjuet, nadjbem body die Geheim⸗ niffe beà neuen Quietismus fid) faft vollfommen vor ihm entſchleiert, nicht fofort zur unerbittlihen Befämpfung einer Sache fdriit, bie er wenigftend fpäter für wichtig genng hielt, um an ihre Unterbrüdung die Ruhe feines Lebens und die ganze Kraft feines Genies zu fepen. Wie wir früher ſchon berichtet, beobachtete Boſſuet, nachdem feine Verhandlungen mit der ©. ihr Ende erreicht, tiefes Stil; “Schweigen. Allein fo ſehr wir daran fefthalten, daß Boſſuet ſchon in biefer erften Befchäftigung mit ben 9Infidten ber ©. ihre Unhaltbarfeit erfannte und aud) wohl ihrer Bes ziehungen zu den Grundſaͤtzen des anderwärts aufgetanuchten Quietismus fid hinlänglich bewußt wurde; — ἐδ verfteht fid von felbft, bag ein voller Meberblid über die Sadıs lage auf das erfte Mal bod) nicht zu gewinnen war. Ver⸗ hängnißvolle Srrtbümer, wie große Wahrheiten laffen ſich erft aus einer gewilfen Entfernung recht überfchauen unb wenn wir aud) über irgend eine &adje von Anfang an mit voller Entfchievenheit den Stab gebrochen, jo bedarf bod) felbft ber begabtefte Geift feine gewiefene Zeit, um bie ganze Tragweite ber Rüge zu erme[jen, ber wir gegenüberftehen. Aehnlich erging es auch wohl Bofjuet mit den gefährlichen Sägen, auf die er in den Büchern ber ©. 'geftofien war. Was bann diefe fegtere felbft betrifft, fo glaubte er zweifelsohne, daß bie Irrthümer, in die fie verftridt war, bod) mehr nur unorganifh um ben Mittelpunkt einer im Ganzen frommen Gefinnung liegen und baf e8 folden 598 Der Quietismus Perſonen gegenüber genüge, in ber Weile des Beichtvaters belehrend einzufchreiten unb Unterwerfung unter ble Bes Ichrung zu verlangen. In ber That hielt er, folange et bamals mit ben Angelegenheiten ber ©. fid) au beihäftigen hatte, biefen Ctanbpunft ein und daher rührte ed, daß εὖ am Schluß felbft zu einem günftigen Seugnig für G. fid) bereit erklärte, ble es bei allem innert und geheimen Eigens finn an Außern Verfiherungen des Gehorſams nicht hatte fehlen laffen. δτει {ὦ hatte e& mit der G., wie Boſſuet nicht entging, nod) eine andere Bewandtniß; fie erfchien in ihren Schriften als ber Mittelpunkt einer myſtiſchen Richtung, und wie wir mifen, war fie das au. Aber wie nahe lag es einem Fremden, anzunehmen, daß dahin jielende Aenferungen in ihren Büchern entweder gerabegu auf Rechnung ihrer eitlen Ginbilbung zu fegem feien ober bod) nur gewiffe vereinzelte Sympathieen, wie fte 3. 3B. Benelon für ©. zu hegen ſchien, zu ihrer Vorausſetzung haben? — | Wie bem aber immer fel, fo viel ift fier, bag zur Seit, al& ©. plóglid) eine Gommiffton zur Unterſuchung ihrer Sitten und ihrer Lehre verlangte, Boſſuet derjenige Theologe war, bem vor Allen ein Urtheil in dieſer Sache zuftand; und es muß als burdaué lobmürbig bezeichnet werben, daß Maintenon fid) in ber vor fie gebrachten An⸗ gelegenheit hauptfächlic, und zuerft an ihn wandte. In der Unterredung, bie zwiſchen Beiden Statt hatte, gelangte bald ein ganz beftimmter Plan zur Reife, ber in ben folgenden Thatfachen feinen Aushruf fand. Es wurde der ©. bedeutet, daß man auf eine Prüfung ihrer Sitten nicht eingeben fónne, da viefelben von Niemand ernftfid) angefochten jfelen; daß man aber in eine neue Unter in Frankreich. 599 fudung des Lehrpunktes willigen wolle. Ohne bie Un, wahrheit zu fagen, fonnte Maintenon verfidjern, daß man das Letztere fogar mit Vergnügen thue. Wir fchweigen von dem allgemeinen Intereſſe, das fie ſowohl ald der Biſchof von Meaur für bie Reinerhaltung des Glaubens trug. Main, tenon dachte ganz beſonders durch Einleitung dieſes Procefjes bie perfönlihe Schuld wieder gut zu machen, bie fte durch ' Iangjährige Protection der ©. vor ber Kirche auf fid) ges laden haben fonnte; unb jelbft Boſſuet hatte wohl bei bet Sache einen ähnlichen [peciellen Gewiſſensgrund; es unters Περί nàmlid) feinem Zweifel, bag wenn er aud) nod) über . bie Berfon der ©. und ihre Freunde nicht viel anders dachte, als früher, ibm bod) die Irrthümer, die er einft au unter fudjen gehabt, παῷ Sahresfrift bereits nod) viel verbexblidyer erjchienen, als ehemals, unb fomit eine Gelegenheit mit Freuden von ihm begrüßt wurde, bie es Ihm möglich machte, fid) mit voller Entfchievenheit und öffentlich gegen diefelben zu erflären. Und nodj ein anderweitiges Motiv hatten Boſſuet und Maintenon, auf die fraglidje Unterfuhung mit Freunden einzugehen. Beiden lag Fenelon unb wohl aud, fonft ber Eine und Andere febr am Herzen. Maintenon insbes fonbere trug fid) mit bem Plan, ben Erzieher ber Kinder Frans reiche, für ben fie wirklich eine febr große unb reine Vereh⸗ rung trug, burd) ihren Einfluß bald auf einen bifhöflichen - Stuhl zu befórbern. Eine Unterfuchung, ble mit einer Ver- werfung ber Lehre ber ©. enden mußte, (djien ganz geeignet, Senelon, mochte fid) nun ©. felbft entfcheiden wie fie wollte, nicht nur überhaupt für bie Wahrheit zu reiten, ſondern insbefondere aud; aus einer Bahn herauszureißen, auf. welder er (amt feinen Freunden in nicht gar zu langer Friſt fif „unmöglih” machen mußte. — Doc faſſen wir 600 Der Quietismus ben Faden ber Erzählung wieder auf! Indem man bie Unterſuchung auf bie Lehre befchränfte, bebeutete man der G. zu gleiher Zeit, daß man ihre begreiflicher Weife nur ein rein geiftliches Gericht gewähren könne. Zur Berufung in daſſelbe ſchlug G. den SBifjof von Ehalons, Herrn von Noailles, ben nachmaligen Garbinaf, und den Superior von St. Sulpice, ben uns fdon befannten Tronfon vor. Don beiven Männern hoffte fie für ihre Sache. Der Grfte, eine fein gefcänittene und ſchmiegſame Geftalt, weniger durch Ges lebrfamfeit und Schärfe, als durch abgerunbete und zarte Bils bimg glänzend, brachte zum Minveften feine Befangenheit zu der Unterfuhung mit; ja feine Verbindung mit Benelon, vieleicht auch ber Umftand, taf feine Bafe in ble Ange legenheiten ver ©. verwidelt war, liegen bie Betheiligten von feiner Seite eine pofitive Geneigtbeit zu einer milden Cnt ſcheidung vermuthen. Tronfon, ein Achte priefterlihde Erfcheis nung, ein Charakter, ber aus feinem Glauben lebend, trop einiger Irrungen unbefledt und von allen Parteien hochge⸗ achtet durch die kommenden Verwicklungen hindurchgieng, war Fenelon mit einer väterlichen Liebe zugethan, und vief, fowie das ganze innerfldje SBefen des Superior von Ct. Sulpice mochte wohl nicht minder die Erwartung nähren, baf aud? von feiner Seite Nichts zu befürchten ſei. — Der König genehmigte vie Vorfchläge ber G. und fügte zu ben beiden Männern, — was von Anfang an ausge machte Sache war, — ald Dritten und al8 Präfidenten bet Eommiffion ben Biſchof von Steaur. — Die Gommiffáre eröffneten ihre Thätigkeit Anfangs Juli mit einem längeren Berhör, das fie mit Mad. G. anftellten. Sofort mußte diefelbe ihre gebrudten Werke herausgeben und anf Ans bringen Bofjuets fügte fie dazu noch das Manufeript ihres in Fraͤnkreich. 601 Lebens. Eine Apologie, bie fie Mitte September an ihre Richter einfanbte, bildete das legte Actenſtücke des Proceſſes. . — Die drei Commiffäre hatten mit ber Lectüre blefer ver: ſchiedenen Schriften bi6 Ende September zu tbun und bie. eigentlichen Sitzungen fonnten nicht vor Anfangs Oktober beginnen. Zum Orte derfelben wählte man aus Rüdficht für den leibenben Tronfon Iſſy, das Landhaus von Ct. Sulpice. Ein Plan für ihre Verhandlungen war von ben Gommifjáten bald gefunden. Sie famen. nämlidh in bem Gedanken überein, eine Reihe von Furzen und präciien Artikeln aufzuftelen und in ihnen theild bie gefunbe kirch⸗ liche Qebre über die in Srage ftebenben Puncte zu formus (iren, theil bie berjelben widerftrebenden aftermyftifchen Behauptungen zurücdzumeifen. Damit fonnte man hoffen, der nächſten den Konferenzen vorgezeichneten Aufgabe in be- friedigender Weile zu genügen. Die Berathungen der Commiſſion fließen inbe& auf mande Klippen. Kaum bes gonnen, wurden fie an Harlay verrathen. Man fatte die ganze Cade forgfältig vor ibm zu verbergen geſucht; als Oberhirte ber Didcefe, in meldjer die quietiftifche Bewegung hauptfählich ipiefte, mar er ja eigentlid) vor jebem 9Inbern zur richterlichen Gnt[djelbung über viefelbe berufen; unb doch verbot e& feine befannte damalige Haltung, ihn zu ben Eonferenzen beizuziehen. In der Abficht die Gommijfton zu fprengen, cenfurirte der Erzbifchof auf bie erfte Kunde von deren Grifteng die Schriften von ©. und Lacombe. Indeß hatte tiefer Schritt nicht den gewünfchten Erfolg ; Boſſuet erflärte einfach, daß damit ble Aufgabe ber Gom; . mijflon, beftimmte Grundfäge in den ftrittigen Fragen feft- zufegen, keineswegs erlebigt [εἰ und Harlay mußte bem weitern Verlauf des Proceſſes ruhig zuſehen. — Uber vie 602 Der Quietismus Verhandlungen hatten aud) ihre Innern Schwierigkeiten. Im Schooße der Kommiffion ſelbſt machten ἰὼ nämlich Differenzen geltend. Was diefelben herworrief, war ber Umftand, baf ἐδ Fenelon geftattet war, wenigftens ſchriftlich auf den Gang ber Berathungen eingumirfen. Boſſuet hatte venfelben, in» dem er ohne Zweifel dabei einem deutlichen Verlangen ent» gegenfam, erfucht, bie Früchte feiner umfaffenden myftifchen Studien der Bommiffion nicht vorzuenthalten unb bie frucht⸗ bare Feder Fenelons fanbte fofort an viefelde Memoiren über Memoiren, die Tronfon im Auszug feinen Eollegen vorzus legen übernahm. Boſſuet ſelbſt nun ließ fid) durch blefelben in feiner Auffaffung der Etreitpunfte nicht erfchüttern, fo fehr fid) aud) δεπείοπ Mühe gab, in Betreff ver Liebe und des Gebeteó εἶκε Anschauung zu forciven, bie Boſſuet ente fhieden entgegentrat. Die Schriften und Briefe des Abbe beftärkten ihn vielmehr nur in feiner llebergeugung, bag eó hohe Zeit gemejen fei, am Verſuche zu benfen, benfelben aus feinen Verbindungen herauszureißen. Im Uebrigen beobachtete er feinem Freunde gegenüber ein faft vol kommenes Stillſchweigen, indem er, .geftügt auf ble Vers fiherungen des unbebingten Gehorſams, an denen εὖ Senes Ion nicht fehlen ließ, fld) der zweifelloſen Erwartung bin; gab, daß berfelbe fid) endgiltig body ber Auctorität bet Gommijfon fügen unb die Angelegenheit fo am Leichteften jn einem befriebigenben Gnbe fich enmidein werde. No⸗ alles unb Tronfon, wenn aud in ber Hauptfadhe mit Boffuet einig, ftanben ben Memoiren Fenelons etwas anders gegenüber. Sie waren bemüht, bem Andringen desfelben fo viel als möglich Rechnung zu tragen, vielleicht weil fie tod) in einigen Dingen ihm beiftimmten, zweifels⸗ in Frankreich. 603 ofne, weil fie die Widerftanpsfraft Fenelons höher ans ſchlugen, als dieß Bofinet that. Indeſſen vereinigten fid die Gommiffáre doch gegen das Ende des Jahres auf vreißig Säge, und fügen wir hinzu, Boſſuets übermültigenbet Geift war audj hier ftarf genug, die ihm entgegentretens ben Echwierigfeiten zu überwinden und im Wefentlihen feine Anjhanung über die einzelnen Fragen durchzuſetzen. Aber die Eonferenzen ſollten nicht fließen, ohne nod) durch ernftere Debatten erfchüttert zu werben. — Yenelon war am 4. Februar 1695 zum Erzbiſchof von Gambrag ernannt worden. Man hegte alfo aud) in ben Kreiſen, von melden ber Anftoß zu dieſer Beförderung ausging, wie Boſſuet, bie Ueberzeugung, daß für feine Perfon im Grnfte Nichts zu fürchten fei, und ed war für Maintenon eine aufrichtige Genugtfuung, durch feine Rüdficht mehr von einer glängens den Anerkennung fo glüngember Verdienſte fid) zurüdges halten zu feben. Kurz nad) ber berührten Ernennung fam man auf ben Gebanfen, Fenelon fi an ben zu Ende gehenden Gonferenzen nod) förmlich betheiligen zu laflen. Wie konnte ter neue Erzbischof, ble Gerüchte, vie über ihn gegangen, beſſer zurüdweifen und wie hinwiederum beffer gebunden werben, αἰ indem er bie entworfenen Artifel förmlich mitunterzeichnete? Beides ift fo einleudjtenb, daß man fid verjudjt fühlt zu vermuthen, man habe eben, um blefe Abficht zu erreichen, vie Nomination auf. Gambray etwas beſchleunigt. Mag dem fein, wie ihm wolle, bie Gade ging jedenfalls anders, al8 man gedacht hatte. Geftügt auf das Bewußtfein, zur Mitentſcheidung nun mehr berufen zu fein, machte er bie, in feinen Memoiren entwidelten Sbeen mit um jo größerer Energie geltend, und nadbem er bem Entwurfe Boſſuets einen eigenen 604 Der Quletismus ohne mweitern Erfolg gegenübergeftellt hatte, erhob ex wenig⸗ ſtens gegen einzelne Punkte des erfteren, Noailles unb Tronfon gegenüber, eine jo lebhafte Oppofition, bag biejelben fid nicht unbebeutenb beunruhigt fühlten und Yenelon nur durch ein eigenes Memoire und eine Acte der Zuftimmung zu ber Lehre des Sarbinal Berulle ihre SBerftimmung volebet zerſtreuen konnte. Indeß befand Fenelon darauf, baf vie dreißig Artickel jedenfalls erweitert würben, unb wenn er auch nicht [o glüdlich war, eine förmliche Entſcheidung über das paffive Gebet !) durchzuſetzen, fo willigte tod) Boſſuet enbíid), wenn aud) ungern in vier neue Artikel Ὁ, Art. 12, 13. 33. 34), welche als theilweife Gonceffionen an die Anſchauung Benelons über das paffive Gebet unb die unintereffirte Liebe gelten fonnten ; und ähnlich erlitt der Artikel 29 (früher 27) eine Modification, in welcher einer Behauptung Tenelons über die traditionelle Myſtik Folge gegeben wurde. Wir fommen auf blefe SDunfte noch zurück. Es Scheint, taf Benelon nur {εὖτ wenig mit Bofinet unmittelbat bebatticte und daß bie beiden andern Gom miffáte das Geſchaͤft über fid) nahmen, Bofjuet zu den ge nannten Zugeftänpniffen zu bewegen, vielleiht ohne baf fie ed nur wagten, ihm ven eigentlichen Grund ausdrücklich zu nennen, ber fie zu diefen Unterhandlungen beftimmte. Endlich am 10. März wurden die 34 Artikel unterzeichnet von SSoffuet, Noailled, Benelon und Tronfon. Ein Ent wurf von fieben Artifeln, in welchen Bofjuet {εἰπε Auf fafjung über das paffive Gebet πο formulirt fatte, wurde 1) Das Gebet der paffiven Gontemplation, bie hoͤchſte Exrfcheinung ber myſtiſchen Andacht, die mit demjenigen zufammenfällt, was wir im erften Artikel unter bem Namen des innern Gebetes zur Darftellung gebracht. in Frankreich. 605 nicht mehr Gegenſtand einer gemeinſamen Entſcheidung, unb bie Gommifjäre trennten ſich, nachdem fie — mit Aus⸗ nahme Fenelons — faſt dreiviertel Jahre, freilich mit vielen Unterbrechungen, mit einander conferirt hatten. Ueberblicken wir nunmehr mit einem flüchtigen Blick bie Saͤtze, über bie man fid) in Iſſy vereinigte. Die neun⸗ Andzwanzig erften derjelben beziehen ftd hauptſächlich auf die contemplative Andacht unb zwar beftimmen die Artikel ᾿ 1—19 πο ohne ausdrüdliche Beziehung auf bie außerorbent- liden Arten des Gebeteó , was in allen und jeden Innern Berhältniffen. von einem rechtgläubigen und wahrhaft from: men Ghriften feftgehalten und beobachtet werden müfje; ble Artikel 21—29 aber gehen auf das paffive Gebet direct ein, unb wenn ed aud, wie wir bemerkt, zu feiner Feſtſetzung feines eigentlihen SBefend fam, fo wurde basfelbe. unter Anwendung ber zuvor feftgefteliten Grundfäge bod) in einer Weiſe umfchrieben, melde bie gróbfteir Irrthümer der Quie⸗ tiften abaufchneiden, ganz geeignet war. — Die zweite Gruppe der in Iſſy feftgeftellten Sätze, nämlich die Artikel 31—34 behandeln bie Lehre von ber unintereffirten Liebe. Artifel 20 und 30 endlich hängen mit ben andern nicht unmittelbar und organisch zufammen: der erftere fagt, daß εὖ feine apoftolifche Tradition gebe, als bie Yon ber Kirche anerfannte und ausgefprochene — alſo feine Geheimlehre; der legtere Hingegen nimmt die Mutter Gottes vor Allem aus, was über Eoncupiscenz, Unvollfommenheit und Sünde in den einzelnen Thejen behauptet worden war. — Im Einzelnen traten bie Commiffäre bem einen Hauptfaß bet G.'ſchen Theorie 1) in ber Art entgegen, daß fte in ben Ar; - tifeln 1. 2. 8. 4, 5. 6. 7. 8. erflärten, man fei verpflichtet, in amm * 1) Vgl. diefe Zeitfchrift 1856. p. 288 seq. 606 Der Quletismus jevem Stand (auf jeder Stufe ber Andacht oder Volllommens heit), wenn auch nicht jeden Augenblid, ble Acte des des Glaubens, der Hoffnung unb ber Liebe zu erweden, unb inébefonbere eines folden Gíaubenó, ver Ehriftus unfern Erlöfer ausdrücklich umfafje und im fid) ſchließe; ebenfo fel man gehalten, ftet& und überall, wenn aud) nicht immer in.ber gleichen Weife, die Begierlichkeit zu befämpfen ; und Artikel 9. 10. und 11 veclarirten ausdrücklich, indem fie die Folgerung aus bem Bisherigen zogen, daß tle Dei fige Indifferenz in etwas ganz Anderem, als in einer bie hriftlihe Hoffnung auffebenben Gleichguͤltigkeit beftehe, taf bie genannten Acte keineswegs die Vollkommenheit ftören und baf der Gfrift nicht darauf warten dürfe, ob fie Gott nicht felbft durch eine befondere Gnabe in ihm eriwede. In Artitel 12 und 13, die man fyenelon zu lieb aufnahm, wurde Übrigens zugeftanden, daß man unter diefen Acten weder notbmenbig metbobifde noch and) gewaltfame vers ftanden wiſſen wolle unb daß auf der hödften Ctufe des Gebetes die Liebe alle viefe Acte in fid) ſchließe, Indem fte biefelben bejeele und deren ausprüdliche Uebung verlange, wenn fie aud) in ihrer Befonderheit nicht In das Bewußt⸗ fein treten. Die Artikel 14. 15. 16. 17. 18 wenbeten biefe Erklärungen "auf. bie Beurtheilung ber Vorbilder am, bie uns die Heiligen hinterlafien und ble von ben Quietiſten vielfah mißachtet wurden. Die Artifel 24. 25. 26 find einfache Applicationen ver bis jetzt befprochenen Lehrbe⸗ flimmungen. Dan fieht leicht, daß tiefe Säte alle gegen jene Bonfequenz der Theorie vom innern Gebet gingen, vie wir in zweiter ginie nahmhaft gemadt unb bie auf eine - Dispenfation der „Bollfommenen“ von den gewöhnlichen llebungen der Frömmigkeit herausläuft. Die nädfte unb in Frankreich. 607 erfte Gonfequeny, vermöge der ©. vom Innern Gebet glaubte, baéfelbe beftehe in einem perpetnirlichen einigen und eins faden Act, wurde umgeftoßen durdy Artikel 19, und was das erfte Gentralbogma felbft betrifft, fo anerfannte zwar Artikel 21 die außerordentlichen Gebetsweifen, insbeſondere aud) das paſſive Gebet an, vorauégefebt, daß biefelben nie ben genannten Acten feindjelig entgegentreten; aber bie zwei folgende Cáge 22 unb 23 erklärten zugleich aus- brüdlid, bag in dieſen außerorbentlichen Dingen bie Boll fommenfeit wejentlic, gar nicht beftehe. Hieher gehören aud) Artikel 27 und 28, die ben Wahn zurüdweifen, als {εἰ mit irgend einer Stufe ber Vollfommenheit bie Gabe ber Prophezie ober gar ein apoftolifcher Stand verbunden, ale fommen derlei außerorventlihen Gnaben[übrungen Gottes überhaupt jo gar häufig vor und als [εἰ e8 nicht ftets bie Kirche, bie nad) ben unwandelbaren Regeln der heiligen Schrift und Tradition über viefelben zu urtheilen habe. Artifel 29 fügte Hinzu, daß ed möglicherweife vielleicht bin unb wieder Seelen gebe, vie Gott ganz allein führe und denen Nichts weiter vorzufchreiben fel; daß aber Die rin am leichteften Taͤuſchung fich einjchleihe — (daß bie erleudjtet(ten Myſtiker Nichts davon wiſſen, Hatte Bofiuet ursprünglich gefchrieben) — und daß jolde Dinge mit bem Weſen der Vollkommenheit Richts zu thun haben. — Die Zehre von ber unintereffirten lebe, wie wir und erinnern, der zweite Brennpunft in ber Anfchauung unferer Myftifer, fand ihre Gorrective, jofern fie tem Verlangen nad) Bolls kommenheit unb ber ewigen Seligfeit zu nahe trat, theils meije jchon in den Artikeln 5. 6 und 9; denn dieſes Ver⸗ langen war bei den Quietiften aud) aus formellen Gründen, fofern ed zu hen Acten der reflectirten Brömmigfeit gezählt 608. Der Quieilsmus wurbe, in Mißcredit und mußte deßwegen von den Gor miffären ſchon an jener Stelle bejaht und in Schutz ge nommen werben. Ebenfo ift das in Art. 14 u. 15 aus der Geſchichte Beigebrachte aud) vollfommen gegen ble um intereffirte Liebe gerichtet und beweifend. Die Artikel 31—33 gehen aber noch genauer und aud: brüdíld) auf diefen Punft ein. In den beiden erften wird gefagt, bag ber geiftliche Leiter ſolche Seelen, die zur Vers zweiflung an ihrem ewigen Heil fid) verfucht finden, zur Del» ligen Hoffnung zurüdzuführen habe und daß wir übers haupt niemals das Etrafgericht der göttlichen Gerechtigkeit wünfchen, fondern ſchrankenlos nur in unferem Vertrauen auf ble göttliche Barmherzigfeit fein dürfen. Im folgenden Artikel erklärte man übrigens auf Fenelons 9Inbringen, daß εὖ eine fromme, durch das Beifpiel ber Heiligen beftätigte and unter Vorausfegung einer beſondern Gnade wahrhaft vollfommenen Seelen nüglide Uebung fel, Gott ihre volle Unterwerfung anzutragen, aud) wenn er fte — wie fie vet blendet von ber Verſuchung vielleicht wähnen — der ewigen Seligfeit, — nur aber feiner Gnade und Liebe nicht berauben wolle. Hinzugefügt wurde, ba mit blefer Uebung allen ben Acten, bie oben als bem Chriſtenthum weſentlich bezeichnet wurden, nicht entgegengetreten werben bürfe, und im folgens ben und legten Artikel, bag begreiflich mit Anfängern in bet Frömmigkeit anders verfahren werden müße, als mit folhen, die in ber Vollfommenheit angelangt feien. Man ftebt leiht, wenn man bie entwidelten Eäpe überblidt, daß die von G. vertretene Anfchauung auf ben wichtigften Puncten damit allerdings zurüdgewiefen war; und was fid) unmittelbar an bie Konferenzen anfchloß, vie Verhandlungen mit Madame ©. felbft fhienen nicht minder in Frankreich. 609 bie Erwartung zu rechtfertigen, die man auf den Proceß gefebt, indem man von ihm eine Erledigung der quietiftifchen Streitigfeiten hoffte. G., bie feit Januar 1695 in einem Klofter zu Meaur fij aufgehalten und hier wie gewöhn- [id Alles für fi zu interreffiren gemuft, fprad am 15. April ihre Unterwerfung unter die Artikel von Iſſy in einer Acte aus, die ihr SSoffuet dictirte. Der Letztere hatte feine Anficht über ble innern Dispofitionen ber Frau nod immer nicht geändert und ließ fie demnach in blefem felben Echrifts ftüd erflären, daß fie im Uebrigen niemals bie Abficht ges habt habe, im Gegenjag zu ber Kirche etwas zu glauben oder zu lehren. Weiterhin unterzeichnete ©. die Ordonnanz bes Biſchofes, in welcher er unter Beziehung auf bie Ars tifel die Irrthümer des Molinos, Malaval, Lacombe unb aud) die in ben Schriften ber G. vorfommenben, body ohne bett Namen ber Lebteren zu nennen, cenfurirte.. Sie unter ſchrieb hier mit einer Reftriction, die in ihrev Faffung πο weiter ging, nämlich die Erflärung aué[pradj, daß fie nie einen ber von Boffuet verworfenen Irrthümer gehabt habe h. Uebrigens fonnte auch das in ben Augen Boffuets nicht viel verfangen; denn, weun G. diejenige war, für bie fie Bofjuet hielt, unb auf ihre Gefinnung angefeben, in einem fo änßerlihen Verhältnig zu ihren Verfehrtheiten fand, jo war εὖ auch nicht zu verwundern, wenn fie felbft benfenb bie legtern nicht durchdrang und fie in einem irgend fremden Gewand vollends gar nicht wieder erfannte. Am 1. Juli ftellte ihr der Biſchof, nachdem fie ihm nod 1) Hier it Alles unficher unb controvertitt. Sn ben Streitfchriften Bofjuets und Fenelons finden fid Aeußerungen, bie einander geradezu widerfprechen; ble gegebene Darftellung fehien der Wahrheit am Nächften zu fommeu. Theol. Quartalſchrift. 1856. IV. Heft. 40 610 Der Quietismus einmal alles Gute, befonvers in Paris fid nicht aufi halten verfprochen, ein ehrenvolles Zeugniß απὸ, communi, cite fie am darauffolgenden Tag und erlaubte ihr von Meaur fid nun zu entfernen. Er felbft reiste nach Ber failles zurüd. — Wir würden und übrigens doch täufchen, wenn wir glaubten, daß Boſſuet mit ben Reſultaten ber Conferenzen nad) biefer wefentliden unb erften Richtung ganz zufrieven gewefen ſei. Angenjcheinlih hatte vie pofitive Xehre, bie in ben Artikeln vorgetragen worden, nicht nur ihre Lüden, jonbem hin und wieder fogar etwas Schwanfendes und Unbeftimmtes; das war für einen bog: matijden Geift, wie SSoffuet, Stachel genug, an die Aus⸗ arbeitung einer abgerundeten und durchaus prácijen Theorie ju benfen; unb tiefer Reiz wurbe nod) burd) die Erwägung verfhärft, daß bie im Allgemeinen verurtheilte und in Guion niedergefchlagene Richtung moͤglicherweiſe fd) tod) an einzelne Ausdrücke der Artifel anflammern fónne unb jedenfalls gründlich fi) nur überwinden faffe, wenn aud) die Gontroperje auf ihre letzten Grunde zurückgeführt werde. So entitand in Ihm bald nad bem Schluß bet Gonferengen der Blan, ein Buch über die verfchtenenen Stufen des Gebete& zu ſchreiben und‘ war e& vermeflen von Boſſuet, wenn er davon fid) die definitive Beendigung der Streitigfeiten verſprach? — Wir wiſſen, daß bie Gon ferenzen ganz bejonberó auch auf Fenelon beredjnet waren. Auch nad) biefer Richtung mochte Boſſuet die Abſicht Für “erreicht und nicht erreicht halten. Fenelon war jegt in vie Schranken jener Artifel geftelft; allein dieſe Artikel waren an einzelnen Stellen durch den Einfluß Fenelons doch feft dehnbar gefaßt worden, unb menn aud) Boſſuet immer nod nidté Ernftlihes von Wenelon fürdtete, fo fühlte er εὖ . In Frankreich. 64 boch wohl, daß er dieſen glänzenden Geift noch nicht eigent [lid aus feinen Bahnen geriffen unb daß nod) etwas ger Tchehen müfje, um benjelben an jene Grunbjáge zu bannen, die er für ble allein gefunden Dielt. Es fdeint aud), daß er, von ,ábnliden Gedanken infiuenzirt, alfo von einer Vor⸗ fiht geleitet, tie faft an Mißtrauen grenzte, alle Briefe aufbewahrte, bie ihm Fenelon während der Eonferenzen gefchrieben und in denen berfelbe fo oft die Verſicherung feines Gehorſames ausgefprochen hatte. Ueberdieß hatte Senelon mit ber Richtung und insbefondere mit deren Mittelpunkt, Mad. ©. nod) in feiner Weife äußerlich ge- drohen, und während ber Bifchof von Chalons ſchon am 25. April, wie Boffuet, mit ben Artifeln und einer Orto, nanz vor feine Diöcefe trat, ſcheint Fenelon gar feine Hoffnung gegeben zu haben, feinerjeits einen ähnlichen Schritt zu thun. Um in beiden Beziehungen aud) mit Fenelon zum Abſchluß zu gelangen, beihloß Bofjuet, bens felben um bie Approbation feines Buches über das Gebet zu bitten. Diefe konnte derjelbe wohl nicht verfagen, und . dann war ein großer Geift für bie Wahrheit in präcifefter Geftalt gewonnen, was feit der Ernennung Fenelons auf ben erzbifchöflihen Stuhl für Maintenon und Bofjuet nur um jo wünfchenswerther war. — Der neu ernannte Erz bifchof felbft hätte die ganze Angelegenheit wohl am Liebften ruhen laffen, zufrieden, duch bie Klippen der Gonferengen glüdiid) Dinburdgefteuert zu fein. Wenn wir von einigen Briefen über ble brennenden Fragen, bie in die Oeffentlichfeit famen, abfehen wollen, fo beftanb das Einzige, was er nod) in ber Cade that, darin, daß er unmittelbar, nachdem bie Gonferengen. gefchloffen worden, Sxonjou und Noailles "eine weitläufige Exflärung der 34 Artikel und fofort eine Schrift | 40 * 612 Der Quietismud enthaltend bie traditionellen Zeugniſſe für ble in ber Gv Härung entwidelte Auffaffung überreichte. Beide Acten⸗ ftüde, gegen einzelne Aeußerungen Boſſuets gerichtet, wurden ohne weitere Einwendung, entgegengenommen. — In den freundfchaftliden Beziehungen zwifchen Wenefon und Boſſuet war eine merffide Erfaltung nod) nicht eingetreten. Ob biefelben auch in jenem bevenflihen Stadium angelangt waren, in meídem ein rajches und grünblideó Erlöfchen der Liebe ebenfo móglid) ift, als ihre ungetrübte Wort - bauer, fo made fid vod) Boſſuet nod) eine aufrichtige Freude daraus, ter Gonfecrator Fenelons zu fein. Die feierlihe Handlung ging vor fid) den 10. Juni 1695 zu zu St. Cyr in Gegenwart der Maintenon unb der Enfel Ludwigs XIV. — Wie jchnell folíte (id) ble Ecene ändern! — Fenelon begab fid) unmittelbar nad) der Gonfecration in feine Diöcefe; da er aber (το feiner Erhebung auf ven erzbifchöflihen Stuhl von Cambray fein Amt als eines Erzieher der Kinder von Frankreich beibehalten mußte, werben wir ihm bald wieder in Berfailles begegnen. ®. hatte, wie wir gehört, von Boſſuet Anfangs Juli ble Grlaubnig erhalten, von Meanx fid) wiederum zu entfernen: fie that bieg mit einer ungebührlichen Gilfertigfeit, als gälte e$ nad) glüdlid) vollbrachtem Epiel fo τα ἢ ald möglich das Weite zu fuchen; aber das war das Minvefte; fie reiste von Meaur unmittelbar nah Paris, machte fid) bafelbft trotz aller Berfprehungen wohnhaft, juchte ihre alten θεῖν bindungen auf, und es ſcheint, daß das quietiftifche Treiben überhaupt wieder mit frifcher Negjamfeit begann. Freilich war ©. bemüht, ſowohl ihren Aufenthalt als ihre Thätigs feit- fo viel möglich geheim zu halten; aber bald hatten Maintenon wie Bofjuet Kunde von der Sache unb das mar in Frankreich. 613 ble erfte große Enttäufchung, die ber 8eptere in unferer Angelegenheit erfuhr. Er erkannte jegt auf einmal mit voller Klarheit, tag die ganze bisherige Procedur no in einem viel höheren Grave hinter der beabfichtigten Wirkung gurüdgeblieben fei, als er fid) felbft gejagt batte. Daß ©. feine verhältnigmäßig gute Meinung von ihr fdonungéloé Lügen geftraft, das fonnte an und für fid) verjchmerzt werben ; ‚aber nachdem einmal bie quietiftifche Richtung gezeigt, wie tief fle in das Leben eingedrungen und wie wefentlid) fie an bie Perfon ter ©. als ihr Haupt und ihre Meifterin fíd anſchloß, mußte ἐδ Boſſuet auf das Lebhafteſte ver⸗ drießen, daß er die Sache etwas zu leicht und zu theoretiſch genommen, insbeſondere, bag er ©. zu wohlfeilen Kaufes, ohne förmlichen Widerruf, ja mit einem ehrenvollen Zeug⸗ nif, das biefebe zu ihren Gunften vorzumwelfen nirgends verfehlte, von fid) batte gehen laffen. Mit einem richtigen Inſtinct abnte jegt Bofjuet die volle Gefahr unb in bem: felben Verhältniffe, al ihm bie Umrifje des Feindes mehr unb mehr fihtbar wurben, befeftigte fid) in ihm der Bor; fa, benfelben fofort auf Leben und Tod zu befümpfen. Nicht nur mochte er von nun an in feinen fchriftftellerifchen Plan ben Gebanfen aufnehmen, mit unerbittlicher Strenge gegen &. und ihre Anſchauung aufzutreten; er war mit Maintenon derfelben Anſicht, daß e8 Zeit fei, gegen ©. Gewalt zu gebrauchen und auf ihre Freunde das fchärffte Auge zu haben. — Fenelon Fehrte im November 1695 nad) Verſailles zurüd. Noailles war unterbefjen (am 19. 9Iuguft), Metropolit von Paris geworden. — Bald erfuhr ver - Erzbifhof von Gambray, daß man von Neuem mit ©. febr unzufrieden fel ; aber auch jebt noch fprad) er von ihr, bloß um fte zu vertheivigen unb fo fchloß er fid) felbft die Augen, 614 Der Quietismus um zu fehen, was am Hofe unzweideutig vorging unb zu mel; hen Schritten man entfchloffen fel. Er verließ Verſailles wies der vor bem Chriftfefte, wohl ein wenig unangenehm berührt von gepflogenen peinfiden Unterhaltungen, aber nichts Bes ſonderes ahnend, vielmehr immer nod) der glüdlichen Hoffnung lebend,. daß die aufgeregten Wellen fid) ſchon allmählig voll; fommen beruhigen werben, Boſſuet hatte er längft die Appros bation feines Buches zugefagt, — die Sache beuntubigte ihn nicht; das Buch konnte ja jedenfalls nicht gegen bie Artikel von Iſſy verftoßen. Auch während des genannten Aufent⸗ haltes zu Berfailles ſprach er in einer Weiſe von viefer Approbation, aus ber man beutlih flieht, daß er nichts Weſentliches von verjelben fürdhtete. Boſſuet aber legte feit ben neueften Erfahrungen nur um fo mehr Gewicht auf den Schritt, zu dem er Senelon bringen wollte, aus Grün den, bie unmittelbar einleuchten, befonbetó aber aud) ba: rum, weil ble Sache, wie jte Bofjuet jet anfah, nicht einmal mehr dem Scheine nad bie Gunft eines folchen Prälaten genießen burfte. — Wenige Tage nad) der Abs reife Fenelons war man endlich fo glüdlih, ©. in ihrem Scälupfwinfel aufzufinden und zu verhaften. Sie wurde nad Vincennes geführt und Noailles verlangte nun von ihr einen beftimmten Widerruf; um das δ᾽ gleich hier zu bes merfen, leiftete fie benjelben, am 28. Auguft des folgenden Sahres, indem fie eine Formel unterfchrieb, welche Tronfon rebigirt hatte. — Die Nachricht von der Verhaftung bet G. ſcheint auf Fenelon einen erfchütternden Eindrud ges , madjt zu haben; nicht als hätte ihn das Schidfal bet ums glüdíiden Frau, für die er allerdings eine große Theil nahme trug, in eine gar zu gewaltige Aufregung verfegt : — die Binde war auf einmal von feinen Augen gefallen; er in Frankreich. 615 erkannte je&t, wie thöridht e& von ihm war, von Frieden und Ruhe zu träumen gu gleicher Zeit, al8 tle Gegner fid zu einem neuen unb nod) energifcheren Kampfe rüfteten. sept wurde ihm Alles deutlich, befonberó aber eine Cadet, daß ver Bifhof von Meaur mit feiner Approbation ibm gar nichts Anderes zumuthe, als fid) unter das caubini[de Joch zu. beugen und ble G., bie er fo lange hochgeachtet, ſamt ihrer Doctein in befter und [dürffter orm zu beds avouiren. Mit großer Raſchheit und Entſchiedenheit bes {Φίοβ er, die Approbation zu verjagen, entftehe daraus, was da wolle. Mit bem námlidjen Augenblid war aid) ^ bie legte Spur jener Iutimität erlofhen, mit welder er feit. fo vielen Jahren an Bofjuet gefangen hatte. So finb fede Naturen, wie Fenelon war. Neben einer großen Weichheit des Gemüthes, vie befonberó gerne in Briefen überfließt, wohnt, wenn auch nidt viel an bie Ober fläche tretenb, bie größte Selbfiftänpigfeit des Charakters, und fo innig wie ehrlich ble Unterwerfung ijt, mit der fich das Herz an eine fremde Geftalt anlehnt, ble eigene Ueber geugung, die im Mittelpunft des Geiftes rubt, Tpricht, wenn es zum ernftlichen Handeln fommt, bod) gewöhnlich das lebte Wort; ja fie ift eó, welche die Empfindung, ohne (te je zur Heuchelei zu erniebrigen, bod) zu einem Mittel macht, ihren Intentionen zu bienen, unb wie oft ift es That, fad, daß ſolche jchmiegfame Naturen viel mehr herrjchen, als beherrfcht werden? Es ift wahr, fie vermögen εὖ aud), manden Wiverftand, ja manche und ſelbſt ſchwere Kräns fungen zu ertragen, aber bief Alles nur δἰδ auf einen gewiſſen Punct, wo fie endlich, vielleicht zuletzt noch durch ein Kleines beftimmt, unerbittlid) losfahren; bann zeigt εὖ fid, daß wenn auch Alles verziehen, tod Nichts vergeſſen ‚616 Ä Der Quietismus worden, unb ble Empfindung verbindet fid mit bem ges reisten Ich nur nod, um bemjelben bie ganze Tiefe und Breite der gefchehenen Unbill auszumefjen; alle Weichheit ift weg; man glaubt vor einem andern Charakter zu ftehen; und fommt dann dazu πο ein gewandtes Denken unb eine bewegliche Sprache, fo findet fid oft fein Menſch mehr, ber im Stande wäre, felbft bie alled Maaß überfchreitenve Erregtheit mit einigem Erfolg — nit zu beſchwichtigen, Sondern auch nur ihres Unrechts zu überweifen. Umfonft fudjten bie Freunde Fenelons, Tronfon und Noailles, denselben in feinem einmal gefaßten Entſchluß, ble Approbation zu verweigern, wanfend zu maden, ums fonít wiejen fie felbft auf die Gabale bin, bie bereits am Hofe fid gegen ihn zu bilden im Begriff war. Er ließ Boſſuet in ben falten Briefen vom Monat Mai bereits ahnen, was er im Sinne führe. An ben Hof wieder zus rüdgefebrt, wo er feine Stellung ſchon faft vollfommen untergraben fand, verfammelte er am 2. Auguft in Trons Tone Haus außer bem Superior bie beiden Herzoge von Beauvillierd und Gfepreur, den Erzbifchof von Paris und den Biſchof von Chartred. Er überreichte hier, alle Vers fude ihn umzuftimmen, von Neuem zurüdweifend, ein Memoire, in weldem er feine Verweigerung der Appro⸗ bation mit bet Ungeredtigfeit, tie er gegen ©. begehen würde, mit dem Cdimpf, ber auf feine Perſon fiele und mit dem Umſtand motivirte, bag es fid) um feine Frage bet Kiche gegenüber handle, daß er feine Orthodoxie in ben angeregten Punkten fdon bewiefen habe und πο beweifen werte. Man wußte gegen ble entiwidelten Gründe endlich Nichts mehr vorzubringen und Noailles übernahm es, das Memoire an Madame Maintenon zu überbringen. Zu ἐπ Frankreich. 617 gleicher Zeit verſprach Fenelon, — dahin zielt {εἶπε legte Anspielung, — In einem öffentlihen Werf fid) ein für allemal zu purificiten, und der Erzbifhof von Paris, ob; wohl von ber ganzen Angelegenheit aufs Beinlichfte berührt unb insbefondere alle bie wiverwärtigen Folgen ziemlich deutlich vorherfehend, erflärte fid) auch damit einverftanden, indem er nur bat, nicht gegen Bofjuet und nicht vor Sojfuet zu ſchreiben. Dem Legtern fanbte Fenelon das Manufeript, das er wohl erft in Verfailles erhielt und das wirklich, wie er fid gedacht, febr fdarf gegen G. (id ausließ, nachdem er εὖ im llebrigen nur flüchtig gelefen, wieder zurüd mit ber decidirten Erflärung, er vermöge dad Buch nicht zu approbiren aus Gründen, die ber Herzog von Chevreux ihm auseinänderfegen werde. Boſſuet ftanb vor einer zweiten großen und nicht weniger bittern Enttäufhung: Fenelon war im ent[deibenben Augenblid ihm wieder entfchlüpft; ποῷ mehr, er hatte (id) offen von ifm abgemanbt und machte die befte Miene, ber fürmlidhe Protector der vers folgten Richtung zu werben. Hatte SSoffuet bie Sache auch längft geahnt, fte traf ihn Immerhin nod ſchmerzlich genug; aber zugleich war er aud) über feine fünftige Stellung zu δεπείο vollfommen im Klaren. Roc ftanden beide eine Zeit lang ſchweigend einander gegenüber. Boſſuet wußte nod) Nicht von bem Buche, das Fenelon bei jener Eonferenz in Ausſicht geftellt hatte. Dafjelbe ging feiner Vollendung feft rajd) ents gegen; denn Wenefon hatte fid entfchloffen, hauptſächlich nur eine geſchichtliche Darftellung der Grundſätze ver Hei⸗ ligen über die ventilirten Fragen ber Myftif zu geben, und dazu benüßte er jenes zweite Memoire, das er nad) ben Conferenzen von Iſſy Noailles und Tronfon übergeben 618 | | Der Quietismus hatte. Anfangs October brachte er fein Werk bereits von Cambray, wohin er wahrfcheinlich noch im Auguft zurüds gekehrt war, nad) Paris, und man muß geftehen, daß er e$ an feiner Borficht fehlen ließ, wm ja fidet zu geben. (Ct lad das Buch mit Noailled unb Beaufort, deſſen Generaloicar; darauf las εὖ Noailles noch einmal für fid) und endlich nod) Tronſon unb Pirot, Doctor ber Sorbonne, feit zwanzig Jahren Gorrector der Thefen und Bücher und unter Harlay Unterfuhungsricgter in Sachen ber G. Senes (on änderte, was immer Anftand erregte, und zulegt erklärte fd Alles mit bem Buch zufrieden. Ende Januar erfchien .eó im Buchhandel unter bem Titel: Les Maximes des Saints. Die Sreunbe des vor bem Chriftfeft nad) Cambray zurückgekehrten Fenelon hatten die Herausgabe beeilt, weil Bofjuet von der Sache Wind erhalten und gegen Noailled alsbald bie Drohung auégejprodyem hatte, er were das Buch, über deſſen Charakter er fid) Feineswegs täufche, mit Beſchlag belegen laffen. Wie mit fehen, hat er das Erfcheinen deſſelben nidt hindern fónnen, und nod) im nämlichen Jahre wurde es in Lyon, 1698 in 9[míterbtam, 1699 in Weſel nadjgebrudt. Dieſes Buch aber vollenbete das Unglück Fenelons. lins begreiflicher Weife blieben in bemfelben trot ber gründlichen Kritik, welde bajfelbe paffirte, Sätze ſtehen, ble, man fann das nicht läugnen, bem Quietismus den mefentlidften Vorſchub leiften mußten. Fenelon trug in ben Maximes die Lehre vor, daß das paffine Gebet ble That ber reinften und vollfommenften Liebe fel, während ble Mebitation unb überhaupt die orbináren Gebetsformen Sache bet unvolls fommenen Seele feien, und wenn er aud) mit Ausnahme ber Behauptung, baf ble contemplativen Seelen zumellen in Frankreich. 619 ble biftincte Anſchauung Jeſu Chrifti verlieren, und hin ‚und wieder eine volle Trennung des untern unb obern Theiles unferer Seele vorfomme, alle Confequenzen biefeó Vorderſatzes von fi wies, fo ftanb er doch, wie man leicht fieht, zu benjelben in einer fer bebenfiden Verwandtſchaft. Zum Zweiten verfündete Fenelon in feinen Maximes — unb das bildet wohl ben Nero berjelben — ben Preis einer uninterejfirten Liebe, neben ber ble Hoffnung und baé Etreben nad) der Seligfeit und Allem, was zu berfelben disponirt, nicht mehr unangetaftet beftehen konnte, ja einer Liebe, bie unter gewifien Berhältnifien felbft bis zum ab» folnten Opfer diefer Seligfeit vorwärts gehen dürfe. — So mußte das Buch Fenelons nothiwendig der Gegenftand der heftigften Angriffe werden, unb ber Verfaſſer hatte mit demfelben, ftatt zu δε wichtigen und fid) zu purificiren, nur den Sturm gegen feine Perfon und feine Stellung erft recht heraufbeſchworen. Um bie Maximes breht fid) fortan der ganze Ctreit; bie Etats d’orcison von Boſſuet, bie wenige Tage nad denſelben erjchienen, treten mehr in den Hintergrund bet Ccene. Die Bewegung, welche bie Maximes herporriefen, war eine ungemeine. Bon allen Seiten erhob man fid) gegen biefelben und felbft vie Freunde beó Erzbiſchofs trauten ihren Augen nicht, als fie biefe gefährlichen unb ierthümlichen Behauptungen fafen, und offenbarten ihm ohne Scheu ihren tiefen Schreden. Mitten im Aufruhr aber ftand, die Situation faft allein ganz beherrfchend, der zürnende Boſſuet. Daß er fofort feine Stimme erheben werbe, war- allgemein flar. Die Jeſuiten machten einen Verſuch, ein offenes Zerwürfniß zu verhüten und Boffuet verſprach bem Pater La Chaiſe, Fenelon privatim. freunds 620 Der Quletiömus ſchaftliche Bemerkungen über fein Buch zu fchiden. — Aber ἐδ follte anders werden. — Fenelon fam Anfangs Februar nad) Verſailles zurüd; es war [don fo weit mit ihm ges blieben, taf fein Erfcheinen nur SSerfegenDelt bereitete. Mit einer Ruhe und einer Energie, die überrafhen muß, traf et feine Maafregeln, um zu retten, was noch zu retten war. Er bat Madame Maintenon um eine Gonferenz mit ihm und dem Erzbiſchof von Paris. In diefer richtete er zwanzig Sragen an den gegtern, in melden er ben aufges regten Urtheilen des Tages gegenüber ben wahren Hergang der Cadje von ben Gonferengen. von S9 an barzuftellen und zu zeigen fuchte, auf welcher Seite, ber feinigen ober ber Bofjuets mehr Schuld fid) finde. Zulegt verbreitete er fich über bie Genefts feiner Maximes und die Kritif, welcher er diefelben unterworfen, um zu beweiſen, daß er aud) hier von einer groben Schuld freigefprohen werden müſſe. Noailles befand fid) in ber peinlihen Stotpmentigfeit, alle diefe Fragen zu bejahen. In berfelben Gonferenz erflärte Senelon, fein Buch einer nochmaligen Prüfung unterftellen zu wollen, aber unter ver Bedingung, daß man einfad nur ent[djelbe, ob dafjelbe cenfurwürdig fel ober nicht und daß Boſſuet von der Prüfung ausgefchloffen werde, Indem man höchſtens feine verſprochenen Bemerfungem» über die Maximes dabei berüdfichtige. Im März formulirte er biefe Bedingungen zu einem eigentlihen Memoire, das Noailles entgegennabm und zu beobachten verjprady. “Der König, ben man jegt erft über bie Angelegenheiten Fenelons unters richtete, war auf das Aeußerfte darüber verftimmt, aber genehmigte eine Unterſuchung der Maximes in ber von Fenelon vorgezeichneten Grenzen. — Wenn aber SBoffuet [don in den nun befannt werbenden Verhandlungen In. Frankreich. 621 Wenefonó mit 9toailfeó über die Maximes einen Verſuch des Erfteren zu erbliden glaubte, ben ſchwankenden Erz, bifhof an fid) zu ziehen, dagegen ihn felbft zu iſoliren; [o fonnte er jet nicht mehr im Zweifel fein, baf es fi um nichts Geringered als feine Ausſchließung von bem Kampfplag, zum Mindeften vor der Gntjdjeibung handle. Wir finden ed groß an bem Biſchofe von Meaur, daß er es nicht verfchmähte, felbft auf Ummegen fid) der Contro⸗ verfe wieder zu bemädhtigen, welcher er allein vollfommen- gewachſen war. Indem er erflärte, daß er feine Bemerkungen mit andern Bifchöfen erft vereinbaren müfje, trat er von Mitte April an mit Noailles und bem Bifchofe von Ehartres in Gonferengen zufammen, und bald hatte er in ben[elben (id bie erfte Stimme ver[dja(ft. Fenelon mußte fo mitanjehen, wie fein ganzer Plan zu fcheitern drohte, unb bie Unters fuhung, vorausfichtlich aud) die Entſcheidung über fein Bud thatfächlich eben in bie Hände, bie er meiftens hatte ums gehen wollen, zu gerathen im Begriff ftand. Entſchloſſen und gewandt, wie er fi in bem ganzen Sampf zeigte, wußte er inbefjen aud) biegmal ein Mittel zu finden, Boſſuet Schach zu bieten. Nachdem er vielleicht — jedenfalls ohne Erfolg — dur eine einlenfende Schrift an den Bifchof von Ehartres bie Conferenz zu fprengen gejudjt batte, fdjidte er den 27, April, mit Vorwiſſen des Königs, fein Bud an ben apoftolijden Stuhl. Damit war die ganze Situation geändert. Wenn aud) bie fürmliche Einleitung ber Unter- fudung in Rom nod) lang auf fid) warten ließ, fo war tod mit bem Augenblid, da bie Sache an das höchſte Sorum ber Kirche gebrad)t worben, ben Bifchöfen bie Mög lichkeit abgefchnitten, fid) weiter als richterlihe Inſtanz zu 622 Der Quietismus geriren, geſchweige denn eine definitive Verwerfung über bie Maximes audzufprechen. In einem einzigen Fall fonnten fle, fo lange Rom bie Unterfuhung nod) nicht begonnen, fi) der Angelegenheit nodj bemádjtigen, wenn nämlich Fenelon fi freiwillig herbeiließ, mit den Bifchöfen über fein Buch zu conferiren; aber allen berartigen Ber: kuchen von Seite Bofſuets hielt er unerfihütterlih die Er Härung gegenüber, bag, wenn ber Streit in Frankreich nodj ausgetragen werben wolle, Noailles, Tronfon unb Pirot mit ihm zu einer Berathung zufammentreten folfen, wie man Ihm feierlich verfproden habe. Fenelon urteilte ganz richtig, daß er, wenn er Boflnet zu Willen war, ale Bortheile feiner Appeflation aufgebe und ald Ange— flagter zu einer Retractation würde gebrängt werden. Aber Bofiuet Hatte fo fehr bed immer etwas ungemiffen Noailles fi vetfidert, taf berfefbe es nidjt wagte, auf die εἰπῇ von ihm acceptirten , num wieder geltend gemachten Korte rungen Fenelons einzugehen unb bet 2egtere felbft, als er am 18. Juli endlich eine Privatconferenz mit Noailles und Tronfon erzwang, hatte keineswegs mehr die ernftlidhe Ab- fit, eine Prüfung der Maximes in bet früher befchriebenen Weiſe zu beginnen ; — Noailles wäre längft nicht mehr für ibn zu brauchen geweſen; ftelfte doch berfefbe an Ihn ganz unumwunden die Forderung eines förmlichen Widerrufs; — warum εὖ Senelon zu thun war, das waren bie Bemerfungen Bofjuets, die ihm immer nod nicht mitgetheilt waren, fennen zu lernen, um in Rom, wohin fid) allmählig alle Blicke wandten, fidj dagegen zu vertfelbigen. In ter That ftelite Fenelon am 25. Juli an den König, nachdem nod ein Bermittlungsantrag des Biſchofs von Ehartres gefcheitert war, die Bitte, nad) Rom gehen zu dürfen, um bort feine in Frankreich. 628 Angelegenheiten zu betreiben und am 29. wandte er (id aud) an Maintenon, damit fie fein Gejud) beim König unter- ftüge. Ludwig XIV. aber, nadbem er am 26. an ven heiligen Vater einen von Boſſuet rebigirten Brief gerichtet, in welchem ex das Bud) des Erzbiſchofs als ein fer ſchlechtes ' unb gefährlid,es bezeichnete und ibn verficherte, daß er feine ganze Gewalt gebrauchen merde, um ble Gnt[delbung des apoftolifchen Stuhles zur Anerkennung zu bringen; — er theilte Benelon am 1. Auguft ben Beſcheid, ta er ihm nicht erlauben fónne, fid) nad Rom zu begeben und daß er ἐπ feine Diöcefe verbannt fel. Sein Eturz war jegt ein vollfommener. — Die Eonferenz der Biſchöfe aber ſchloß ihre Thätigkeit, — was als das allein nod) Angemeffene eriheinen fonnte, — mit einer vom 6. Auguft batirten Declaration, die im Mannfeript bem Runtius zur Beför derung nad) Rom übergeben, Ende September aber in fateintjder Sprache in Paris veröffentlicht und über ganz Europa verbreitet wurde. In berfelben motivirten bie Bis ſchöfe diefen ihren Schritt mit der öftern Berufung Benelons auf die 34 Artikel von Iſſy, gaben einen geſchichtlichen Ueberblick über ble Angelegenheit und wiverlegten die Maximes Schritt für Schritt, indem fie befonverd deren Widerſpruch gegen bie bejagten Artifel von Iſſy bervorhoben. Ohne . Zweifel war das bie Subftanz jener von Bofjuet redigirten. Bemerkungen. — Und nun ftehen wir an der Schwelle eined der großartigften Procefje, beu die Welt vielleicht je gejehen Dat. Das Tribunal in Rom; ber Bellagte ein Erzbifchof, ben ber apoftoliihe Etuhl liebt und in Ehren hält; zur Rolle des Klägers Derabgebrüdt gleichfalls ein Biſchof, das erfte theologifhe Genie des Jahrhunderte ; bier wie dort Talent und Entjchloffenheit im Ueherfluß, θ24 — Set Cuietlómus Boffuet unterftügt durch bie Zuftimmung der erften Prälaten Frankreichs unb ben Willen eines übermächtigen Würften, Fenelon dagegen getragen von jener Sympathie, welche dem Berfolgten niemals fehlt; beive Partheien bei dem rihterlihen Stuhl durch - eigene Geſchaͤftsträger vertreten, Fenelon durch den ihm geiſtes- und gemüthövertvandten Abte von Gfantetec, Boſſuet durch feinen leidenſchaftlichen Neffen. gleihen Namens und ben nicht minder heftigen, jebod) gelehrten Abbe Phelippaur; der Schauplag aber, auf dem Kläger und SBeflagter gegen einander plaibiten, Frank⸗ reich ſelbſt, Boſſuet hier über alle Mittel gebietend, feine Stimme, fo ejt er wollte, in öffentlicher Schrift erſchallen zu lafien, Benelon dagegen, durd die ungemeine Frucht⸗ barkeit und Gemanbtfeit feines Geiftes die Hemmniffe, bie ihm ter Drud feiner Arbeiten im Geheimen und in ber Entfernung 1) bereitete, feit überwinden ; als Zufchauer aufmerkend enblid faft ein ganzes Volk, einen Hof, wie den Ludwigs XIV, an feiner Spige, ja felbit England, Deutſchland und Italien auf ben Ausgang des großen Kampfes lebhaft ge[pannt. Die erften Plänkeleien zwiſchen Boffuet und Fenelon beſchaͤftigten fi mit einem öffentlich geworbenen Brief bed gegtern, in welchem er über feinen Geforjam gegen ben apoftolifchen Stuhl ſprach. Unter bem Namen eines “Doctor griff Boſſuet die dießfalligen Aenferungen an. Das war ber erfte offene unb unmittelbare Angriff von feiner Seite gegen den Erzbiſchof von Gambrag. Yenelon re[ponbirte daranf in einem zweiten Schreiben, das gleichfalls in bie Oeffentlichkeit Tamm. 1) Die meiſten Schriften Fenelons wurden in Lyon ober Brüffel gebrudt. in Frankreich. 625 Indeß richtete ſich das Hauptaugenmerk bald auf die Vorgaͤnge in Rom. Die Declaration bildete in dem Proceß ganz naturgemäß ſo zu ſagen bie Anklageſchrift, und nod) im Auguſt ließ Boſſuet zur Entwicklung und Begründung derſelben feine Summa doctrinae als Manuſcript nach Rom abgehen, in welcher er die Lehre der Maximes und ihre Conſequenzen, ſowie die zur Vertheidigung der Maximes vorgebrachten Behauptungen Fenelons behandelte und zu⸗ rückwies. Von Fenelons Seite lief unterdeſſen ſeine ſchon angedeutete Antwort auf die ihm von Noailles mitgetheilten Bemerkungen ein, ein Actenſtück, mit bem er thatſächlich bereitd der Declaration 'entgegenttat; unb etwas fpäter jut Begründung feiner Anfhauung eine Abhandlung über ben BE Franz von Sales. — Am 12. October 1697, nach⸗ bem aud) nod) bie Maximes in einer lateinifchen von Sene: [on felbft gefertigten Ueberſetzung in Rom angelangt waren, nahmen hier bie Verhandlungen ihren Anfang. Die mit ber Unterfuhung beauftragte Gommijfton beftand aus acht ' Eraminatoren, denen bald mod) zwei weitere beigefügt wurden. Mitte October fdidte Fenelon noch feine au$; drückliche Replif gegen die Declaration und Ende November feine Antwort auf die Mitte October öffentlih gewordene Summa doctrinae — Beides ald Manufeript — nad) Rom. Indem Zenelon fo auf alle Angriffe erwiederte, vergaß er übrigens nicht, eine naheliegenve Pflicht zu erfüllen, b. i. feine Diöcefe- von bem Proceſſe über tie Maximes zu unterrichten. Er that vieg in einer Ende October öffents lich erfheinenden PBaftoralinftruction, welde fid) über vie Geſchichte und Lehre ber Maximes, bejonberó über bie uns intereffirte Liebe verbreitete unb bet er bie Bulle gegen Molinos unb die 34 Artikel von Iſſy anhängte Boſſuet Theol. Quartalſchrift. 1856. Iv. Heft. ͵ 41 Φ 626 Dr Quletismes [lef auch blefe Gelegenheit nicht vorüber, tle Lehre Fenelons von bet Liebe zu befämpfen und griff die Paftoralinftruction mit feiner feft umfaffenden Preface sur l'instruction pasto- rale . . auf das Lebhaftefte an. In Rom ging die Unterfuchung inzwifchen ihren Gang. Bofjuct wuͤnſchte jammt tem Hofe, daß die Eenfurirung von Irrthümern, die er für ebenfo evident als verhängnißs voll hielt, jo raſch, als möglich erfolge; fdon vor Bes ginn ber Sigungen drängte er zur Eile und Mitte October ernenerte er feine Mahnungen. Rom aber hielt feft an feiner trabitionellen Bevächtigfeit und Gemeffenheit. So ging das Jahr 1697 feinem Ende entgegen unb immer verfautete aus ber ewigen Stabt noch von feinem Refultat. Boſſuet ließ den König gegen ben Nuntius feine Ungebuld ans; ſprechen; aber auch das führte nicht zu bem gewünfchten Ziel. Rom antwortete würdig, die Zumuthung tet Gib fertigfeit von fid ablehnend. Der Mißmuth wuchs bei ber flágerifdjen Partei, al Anfangs Webruar vom jungen Boſſuet fogar die Meldung einlief, taf Fenelons Partei an ben Sieg benfe und Boffuet verfaßte nun das Fönigliche Memoire an den Nuntius, in welchem Ludwig XIV. febr enetgi[d) zu erfennnen gab, wie unendlich viel ihm an dem Buch Benelons, Ὁ. D. feiner Eenfurirung liege. Die Boften aus Rom wurden aber nicht befriebigenber ; in einem Brief vom 1. April berichtete der Neffe des Bilhofs von Meaur, der Papſt felbft Habe in einer Audienz gegen ihn geäußert, die Sache fel keineswegs jo klar, und ble Aufregung SBofjuetó und des Hofes war jegt im Begriff auf das Höchſte zu fteigen. — Unterbrechen wir hier fur; die Darftelung bet Greignifje, um die Schriften zu überbliden, bie in vieler Zeit außer den bereit genannten zwiſchen Wenelon unb in Srankreich. 677 feinen Gegnern gewechſelt wurden. Mitte October ſchickte Boſſuet fein Buch: De quielismo nad Rom und Fenelon Mitte Januar als Manufeript feine Dissertalion sur les véritables opposilions . .. worin er mit Bezugnahme auf vie Etats d’oraison feine und Bofjuets Anſchauung über ble Liebe und das paffive Gebet erörterte. Neben dieſen beiben Schriften, die wie die früheren unmittelbar nad Rom gingen, fteht aber πο eine Fülle anderweitiger Erzeug⸗ nif der Polemif, bie wir auf brel Gruppen zurädführen. Der Erzbiſchof von Paris hatte am 27. Drtober eine Pa⸗ ftoralinftruction erlafjen, in welcher er bie Behaupungen bed Quietismus über einen blos particulären Beruf zur Boll: fommenbelt, über die Möglichkeit einer abfoluten fittlichen Vollendung auf Erben, die Sugenbübungen, das Verlangen πα Geligfeit nnb bie uneigennüsige Liebe mit viel Glüd zurückwies und verurtheilte. Fenelon war darin fchonend ober febr Eenntlich behandelt. — Der Grbijdof von Gam: ὅταν Hatte Anfangs. fih halb und Balb mit bem Gebanfen getragen, blos im Manufeript gegen feine Gegner fid) vor Rom zu verantworten: aber er mußte bald davon abftehen ; im December 1697 ‚finden wir ihn eifrig beichäftigt, jogar {εἶπε im Laufe des Proceſſes nah Rom [don gefandten Schriften nod) nachträglich drucken zu lafjeif, und bie Herauss gabe ber Dissertation sur les véritables oppositions reihte fid diefen Publicationen,, vou denen Paris Ende Februar erfuhr, unmittelbar an. — Auch gegen bie befagte Paſtoral⸗ inftruction, trat Fenelon im Sebruar 1698, fury nachdem fie befannt geworden war, in vier offenen Briefen an ben Erzbifhof von Paris auf. Schonungslos enthüllte - ex bier ben Antheil beg Leptern an feinem Buche unb bejjen treulofe Haltung xüdfubtlid einer zweiten Prüfung ber 445 a 628 Der Quletlsmus Maximes. ‘In feiner gleihfalls öffentlichen Antwort vom Monat Mai gab nun aud) Noailles eine Darlegung bet Sachverhalts; aber er wußte den gewaltigen Streid,, ven ihm die Briefe Fenelons in der öffentlichen Meinung θεῖν festen, bod nur zu pariren, indem er feinerfeits auf bie blinde Verehrung feines Gegners für Madame G. — mit einer unverfennbaren Abfiht hinwies. Fenelons Erwiede⸗ rung darauf vom Juni blieb Manufeript und voutbe; wie wir fehen werden, unmittelbar nad) Rom gefhidt. — Im Ganzen aber erwuchs Noailles, der’ in der quietiftifchen Streitigfeit überhaupt Widerwärtigfeit um Widerwärtigfeit erfuhr, aus diefer heftigen ‘Debatte nur eine neue Verlegen, heit, durch tie er fid) nicht wenig compromittirt ſah. — Einen zweiten Mittelpunct, um ben vie Polemik fid) bewegte, bildeten die Divers écrits, welche Bofjuet an die Antwort Fenelons auf bie Declaration. anfnüpfend Ende Februar herausgab. Diefelben enthielten theild ältere Actenftüde, theil8 eine Darftellung der Lehre des D. Franz Sales, eine Erörterung der in die Gontroverfe einfchlagenden Stellen ver heiligen Schrift und eine Entwidlung ber Ge fihtspunfte, von denen aus bie Ausfprüde ver Vaͤter, Chholaftifer und Myſtiker über unfere Tragen zu beur- theilen feien. Im März erſchien diefe Sammlung fatelni[dy. Fenelon blieb die Antwort nicht lange ſchluldig; er trat gegen die febr. geharnifchten Angriffe. voleberum mit vier offenen febr weitläufigen Briefen im April und mit einem während des Monats Mai hervor, indem er dabei aber viel; leicht nicht einmal fo bitter fi äußerte, ald gegen Noaillee. Boſſuet replicirte Mitte Mai gegen jene vier erften Echrei« ben und Senefon ſchloß diefe Polemik mit drei öffentlichen Briefen Ende Auguſt. — Ein dritter Gegner, mit dem in Frankreich. 629 Tenelon um diefe Zeit zu kämpfen hatte, war ber eble fBijdjof von Chartres. Derfelbe hatte für bie Perſon Genelons, wie jhon aus dem Früheren hervorgeht, eine große Liebe; aber Nichts fonnte ihn beftimmen, in der Lehre Neuerungen zu dulden, bie ihm fo gefährlich, Schienen. Am 10. Suni 1698 erließ er ein Paftoralfchreiben gegen. die Maximes und die. Erklärungen, womit Tenelon fie zu ver — theidigen gefucht hatte, indem er inébe[ontre gegen eine Liebe ſich erflärte, welche bie Hoffnung ausſchloß unb gegen eine Bollfommenheit, wie fie die Quietiſten träumten. Fenelon antwortete erft Ende September in zwei Briefen; hatte aber das Mißgeſchick, 700 Eremplare verfelben in Paris von ber Polizei confiscirt werben zu feben. (18. October). Der Bifhof von Chartres beobachtete fortan Stillſchweigen; dagegen griff Bofjuet Ende Januar 1699 unter bem Namen eines Theologen ben erften biefer beiden Briefe an unb Fenelon vertheidigte fid) Dinmieber im März dieſes Jahres, kurz vor feiner Genfurirung. — So bes hauptete ber Exzbifchof von Gambrag ben Wahlplat mit unerfchrodenem Muth gegen die verfdytebenften Gegner. Es verfteht (id) übrigens von ſelbſt, bag Feiner diefer drei Kämpfe ohne Einfluß und Eindruf auf Rom verblieb. Gewöhnlich murben alle die genannten Schriften in las teinifcher lleberjegung dorthin an bie betreffenden Agenten gefanbt und biefe forgten mit größter Anftrengung, dies jelben in bie rechten Hände zu bringen. — Mit der Dars ſtellung dieſer Debatten find wir aber vielfach jchon über die. verhängnißvolle Zeit hinausgefommen, in welcher ten Hof wie Boſſuet eine fo tiefe Mißſtimmung über beu Gang des Proceſſes zu ergreifen begann. Im Laufe bes Monats Mai 1698 fafite enblid) der König, auf Anbringen - 880 Der Quletismus des jungen Boſſuet den Entſchluß, mit einer ernſten That zu zeigen, wie wenig et geſonnen fei, Milde und Rach⸗ ſicht in. ber Angelegenheit eintreten gu laſſen. Am 2. Juni wurde Abbé Beaumont, ein Neffe Fenelons, und Ulbbé Langeron, ein intimer Frennd desſelben, ihres Titels als Lehrer be& Herzogs von Burgund verluftig erklärt, und Dupuy voie Leschelle, ble sous-gouverheurs des Prinzen, ebenfalló zwei inníge Verehrer des Erzbifchofs, abgefegt und . $em Hofe verbannt. Nur Fleury entging einer aͤhnlichen Maafregel, weil Bofjnet für ihn intercebirte. — Kamm einige Wochen fpäter veröffentlichte Boſſnet, um ven Eins brud dieſes Schritted nod) zu vergrößern und fenelon end⸗ ich ein für allemal niederzuſchlagen, feine Relation sur le Quiétisme. In biefefn Werk brachte tec Biichof von Meanr ben ganzen Skandal im Leben nnd in der Lehre ber G. fo ‚weit er ihn nur überſchanen fonnte, tot das große Publi⸗ fum: er erzählte fofort, wie innige Verbindungen Fenelon mit ber ©. [eit Yahren pflege, — wie alle feine Verſuche ihn herauszureißen, tniffungen felen und ließ fo Jedermann in einer vedjt piquanten Weiſe errathen, wo das Geheim⸗ fif des ganzen Kampfes Redes nein, er ließ e& nicht ev» rathen, er vwerplauderte es gelegentlich, indem er Fenelon ben Montanns einer neuen Prischha nannte. — Die Sen, fation, die dieſes Buch Beroorrief, war eine ungeheure; faft wäre fogar Beauvilliers, ber erfte Hofmeifter des Prinzen, bem erfhütternden Schlage erlegen, ter tle Par (εἰ traf. — In Rom aber hatte der heilige Bater von dem Getoaltftreid, ben der König aetfan, nur mit tieffter Bekümmerniß Kenntniß genommen und man hatte fich febt verrechnet, wenn man glaubte, ihm dadurch eine raſche Ent ſcheidung zu Gunften ber klagenden Purtei zu entloden. in Frankreich. 631 Anders mar εὖ mit der Rélation; in ihr lag, das gab ihr ihre tieffte SBebeutung, eine Appellation an bie öffent fije Meinung von Europa und fo ἴαπρε tiefe Relation unangefochten daftand, mußte das Gericht mit Nothwendig⸗ fet zu einer eiligen Gntfdeibung in einer Gadje fid) fert geriffen fühlen, über deren Verwerflichkeit nad) ben jüngften Enthüllungen fag feine Seele mehr zweifelhaft fein konnte. Aber Fenelon verlor felbft jegt nicht ble Faſſung; er nahm ben ihm Tingeworfenen Handſchuh anf, und um bie Thats [oen jehen wir nun ben heißeften Kampf entbrennen. Zwar ruhte auch in biefer Periode bie dogmatiſche Gone iroverje keineswegs; — wir erinnern baran, daß ble oben geſchilderten Debatten ja faft alle aud) in blefe Seit herein, ^ Spielen; und Mitte Auguft publicirte Bofjuet eine neue be: beutenbe Schrift diefer Art: De nova quaestione: Mystici in tuto, „Schola in tuto, Quielismus redivivus, wozu im September noch aí$ Anhang zu ben Schola in tuto bie f. 4. Ouaestiuneula fam. Yenelon antwortete darauf im October und November, unb von einigen weitern wiflens ſchaftlichen Arbeiten werden wir nod zu reben haben. — Außerdem haben wir gefeben, baf auch ſchon zwiſchen Noailles und Kenelon die Thatfachen erörtert wurden. — Gleichwohl unterſcheidet fid) bie Periode, in die wir nuns mehr eintreten, von ber vorhergehenden wefentlidy dadurch, baß ber Streit um das Gefdebene über jeden andern prä- valirt. Am 20. Iuli fanbte Benelon feinen legten Brief gegen Noailles, von bem wir fchon berichtet, πα Rom, indem er wabr[deinlid unter dem Eindruck ber Nachricht von ber Relation, wie er es ja ungesiwungen thun fonnte, darin ben. Thatbeftand vorläufig erörterte, und Ende Juni fieß er einige Exemplare des Briefes bruden, um fie eben 632 Der Dutetiömus babin zu befördern. Am 11. Juli ſchickte er bie Relation einftweilen mit G[offen verjehen an feinen Agenten. Ende Auguft aber traf feine förmlihe Antwort auf Boſſuets Schrift ein, und was man faft für unmöglich gehalten hatte, Zenelon war fo glüdlih, durch biejelbe bie (don beinahe verlorene Schlacht wieder herzuftellen; ja man urtheilte in Rom unb ebenfo in Frankreich, jobald das Bud Fenelons befannt wurde, daß er über feine Gegner fogar wefentliche Vortheile errungen habe. -—— Und wie war dieß Benelon möglih? Wenn wir aud, Feineswegs für Alles einftehen, was SBoffuet vorgebracht, insbeſondere feine harte Anfpies lung auf das Berhältniß des Erzbifchofes zu G. nicht für gerecht halten, fo famen bie Thatſachen in feiner Darftels fung bod) verhältnigmäßig zu viel ungetrübterer Geltung ale in der Wenefonó. Allein Boſſuet hatte fij, von ben Bers hältniffen gedrängt, zu einem Tone fortreißen Igjjen, mit bem man niemald Eiege erficht, und bann fonnte Yenelon, nachdem einmal diefer Boden betreten war, doch aud Manches gegen ihn vorbringen, was tie öffentlihe Meis nung umftimmen mußte Boſſuet war, wie wir gejehen, erft allmählig zu einem erfchöpfenven Verſtaͤndniß der quietiftiichen Bewegung gelangt und fein anfängliches Bes nehmen in bet Gadje unb gegen bie Perfonen mar nod feineswegd von der Anſchauung burdbrungen, bie ihn in den Sagen des Proceſſes befeelte. — Das hauptſaͤchlich benügte Benelon In feiner Antwort. Ex berief fid) auf fBoffueté Benehmen gegen G., während fle. in Meaur mar, unb wie fie hier immer communiciren durfte, auf ihre bes bingten linter[driften und endlich das ehrenvolle Zeugs nig, das ifr Bofjuet mitgab. Die Argumentation Sene lons war nun einfach bieje: Der Biſchof von Meaur hat in Frankreich. 633 blefe ganze Zeit Dinburd) offenbar felbft noch nicht jene abentheuerlihe SRorftellung von ber ©. gehabt; feine Dar ſtellung in ber Relation ift aljo entweder eine reine Weber: treibung, erfunden, unt den Gegner niederzufchmettern, oder wenn fie and) Wahrheit ift, fo ſchickt es (id) für Boſſuet jedenfalls ſchlecht, nachdem er felbft fo lange in vie Irre gegangen, einem 9Ritbruber aus. einer ähnlichen Taͤuſchung ein Verbrechen zu machen und den Stein gegen ihn zu erheben. — Wenn e8 nun aud) nod fo febr feine Richtigfeit hat, daß εὖ ein großer Unterſchied ift, ob man Schritt für Schritt in der Erfenntniß vorwärts fchreitet, ober aber in Borurtheilen verharrt; das Publicum fab Nichts ale bie Thatſache: Boſſuet hat jelbft einft über G. ganz anders ges dacht, und damit war auch über das Schidfal ver Relation entfehieven. Umfonft fuchte Boſſuet durch Bemerfungen zu der Réponse, die er Mitte October veröffentlichte, die Sache wieder zu feinen. Gunften zu wenden; fo richtige Gefichts- punfte er geltend machte, ber jchlimme Eindrud ließ (id nicht mehr verbefjern; und überdieß ftimmte e8 wohl nicht fiteng mit der Wahrheit, wenn er immer unb immer wieder zu beweifen fid) abmühte, daß er von Anfang an in ber quietiftifchen Sache Alles durchſchaut; er überfah hier — was freilich nicht felten gefchieht — bie Stufen, in denen fein Urtheil über ben Quietismus ſich entwidelt hatte. Don andern Dingen, bie noch bei blefer Gelegenheit ver- handelt wurden, nehmen wir Umgang; was fann e$ 4. B. Eigenthümlichered geben, als um ten relatioften Begriff von bet Welt zu fireiten, b. i. die Frage zu erörtern, ob man oft oder nicht oft mit einander fpaziren gegangen fd? — Wir bemerken nur nod, daß Fenelon aud) auf bieje Remarques Boſſuets im November antwortete und im 634 Der Ouietibmus Dezember die dießfallſtge Schrift veröffentlichte. Die Schaale neigte ῷ damit nur um fo mehr zu feinen Guníten. — Die großen Anftrengungen, bie man in Paris gemacht, um eine Berurtheilung mit Gewalt hervorzurmfen, waren die ein, wie ble andere ohne Erfolg geblieben. lintetbeffen hatte vie Gommijfion zu Rom ihre Sitzungen gefhloffen am 25. September 1698. Die Richter waren getheilt ımd ble Sache fonnte nad) der gewöhnlichen Uebung fallen gelaffen werden. Fenelon badyte ohne Zweifel aud Schon an einen günftigen Ausgang bed Proceſſes. Allein ver Df. Vater, bei aller Milde und Vorliebe für Fene⸗ Ion, doch auerft ven Pflichten feines heiligen Amtes bienent, willigte ein, daß ble Maximes zu einer nodmaligen Prüfung ber Gongregation des Bí. Officiums übergeben murben. Sie begann ihre Arbeiten am 19. Rovember, indem fie woöchentlich zwei, von Mitte Dezember an anf Andringen Ludwigs XIV. drei Sigungen hielt. Diefe Verhand⸗ lungen aber nahmen einen Berlauf, daß Wenelon bald ahnen fonnte, welches ihr Refultat fein werde. In biefe Zeit, in welche ber Kampf um die Thatſachen nod hörbar hereingrolfte, jält bie Abfaffung des Werk denó: Les Préjuges decisifs ..., das im Dezember vers fat wurde unb im welchem Yenelon aus Zugeftändnifien feiner Gegner. feine eigenen Behauptungen zu reihtfertigen fudte; ferner die Principales propositions . . . bie zu gleiher Zeit nad Rom giengen, unb im denen er bie wichtigften &àge feiner Maximes fo viel möglih mit Aus: ſprüchen ber Heiligen belegte. Beide Schriften, obwohl zunähft für Rom gefchrieben, wurden bald nachher ἐπὶ Oeffentlichfeit gebradgt und Ende Januar replicirte Boſſuet gegen die Préjuges, wie εὖ ſcheint, unter bem Namen eines LI in Frankreich. ᾿ 635 Theologen, Anfangs März aber gegen ble Principales pro- positions . . . mit feinem Passages écleircis. Fenelon antwortete Mitte Februar gegen den einen Angriff unb unmittelbar vor ber Nachricht noch, daß er cenjuritt fel, gegen den andern, bod) nur im Manuſcript, das nah Rom ging. — Noch um ein Drittes drehte fid damals der Streit. Ende Dezember oder Anfangs Januar waren drei anonyme Schriften gegen Fenelon erjhienen, ohne Zweifel von Boffuet herrührenn; Mitte Januar fanbte Fenelon feine Antwort dagegen nad) Rom. — Alles, was in diefer legten Periode gefchrieben wurde, atfmet tleffte Erregtheit. — genfen wir indeß unfere Aufmerffamfeit wieder auf die Bons gregation des 81. Officiums. Fenelon erhielt Immer beftimms tere Runde, daß er fid auf das Schlimmfte gefaßt machen müſſe and daß das nümlidje abr 1699, zu befjen Beginn er vollends förmlich von feinem Voften als Erzieher des Hers zogs von Burgund abgefegt worben war, ibm aud) feine Genfurirung bringen werde. Indeſſen bewahrte er feine volle Ruhe; denn fo energifh er für feine Anfichten ges fümpft hatte, fo feft fand es ihm, bem Sprude Roms fich rüdhaltlos zu unterwerfen. Mit der 37. €igung hatte die Gongregation ihre Aufgabe vollendet und von 38 Pros pofitionen, bie ven Gegenftanb ber Berathungen bildeten, wasen 23 bet Genfur würdig eradytet worden. Die apolo⸗ getiihen Schriften Fenelons dagegen gingen troß ber Bemühungen feiner Gegner frei aus. Der heilige Vater beauftragte nun die Garbtnále Albani, Noris und Ferrari, das Decret zu redigiren, — lauter Männer, von denen f$ — in den Grenzen des Erlaubten — eine milde Saffung erwarten ließ. Allein ber Kardinal Gafanate, ein Freund und Gefinnungsgenofje Bofmets, einer der haupt⸗ 636 ODer Qutetlsmus fadiidjften Gegner Senefonó in den Verhandlungen der Gongregation dag hi. Officiums, wußte fi die Berufung in die Commiffton zu erzwingen und aldbald drang er hier auf größere Ctrenge und Schaͤrfe. Umfonft fanbte der hl. Bater ben Afjefjor der Gongregation des hi. Officiumé bei den genannten Bartinälen umher, um ihnen, befonberó Cafanate feinen Willen auszuſprechen, daß der Erzbiſchof fo viel möglich gefdjont werde. Die Differenzen im Schooße ber Gommijfíon dauerten fort und ed mußte am 3. Mär eine außerordentlihe Gongregation zufammentreten, um ie: felben „beizulegen. Hier aber. fiegte Gajanate und das Secret wurde in feinem Sinn rebigirt. Der Papft, immer nod) beftrebt, den mildeften Weg zu gehen, berief nun ben Kardinal Ferrari zu fih und befprad) mit ihm einen ganz neuen Gebanfen, ven Plan nämlich, von einem Breve Um, gang zu nehmen und in der Art der Goncilien. θεοὶ canones über bie ftrittigen ragen aufzuftellen. Yerrari entwarf auch 12 joíder Artifel und am 5. März wurden diefeben an die Garbinàáfe vertheilt. Es ift ſchwer zu bes fchreiben, in welde Aufregung über dieſes Vorgehen die Agenten Bofjuets geriethen, die nod) in ber legten Stunde den [don erfochtenen Sieg fid) wieder ftreitig gemacht jaben. Der junge Boffuet fertigte unverzüglich einen außerordent⸗ lichen Kurrier mit der Botſchaft nad) Paris ab unb Phelips peaur fanbte nodj am 6. an alle Garbinàfe ein Memoire, worin er ihnen dad SSebenflide des ihnen angemutfeten Schrittes auseinanderzufegen ſuchte Am 8. Mär fam der Plan zur Berathung, Gafanate befämpfte ihn aufs Lebhaftefte und alle, Stimmen vereinigten fid) endlich, um die Gríajjung des Breves zu verlangen. Eo wurde denn, nachdem ben Tag zuvor Almofen ausgetheilt uud Gebete In. Frankreich. 637 angeorbnet worben waren, bie Genfur über die Muximes ansgefprohen den 9. März 1699. Als das fulminante Memoire Ludwigs XIV., in welchem Boſſuet auf Grund der unterbeflen eingetroffenen Nachrichten den König bie bitterften Vorwürfe und die beutlidjften Drohungen erheben ließ, In Rom anfam, war die Vernrtheilung Fenelons (don vier Tage alt. Am 25. März, am efte Mariä Ber fündigung gelangte tie Kunde von ber erfolgten Cenſur nad Paris; Fenelons Bruder nahm Ertrapoft nah Gams ὅταν und was weltbefannt geworben ift, der Erzbiſchof hatte Saffung und Eeelengröße genug, um fein Predigt - thema noch zu ändern unb über den Gehorfam gegen bie Kirche in den ergreifennften Ausbrüden zu ſprechen. Schon am 27. meldete er an Chanterac feine volle Unter werfung; wenige Tage darauf fünbete er dieſelbe bem pl. Pater felbft an und am 9. April veröffentlichte er fein Mandement, in welchem er feiner Diödcefe von der Gens furitung feines Buches Nachricht gab und bie Lertüre be; felben allen feinen Gläubigen verbot. Einige Exemplare dieſes Actenftüdes fanbte er nah Rom. Hier herrfchte über dieſen mufterhaften Gehorfam allgemein vie hödhfte Freude, fo daß man fogar an. ein danfenves Breve dachte, was übrigens unterblieb. — In Verfailles felbft war man nad jo ungeheuren unb fo feibenfdaftliden Anftrengungen ganz in der Stimmung, ben errungenen Sieg unter ber Erwartung zu finden, und Anfangs fühlte Boſſuet in bet That fid) von bem Breve nicht vollfommen befriedigt, ja jelbft die glänzende Unterwerfung des Erzbifhofs ſchien ibm in den erften Augenbliden nicht vollfommen genügend zu (eim. Bald aber gab er fid) zufrieden, der König banfte bem Papft in einem Echreiben vom 6. April und im Juli 038 Dr Oniiómul wurde das Breve im ber gewöhnlichen Form einregiftrht. — Damit hatte der Proceß fein Ende erreicht. — Wenn wir auf denfelben nod) einmal zurüdbliden, fo werben wir und, fo freudig wir und aud) zu feinem Refultate bekennen, bod) faum des Geftändniffes erwehren fónnen, daß in ber ganzen Angelegenheit fid) Einflüffe geltend gemacht, bie εὖ nie wagen follten, in eine kirchliche Lehrentfcheidung fid zu miſchen. Insbeſondere Dat ble Krone ble ihr eigen: tbümlide Sphäre in ber Sache ohne Zweifel weit über (dritten. Gleichwohl wäre es {εὖτ thöricht, wenn wir nicht mit voller Uinbefangenheit in dem Breve vom 12. März die Stimme des heiligen Gejſtes erfennen wollten ; denn wie bie göttlihe Providenz ihre Zwecke trog bet menſchlichen Freiheit erreicht, fo find aud für ben Di. . Gif in Leitung der Kirche alle menſchlichen Bemühungen, felbft bie unftatthaften, nur Momente, die er zur Realis ſtrung feiner Abfichten gebraucht und wenn das ordnungs⸗ mäßige Organ gefprochen, fo haben wir ftets eine nt» ſcheidung vor uns, bie von ibm ftammt. — Wir find bereitó mit bem Inhalt der Maximes bes fannt, Die Genfur umfafte ihre weſentlichen Gedanken, indem fie (Prop. 1- 12. 18—20. 22. 23) die Behaup⸗ tungen Senelonó über die unintereffirte Liebe, das abfos inte Opfer; und weiterhin (Prop. 14—17. 21) feine Auf- fafjung des pajfipen Gebetes verwarf. Prop. 13, welde eine volle Trennung des niebern und höhern Theile der Seele Iefn Gbriftl am Kreuze lehrt, war nur buch ein er ſehen in vie Maximes gefommen. Um übrigens die Tragweite des Breves richtig zu beurtheilen, müjjeu wir nod genauer in'8 Detail gehen unb insbefondere zeigen, was benn im bemfelben ſtreng⸗ in Frankreich. 639 genommen cenfurirt ift. — Was die oraison passive und ben état passif betrifft, jo wurde hanptjächlich der Zus fammenhang zurüdgewiefen, in melden Benelon diefe aufer ordentlihen Dinge mit der chriſtlichen Vollkommenheit brachte; dann bie Anfiht, daß im erften Eifer ber Gontemplation und in bet duferften Berfuhung ble befdjauliden Eeelen ber bifiincten Anſchauung Jeſu Chriſti beraubt werben unb enblih die Behauptung, als fónntem in ben heftigften innern Prüfungen bie beiden Seiten unferes Gelfteó fo jehr aus einander treten, daß alle Bethätigungen bes niedern Theiles unfreiwillig und barum aud nicht mehr imputabel feien. — Mit diefen Cenfuren ift nun aber offenbar bie ganze Theorie, bie fid) Wenelon über unferen Gegenftanb gebilvet Hatte, in ihrem Bundamente verworfen, unb bie Kiche hat nur Eines offen gelajjen, nämlid die Frage, wie im Gegenfag zu Senelon bie pajfive Gontemplation und ibr Unterfchied zur activen pofitio befinirt werben müfle. Boſſuet erklärte fid in Betreff dieſes Punktes dahin, taf, während bie Seele in der activen Gontemplation biécurftoe Acte einfad) factiſch nicht mehr hervorbringe, viefelbe-in der paffiven Gontemplation, wo ung Gott burd eine gratia gratis data an fid) ziehe, foldje Acte gar nicht mehr hervorbringen fónne. Wie man fieht, haben aud) wir im Wefentlihen biefe Anſicht in den vorliegenden Ars tifeln vertreten, unb wir glauben, daß fie, wenn aud) feine fórmiidje τε Enticheidung, bod ohne Zweiel die Wahrheit für fid) Dat. Eine etwas andere Bewandtniß hat ed mit der Lehre von der Liebe, über welde das Breve fid) ganz befonders verbreitete. In diefer Beziehung ift wohl zu bemerfen, daß ber apoftoliihe Stahl über ble Begriffsbeſtimmung ber 640 . de Quietlomus dritten theologiſchen Tugend an und fuͤr ſich uͤberhaupt Nichts, weder negatio nod) poſitiv entſchieden hat. Ins beſondere ſteht es feſt, daß Fenelons Anſchauung von der Liebe, wonach dieſelbe Gott nur um ſeiner ſelbſt willen liebt und um ſo reiner iſt, je mehr ſie deſſen abſolute Eigenſchaften zu ihrem Motiv hat, von der Kirche weder gebilligt noch verworfen worden ift. — Im Uebrigen δὲν merkt «:Debavbe !) mit vollſtändigem Recht, daß bie Anſicht, als ſei die Liebe Gottes um ſo vollkommener, je weniger ſie auf ſeine relativen Eigenſchaften, z. B. ſeine Güte unb Barmherzigkeit gegen uns fid) ſtütze, jedenfalls im Widverſpruch mit der traditionellen Lehre der Schule ftebe und in ihrer ſittliche Tragweite ſehr geeignet fel, bie Frömmigkeit im chriftlihen Volke zu lähmen und από zutrodnen. Wohin fümen wir, wenn das Kreuz nicht mehr flet& und überall vor unferer Seele ftünbe, mit feiner εἶπ dringenden Prebigt: laffet uns ihn lieben, denn er hat und zuerft geliebt? — Aber ble Anſchauung Fenelons leidet, was und ihr Widerſpruch zur Schule nicht minder zum Voraus erwarten läßt, auch an einem offenbaren theoretis iden Fehler. Nur auf einem Mißgriffe, einer Schwäche der Speculation fann e8 beruhen, wenn man in ber Thätig- feit Gottes ad extra mit der endlichen Form, in ber fte fid) vollzieht, nicht ihre volle Unendlichkeit unb 9Ibjolutfeit zu vereinigen weiß, wenn man in berfelben fo zu fagen ein Herabfteigen des göttlichen Weſens aus feiner eigenen Höhe erblidt und bemgemág dem Glauben fulbigt, daß wir um jo höher fteigen in ber Grfajjung ber Gottheit, je 1) Man vergleiche deffen vortreffliche Abhandlung: “Die volllommene Liche Gottes. Regensburg 1856. Bei Baflet. in. Sranfreich. | 641 tiefer unter unſern Geſichtskreis alles Dasjenige finft, was biejelbe in ver Zeit unb im Berhältniß zu und ges wirft hat. Eo febr wir und übrigens gegen ble In Frage Reßenbe Anſicht von ber hriftlihen Liebe erflären; von ber Kirche ift Senelon nur cenfurirt worden, infofern er diefe Tugend zu ber Hoffnung in ein Berhältniß feste, wodurch vie legtere mehr oder minder gefährbet wurde. Das Breve erflärt die Behauptung aí& einen Irrthum, als türfe man in irgend einem Act bet reinen Liebe tie Sehnſucht nad der ewigen Celigfteit ausprüdlich von fid) weifen ober ald gebe ed gar einen Etand, wo ἐδ Regel fet, feine Acte der Hoffnung mehr zu erweden. Diefe Firhliche Entſcheidung läßt nun’ aber freilich für bie pofitive Bormulirung der wahren Relation zwifchen Liebe und Hoffnung wiederum einen freien und weiten Epiels raum. Fenelon felbft Bat einen Verſuch gemadt, jene Sormel zu finden, — in feinen apologetifchen Echriften, in denen ec ben ftrengen Ctanbpunft der Maximes verließ unb bet Cade der riftlihen Hoffnung geret zu werden fid benrühte. Er anerfannte hier, daß tiefe Tugend allertings ber Liebe auf jeber aud) der höchſten Etufe zur Seite fteBen müffe, aber nur injoferm fie felbft eine Frucht ver Liebe ift, b. i. fofern fie nad) der ewigen Geligfeit aus feinem‘ andern Motiv verlangt, al8 um. bem Willen unb ber Ehre Gottes damit zu dienen, Man fieht, das ift noch ein kümmerliches ZIugeftänds nif an bie drijtide Hoffnung. Aber fo wenig wir in biefer Anſchauung, die von einem felbftftändigen' SBrincip ber Hoffnung πο immer febiglid) Nichts weiß, eine ber frieblgenbe Löfung des Problems zu finden vermögen, jo Theol. Quartalſchrift 1856. IV. Heft. 42 642 Der Qutetlsmus darf bod) nicht in Abrede' geftellt werden, bag ble Kirche, indem fie ble apologetifchen Echriften Wenefonó, wie wir wiffen, unangetaftet ließ, offenbar aud) bie Theorie, ble darin vorgetragen wird, freigab. Auf völlig entgegengefegter Seite fteht Boſſuets mers fuh, das Berhältniß zwifchen Hoffnung und Liebe zu be flimmen. Er behauptete nämlidy geradezu, bag die Hoff nung ein wefentlihes Moment in aller Liebe fel, oder um mit ben Ausprüden der Cdule zu fprechen, daß tie liebe auf allen Etufen ihrer Entwidiung zugleich wohlwollend (die eigentliche caritas) und zugleich begehrend (Bezeichnung für bie Hoffnung) fel. — Diefe Auffaffung fand nun freis [id an den mannigfadjftert Orten und felpft in Rom leb⸗ haften Wiverſpruch; allein die Reclamationen, bie man erhob, betrafen doch mehr nur ble Form, in ber Boſſuet feinen Gedanken vortrug und nad) weldjet es fcheinen fonnte, als fptede er bet caritas an unb für fid), dieſer Liebe Gotteá aus reinftem Wohlwollen, alle und jebe Selbſt⸗ ftänvigfeit ab. Das mar aber nicht feine Meinung; bei ihm fommt vielmehr ble Liebe wie die Hoffnung zu ihrem vollfommenen Recht: es galt ihm nur, ihren gegenfeitigen Rapport und unter diefem Geſichtspunkt ihre gleichmäßige Relativität nachzuweiſen; und indem er jagt, daß tie Liebe ſtets amor benevolentiae und concupiscentiae fei, wollte er nur das dialectiſche Ineinandergreifen ter beiven Be wegungen des gläubigen Herzens zur Darftellung bringen, ber einen, In ber ed Gott, fein abfolutes Ziel, um feiner felbft willen judt, und ber andern, in welder e8, fid ſelbſt als relativen Lebenszweck jegenb, nad) Gott verlangt, um in ifm ewiges Genüge und unenblide Seligfeit zu finden. — Wir glauben, bag Bofjuet, jo verftanbem, ber in Frankreich. 643 Wahrheit in diefer Frage febr nahe fteht, wenn freilich aud, nicht gefagt werben fann, daß die Kirche zu Gunften feiner Theorie eine Entſcheidung getroffen Babe. — Mir müffen e8 leider bei diefen Andeutungen bewenten lafien, intem eine weitere theologifche Erpofition über ble ben Quietismus berührenvden €cbrpunfte die Grenzen ber vorliegenden Arbeit überfchreiten würde. Wie wir fdon im erften Artifel bemerft, verlief vie afteemyftijdje Bewegung, mit der wir ung big jegt befchäftigt, nachdem bet apoftoliihe Stuhl fein Breve erlaffen, febr raſch. Durch die Gefangennebmung ter Guion ihres electris firenden Mittelpunftes beraubt und ohne Zweifel bereite mehr bloße Theorie al myftijder Eultus, fing die Sache feit Jahren nur nod) an bem Anſehen Fenelons. Er unters warf fid) dem firdjliden €prudj, und nun ging die Partei unaufhaltfam auseinander. Fügen wir hinzu, daß Biele, indem fie vie verfángnifvolle Bahn verließen, aud) bem eigenften innern Antrieb gehorchten, alle Diejenigen nämlich, die wie Fenelon felbft e8 nie bis zu einem Wideriprud gegen die Kirche hatten treiben wollen. Man hat fid häufig febr bitter und febr nadjbrüdlid) über ben Streit beflagt, den Fenelon nnd: Bofjuet mit einander geführt haben; es ift wahr, ed famen in vlejem Kampfe Dinge vor, die man beklagen muß. Allein bie Thatſache, daß in bemfelben eine Gefahr glüdlih zurüd: gewiefen worden ift, welde tie Gläubigen über furz oder lang den árgíten Ueberfpanntheiten und 9Serirrungen in die Arme getrieben hätte, ξαπὴ und bod) gewiß über einige Ausschreitungen in ber Polemik tröften. Insbeſondere müffen bie Verehrer Fenelons den bejagten Kampf ohne Zweifel ſegnen; hier war es, wo feine ganze geiftige Individualitaͤt 42 * θ44 Der Quietismus in Frankreich. | jene Sàuterung und Verklärung fand, ohne die es ihm nie möglih gewefen wäre, ber erfte Dann des Fatholiichen Sranfreidjó zu werden, eine Cáule der Wahrheit und ber Kirchlichkeit. Ruckgaber, Repetent. II. Rerenfionen. 1. Der Prophet filaladji, Einleitung, Grundtert und Ueber⸗ fegung nebft einem vollftändigen philologiſch⸗kritiſchen und hiſtoriſchen Commentar von Dr. faur. Reinke, Dom⸗ capitular und ordentlichem Profeſſor der Theologie und orientaliſchen Sprachen an der königl. Academie zu Münſter. Gießen, 1856. Fer ber'ſche Unirerſtütsbuchhandlung. Preis 5 fl. 24 fr. Die Einleitung verbreitet ὦ ſehr ausführlich über bie Perfon des Propheten, fein Zeitalter, feine Sprade und Darftelung, die Aechtheit feiner MWeiffagung, ten Zu- fammenhang und Ipeengang derfelben und bie alten und neuen lleberfegungen und Gommentare. In Betreff der Perfon und Schidjale Maleachs läßt fid) nichts Sicheres ausmitteln,, weil die vießfallfigen vet fchiedenen Angaben aus bem Alterthume aller Zuverläßigs - feit entbehren. Ein Beweis ihrer Unzuverläßigfeit (legt Thon in ihrer großen Verſchiedenheit, indem einige ben Propheten mit Serubbabel, andere mit Mordechai, andere mit Nehemia oder Esra iventificiren, ober aud) ihn nicht 646 teinte, einmal für einen wirflihen Menjchen, fonbern für einen Engel In Menfchengeftalt erklären. Hr. Reinke fucht vie Unrichtigkeit diefer Angaben nachzuweiſen und inóbefonbere zu zeigen, daß jedenfalls ber Name 'awbo nicht ein bloßes Appellativum, etwa 9[mtóname, jonbern women propr. fel, wabr[deinlid) f. v. a. —8R (Bote Jehova's). Das Zeitalter des Propheten verlegt Hr. R. in die Zeit nad Nehemia und fügt, daß er dießfalls mit Herb ſt übereinftimme, „ber in feiner hiſtoriſch-kritiſchen Einleitung in die hl. Schriften des A. Teſtamentes, Th. 2, Abth. 2, 8. 70, S. 169 f. den Malachi in die Zeit nach Nehemia ſetzt“ (S. 32). Allein an ver citirten Stelle der Herbfl’s ſchen Einleitung heißt es wörtlich: „In welchem Zeitpunkte nun Malachi geweiſſagt habe, iſt kaum zu beſtimmen; der vom Propheten geſchilderte Zuſtand des Volkes macht es mir wahrſcheinlich, daß dieß kurz vor dem Eintreffen der zweiten Colonie unter Esra geſchehen ſei.“ In ber That müjjn wohl gegen bie Zeit Esra's hin bie Zuſtände in Jeruſalem und Juda ungefähr von der Art geweſen ſein, wie fie in Malegchi's Schrift geſchildert oder vorausgeſetzt werben. Daß namentlih in der Feier des Glotteóbienfteó unb In der bürgerlichen Verfaffung und Rechtspflege Mans ches zu tabeln unb ju verbeffern war, daß e8 an der Bes folgung und felbft an ter erforderlichen Kenntniß des Ges ſetzes fehlte unb insbeſondere ehliche Verbindungen zwifchen Séraeliten und Heiden nicht felten waren, erhellt aus Esra 4, 12 ἢ. 9, 1 ff. Infofern forid)t ver Inhalt von Mar leachi's Buch nicht gegen, fonbern vielmehr für Herbſt's Anſicht. Wir müffen verfelben aber nod) ans einem andern Grunde beiftimmen. Fl. Joſephus naͤmlich, auf befien Ausfagen in Betreff des hebräifcgen Bibelkanons auch Hr. ber Prophet Malachi. 647 SR. felbft großes Gewicht legt, verfichert, daß tiefer Kanon zur Zeit des Artarerred Longimanus zum Abfchluffe ges fommen unb von ben nachher nod) entftandenen Echriften feine mehr für heilig gehalten und in venfelben aufge nommen morben fei (contr. Apion. I. 8.); und Joſephus fpricht biet nicht etwa feine Privatanficht ang, ſondern giebt als Hifterifer Nachricht über einen Thatbeftand, ber ibm wohl befannt fein mußte. Es ift aber klar, daß biefer Nachricht zufolge Maleachi's Lebenszeit vor das Regierungs⸗ ende’ des Artar. Long. fallen muß. Nah Hrn. R. dagegen war Stebemia nad) jeiner erftmaligen. Wirkſamkeit in Pas läftina, alfo vom 32. Regierungsjahre des Artarerres an, 20 bis 24 Sabre abmejenb, fo daß feine zweitmalige An- wefenheit in Baläftina früheftend mit bem 12. Regierungs⸗ jahre des Darius Nothus beginnt, und fomit das. erft nad) Nehemia entfianbene Buch Maleachi ziemlih lange nad Artar. Long. Hefchrieben worden fein müßte, alfo zu einer Zeit, in welder παῷ bem Zeugnifje des Iofephus die pa- läftinenfifchen Juden feinem neu entftehenden Buche mehr ben Inſpirationscharakter zuerfannten und Aufnahme in ihre heilige Schriftfammlung gewährten. In ber Unterfuhung über bie Cprade und Dar ftelung wird bie Bertaufhung ber hebräifchen Eprade mit ber aramäifhen in Paläftina al& Folge des babylonifchen Exils bezeichnet, deßungeachtet aber die Behauptung Eich— horns, „daß Maleachi in ben Feſſeln einer erftorbenen Sprache gefchrieben und aus Mangel (an Gewalt) über feine Sprache fein Schwung nidt habe bod) gehen fünnen, " wenn ihn audj mehr Dichtergeift bejeelt hätte al&' ibm wirklich eigen gewejen, und daß dieſes den Mangel an Goncinnitàt des Ausdruckes und Einfachheit der Ginfleibung 648 | διείπῇε, begreiflih mache,” mit Recht abgewiefen und bemerkt, dag die Echreibart conció, Mar, von gebrungener Kürze und nicht ohne Eleganz und raft fel. Die Aechtheit wird aus Außern und Innern Gründen bewiefen. Die äußern Grünbe, wie namentlih Cir. 49, 10, να Zeugniß des jüdischen Alterthums und die alten Verzeichniſſe des Debráifdyen Kanons, find unftreitig beweis fend. Nicht ταῦ Gleiche gilt von den inner Grünten. Hr. R. formulirt fie mit ben Worten: „Was zweitens bie inneren Gründe ver Aechtheit anbetrifft, fo findet fid) in dem Inhalte und bem Vortrage bed. Buches Malahi nicht allein nichts, was mit den negativen Beringungen ber Aechtheit, naments [id mit der Sprache, Schreibart und ben Zeitverhältniffen bes Nehemia und nad bemfelben, oder mit den Citten und Gebráuden, mit den Wünfhen und Berürfniffen des Volkes unb mit, der Topographie und Gcographle oder mit fonft etwas ftreitet, fonvdern εὖ (ft. vielmehr, wie oben ges zeigt wurde, alles tem Zeitalter des Nehemia und fut nad ibm ganz angemeffen. Der Zuftand des Volkes, feine Gebreden, Leiden und Wünfche erſcheinen bei Maladji im Oanzen gerade fo, wie fie von Nehemia befchrieben werden oder bod) kurz nad) demfelben zu erwarten find“ (E. 52 f). Hier l(t aber Far, bag vie berührten Punkte, ihre Nichtigkeit auch: voranégefegt, höchſtens die Abfaffung ber Weiffugung zur Zeit Nehemia’d oder bald nachher bes weifen fonnten, daß fie aber nicht gerade den Propheten Maleachi ober nur überhaupt irgend eine beftimmte Perfon als Verfaffer fenntlid madyen. Die alten Ueberfegungen werden ausführlid und grünblid in Unterfuhung gezogen. Wir fónnen jedoch hier nicht in's Einzelne eingehen und erlauben und nur Über der Prophet Malachi. 649 ble Behauptung, bag tle aleranbrinifdje Weberfegung „von bem forifden Ueberſetzer in bec Peſchito“ benügt worden (εἰ (&. 55.), zu bemerfen, daß biefe Benügung keineswegs gewiß ift und weit mehr gegen als für biefelbe ſpricht, wie denn aud) Hr. 9t. nachher felbft bemerft, taf die bas für angeführten Gründe nicht zureichend felen (&. 78). Das große Berzeihniß der Altern und neuern eres getifhen Arbeiten über Maleachi fomohl in umfaffenben Bibelcommentaren als Eperialfchriften wirb ohne Zweifel manden Leſern erwünfcht ſein. Die Erklaͤrung des Textes iſt wie die Einleitung ſehr ausführlich. Hr. R. nimmt (n ziemlich ausgedehnter Weiſe Rückſicht auf die vielen vorhandenen Auslegungen Mas leachi's und führt häufig, namentíid bei wichtigen ober fchwierigen Stellen, die ver[diebenen Auffaſſungsweiſen ber angefehenern Eregeten an, fucht feine eigene "Deutung den abweichenden ?Infidjten gegenüber zu rechtfertigen und fie gegen etwaige (Sinreben zu fügen. Er ift der Lieber jeugung, „daß die Prüfung und Benrtheilung verjdjiebenet Erflärungen unb Anfichten nicht wenig zur Schärfung des Urtheils und aut Beförderung eines gründlichen Studiums beitrage" (S. VL). (G8 fommt ifm daher nicht darauf an, ben Raum zu fparen und nur das Ergebniß der eregetifchen Sorjdung fury vorzulegen, fondern er will einen ausführs lihen Gommentar geben. Eo nimmt denn glei die Gr» Flärung des erften Verſes 38 Seiten, und bie des erften Wortes Nip beinahe 14 ©. in Anfprud. In Betreff dieſes Wortes will Hr. 9t. nicht zugeben, daß δ aud) Ausſpruch bedeute, und er giebt fid viele Mühe mit bem Beweife, daß es nur „Laft”, f. ». a. „drohende, lInglüd, Strafe verfündigende Weiffagung“ bedeute. Die Sache iſt 650 teinte, nit von hohem Belange und faum einer fo ausführlichen Erörterung werth, als ifr hier zu Theil geworben, zumal nad) dem, was jdon andere, wie 3. 9B. Otto Etrauß (Nahumi vaticin. expl.), ver dieſelbe Anficht vertheivigt, barüber vorgebraht haben. Wer bem Worte die Bedeu⸗ tung „Laſt“ vinticitt, nimmt bafjelbe tropiih im Einn von prophetifcher Drobung, und wer ihm bie Bebeutung Ausſpruch vinbicirt, nimmt e6 im fchlimmen Einne als drohenden Ausspruch, fo daß im gegebenen Kalle beide Aufs fafjungen im Wefentlihen zufammentreffen. Uebrigens wird Ni/3 mit δῷ qud für ein Erheben ber Ctimme ge braucht, welches zugleih ein 9teben, ein Ansprechen von Morten ift, Richt. 9, 7. Gef. 24, 14. 42, 2. und daraus ergiebt fid) für δ ble Bedeutung Ausſpruch, wie von ſelbſt. Ohnehin befteht 3. B. der Inhalt von Sad. 12, ber als nis über Israel bezeichnet wird, in lauter Glücks⸗ verheißungen für Israel. Damit [01 jebod) nicht gegen die Ausführlichfeit der Behandlung überhaupt eim Gabel ausgefprodhen werden. Denn ein ähnlihes Verfahren, wie εὖ Hr. 91. befolgt, finden wir in größeren Commen⸗ tatem von jeher eingehalten, und wo ber Ausleger nicht .auf kurze gebrüngte Erflärung das Abfehen zu richten ges nöthigt ift, hat εὖ auch unzweifelhaft feine gute Beredhtis gung. Schon Hleronymnd bemerft gelegentlich, es fel bei Erklärung bet bf. Schrift Sitte, bie auch er zn befolgen pflege, diversas sententias ponere interpretum (Comment. in Jerem. IV. 22), und behauptet ein anderes Mal: com- mentaloris est officium mullorum sentenlias ponere (Apol. adv. Ruff. I. 22). Durdy das wort(ide Gititen der alten leberjeguugem unb häufig aud) ber verſchiedenen Serüds fitigung verbienenden Erklärungen, tole εὖ von Hm. R. bet Prophet Malachi. 051 geſchieht, verbunden mit einer oft einláfliden MWürbigung derfelben, wird unftreitig has felbftftánbige Verftänpnig ber Schrift erleichtert und zugleich bei zwedmäßigem Verfahren eine Art Gefdjidjte der Auslegung einzelner Stellen oder bod Material dazu gegeben. As Fatholifher Ereget fuht Hr. 9t. durchweg die τε Auslegung nicht nur feft zu Halten, fondern nótfigen Falles aud) ausführlich zu rechtfertigen. Als Sei fpeit kann gleich ble Erörterung über das reine Opfer Mal. 1, 11 dienen, worüber Hr. R. [don früher im 2ten Bande feiner Beiträge zur Erflärung des’ alten Teft. eine befonbere Abhandlung veröffentlicht hat. Er fudt aus dem Wort. laute der Etelle zu zeigen, daß unter dem reinen Opfer nut das unbíutige Opfer bed. neuen Bundes, das hi. Meß⸗ opfer, gemeint fein fónne, und weist dann nad, daß biefe Auffaffung in der Kirche von jcher ble berr[denbe gewefen, wie denn aud) das Concil von Trient audbrüdiid) erflärte, daß das hi. MeBopfer das von Maleachi geweiffagte reine Opfer fei, welches turd) feine Unmwürbigfeit oder Bosheit der Darbringenden verunreinigt werden fónne (Sess. 22. cap. 1). Hr. 9t. glaubt aber, daß ber Prophet beu vol, len Einn feiner Worte, die er, vom Geifte Gottes getrieben, auéfpradj, wohl jelbft nicht ganz erkannt haben merbe. Das ppm im ber betreffenden Stelle nimmt er als Partic. Hoph. in. ver Bedeutung: man räuchert; allein in biefem Valle ift das 1 vor npo etwas ftörent, während man vor Uo ein ſolches erwarten müßte. Hieronymus Bat zwar eben bier ein Y auógebrüdt unb bei MID eó weg gelajfen, aber daraus folgt nicht, daß er in feinem Original: tert wirklich fo gelefen, unb nod) weniger, daß dieſe Leſeart bie urfprüngliche fei; denn (don ber Alerandriner vrüdt 552 Reinke, der Prophet Malachi. benfelben Tert aus, ber uns jet noch vorliegt, und aud der Syrer hat nicht, wie Hr. R. (aud) ve Roffi, var. lect.) fagt, ein Y vor Wär gelefen, denn er überfegt Kama aa und dann folgt erſt o für das 1 bel mmyp. Iſt aber dem» nad) ber jegige Gert nicht anzufechten, wenn gleich einige Handſchriften ΠΣ ohne unb andere V3» mit Y haben, ſo ift εὖ augenfällig am einfadjften unb bem Buchftaben des Serteó am entiprechendften, »ippo mit bem Alex. und Syr. ſubſtantiviſch zu fafjen: Rauchwerk, Weihrauch, und zu überſetzen: es wird Weihrauch dargebracht meinem Namen und ein reines Speisopfer. Die Feſtſtellung der Wortbedeutung iſt nicht immer ganz frei von Wilführ; ©. 345 z. B. wird bemerkt, rogo habe bie Bedeutung admonitio, cohortatio an feiner Stelle, dagegen ©. 359 wird bemfefben Worte die Ber deutung „ernfte Ermahnung” gegeben. Auch die Gorrectut hätte mitunter etwas forgfältiger fein bürfen; G. 233 3.8. fet oux Für ouis tuas für Suas; AN für AT; ον ΑΚ für 43301 und Jeſ. 13, 27 für δεῖ. 14, 24, was Alles unter den „Berichtis gangen“ nicht vorfommt. : Melte. Beelen, Sti Clemenlis Rom. epistolae. . 653 2, a2 xau Ss Sod? Laos Na Vd ez Luis woher} Sancti Patris nostri Clementis Romaní epistolae binae de virginitate, Syriace, quas ad fidem codicis manuscripti Amstelodamensis, additis notis criticis, philo- logicis, theologicis, et nova interpretatione Latina, edidit Joannes Theodorus Beelen, Can. ad Hon. eccl. cathed. Leod., s. Theol. Doct, in Univ. cath. Lovan. s. Script. et lingg. Orient. Prof. ord. Accedunt fragmenta nonnulla ex- egetici argumenti ex eodem codice nunc primum edita el Latine reddita. Lovanii, apud C, J. Fonteyn, et apud Vanlinthout οἱ soc. Bibliopolas 1856. Preis 7 fl. Im Jahre 1752 erhielt Io. Jakob Wetftein während feines Aufenthaltes zu Amfterdam von bem damaligen bris tifchen Gefandten zu Gonftantinopef, Jacob Porter, zwei fyrifche Handſchriften, die derfelbe zu Aleppo gekauft hatte und bie nachher in's RemonftrantensCeminar zu Amſter⸗ bam famen, wo fie nod) jegt aufbewahrt werben. “Die eine dieſer Handſchriften enthält vie fyrifchen Evangelien aus bet Peſchito und Ihr zur Eeite eine arabijche aber mit“ ſyriſchen Buchftaben gefchriebene Cearfchunifche) Ueberſetzung, die andere die Apoftelgefchichte unb bie apoftolifchen SBriefe des neuteftamentl. Ganonó und zwei Briefe des Clemens Romanug de virginitate nebft einigen anonymen Sragmenten eregetifhen Inhaltes. Die zwei clementinifchen Briefe ließ Wetftein in feiner berühmten Ausgabe des griecyiichen neuen Teftamentes, jedoch mit manchen Fehlern, abbruden 654 Beelen, and fügte eine fateinifdje lleberfegung bei. Letztere wurde furze Zeit nah Metfteins Top (i. 3. 1757) in Manfi’s große Boncilienfammlung aufgenommen und gleichzeitig in Sranfreld von Premagny mit beigefügter franzöjifcher Ueberfegung veröffentlicht. Acht Jahre fpäter wurde fie fammt dem fori[den Tert in Gallandii Bibliotheca veterum Patrum, tom. 1. wieder abgebrudt unb von biefem Abprud, in dem zwar einige Fehler ber. Wetſtein'ſchen Ausgabe vet befjert find, aber dafür manche neue vorkommen, beforgte Pius Bingerle, Benedictiner zu Mariaberg, eine deutſche Leberfes gung mit Anmerkungen (Wien, 1827). Demnad fatte man bisher vom ſyriſchen Tert nur zwei Ausgaben, bie fehler hafte Wetftein’fche und ven nod fehlerhafteren Abprud berjelben in Gallanv'é Bibliotheca vet, Patrum, fo taf eine neue fehlerfreiere Ausgabe allerdings febr zu wünfchen mar. 918 Hr. 3B. damit umgleng, eine folche zu beforgen, und zu dieſem Behufe zunächſt vie Wetſtein'ſche Ausgabe aufmerfjam durchlas, gewann er bafb bie llebergeugung. daß tie Fehler tiefer Ausgabe dur bloße Gonjecturalcritif, ohne Beiziehung ber Handſchrift, auf der fie ruhte, fid) nicht befeitigen laſſen. Er erfunbigte fid daher, nad viefet Handſchrift und war [0 glücklich, biefelbe durch Vermitt⸗ lung Juynboll's und Ban der Höven’s wirklich zu erhalten. “Bon ihre giebt er zunächft einen 9Ibbrud, bei weldhem er Bocalzeigen und diafritifhe SDunfte nur da beifügt, wo ‚ die Handſchrift folde bat, und ſelbſt ihre nicht immer rich» tige Interpunction beibehält. Nur offenbare Schreibfehler nimmt er nicht in ben Tert auf, fondern fest dafür das Richtige, bemerkt aber bann dieſes jebe&mal am untern Rande unb macht hier zugleich aud) beſtaͤndig auf die Fehler ber beiden fdjon vorhandenen Ausgaben aufmerffam. “Dem Sti Clementis Rom. epistolae. 655 forifden Terte Bat. er, wie fchon das Titelblatt befagt, eine nette lateinifche Üleberfegung beigefügt und dieſelbe mit Anmerkungen begleitet, welche theils tle Ueberſetzung rechtfertigen, theils weniger flare 9Iuóbrüde und Etellen erläntern, auch bie im Terte angezogenen Schriftſtellen an⸗ zeigen und auf wichtige Lehrpunfte aufmerffam machen. Hierauf folgt der ſyriſche Tert nod) einmal, aber vollftändig vocalifirt und mit ben biafritifchen Zeichen verſehen, vieß hauptfächlih für fole, die wegen mangelhafter Kenntniß des Eyriſchen ben unvocalifirten Tert nicht mit Sicherheit fefen fónnten; zugleih find Bier dem Terte aud) viele grammatifche Erläuterungen beigegeben und Eritiihe Bes merfungen über 9Betítein'é lateinifche und Zingerle's deutſche lleberjegung. Endlich folgen nod) zwei Appendices, wovon ber eine bie ebengenannten zwei lleberfegungen, ber andere bie eregetifhen Fragmente enthält, tie in dem Gober fid) fanden. Die Ausftattung bes Werkes ijt alfo eine reiche, wie e8 ſich aud) nicht anders ziemte für ein Buch, das dem Oberhaupte der Kirche dedicirt iſt. Die ausführlichen Prolegomena S. IX—XCVII geben zuerſt eine genaue Beſchreibung der gebrauchten ſyriſchen Handſchrift, die übrigens nicht febr alt ift, ſondern erſt ἐπὶ J. 1470 vollendet wurde, ſuchen dann die Aechtheit der Briefe zu beweiſen und fügen noch eine historia litteraria derſelben bei. Das Hauptgewicht wird aber auf die Nachwei⸗ ſung der Aechtheit gelegt, welche 57 Seiten einnimmt. Hr. B. macht, wie ſchon Wetſtein, aͤußere und innere Gruͤnde für dieſelbe geltend. Unter den äußern Gründen nehmen bie Zeugniſſe des hi. Gpipbaniud und Hieronymus die erfte Stelle ein. Biss her galten fie als bie alleinigen Seugnijje aus dem Alters 606 ὁ Ἀ “ Beslen. thum über unfere Briefe, fo bag nod) Feßler in feinen In- stitutiones Patrologiae (Oenop. 1850, I. 165) fagen konnte: . reliqui Veterum de iisdem tacent. Leber das Seugnif ves bí. Epirhanius (Haeres. 30. $. 15) bemerft Hr. B.: Ex hoc testimonio quid conficitur ? Conficilur, S. Epiphanium legisse epistolas Clementis circulares, plures und, in quibus is virginitatem doceret el laudaret Eliam, Davidem Samso- nem omnesque Prophelas. Atqui omnia haec perfecle qua- drant in epistolas illas de Virginilate, quae sub nomine Cle- mentis Romani feruntur. Lebtered wird kurz bewiejen umb bann ausführlich ble Einwendungen Venema's, Lardner's u. A. widerlegt, denen zufolge Epiphanius entweber nicht bie fraglichen Briefe des Clemens de Virginilate meinen, ober wenn diefes ber Wall fein follte, feine Meinung nod) fein Beweis für die Aechtheit fein würde, und zwar biefes [don darum, weil Eufebius die Briefe nicht erwähne. Ueber das Zeugniß des Dl. Hieronymus (adv. Jovinian. I. 12) fagt Hr. B.: Ex quo testünonio Iria colliguntur: 1° Clementem scripsisse-ad eunuchos spirituales; 2° plures und ad illos dedisse epistolas; et 3° in iisdem omnem fere sermonem esse coniexium de Virginitate. Alqui tria haec perfectissime conveniunt epistolis illis de virginitate, quae sub nomine Clementis Romani feruntur. Diefes wird wieder furz bewiefen und bann bie Einwendungen fBenema'$, arbner'é u. U. widerlegt, daß nämlich Hieros nymus entweder nicht die im Trage ftebenben Briefe de virginilate meine, oder feine Meinung auf einem Irrthum beruhen müjje, weil er durch fie mit fif) felbft in Wider⸗ fprudj gerathen würde. Die Widerlegung ift bier, wie aud) im vorigen Falle, al& eine gelungene zu bezeichnen, babel aber aflerbingó aud) zu erwähnen, bag fie an bem Sti Clementis Rom. epistolae. 657 was fchon Wetftein und Zingerle in verfelben Richtung vorgebradht haben, gute Vorarbeiten hatte. Den beiden bes rührten Zeugniffen fügt Hr. 98. nod ein anderes fehr wichtiges bei, nämlich ein förmliches Gitat aus bem erften der beiden Briefe in einer ſyriſchen Handſchrift aus bet Mitte des 6. Jahrhunderts unter der Formel: cmasoa o? Kasodo Ws dp d) se Loooꝝꝛ i22] (Clementis episcopi Romae ex epistola priore de virgini- late). Daraus erhellt wenigſtens, daß bie beiden Briefe bamald als Briefe des Clemens von Rom galten. Endlich theilt Hr. B. ποῷ eine Ausfage des antiochenifchen Patrlars den Cambiri mit, bie ihm derſelbe auf eine an ihn ges richtete Schriftliche Anfrage ertheilte, und ble dahin lautet, daß die beiden Briefe in ber fyrifchen Kirche von jeher unb bis jegt ald Briefe bed Hi. Glemenó von Rom gegolten haben und gelten. Als innere Gründe für die Aechtheit macht Hr. ϑ. geltend, bag einerjeitd in ben beiden Briefen nichts vors fomme, was auf eine jpátere Zeit αἱ bie des Clemens von Rom Dinbeute ober überhaupt ihn als Verfaſſer aus⸗ ſchließe, unb bag andererjeitd beide in Bezug auf Schreibart, bildliche Ausdrücke, Darftelungs- und Xehrweife auffallende Aehnlichkeit haben mit bem erften Briefe des rómi|den Glemenó an die Gorintber. Darauf werden ausführlid, vie von Venema, Laroner u. U. gegen die Aechtheit vorger brachten innern Gründe widerlegt, bie amar ziemlich, zahls reich, aber mitunter fehr unbeveutend find. Am melíten Bedenken gegen die Aechtheit Fönnte es zunächft erregen, wenn behauptet wird, daß zur Zeit des Verfaſſers die Zahl ber παρϑένοι [don ungemein groß gemejen fel umb fie Theol. Quartalſchrift. 1856. IV. Heft. 43 038 Beelen, bereits eigene Häufer gehabt haben, unb baf ble Briefe ſchon auf bie oweloaxros und dad bamit verbundene Umwefen hindeuten. Allein dagegen ‚bemerkt Hr. B., wie es ſcheint, mit vollem Recht, taf bie ſyriſchen Tertesworte weder von eigenen Häufern der παρϑένοε reden, in denen fie zuſammenlebten, nod) aud) auf das Unmefen ver συνείσ- oxtor hindeuten, und fomit jene Behauptung nur auf unridtigem Verftänpniß bed fyrifchen Tertes beruhe. Die übrigen Gründe waren , großentheils leicht zu widerlegen, tole 3. B., daß es nicht glaublid fel, tag Clemens von Nom ſyriſch gefchrieben habe, daß fid derfelbe nicht als einen Schüler, bed. Apoftels Petrus bezeichnet haben wuͤrde, daß bet Verfaffer der Briefe zu verftehen gebe, daß er mit feinem der Apoftel je perfönlichen Umgang gepflogen, baf er die Virginität allzu hoch ftelle, bag er fdjon ein Gefübbe der Enthaltfamfeit kenne, während bod) Tertullian ber erfte Kirchenſchriftſteller (ei, der ein folded erwähne 2c. 2c. In Betreff des letztern Punktes hätten wir übrigens bie Ber hauptung, daß vor Sertulfian ſchon Eyprian dieſes Ges fübbed gebenfe (GC. LXXXIIID), weggewünfht, denn ber fpätefte Termin, der als Todesfahr Tertulians angelegt wird (et ſchwankt zwifhen 215 unb 245), ift erft das Bekehrungsjahr Cyprians. Auch was Über die von enema hervorgehobene verfchievene Eitirweife ber hl. Echriften, zus mal der paulinifchen Briefe, in bem clementini[djen Briefe an bie Gorintfer und ben Briefen de virginitate bemerft wird (€. XLVI f.), dürfte faum befriedigen. Es fcheint Bier für vie Gegner der Aechtheit noch bet bebeutenbfte Anhaltspunkt zu fein. Ueber feine dem fyrifhen Text zur Seite geftellte lateiniſche Weberjegung bemerft Hr. B.: Syriaca reddidi Sti Clementis Rom. epistolae. — 659 fidelissimus interpres, Latine neque plus neque minus, neque aliter aliquid dicens quam Syriace legitur (S.3.). Und e8 läßt fid nicht láugnen, daß die leberjegung im Allgemeinen als eine febr genaue und wörtliche erjcheint. Snbejjen fommen in ifr bod) auch Stellen vor, von denen das ausgeſprochene Urtheil nicht gilt. Mehr, als ber fyrifche Tert enthält, giebt die Ueberſetzung nicht oft, aber bod) das eine unb andere Mal. S. 7. z. B. i Loaaso mit: Unctus suus ftatt mit: Unctus, €. 19. Joaao mit: ore suo ftatt mit: ore, €. 3f. lZox2amsaso mit: et in patientia sua ftatt mit: et im patientia, und €. 55. s] mit: aéris hujus ftatt mif: aéris überfegt; baé neque plus ijt al[o zwar nicht ganz richtig, aber bod) aud) nicht ſtark anzufehten. Etwas ftärfer dag neque minus, denn Auslaffungen fommen öfters vor. S. 7. iſt de Wo (um Gottes willen) einfach übergangen. ©. 9. ft „as mit: opera ftatt mit opera nostra überfegt; man fónnte hier zwar aud) es (opera) leen, Hr. 98. zieht aber mit gutem runde MCCC vor, unb hätte daher aud) dieſes überjegen follen; ähnlich it ©. 82... βο exo mit; a Domino ftatt mit: a Domino nostro, und ©. 66. am!) mit: fratres ftatt mit: fratres nostri übetjegt. ©. 27. if 02 lao ocojho nicht überfegt, fpäter jebod im einer Anmerkung darauf aufmerf[am gemadjt (€. 139), und ©, 35. 525 (zu jeder Zeit) und ©. At. Laa3 (Zeihen, Mufter) einfadj ausgelafien. Ebenfo ijt €. 43. von ben zwei ſynonymen Ausbrüden Jolz und Jasas ber eine übergangen, dieß jebod) in einer Anmerfung ἐπὶ» | . 43* 660 Beelen, ſchuldigt. ©. 53. ijt Alam unb €. 68. dasasouo nicht überſetzt. Auch das neque aliter gilt nicht ausnahmeloe. €. 21. 3. B. wid pn Zus beorusoo (und thuft bu deßwegen diefes?) überfegt mit: el ideo-ne vis virginitatem profiteri, wo nur baé et ideo im Cprijden feinen genau entipredenben Ausdruck hat. (6,39, wird Vaoor Vo. überfegt mit: ille ergo quícunque sit, ftatt einfad) mit: omnis ergo. €. 41. ift (20420 mit: vivatque überfegt, was wenigftené ungenau iſt. S. 43. ift as3ZZ? überfegt mit: ea vos cogi- lare atque in iis vos esse, was bem Sinne nad) richtig, aber jedenfalls anders gejagt ift, ale im Eyriſchen, mie fhon die Zahl ber Worte zeigt. €. 48. ift do No mit: maledici sermones überfeßt, (tatt mit: otiosi sermones oder oliosa verba. Außerdem ift vie lleberjegung mitunter etwas ungleidjartig. Der Ausorud z.B. 40420 od (sing.) wird überjegt mit: qui virginitatem profitetur sive — frater sive soror ὦ. 31. unb mit: (qui) coelibem vitam agit sive frater sive soror ©. 33., und ©. 35. wird et ald Mehr- zahl genommen unb bie Stelle überfegt mit: et gaudent (text. 14250) qui (vere) virgines sunt (sive fratres sive. Sorores); unb betfelbe Ausdruck in ber Mehrzahl wird wiedergegeben mit: virgines (fratres οἱ sorores) €. 5., aud) ganz einfad) mit: virgines C. 7., öfter mit: utriusque sexus virgines ©. 11. 19. 21, 41. — ]asamso (Gläubige) wird gewöhnlich richtig mit: Fideles überjegt, mitunter aber aud, ohne daß ein, befonderer Grund dazu vorläge, mit: Christiani (€. 35. 45), wofür ber ſyriſche Gert fonft immer das auch im Syrifchen üblide Lxapmaso gebraudt. Sti Clementis Rom. epistolae. 661 boaato (der Gejalbte = rin) wird, vom Helland ger braudjt, gewöhnlich mit Christus überfebt, daneben aber unnöthiger Weife aud) mit Unctus €. 7. a aso .... 12a? wird S. 53. mit: judicium subituri sunt, unb wenige Linien nadfer, wo es im ganz gleiher Bedeutung fteht, mit: condemnabuntur überfegt. Uebrigens find folde Erfcheinun, gen bod) verhältnißmäßig fo felten und zum Theil von jo untergeorbneter Art, daß fie eine Limitirung „des vorhin auége[prodenen allgemeinen Urtheild nicht zu begründen Tcheinen. | In Betreff des vocalifirten ſyriſchen Textes bemerkt Hr. Ὁ. unter Anderm, er habe jene Worte, ble er für Gioffeme gehalten, nicht in denfelben aufgenommen. Das wird wohl, aud) menn bie Ausfcheidung der Gíoffen nicht immer ganz begründet fein follte, um jo weniger Tadel verdienen, als aud) hier, wie beim vorausgehenvden uns pocalifirten Terte, auf ble angeblichen Gloſſen regelmäßig aufmerfjam gemadt wird. Uebrigens ift aud) diefe Regel nicht . ausnahmslos vurdjgefübrt. Die Worte 150202 ho Alan werden ©. 32. für ein Glofjem erflärt und im dortigen lateiniſchen Ueberfegungstert übergangen, dagegen in ben vocali(irten Tert find fie ©. 126. wie Achte Tertesworte ohne irgend welche Bemerfung aufgenommen. Ebenso find ©. 43. die Worte In amu] Ws als Gloſſe bezeichnet unb in ber Ueberſetzung weggelafjen,. ©. 152. aber wie bie vorigen gleich Achten Tertesworten behandelt. Anverers ſeits fehlen im vocalifirten Terte wiederholt unbezweifelt ächte Tertesworte, ble im unvocalifitten Terte vorkommen. Go find 2, Ὁ. ©. 126. hinter — a, Tas bie Worte 652 Beelen, fias i weggelaffen, an voeídje tod) Hr. 38. ©. 11. tit Bemerfung fnüpft: Denuo Clemens aperte hic docet bono- rum operum et meritum et necessitatem ad salutem aeternam obtinendam. Θ. 128. ift hinter aD das Wort Datos meggelaffen, ebenfo €. 135. hinter lh ao das Wort Tora. Die tem Serte hier beigefügten grammatiſchen und fpradjfiden Bemerkungen find für mandje Lefer ohne Zweifel eine febr erwünfchte Zugabe, fo wie audj die Urtheile über Wetftein’s und Zingerle’8 lleberfegungen zum Spell in- ſtructiv find, bod) hätte in Betreff verjelben wohl etwas haus; hälterifcher verfahren werben dürfen. Namentlich fcheint ung ber Tadel gegen Zingerle's im Ganzen treffliche lleberfegung zu häufig und bisweilen etwas Heinlich zu fein. Wenn in berfefben 3. 3. gleich die Anfangsworte: „Allen, denen ihr Leben in. Chriſtus ...... lieb und tfeuer ift," als zu frei getabelt werben, fo hätten wir biefen Tadel weggewünſcht, weil die Worte den Cinn bed Original, ohne zu ums fhreiben, ganz richtig auébrüden und eine budftáblide Webderfegung undentſch geweſen wäre. Wenn ferner bie Worte: „Gerechtigkeit und Glaube follen nie dir mangeln“ (1. 2.) ítatt: follen nicht dir mangeln, getabeft werden, fo iR diefe Heine Umgenauigfelt bod) zu unbedeutend, als daß fie 5efonberen Tadel verbiente. Auch die lleberfegung: „und deren Ehebetten unóeffedt blieben” (I. 4.) hätte Hr. Ὁ. niót als zu frei tadeln follen, denn fie ift genauer als feine eigene: quorum torus fuerit immaculatus, fofern fie au die Mehrzahl (una audbrüdt. Damit foll jedoch nift gefáugnet werben, daß mehrere Fehler in Zingerle's Ueberſetzung gut berichtigt werden, wobei abet Sti Clementis Rom. epistolae. 008 zu erinnern ift, daß Zingerle nur den fehlerhaften Sext. in der Galland'ſchen Ausgabe zur Hand hatte Was hier nod bie vorerwähnte Ausſcheidung von Gloſſemen betrifft, deren Zahl über zwanzig fteigt, fo fheint Hr. 3B. babel faft etwas zu weit gegangen zn fein. [πὸ wenigftens ſcheint es 3. 8. gar nicht unmöglich, tag Clemens felbft gefihrieben habe: „Es ift aud) fehön und nüglid, baf man die Waifen unb Mittwen befuche, vorzüglich bie armen, bie viele Kinder haben, zuerſt aber, bie Gíaubendgenofjen" (1. 12.) Die Worte: „zuerft aber bie Olaubensgenofjen ^, bie ein Gloffem fein follen, paffen ganz gut in den Zufammenhang unb fprechen die Ermahnung Gal. 6, 10. nur in einer fpecielleren Beziehung aus. Auch die Worte: „Gläubig und wahrhaft rechtſchaffen folt ihr fein in Allem im Herm“ (IE 6.) fcheinen ald Schlußermahnung des Gapitel& 4t den vorhers gehenden aus Philipp. 4, 1. entlehnten Worten ganz gut zu pajjen. Man könnte allerdings etwa εἰπε Verbindungs⸗ partifel vor benfefben erwarten, aber ſchlechthin nothwendig ift ſolche tod) nicht, und möglicherweife könnte fte auch durch Verſehen der Abſchreiber weggefallen ſein; wenn durch ſie fo viel Unaͤchtes in ben Text fam, fo konnte durch eben fie aud) Aechtes ausfallen. Die im zweiten Appendix mitgetheilten exegetiſchen Fragmente begleitet Hr. B. nur mit einer lateiniſchen Ueber⸗ ſetzung ohne ſonſtige Erläuterungen. Die Fragmente ent⸗ halten kurze Bemerkungen meiftens introductorifcher Art über bie Apoftelgefchichte unb die Fatholifhen und paulinifchen Briefe. Wir glauben nur erwähnen au follen, baf fie eine zweitmalige römifche Gefangenschaft des Apoftels Paulus behaupten und ihm dabei den Evangeliften Lucas zum Ges nofjen geben, aber deßungeachtet das Schweigen der Apoftels 664 Beelen, Sti Clementis Rom. epistolae. geichichte -über ble fpäteren Schickſale Pauli nad) der erften römischen Gefangenschaft aus Unbekanntſchaft mit denfelben erklären („an loo mal Us), baf fie ferner von Jacobus, dem Verfaſſer des erften Fatholifchen Briefes, behaupten, er fei nidt ein Apoftel, ſondern einer bet fiebenzig Jünger gewefen, daß fie ben zweiten Brief an Tim. in die zweite vóm. Gefangenſchaft verlegen, den Brief an Titus von Nicopoli8 aus batiren, den Brief am die Römer [ateinifd) unb ben an ble Hebräer hebräiſch gefchrieben fein laffen. Schließlich braucht faum nod) befonvers bemetft zu werden, daß Hr. 9. durch Beröffentlihung eines fehler freien Tertes der beiden Briefe und einer genauen Ueber fegung derfelben nebft weitergeförberter Nachweiſung ihrer Aechtheit nicht geringe Verdienſte um die Patriſtik fic erworben hat, während fein Buch nebenbei zugleich aud) als ein fhägenswerther Beitrag zur Förberung ber fyrifchen Cpradjfenntnig unb namentli der nod febr mangelhaften ſyriſchen Lericographie ſich anfehen läßt. Welte. n Verſchiedene Prebigtwerke. 665 3. 1. Sieben foffenprebigten über die (leben. Senpfchreiben bet Offenbarung Johannes. Behalten in der Liebfrauenfirche Ueberwaffer zu Münfter von Lic. fran; Sriedhoff, Re petitor der Theologie ꝛc. Mit Erlaubnig des Hochw. Biſchofs von Münfter. Regensburg, Berlag von ©. Sof. Manz. 1855. €. 144. Pr. 48 fr. 2. Saftenpredigten über die fed)o Sünden in ben bl. Geiſt. Gefalten in der Pfarrkirche zu Maria Schnee in Prag von P. €, A. Jäger, Branziscaner ε Ordens = Priefter. Regensburg, Verlag von ©. Sof. Manz. 1855. ©. 101. Pr. 36 fr. 3. Keine Sünde mehr! Sechs Faftenpredigten von 3of. fubl- rott, Pfarrer zu Kirchworbis. (Der Ertrag if zu einem guten Zwecke beflimmt.) Augsburg, 1855. Drud und Derlag der K. Kollmannfchen Buchhandlung. ©. 88. Pr. 27 Er. " 4. Palfionspredigten von Anton Weſtermaier, Prediger an ber St. Michaeld- Hofkirche in München. Neue Folge: dritter und vierter Gocfus. Schaffhaufen. Verlag ber ὅτ. Hurterfchen Buchhandlung 1855. ©. 214. Pr. 54 fr. 5. Geiflliher Sturmbock oder fapuginerprebigten für Stabt und Land zur Belehrung oder zum Davonlaufen. Von Anton Siebert, Kaplaneiverwefer in Hüfingen. — Regens⸗ burg. Verlag, Fr. SBuftet. 1855. ©. 286. Pr. 48 fr. 6. Die katholifche δεῦτε vom Ablaffe in fünfzehn Jubiläums- prebigten ausführlich und gemeinverfländlich dargelegt nebft der Subilduméprebigt auf das Vet ber unbefledten Em⸗ pfängnig Mariä von Anton Weflermaier, Previger an der €t, Michael » SHoflirhe in Münden. Schaffhaufen, 666 . Verſchiedene Predigtwerke. Verlag der ὅτ. Hurter'ſchen Buchhandlung 1855. €. 255. ‚Be 1 ἢ, 7. Predigten über bie Gebote Gottes unb bie Gebote der Kirche, fo wie über die firben Sacramente. Gerauégegeben von einem Prieftee der Didcefe Rottenburg. Mit Approba⸗ tion des hochw. Biſchofs von Otottenb. Mainz, Drud und Ver⸗ lag von Florian Kupferberg. 1855. ©.343. P. 1 fl. 48 fr. 8. Euchariftifche Predigten aus der Karholifchen Kanzelbereb- famkeit. Gefammelt und herausgegeben von A. Hungari. Mit bifchöflicher Approbation. Sranffurt am Main, S. D. Sauerländer'8 Verlag. 1855. ©. 738. Pr. 3 fl. 9. Aanzelvorträge über unfere fortwährenden Bebürfniffe bet Religion, Erlöfung und Gnade. (Für bie Advent und Baftenzelt). Von P. Georg Patiß, Priefter aud ber ©. 3. Insbrud 1855. Verlag von Seir Rauch. ©. 254: Yon demfelben: Predigten auf verfchledene Feſte. In brel | Bänden. Erſter Band. Zweite vermehrte Auflage. 1855. ©. 344. 10. Hachgelaffene Predigten von 3.8. Aäfer. Erfter Band. Ginfunbertt unb zweiundzmwanzig Wefttagt predigten. Erftes Heft. Landshut. 1855. Krüll'⸗ ſche Univertifäts-YBuchhannlung. S. 189. Pr. 54 fr. (1. Die frere von der Kirche in acht Gaftenpréblgten bar geſtellt von Anton Dannecker, katholiſcher Stabtpfarrer in Stuttgart. Tübingen 1855, Verlag ber H. Laupp'⸗ ſchen Buchhandlung. Laupp & Siebeck. ©. 124. Br. 86 fr. 12. Predigten auf alle Sonn- und Sefltage des firden- jahres von Anton Dannecker, Tatholifcher Stadtpfarrer in Stuttgart. Tübingen, 1856. Verlag der H. Laupp'- {ἀπὸ Buchhandlung. Laupp & Sichel. — Erſter Band. €. 468, Zweiter Band. ©. 508, Pr. 4 ft. Verſchiedene Predigtwerke. 667 Faſtenpredigten find in neuerer Zeit ein wahrer buch⸗ händlerifcher Mobeartifel geworben. Wir beginnen baher unfere Anzeige homitetifcher Werfe mit derartigen Er ſcheinungen. 1. Der Stoff, den fi Friedhoff für Faſten⸗ predigten wählte, ift etwas ungewöhnlich, abet darum nicht weniger intreſſant und für homiletiſche Behandlung nicht weniger geeignet, als ſo mancher andere, der für Faſten⸗ predigten gewaͤhlt wird. Bei dem homiletiſchen Verfahren über die ſteben Send⸗ ſchreiben des hl. Johannes in der Offenbarung ſtund dem Verfaſſer ein doppelter Weg offen. Er konnte ſtreng homi⸗ letiſch verfahren, d. h. er konnte den reichen Inhalt des Bibeltextes jener Sendſchreiben Schritt für Schritt heraus⸗ entwickeln und auslegen und dabei denſelben in eine lebendige Beziehung ſetzen zu Verhaͤltniſſen und Lebens⸗ erſcheinungen ber Gegenwart und der Zuhörer, und daraus für bie legtern zutreffende 9iuganmenbungen ziehen; ober er fonnte, um Stoff für fieben Predigten zu gewinnen, je ans einem Sendſchreiben einen Hauptgedanfen, eine Wahr: heit oder Lehre ober Vorſchrift herausgreifen, und dieſes zum Gegenftanbe einer fonthetiichen Prepigt machen. Der Verfaſſer Dat den legtern und leichtern Weg eingefchlagen. , (ὁ fucht jetod) zwifchen tiefen. Hauptgedanfen, welche vie Einzelthemate feiner Predigten bilden, einen Zufammenhang herzuftellen. „In dem erften Sendfchreiben, jagt er, werden wir ermahnt, zu ber urjprüngfiden Liebe zurüdzufehren. Diefe fóunen wir aber nur durch den Hinblid auf das Leben Chrifti, wie e& und von ber Kirche vorgehalten wird, in unfrem Berufe üben. Alſo enthält gerade viefes erfte Sendſchreiben die Grunbgebanfen aller chriſtlichen Wahr 668 Verſchiedene Prebigtmerke. heit, und barum mußte es voranftehen; denn εὖ bildet bie Grundlage für tie übrigen fed Senpfchreiben. In dem zweiten Sendſchreiben wird uns bad herrlidhe Ziel vorges ftellt, welches wir dur die Rückkehr zur erften Liebe auf dem-Wege ber Buße erreichen follen, die Krone des ewigen Lebens nämlih. In bem dritten Senpfchreiben werden wir gewarnt vor ber Lauigfeit oder Ilnentfchievenheit in ber Wirfung unfered ewigen Heiled. Das vierte Send⸗ Schreiben belehrt ung über die Verbienftlichkeit unferer guten Werfe. Das fünfte Sendfchreiben warnt und vor bet Unwiffenheit über den Zuftand unfered Gewiſſens oder vor bem Mangel an Selbſtkenntniß. Das fedjfte Sendſchreiben ermuntert uns zur Beharrlichfeit bid απὸ Ende. Das fiebente Sendſchreiben endlich belehrt uns über ben Suftant ber falfhen Sicherheit oder der Celbftverblenbung. Das fiebente Senbverfchreiben fteht am Ende, weil berjenige, der in falfher Sicherheit flirbt, auf ewig verloren geht. Co zeigt und das erfte Senpfchreiben ten Weg, das zweite das Ziel, ble übrigen aber ermuthigen und theild auf bem Wege, theild warnen fie vor Abwegen; unb affe fieben Sendfchreiben zufammen fordern uns mit taufenb und aber ‚ taufend Stimmen auf, unfer ewiged Heil mit allem Ernfte zu wirken.” ©. 23 fg. Diefe Stimmen, tünft und, hätte Friedhoff aus ben Sendfchreiben herans vernehmen fafjen folfen, er hätte (te aus dem Tertinhalte ber Senpfchreiben entwideln unb ihnen Worm und Audbrud geben follen, wenn feine Vorträge mit 9tedt ben Titel führen „Predigten über ble fleben Sendſchreiben.“ Derfelbe gibt aber in der Regel nur ein- leitend eine furge Paraphraje über ben Gert eines Send» ſchreibens und fucht bann einen Uebergang zu bem Hanpts Verſchiedene Predig twerke. 669 gedanken oder Thema, unb verläßt für bem weitern Bers lauf ber Predigt bem Text fo gut als ganz, ähnlich wie wenn man aus einer Sonntagspericope ein Thema ableitet und ſofort derſelben den Abſchied gibt. 2. B. wird über das fünfte Sendſchreiben apoc. 3, 1—6 eine kurze Erläuterung und theilweiſe Nutzanwendung ges macht. „In dieſem ganzen Sendſchreiben ift von ber Nach— läßigfeit jenes Biſchofes in ber Sorge für bie ibm anver⸗ traute Heerde die Rede. Woher kommt aber dieſer Mangel an Wachſamkeit? Aus der Unwiſſenheit über den Zuſtand unſeres Gewiſſens oder aus bem Mangel an Selbf- kenntniß. Vor dieſem Mangel an Selbſtkenntniß warnt uns dieſes fünfte Sendſchreiben auf die nachdrücklichſte Weiſe.... Darum wollen wir als Nutzanwendung aus dem heutigen Sendſchreiben die Erkenntniß unſerer Selbſt nehmen“ S. 86. Hierauf folgt die Predigtabhandlung über die Erforderniſſe der Selbſterkenntniß ohne weitere Bezugnahme auf das vorausgeſtellte Sendſchrei⸗ ben. Ref. glaubt bei Beurtheilung vorliegender Predigten zwei Punkte wohl auseinanderhalten zu muͤſſen. Betrachter et fie als tbematijdje Predigten, jo nimmt er feinen Ans . ftand, ein günftiges Urtheil über fie zu fällen. Die Previgt 3. Ὁ. über die Freuden des Himmeld S. 25—41, über bie Cauigfeit ©. 49— 60 find recht fdjóne wohlgeorbnete Vorträge. Betrachtet Ref. fie aber ald das, für was fie fij andgeben, als Predigten über bie fieben Cenb[dyreiben in der Offenbarung, [9 muß er jagen: das find fie nicht. — Der Zufammenhang unferer Predigten mit jenen Send⸗ reiben it nicht ein innerlidher, notfmenbiger und burdh- gängiger, fondern nur ein zufälliger unb äußerlicher, ein 670 Verſchiedene Predigtwerle gemachter. Es würde Feine Mühe koſten, ſämmtliche Predigten mit einem andern Bibelterte in Verbindung zu ſeßen, ben. man paraphraſiren und ſtatt tec Paraphraſen über die Sendſchreiben an tie Spitze ſtellen würbe. Darin fat der Verfafſer volllommen Recht, wenn er fagt, daß ein großer Schaß von Wahrheiten in jenen Send⸗ ſchreiben verborgen liegt, aber derſelbe muß homiletiſch anders erhoben werden, als von ihm geſchehen iſt. Ref. kann nicht umhin, auf εἶπε homiletiſche Bearbeitung ter johanneiſchen Sendſchreiben hinzuweiſen, die ihre Auf⸗ gabe viel richtiger aufgefaßt unb durchgeführt hat; es find die Predigten Oofterzen’s !) über den gleichen Stoff, tie nicht auf fatfolifdem Boden entfprungen und barum ihrem In, halte nach nicht acceptabel dennoch geeignet find, einen Zingerzeig zu geben, wie man bei ber homiletiſchen Behand⸗ Iungsweife von Bibelterten verfahren Fönne, wenn biefe nit bloß ein Borhängmantel fonbern die wirklide Grund⸗ lage zu weitem Ausführungen bilden follen. 2. So ziemlidy wie mit ben ebenbefprochenen Predigten verhält εὖ fid mit denen des P. Jäger. .Gr hat einen Stoff gewählt, der richtig behandelt auf eigentbümlide duch den Charakter der einzelnen Sünden wider den hi. Geiſt fpecifi[d) beftimmte Predigten geführt hätte. Aber burdj bie Behandlungsweiſe des Verfaſſers ift der Stoff unter der Hand zu einem ziemlih gewöhnlichen geworben. Der Charakter der Sünden in den bi. Geift überhaupt und ber Einzelnen berjelben, bet fie al& Sünden in den hl. 1) Chriſtus unter ben Leuchtern, Previgten über ble Briefe an die fieben Gemeinden in Kleinafien. Bon I. 3. Ooftergen, Doctor der Theol. x. Aus dem Hollaͤndiſchen von F. €. Petri, Doctor der Theologie 1€. — Ütotterbam, Dtto Petri 1854. Leipzig bei W. Engelmann. ! Verſchiedene Predigtwerke. 671 Geiſt kennzeichnet, iſt nirgends ſcharf und Far hervorgehoben. Bei der zweiten Suͤnde, „an Gottes Gnade verzweifeln“, beſpricht der Verfaſſer die Urſachen und die Folgen dieſer Sünde, und bezeichnet als Urſache: den öftern Rückfall in bie €ünbe, Aufſchub ber Beſſerung unb Buße, Ver⸗ bártung im Böfen, dad Betragen ber Welt, unb ald folgen: bie Unthätigfeit und den Lebensüberbruß, besiehungsweife Selbſtmord. Auf diefe Weife fcheint bod) vie Sünde als eine ihrem Weſen nad wider ben DL Geift uud feine Wirkſamkeit gerichtete Sünde etwas zu äußerlich befanbelt. Bei der dritten diefer Sünden, „ver erfannten chriſtlichen Wahrheit wiederftreben” , ſpricht er nur in gewöhnlicher Weiſe von der Freigeifterei und zwar führt er „einen Frei⸗ geift vor im Leben und im Sterben.” Bei ver vierten Sünde „dem Naͤchſten bie göttlihe Gnade mißgönnen unb ihn darum beneiben^ verfährt er nicht anders, als er vers fahren müßte, wenn er den Neid ald Hauptfünde homis [εἰ behandeln wollte. Kurz die Sünden in ben Hl. Geiſt find nicht anders behandelt, als vole wenn fie Sünden ber gewöhnlichen Art wären. In einer fiebten Predigt, „Jeſus der Arzt und Lehrmeifter ver Seelen”, ifl ven ver urjadten Herzenswunden eine Salbe bereitet, die ficherlich entbehrlich gewejen wäre, menn bei jeber einzelnen Sünde, wie es hätte gefchehen follen, angegeben worben wäre, wie fid) eine chriftliche Seele vor derſelben bebüten fónne und folle. Wir geben gerne zu, daß bie fedó Cünben in bem. bl. Geift ein fee fchwieriger homiletiſcher Stoff find, unb bemerken audbrüdiid), daß bie gerügten Mängel ben Predigs ten nur in Beziehung auf den gewählten Stoff zur af fallen. Sieht man hievon ab, jo rühmt Nef. gerne an ihnen. eine frifche lebendige Darftelung, ein gewandtes 672 Verſchiedene Predigtwerke. Eindringen in vie gewöhnlichen Lebensverhältniffe, eine recht fleißige und forgfältige Ausarbeitung, fo taf fid) viefe Predigten in technifcher und formeller Beziehung vortheils haft auszeichnen. Bon demfelden Berfaffer erfchienen noch andere res ligiöfe Vorträge, deren Ref. hier kurz erwähnen will, näm- li: „ver Marienmonat, ein Eyelus von ein unbbreifig Kanzelvorträgenaufalle Tage des Monats Mai über die Gebeimniffe des hl. Rofenfranzes von P. Elem. Ságer. Bei Manz in Regensburg 1855. Es ift Fein unglüdlicher Gebanfe, ben ber Verfaſſer bier verfolgt, bie Geheimniffe des Roſen⸗ franzed zum Gegenftanbe von Borträgen bei Maria » Ans dachten zu machen. Rah einer Einleitungsreve über ven Rofenfranz überhaupt find jebem Geheimniffe zwei Bors träge gewidmet. Diefelben enthalten fruchtbare Gebanfen und dürften für Vorträge bei Maiandachten Manchem gute Dienfte thun. 3. Der Verfaffer hat für feine Faftenprebigten einen ernften Stoff gewählt, unb ble burd) alle Predigten fid hindurchziehende Tendenz ift darauf gerichtet, einen rechten Abſcheu vor der Sünde zu erweden, und feine Zuhörer fo zu ftimmen, daß fie mit Wiffen und Willen feine Sob ſünde mehr begehen, daher aud) die lleber[dyrift bet Predigten. Die Themate, die er zu diefem Zwede aufge: nommen, find 1. die Todſünde ift bie größte Bosheit gegen Gott überhaupt, gegen Jeſum Ehriftum insbefonvere. 2. Die Bosheit der Sünde erhellt, menn man ben Werth der Seele, gegen die man frevelt, und ben Verluſt betradytet, ben man ihr in der Sünde zufügt. 3. Die Sünde bereitet dem Menfchen ein unglüdfeliges Berfchtevene Prebigtwerke. 618 Leben unb einen unglüdfeligen Tob. 4. Das Geridt in ber Ewigkeit ift furchtbar wegen ber Sünde felbft unb wegen ber Umſtaͤnde, bie fie begleiten. 5. Gibt es eine Hölle unb welde Qualen wird der Sünder in ber Hölle Haben? 6. Der Sünder foll erwägen, daß er wegen feiner Sünden ven Himmel verliert, unb wie groß biefer Verluſt fei. . €o ernft bie Themate an fidj find, fo ernft ift aud bie Durchführung derſelben. Mit Fräftigen Gebanfen unb mit flarfen lebhaften Ausdrücken geht der Berfafier darauf los, bie Gemüther im tiefiten Grunde zu et [düttern. Für etwas zarte und verwöhnte Gemüther möchten feine Ausführungen bie und da zu plaftifch unb zu ſchneidend fein. Selbft bem Ref., - ver nicht zu jenen gehört, famen Stellen wie folgende etwas zu flarf vor: „Schaue hinein, o verftodter Sünder, und fiche dieſen ent- feglihen hölliſchen Abgrund; Feuer ber Boden, euer die Dede, euet bie Wände, Feuer überall; blide, wohin bu willſt, Weuer; fuche ben Ausgang, feiner ift zu finden, nur euer; fuche ein wenig nur Linderung, feine ift zu ‚hoffen, nur Feuer; firede aus deine Hände und rufe und feufse: adj Vater Abraham, erbarme dich meiner! fein Er⸗ barmen, nur Feuer!“ Im Uebrigen muß Ref. geftehen, daß jolde ind Granenhafte gehende Ausmalungen nidt häufig find, fondern größtentheild ein ſchöner oratorifcher Schwung mit tiefem Emfte in den Predigten herrſcht. Diefer ernfte Ton paßt ganz für bie gewählte Materie unb für bie Dl. Zeit, in.der fie gehalten wurben. Diefelben ‚verfehlten fiherlich ihren Ginbrud nicht, und find auch ale Lectüre für Prediger und Laien zu empfehlen. 4. Die unter Nor. 4. oben angeführten Paffions- Theol. Quartalſchrift. 1856. IV. Seit. — 874 Berfchiebene Prebigtwerke. predigten wurden von Weſtermaier für die Faſtenzeit be⸗ arbeitet. Derſelbe hat ſchon im Jahr 1854 zwei Cyclen derſelben herausgegeben. Die erſten beiden hatten die An⸗ ſchlaͤge der Hohenprieſter, den Verrath des Judas und ben Gang Jeſu nach dem Oelberge zum Gegenſtande. Die vorliegenden zwei weitern Cyclen, die wie die erſten aus je 7 Predigten beſtehen, betrachten Chriſtum vor Annas und Kaiphas. Wenn W. über dieſe kurze Epiſode in der Leidensgeſchichte des Herrn vierzehn Betrachtungen anſtellt, ſo laͤßt ſich zum Voraus annehmen, daß er an den ein⸗ zelnen Vorkommenheiten ſehr mannigfaltige Seiten und Beziehungen hervorkehren will. Eine derartige Dentung des Leidens Jeſu, mit Gli ausgeführt, muß bei ben Zuhörern ein lebhaftes Interefie erweden. Je geläufiger bem Bolfe bie gewöhnlidhe und allgemeine 9Inffafjung ver wichtigen Punfte in ber Leidensgeſchichte Jeſu tft, deſto mehr fühlt es fid) angezogen, wenn man εὖ ganz in dag Einzelne einführt, und ibm an ben allbefannten Vorgängen Seiten aufoedt, auf welche es bie eigene Betrachtung nod) nie geführt fat unb vielleidt ἀπῷ nie führen würbe. — Diefes Ziel fudjt W. in feinen Paffionsprebigten zu erreichen, und ed bürfte ihm aud) zum großen Theile ge: gelungen fein. Die Borgänge, bie babel vorkommenden Aeußerungen, die Worte der referitenben Evangeliſten, Alles gibt ifm Beranlafjung, dahin und dorthin auditi; greifen, Beziehungen für die verſchiedenen Lebensverhaͤlt⸗ niffe, Seelenzuftände, für kirchliches und fociales Leben aufs zuſuchen. Mit befonderer Vorliebe deutet er die Begegniffe Chriſti als Vorbild des Schickſals ber Kirche, fo: „bie Kirche auf bem Oelberge,“ „die Kirche vor Annas“, „die Kirche vor Kaiphas.“ Man möchte faſt wüns Berſchiedene Predigtwerke. 015 ſchen, er hätte bei ben Leidensvorgängen etwas mehr Rüdfiht auf das innere religiöfe und fittlihe Leben ver einzelnen Gläubigen genommen. Weſtermaier ift aud fonft ſchon lang als Prediger befannt, ber mit Fräfs tigem Geifte und einfchneidender Sprache das Wort Gottes vor bem Volke verkündet. Auch Hier ftot man jedoch wie in andern Predigten WS nicht felten auf Auss brüde, ble befier gewählt fein fónnten. Inzwiſchen find von biefen Paffionsprebigten weitere vier Cyclen erfchienen. 5. 9tadj bem Titel fónnte man vermutben, man habe bier Prebigten mit Dumorifi[der Würze vor fid. — Ginige Ausdrücke abgerechnet 3. B. „daß mandje Leute das Ber fehenwerven in einer Krankheit für eine Brandverfiherung gegen das hölliihe Yeuer anfehen” ober „daß ble Neue nichts bedeute, wenn einer faum aus bem Beichtſtuhle gegangen wieder ber alte Hans fel," findet man wenig Humor in tiefen Predigten, jonbern bie ernfteften Wahrheiten aud) in einer fchroffen erben Form vortragen. Der Verfaſſer geht nämlich von ber Anfiht aus, daß die Menjchen auf dem Wege des Unglaubend, ber Bosheit und ber 9iud (oftgfeit bereitö fo weit gefommen feien, daß man durch gewöhnliche einfache und rüdfichtsvolle Belehrungen unb Previgtvorträge wenig ober nichts ausrichten wird (Einl. ©. V.)" Diefes hätte man fo ziemlich allgemein einge; fehen und befbalb zu ben Mifftonen als „geiftlihen Sturm⸗ böden” feine Sufludt genommen. Da nun aber nit in jever Gemeinde Miffionen gehalten werben fónnen, fo follen die gewöhnlichen Seelforgsgeiftlichen nad) dem Mufter, das er ihnen biete, Sturmböde gegen ihre Gemeinde lod; laffen, „um in móglidjft kurzer Zeit durch (olde Vorträge 44 d 676 Beridieene SBeebighwestz. Buhörern ferveqabringen.* EU Eoviel Ref. aus der Belagerungöfunde weiß, vienen die Etarmböde nur zur Zerſtörung und Zertrümmerung, er möchte taber die Miffionen nicht unter biefem Geſfichts⸗ punkte aufgefaßt wifen, ibm gefällt vie andere ai6 „Beifted- erneuerung” einer Gemeinde bejjet; denn bie Mifftonen find nicht ad destructionem fondern ad aedi&calionem der ©länbigen, fie verwunden nicht bloß, fie heilen aud. So⸗ bann mag wohl billig bezweifelt werben, ob in einer Pfarr gemeinde dur Predigten, wie fie der Berfaffer barbietet, ein Grjag für Miffionen gegeben fei. Wir find gonlob über vie Zeiten hinaus, wo man bic firengen Wahrheiten überzudern zu müfjen glaubte, damit fie von ten Zuhörern aufgenommen würden, unb wo man bie emften Cittenvor, fdriften mit biumiger Dede ummanb, um ihre Herbe δε mildern. Und εὖ bat ει ὦ fein Buntes, wenn ein Prediger ben. ganzen Grng einer Wahrheit und die ganze Strenge einer Borfchrift hervorzuichten weiß, um eine heilſame Erfchütterung ver Oemütber hervorzubringen. Aber davor wird fid ein befonnener Prediger hüten, eine ganze Reihe von Predigten zu halten, in denen er gleidjfam Sturm läuft gegen feine Gemeinde, als wenn fit von einem Heere Satans 6efegt wäre. Dan darf fi) über unfere füttlich- religiöfen Zuftände nicht sänfchen, aber der Prediger darf auch nicht zu Schwarz fehen. Ref. fann nicht mit bem Ber fafjer glauben, daß berartige Predigten „vie Guten beftárfen, bit Lauen anfrütteln und bie Sünder erfchüttern over, was auch gut fei, dahin bringen, daß fie gegen die fie treffenden göttlichen Wahrheiten wüthen, und wohl gar unter Läfterung und ^ Zähnelnirfcgen während des Vortrags das Hans Gotteó Verſchiedene Predigtwerke. 677 verlaſſen, auf daß das Maaß ihrer Bosheit voll und ſie um fo ſchneller reif werden fuͤr's Gericht.” Der Prediger wird einen bei weitem - größern Theil feiner Zuhörer abs ftoßen als gewinnen. Dean fage nit, die Mifftonäre predigen eben fo ftreng, als εὖ in unjern Kapuzinerpredigten oder Sturmbodspredigten ber. Ball if. Einmal würden die Miffionäre ber Sefuiten, fo weit die Erfahrung bed Ref. reicht, manche der Ausführungen im geiftlihen Stutm- bod gewiß nicht zu der ihrigen machen, fobann bewirft bie Abhaltung einer folennen Miffion eine ganz andere Stims mung, unb ferner ift wohl zu bemerfen, bag in ben Pres digten der Miffionäre ein febr wohl berechnetes Syftem herrſcht, vermöge befjen auf eine Prebigt, welche Ers Thütterung der Gemütber bewirken mußte, eine andere Predigt folgt, die diefe Erfchütterung benügt, um bet heis lenden Gnade einen Eingang zu verfchaffen. Unfer Ber faſſer will aber mit feinem Sturmbod zwölf Stöße aus führen, auf ble entweber Alles in Trümmer fallen, over ein Theil fidj auf Gnade und lingnabe ergeben muß. Diefe allgemeinen Bemerkungen glaubte Ref. voraus fdiden zu follen, ehe er furz auf die Previgten felbft ein- ginge. Die Materie der Sturmböde ift feft. und flarf, wie aus folgender Inhaltsanzeige ber Predigten erhellt: 1. von ber Hölle, 2. von der ffeinen Zahl der Auserwählten, , 9. vom Weltgerichte, 4. vom Auffchube ber Belehrung, 5. vom Tode, 6. von ber Beicht, 7. und 8. von ber Gewiſſens⸗ erforfhung, 9. von ber Reue unb *Borfag, 10. von ber Beichaffenheit ber Beicht, 11. von ber Unſchuld. 12. von ber Unzucht. Die Ausrüftung und das Beſchläg an biefen Sturmböden ift ziemlich grob gearbeitet, nm fie recht ein- fdneibenp unb [darf zu machen. Der Berfafjer gibt ben. 678 Verſchiedene Prebigtwerke. an fij ernſten Wahrheiten eine orm, welde an bie Grenzen bed Herben und Bittern ſtark anftreift; er liebt Ausmalungen, deren Karben zu grell. find, 4. 388. ©. 13 fg. „Sieh! wenn's an's Sterben fómmt, wird bie Stime feudt, die Füße werben Falt, die Bruft röchelt ſchwer und gierig nad) Lebensluft ; aber e8 geht immer langfamer, immer fchwerer. Der Kopf hängt wie ein gefnidtes Rohr auf die Bruft herab, die Augen werden bohl und abge, ftanben, die Nafe wird fpig und freibemeif, der Mund ftebt offen und verzerrt fij, tle Lippen werben blau und fahl, wie wenn die Seele herausfahren wollte und Play brauchte. Hat nun deine Eeele bem Leibe den Abfchied gegeben, jo wird ber ganze Körper ſtarr und eine eisfalte Maſſe. Sft er 24 Stunden im Zimmer, fo muß man [don die Fenſter öffnen. Die Medizin, ſchwarzes Blut und anderer Saft rinnen vom Sobten, er felbft wird blau und ſchwarz und ſchwillt fürchterlich auf, bag er oftmald ben Sarg zerfprengt, fo daß man bei Maunchen den Sarg mit Striden binden mußte. Jetzt eilt man natürlich ben Leich⸗ nam fortzufchaffen, um nicht angeftedt zu werben, denn bie Luft wird verpeftet; man trägt ihn hinaus auf den Gottes⸗ ader..... Liegt der Leib eine Zeit lang im Grabe, fo wird er bald darauf gelb, dann ſchwarz; dann wird er ganz bebedt mit weißem Schimmel — ver Geruch der Vers wefung, ber aus dem Leibe aufflelgt, iſt fo giftig unb yeftvoll, daß er Menſchen töbten fann; am Leibe fommen bleihe Würmer und anderes fchredliche Ungeziefer zum Vorſcheine; fie Friehen zum Munde hinein und frefien alles Gingemeibes ber Leib fpringt auf; die Rippen lófen fib vom Fleiſche; von außen unb innen wird ver Leib ganz aufgefreffen u. jf. vm." Eine derartige Schilverung Verſchiedene Predigtwerke. 679 muß vielmehr Granfen und. Entjegen als eine heilfame religiöſe Erfchätterung bewirken. Wenn [obann der Bers faffer in feiner zweiten Predigt zu beweifen fucht, daß „die meiften Menſchen verdammt und die wenigften felig werben,” (o if eine ungeredhtfertigte Härte in bie Worte Chrifti Matth. 22, 14 hineingetragen. Eine foldje Uebertseibung wirft gewiß bei den Guten im beften Falle nur beängftigenn, bei ben weniger Guten aber erfchlaffenn unb fördert fataliftiiches Sichgehenlaffen. Zum Schluſſe hält ber Verfaſſer noch eine Philippica gegen bie lingudjt, die gerabe fein Mufter von Zartheit in Behandlung biefer heiflen Materie ift. Darum wunderte πώ Ref. bag fid) ber Prediger am Ende nod) an bie Kinder wendet, bie befjer nicht in einer. ſolchen Predigt gewefen ober wenigftend duch, feine Apoftrophe unmittelbar in ben Bereich der Predigt Hineingezogen worden wären. Bei alle bem wird bem Verf. gerne ein nicht under beutenbeó SBrebigertalent zuerfannt. Es ftehen ihm viele Gedanken zu Gebote, er hat eine lebhafte concrete Dars fteliung, große Gewandtheit in der Individualiſtrung unb Beſchreibung, fo daß die Predigten mande tedt ſchöne ergreifende Stelle enthalten. Aber vor lebertreibungen, geídeben fie zu Gunften ber Rhetorif oder in Folge einer zu galligen 2ebendanjdjauung, hat er fid) zu hüten. 6. Die Lehre vom Ablaſſe wird von Feinden viel: fältig angegriffen und von Freunden arg mißverftanden, fo . taf ed nur erwünfdht fein fann, tiefe für das practiiche Ehriftenthum fo wichtige Lehre nach allen nur immer faß- baren Seiten bin homiletiſch durchgearbeitet zu treffen. Diefes hat Weftermaier in vorliegenden Previgten in einer Weiſe getban, baf billige SBeurtbeifer ganz zufrieden fein 680 Verſchiedene Predigtwerke. koͤnnen. Er fat bie im Stoffe liegenden vielen Schwierig⸗ keiten nicht unberührt gelaſſen unb fie mit Glück übers wunden. Keiner der wichtigeren Fragen, welche in Bes ziehung auf die Lehre und den Gebrauch des Ablaſſes auf⸗ geworfen zu werden pflegen, iſt aus dem Wege gegangen. Er zeichnet den Weg für die Behandlung ſeines Stoffes ſelber in folgender Weiſe: „ich werde erklaͤren, was der Ablaß iſt, und was er nicht iſt; dann wird vor Allem dargethan werden müſſen, bafi ſelbſt nach vergebener Günbe, alſo nach wuͤrdigem Empfange des hl. Bußſacraments häufig nod) eine zeitliche Strafe übrig bleibe, bie wir abzubüßen haben ; dieß gefchieht entmeber durch unfere eigene Genug⸗ thuungen ober durch die Zumentung fremder Genugtbuungen in den Abläffen. Ich werde nun zuerfi, abfebenb von bem legtern, bartbun bie Nothwendigkeit unferer Genug- tbuungen und dabei bie beiven irrigen Meinungen wider legen, als [εἰ unfere Genugthuung ein Schimpf auf bie Genugthuung Chrifti, ober al$ wollten wir damit Enden» vergebung und Rechtfertigung ober bie Gnade ber Erlöfung verdienen. Dann wird bie Frage zur Erörterung kommen, auf wie vielerlei Art und Weile wir genugtbun Fönnen und follen. Dann tritt ein Wendepunkt ein. An bie Stelle unferer Genugthuungen fanm nämlid vie Kirche die übers Ihüffigen Oenugthunngen Sefu Ehrifti und der Heiligen treten laffen, indem fie Abläffe ertheilt. Dieß führt zur Lehre vom Schage: der Kirche und feiner Zuwendbarkeit burd) den Ablaß. Hieran fchließt fid) die Frage, ob denn ble Kirche ein Recht habe, über diefen Schatz zu verfügen und unter welhen Beringungen. Hieran reiht fid) bie hochwichtige rage, welche zeitliche Strafen durch ben Ablaß erlafjen werben und ob ein folder Nachlaß aud) vor Goit Verſchiedene Predigtwerke. 681 gelte und nicht bloß vor der Kirche. Dann kommt die Erörterung an die Geſchichte ter Ablaͤſſe mit einem Blicke auf ven Mißbrauch, bie ver[d)iebenen Gattungen derſelben, und endlich wird ber Nugen nnb bie Bebingungen, unter denen er Ruben bringt, und feine practiiche und foclale Bedeutung unfere Aufmerffamfeit nod) in Anfpruch nehmen.” Die meiften dieſer ragen find febr einläßlih unb gründlich unb mit der von beni Verf. aud) anderwaͤrts viels fad) bewährten Anſchaulichkeit und Popularität behandelt. 2, Ὁ. die wichtigen Punkte über die flellvertretende Genugs thuung ©. 96 fg., über bie Giltigfeit der Abläffe vor Gott €. 125 fg., daß bie Abläffe ben Bußfinn nicht erftiden ©. 203 fg. u. 9L, find mit einer rühmenswerthen Schärfe, Genauigkeit und Gemeinverftändlickeit dargeftellt. Geiſtliche und Laien werben biefe Predigten nicht ohne 9tugen fefem, und erftere dieſelben vorfommenben Falls fiher mit Vortheil verwenden fónnen. 4. Se mehr man die Erfahrung macht, daß nit nur bei Einzelnen, fonbern bei einem großen Theile der Gemeinde ein gefährliher Abmangel pofitiver Religiondfenniniffe vots handen fel, beflo mehr muß fid) ber Seelforger gebrungen fühlen, vemfelben abzuhelfen. Der nächfte und einfarhfte Weg wären freilich die Chriftenlehren. Allein diefe werben in ben meiften Gemeinden bloß von ben Bflichtigen befucht. Daher hat man weiter nur ble Kanzel, um in fyftematifch geordneten Borträgen den ſchwachen Religionsfenntnifien nadjubelfen. Es liegt in ber Natur ver Sache, daß ſolche Vorträge mehr den Charakter von höhern Katechefen als von einer eigentlichen Predigt oder Homilie an ftd) tragen. Diefes trifft aud) bei ben und vorliegenden Vorträgen zu, welde bie wichtigen Lehren über ble Gebote Gottes, bie 082 Verfchtedene Predigiwerke. Gebote der Kirche unb ble Gacramente behandeln. Diele Punkte find vor allen andern geeignet, an den Orten, wo bie pofttiven Grundlagen tet Religion entſchwunden find, biefelben wieder zu legen unb zu feftigen. Diefen Zweck Batte ter Verf. fihtlih im Ange, und dabei hat er einen Weg eingefchlagen, ber zum Ziele führen fann. Ohne Weitfchmweifigfeit find bei ten einzelnen Geboten und GCacramenten die wichtigften Punkte herausgehoben, und bie Materie einfach pofitiv erörtert. Nur felten Bat er fid auf vie Eafuiftif eingelaffen, was in berartigen Vorträgen aud) nur verwirren könnte. Hauptfählih handelt e8 fid) in diefen Vorträgen um Erzielung tieferer unb ficherer religiöfer Grfenntnifje, indeſſen wendet [ὦ ber Berf., um ber Ausführung mehr rebnerifhen Schwung zu geben und den ganzen Menſchen anzusprechen, nicht felten an Gemüth und Willen. Und dieſes mit Recht, denn ber Prediger muß eó immer als feine Aufgabe betrachten, das Gemüth im Einklang mit bet religiöfen Erkenntniß zu ftimmen unb dem Willen eine ent[predjenbe Richtung zu geben. ' ie tnb ba vermißt man Fare und populäre Definitionen, wie 3. 8. €. 13. 17 und 18, wo die Begriffe von Fluchen unb Schwören, ble von ben gewöhnlichen Leuten fo gerne vers wechjelt werben, nirgends feft beftimmt und gegen einander abgegrenzt werben. Deſn Eeelſorgern, melde Grund haben, amfer ben Ehriftenlehren den Altern Gliedern ber Gemeinde πο ſyſte⸗ matifchen Unterricht in ber Religion von ber Kanzel aus zu geben, können ble in Rede ftebenben Prepigten als Leits faben in materieller und methopifcher Beziehung empfohlen werden. Als gewöhnliche Predigtweiſe möchte übrigens Ref. biejenige nicht bezeichnen, nad welcher man beftimmte Materien Derfchtebene Predigtwerke. 683 in foflematifdjer Abfolge abhandelt und das untertidjtenbe Element vorherrfchen läßt. Als Ausnahmsverfahren faun ed aber febr heilfam, mitunter fogar nothwendig fein. 8. Der unermüdlide Sammlerfleiß des Hungari hat wiederum ein ziemlich umfangreiches Werk zu Tage geförvert, nämlich eine Sammlung von Previgten über ble hl. Euchariftie. Diefelbe zerfällt in drei Abtheilungen, Prebig- ten über die Euchariftie al8 Sacrament, als Opfer unb als Gommunion. In die erfte Abtheilung find 23, in bie zweite 18, in ble britte 24 Predigten eingereiht. Bei ber Auswahl befolgte ὦ. andere Girunb[áge als bei feinen „Muſterpredigten“; er ging hier bei ven vaterländifchen Predigern in ber Zeit weiter zurüd, unb griff aud) über das Vaterland hinaus zu auslänpifchen Predigern. Bei einem Gegenftanbe vole ble Euchariftie, der Ihon fo viele Previger erwärmt und begeiftert hat, mußten ihm reihe Quellen zu Gebote ſtehen. Er hat viefelben fleißig benügt und aus dem großen Schage von Predigten über bie Gudjariítie eine ſchöne Sammlung veranftaltet. Unter den deutſchen Previgern, die hier vertreten find, nenne id: 9tammofer, Colmar, Tſchupik, Riffel, Sieg, Veith, Greith, Halver, Förfter, Liebermann, Seanjean, Meftermaier; unter den Ausländern: Segneri, Deani, fBorboni, Bentura, Maccarthy, Boffuet, Bourbaloue, Les jeune, Maffilon, Boulogne, Berrin, Griffe. Auf eine Kritif im Einzelnen kann nicht wohl eingegangen werben, und es dürfte genügen, jene Namen angeführt zu haben, um zu zeigen, baf vorliegende Sammlung von Hungari [εὖτ ſchaͤtzbare und theilweife ausgezeichnete Beiträge ent» halte. 9. In αι β findet man fo ziemlich vie Eigenſchaften 684 Verſchiedene Predigtwerke. vereinigt, welche zu einem beliebten Volkoredner qualifiziren, sümlíid eine marfige Fernige Sprache, eine lebhafte Dar; ſtellung, ſcharfe Zeichnungen, rafdje, oft Fühne Kormen des Schließens im Bewelsführen, eine große funft im Ins dividualiſiren. | An bem Erften ber oben angeführten Bände werben Themate behandelt, welche größtentheild zu ben fchwierigs fien für bie Predigt gehören, 3. 3B. über ben theoretifchen and practifchen Indifferentiomus, über das fortwährende Berürfnig. ver Erlöfung ans ver fnedtídaft Satans, ber Welt, des Herzens unb bes Geiftes, über ble unermeßliche Liebe des göttlichen Erlöfers in feiner Geburt u. f. Ὁ. Eine Reihe von Previgten für die Faftenzeit handelt von ber göttliden Gnabe, unb zwar: von bem Urſprung, Weſen und Wirffamfeit des Gnadenlebens; von ber Nothwendigfeit, der Allgemeinheit ver Quellen ver Gnade, von deren 9tiditgebraud) unb Mißbrauch u. f. f. Der Berf. Bat tiefe Themate nad) ihrer practifdjen Seite angefaft und viefad in fcharfen Zügen auf bie Gebrechen der Zeit hingewieſen. Als foldje aber betrachtet er Indifferentismus im religiöfen eben, welcher fid Gott entfrembet, geiftigen und materiellen Hochmuth, weldyer fein Hinderniß nad Erlöfung mehr fühlt, Genußſucht, welche Fein höheres Leben fennt, unb im. Erwerb, Befis und Gebrauch irdiſcher Dinge ihren Himmel auf Grben fudt, ein Geſellſchaftsleben, weldes nad blefen Grund⸗ Tagen eingerichtet (ft, nad) dieſem Beifpiele eine Jugend⸗ erziehung, welche bie Menfchheit in ihrer zarteften Wurzel vergiftet und aud) die Hoffnung auf fünftlge Früchte zer⸗ ftört. - Den gleiden Eharafter tragen auch. „bie Predigten Verſchiedene Predigtwerke. 365 $5.6 auf verſchiedene Gefte^, von denen uns in ber erneuten Auflage ein Band vorliegt. Es (ft darin baffelbe Streben wahrnehmbar, überall auf das Praktifche unmittels bar loszugehen, im raſchem Gange vie lleberjeugung ber Zuhörer zu gewinnen unb auf ben Grund bavon ihre religiös » fittlichen Zuftände zu durchdringen unb zu prüfen. Einzelne Bartieen und Zeichnungen find in infit auf Erhabenheit ver Gebanfen unb Kraft ber Darftellung ſowie aud i Hinfiht auf feine 9iuffaffung von Seelenzuftänden unb ſcharfeinſchneidender Schilverung von fittlichen Gebrechen — meifterhaft. Dagegen glaubt Ref. darin einen Fehler beobachtet zu Baden, daß ber Inhalt einzelner Themate zu umfaſſend ift, unb berfelbe vielfach nicht genau abgegrenzt werben fonnte und nicht abgegrenzt worven ift. Die Belege mit einzelnen Beifpielen würben einen zu großen Raum in Anſpruch nehmen. Das fol bem Berf. nicht als Vergehen angerechnet werden, baf er von bem fteifen und vielfach hemmenden Partitions⸗ verfahren Umgang genommen hat; babel kann aber bod) eine fejte und durchſichtige Anordnung des Stoffes in bet Ausführung nicht erlaffen werden, und biefe wirb in den befprochenen Predigten hie und ba vermißt. Sichtlich hat bet Berf. mehr Gewicht auf die Ausführung einzelner Bunfte gelegt, als auf die Anordnung bed Ganzen. Es ift ihm dabei vorzugsweife um einen augenblidlich zu erzielenden tiefen Ginbrud zu thun. Diefer Mangel thut bem fonftigen hoben Werthe viefer Prebigten, ber gerne nod) ausdrüdlich anerfannt wird, einen nicht unbebeutenten Eintrag, ver fid beim Lefen .berfelben mehr geltend macht, als εὖ beim Uns hören ber Fall fein mochte. 10. Die nachgelaſſenen Prebigten Kaͤſer's, veren Herr 676 Verſchiedene Predigtwerke. eine außergewöhnliche und erwuͤnſchte Wirkung unter ihren Zuhörern hervorzubringen.” Soviel Ref. aus ber SBefagerungófunbe weiß, blenen die Cturmbóde nur zur Zerftörung unb Zertrümmerung, er möchte daher bie Mifftonen nicht unter diefem Geſichts⸗ punkte aufgefaßt wifjen, ibm gefällt ble andere als „Geiſtes⸗ erneuerung“ einer Gemeinde beſſer; denn die Miffionen find nicht ad destructionem fondern ad aedificalionem ver Gläubigen, fie vermunben nicht bloß, fie heilen aud. Eos dann mag wohl billig bezweifelt werden, ob in einer Pfarr gemeinde durch Predigten, wie fle der Verfaſſer barbietet, ein Erfag für Miffionen gegeben fei. Wir find gottlob . über bie Zeiten hinaus, wo man bie firengen Wahrheiten überzudern zu müſſen glaubte, damit fie von: ben Zuhörern aufgenommen würden, unb wo man bie ernften Sittenvor⸗ fdriften mit blumiger Dede umwand, um ihre Herbe zu mildern. {πὸ es bat fiherlih fein Ontes, wenn ein Prediger den ganzen Grnft einer Wahrheit unb ble ganze Strenge einer Borfchrift bervorzufehren weiß, um eine heilſame Grfdjütterung ver Gemüther hervorzubringen. Aber davor wird fid) ein befonnener Prediger hüten, eine ganze Reihe von Previgten zu halten, in denen er gleichfam Sturm läuft gegen feine Gemeinde, ald wenn fit von einem Heere Satans beſetzt wäre. Man darf fi) über unfere fittlich- religiöfen Zuftände nicht täufchen, aber der Prediger darf auch nicht zu ſchwarz fehen. Ref. kann nicht mit bem Vers fafjer glauben, daß derartige Predigten „bie Guten beftärfen, die gauen aufrütteln und ble Sünder erfehüttern oder, was aud gut fei, dahin bringen, daß fie gegen ble fie treffenden göttlichen Wahrheiten wüthen, unb wohl.gar unter Läfterung unb Zaͤhneknirſchen während des SBorttagó das. Hans Gottes Verſchiedene Predigtwerke. 677 verlaſſen, auf daß das Maaß ihrer Bosheit voll unb fte um ſo ſchneller reif werden fuͤr's Gericht.“ Der Prediger wird einen bei weitem - größern Theil feiner Zuhörer abs ftoßen ald gewinnen. Man füge nicht, bie Mifftonäre prebigen eben fo ftreng, als es in unſern Kapnzinerpredigten oder Gturmbodéprebigten der Sall. if. Einmal würden die Miffionäre der Jeſuiten, fo weit die Erfahrung bes Ref. reicht, mande ber Ausführungen im geiftlichen Ctutme bock gewiß nicht zu der Ihrigen machen, fobann bewirft bie 9ibfaltung einer folennen Miffton eine ganz andere Stims mung, unb ferner ift wohl zu bemerken, daß in ben Pre⸗ bigten der Mifftonäre ein febr wohl berechnetes Syftem herrſcht, vermöge beffen auf eine Prebigt, welche Gre ſchütterung der Gemütfer bewirken mußte, eine andere Predigt folgt, die diefe Grfdütterung benügt, um ber Bel» lenden Gnade einen Eingang zu verfdjaffen. Unfer Vers faffer will aber mit feinem Sturmbod zwölf Stöße aud; führen, auf die entweder Alles in Trümmer fallen, ober ein Theil ih auf Gnade und Ungnade ergeben muß. Diefe allgemeinen Bemerkungen glaubte Stef. vorauss ſchicken zu follen, ehe er fury auf die Predigten felbft ein, ginge. Die Materie der Sturmböde ift feft und ſtark, wie ans folgender Inhaltsanzeige ber Previgten erhellt: 1. von ber Hölle, 2. von bet Heinen Zahl ber Ausermwählten, . 9. vom Weltgerichte, d. vom Auffchube ver Befehrung, 5. vom Tode, 6. von bet Beicht, 7. und 8. von ber Gewiſſens⸗ erforfhung, 9. von der Rene und Vorfag, 10. von bet Beichaffenheit ber Beicht, 11. von der Unſchuld. 12. von ber Unzucht. Die Ausrüftung und das Beichläg an biefen Sturmböden ift ziemlich grob gearbeitet, nm fie vecht eins jpneldend unb [darf zu machen. Der Verfaſſer gibt ben 699 Berfchledene Predigtwerke. wir auch hier feine (done unb fráftige Diction lobend et wähnen. Wir verfteben darunter nicht ein phrafenreiches Gerede, wie ἐδ verwöhnte Ohren gerne hören, fonbetn eine ber Kanzel angemefjene Sprache. Er verfteht e$ nament- fid, eine Menge von Gedanken in wenigen Sägen zufammen- jubrángen, man vergleihe Ὅν. I. ©. 55, 173, 202, 251 und a. D. fudt vorzugsweife, mie e8 bei feinem Zuhörerkreiſe ganz am Plage ift, auf bie llebergeugung einzuwirfen. Wenn nun gleich 9tef. das durch 9lufftellung einer Reihe von Fragen ausgeführte Beweisverfahren etwas zu häufig angewendet findet, fo fann er doch nicht umbin anzuer fennen, daß der Verfafier in Hervorhebung der Beweis momente, in welcher orm er fie immer verbringt, glüds fidj it. 3.8 35. II. €. 100 ſucht er gu beweifen, baf der wahre Glaube nicht ohne Werke fein fonne, und ftellt zuerft die Wahrheit ins Licht, bag wir nicht bloßen Worten fondern bag wir Thaten glauben, und fährt bann fort: „Wie nun? wenn unfer ganzer Glaube auf Thaten ruht, überall lebendige That und thätiges Leben ift; wird bann verfelbe, ſobald er in deine Eeele eingezogen ift, zur Ems pfindung, zu einer lahmen Zuftimmung, zu einem hohlen Befenntniffe in Worten werden dürfen? wie paßte bas zufammen? durchdenke bod alle einzelnen Punkte! Ich will beifpielsweife nur zwei nod) nennen. Gin in ble menſch⸗ [ide Natur herabgefllegener, unter uns in Mühe und Ars beit wandelnder Sohn Gottes; — und ber Glaube an Ihn in das unfidjtbare und unflchere Gebiet des bloß gelftigen Lebens zurüdgedrängt? Ein am Kreuze fterbenber Erlöfer: — απὸ die Liebe zu ihm in hohlen Worten verbalen {7 Unmoͤglich!“ — Wir madjen. ferner auf den gelungenen Berfchledene Predigtwerke. 691 praftifhen Beweis, daß in der Religion eine Auctorität nothwendig fei, aufmerfjam Bd. L S. 23 fg. Wenn er auf Gemütf und Willen einwirken will, fo bevient er fid) bie und da etwas Ὀταβί ες Wendungen, in ber Regel find εὖ aber einfache Anfprachen, ebenfo Fräftig unb einpringli als fur. Ref. hätte gewünfdt, daß bie eigentlich homiletifche Borm von bem Verfaſſer etwas häufiger angewendet worden wäre, als εὖ wirklich geſchehen iſt. Nah Seite des Inhalts find die Previgten durch⸗ gängig ſpecifiſch Fatholifch. Der Berfaffer gibt in diefer Beziehung einer verffadenben religiöjen Richtung, welde an Predigern in größern Städten von vielen Zus hörern nicht ungerne wahrgenommen wird, fo wenig nad, baf er gerade bie SBuncte ber. geoffenbarten Wahrheit unb bet kirchlichen Lehre abfichtlich ſtark hervorkehrt, welche am meiften angefochten zu werben pflegen. Dadurch befommen bie Predigten vielfach einen apologetifchen Eharafter. Außer: tem find εὖ Bauptjádjid die allgemeinen religiöfen Wahr- heiten, welche er in feinen Zuhörern vor Allem zu befeftigen fudt. Daher febren bie Gegenfäge von Welt und Ehriftug, Bernunfterfenntni und geoffenbarter Religion, von menſch⸗ licher Gefellidjaft und Kirche, von der familie auf natüre lie unb ber auf übernatürliher Grundlage häufig wieber; ferner wird gerne unb immer wieder bingewiefen auf die Erlöfungsbebürftigfeit, ben Erlöfungsgrund unb vie Aneignung der Erlöfung und brgl. Indeſſen wählt er bod) aud) ganz fpecielle Themate, wie vom Neide, vom aftengebote, vom lieblofen Urtheile, " vem Tifchgebete, von der Beichte, von der Berfuchung unb 91; und wenn aud) ble größere Zahl ber Themate mehr ' 45 * ^ 092 Verſchiedene Predigtwerke. allgemeiner Natur iſt, ſo ſteigt er doch bei der Durch⸗ führung zu ganz Invivinuellen Verhaͤltniſſen herab. Wenn man bie Stellung des Predigers in der Ges meinde, wo die Predigten fámmtíid) gehalten wurden, ins Auge faft, [o wird man dieſes Verfahren Hinfichtlich der Stoffwahl nicht befremblich finden, fo febr man aud) wün⸗ [den mag, der Berf. hätte eine größere Auswahl von fpeciellen Thematen in ver ihm eigentfümliden Behand—⸗ lungsweiſe bieten foffen. (6 mußte ihm vor Allem daran liegen, daß bei feinen Zuhörern die mefentliden unb die von ber Seitridtung am meiften angefody tenen Lehren fefte Wurzeln fchlagen. Und nad tiefer Seite hin Bat D. unftreitig das größt Mögliche geleiftet. Cr hat mit einer folhen Kraft auf ble Ueberzeugung und mit einer ſolchen Eindringlichfeit auf Gemüth und Willen einzumwirfen gewußt, daß bei feinen Zuhörern, bie guten Willens waren, eine fefte Gfaubenégtunblage geichaffen werden mußte. Durch großen Reichthum von Gedanken und oft ganz überrajdenbe Wendungen weiß er fobann mit gefchicter Hand auf den bearbeiteten Boden Srudytfeime niederzulegen, die bei denkenden Zuhörern nicht leicht ers ftiden fünnen. Bei der Kürze der Ausführung appellixt er auch vielfad an das Urtheil und Nachdenken feiner Zuhörer; oftmals beabfidjtigt er nur über einen Gegenítanb Nach⸗ denken und ernfte Erwägung anzuregen. Wie biefe Pres digten fider auf die Zuhörer febr vortHeilhaft eingewirkt haben, fo find fie aud) geeignet, burd) bie Kraft unb ben Reichthum der Gedanken für Prediger febr anregend zu werben, und Ihnen eine fchöne Auswahl des Stoffes zu bieten und für befjem Behandlung einen auch andernorts beachtenswerthen Weg zu zeigen. Verſchiedene Predigtwerke. 693 Ref. würde gerne fein Urtheil durch Belege aud ben Predigten unterſtützen, wenn dieſes nicht zu viel Raum in Anſpruch nähme. Er ſteht nicht an, ſein Endurtheil dahin abzugeben, daß D. in dieſer Sammlung von Predigten eine nicht gewöhnliche homiletiſche Befähigung an ben Tag legt, unb daß biefe Predigten befonders mit Rüdfiht auf ben Zuhörerfreid dem größern Theile nad) febr gut find unb nicht leicht werden übertroffen werben, obgleid man in einzelnen jedoch mehr untergeorbneten Bunften noch weitere Ausftelungen machen fónnte, als es theilweife oben ges heben iſt. | Die Ausſtattung ift [ ὅπ. | Bendel, Gonvictébitector. 4. Handbuch der Univerfalgefchichte für vie höhere Wnter- richtsflufe und zum Selbfifludium bearbeitet von Heinrich fiukgaber. — Grften Bandes erfle Hälfte: Ein- Iettung in das Studium der Untverfalgefchichte, Gefchichte ber orientalifchen Völker und ber Griechen. Erften Ban- be8 zweite Hälfte: Gefchihte ber Nömer bis auf Gon: flantin den Großen. Schaffhaufen 1853 — 54. Fr. Hurter’fche Buchhandlung. Br. fl. 6. Der H. Verfafjer des vorliegenden Handbuches der Univerfalgefchichte geht von dem Grundgedanken aus, „daß die Aufgabe ber hiftorifchen Kunſt fid) nidt auf die Dar- ftelung. der an der Oberfläche des Lebens liegenden hiftori- [den Fakten befchränfe, ſondern ben Gedanfen, welcher im 694 Mudgaber, Leben der Völker überhaupt fj objectivire, erfaſſen unb demgemäß ben Berlauf der gefhichtlihen Thatfachen in einer folhen Darftelung würdigen müfje, tag tie Ge⸗ fchichte, wie In obfectiver fo aud) in fubjectiver SBebeutung als εἶπε zwar vielgeglieverte aber organifd) zufammen- haͤngende Einheit in plaftifcher Anfchanlichkeit den Bliden fidj erichließe.” Wenn babet Heeren feiner Zeit fid) ein großes Verdienſt baburd) erworben hat, daß ex eine vorher faft unbearbeitet gelafjene Provinz — die Hanveld- und Berfehröverhältniffe bet alten unb ber neuen Zeit — in bie Geſchichte einführte und zeigte, welche großen, wichtigen unb oft ent[deibenben Einflüffe auf bie Eutwidlung unt Geftaftung ver hiſtoriſchen Ereigniſſe durch eben blefe Vers hältnifje geübt wurden: fo ift der H. Verfaſſer unferes Handbuches nod; viel weiter gegangen. Sollte das ganze Leben, bie volle Hiftorifche SBebeutung ber verfchiedenen Völker im den Rahmen gefchichtlicher Darftellung aufge nommen werden, fo mußten damit — abgefehen vom geographifhen und ardüolegifden Elemente — aud Res ligion und Mythologie, funft und Literatur in einer Welfe berüdfichtigt werden, wie dieß unferes Willens bisher in feinem. andern gefchichtlihen Handbuch gefchehen if. Wir flee barum nicht an zu behaupten, daß die Ruk—⸗ gaber’jhe Bearbeitung ber Univerfalgefhichte ſowohl von Studierenden, welche tiefer in dieſes Feld des Willens eindringen, als auch von Lehrern, welche [ὦ auf tiefen Zweig des Unterrichts gründlich vorbereiten wollen, mit großem Nuten gebraudt werden ann. Aus vem Geſag⸗ ten ergibt ftd) von Jelbft, bag dieſes Werf des Immenfeften Fleißes den Unterricht in ven klaſſiſchen Autoren für ef» ver und Schüler ungemein erleichtert, weil eine Mafle des Univerſalgeſchichte. 695 gewofnild in allerlei Büchern verzettelten Stoffes in Nufgabers Arbeit in überfichtliher Kürze zufammengetragen ift. Gerade dieß aber thut unferer Zeit um fo mehr Noth, als bei dem maffenbaften Anfchwellen des literarifchen Stoffes bie Luft zum Kaufen wie zum Lefen und Studies ren eher abgefchredt als beförbert wird. Nimmt man nun für bie höhere Gymnaſienſtufe des gefchichtlichen Unter⸗ tidjteó vier Jahresfurfe an und beftimmt man für jeden derfelben einen Band von 40—50 Bogen, fo läßt fid) das von H. Rufgaber geftellte Ziel in einem Quadriennium [o ziemlih erreichen. Preilih wird babel manches tem Privatſtudium anheimgegeben, anderes — wie die Tiefen ἀτίε εν Philofophene, der gereifteren Kraft fpäterer Jahre überlaffen werden müjjen. Dieß fann um fo füg- licher gefchehen, als unfer Handbuch nicht bloß den Sweden ber Schule fondern auch bem Selbftftudium dienen will und bei allen, die fich unter den Sorgen und Laften des — Berufes die διε für wifjenfchaftlihes Streben gerettet haben, ein Tag ben andern belehren muß. Gehen wir nad) tiefen. allgemeinen Bemerfungen εἰν was näher anf einzelne Seiten unfered Handbuches ein, fo werben wir ohne Widerſpruch behaupten dürfen, daß ble Darftellung der religiöfen Verhältniffe bei aller Kürze ble eingebenbfte Behandlung verdiente Und zwar genügt ἐδ nicht bío8 den ganzen Kreis ber religiöjen Vorftelungen eines Volkes zu befchreiben, fondern e8 mußte aud) eine Würdigung derjelben gegeben, es mußte aud ber Fortfchritt aufgezeigt werden, ber fid) aud) auf ber Etufe des alten Heidenthums Far ausdrückt. Unſeres Erachtens fat ver H. 88. nad) tiefer Seite hin nicht ganz das Wünfchenswerthe geleiftet, So vermiffen wir gleich bie ethifhe Würdigung , 696 Qudgaber, des Bramaismus ober ber altindifchen Religion. S. 51 und 52 ber erften Abtheilung ift das Wefen bes Bud⸗ dhaismus ganz richtig angegeben. Aber gerade wenn vie von und befiberitte Würdigung der bramaniſchen Religion gegeben wäre, [o hätte fid) daran ganz unmittelbar unb naturgemäß ble Beftimmung des Buddhaismus αἷδ ders jenigen Religionsform anreiben lafjen, welche als birefte Oppofition, αἱ Steactiog gegen ven Bódjft einfeitigen Charakter des Bramaismus auftrat und darum als relas tiver wenn aud) in feiner hiftoriihen Entfaltung nur zum Theil fiegreich gebliebener Fortfehritt zum Beſſern fo denk würdig baftebt. ©. 154 wird nichts über vie Menſchen⸗ opfer des Phöniciſchen Baaldienſtes gejagt und ebenfo ift vergefjen, daB aud bem carthagiihen Melkarth viefelbe blutige Verehrung zu Theil murbe. S. 352 ift die ältefte, im wefentlichen nod) in orientalifchen Vorftellungen befan- gene griechiſche Religion von ver fpätern Geftaltung bets jelden nidt mit Dintánglider Echärfe unterfchieden unb namentlich nicht hervorgehoben, daß im Gegenfag zu bet ältern Naturreligion εὐ} im Hellenismus der Geift als das das Weſen ber Götter conftituirende Element zu feinem vollen Rechte gelangt ift. ©. 356 hätte unter ben ben alten Bolföglauben untergrabenden Momenten aud) bie frei und mit ber Zeit in immer frivolerem Sinn forts wuchernde Thätigfeit ber Mythenbilpung, über melde ſchon Pindar ffagt, hervorgehoben werben follen. Auch können wir die Bemerfung nicht unterbrüden, bag wir eine eins läßlihe Darftelung über die Urſachen ver Chriftenvers folgungen in ber 2. Abtheilung des erften Bandes ungern vermißt haben. Was die Literatur betrifft, fo betrachten wir's αἱ Untverfafgefchichte. 697 ein Verbienft, daß der H. 9B. dieſelbe an ben einfchlägigen Orten mit großem Fleiß zufammengetragen hat. Nur bie "and ta ift Herrn R. ble eine oder andere bemerfenswerthe (iterati(de Erfcheinung entgangen, wie 5, B. unter ben - Hilfsmitteln der Jüdischen Gefchichte Jahns biblifche Archäo- fogie nidjt angeführt wird, was um fo mehr hervorgehoben zu werben verdient, als Jahn feiner Zeit ein fo geachteter Fatholifcher Gelehrter gemejfen ift. In gleicher Weiſe ift ἐδ zu tabeln, tag R. Martins Einleitung ind alte Teftas ment mit Feiner Sylbe erwähnt wird. Fuͤr die Griechiſche Geſchichte erlauben wir uns Serm R. auf ble febr belchs rende Schrift v. H. ©. Plaß: die Tyrannis in Ihren beiden Perioden u. f. Ὁ. 2 Thle. Bremen 1852 aufmerk fam zu maden. Das Kriegsweſen betreffend, jo hat Herr 9t. das der Griechen gar nicht näher gefdibert. Die Schrift von W. Stüflo und Dr. ὃ. Köchly: Gefchichte des griechiſchen Kriegsweſens u. f. w. Aarau 1852, fdeint bem H. 9. nod) nicht befannt gewefen zu fein. Größere Anfmerkfamfeit wird dem Römiſchen Heerwefen gefchenft. Hiebei weifen wir den ®. anf eine feine vortreffliche Arbeit hin: Historia mulationum rei militaris Romanorum inde ab inleritu rei publicae usque ad Constantinum Magnum libri III. scripsit Christianus Conradus Ludov. Lange, Gottingae 1846, 4. S. 498 ver zweiten Abtheis lung hätte unter den Hilfsmitteln ver älteften Deutfchen Geſchichte, Philipps Deutfche Gefchichte, 2 98be., Berlin 1832 — 34 nicht vergeffen ‘werben follen. Gigent(ide Unrichtigfeiten haben wir nur wenige gefunden. Aufs fallend war uns, daß ber H. 9. faft immer Illyrien fdreibt, aud da, wo blefe Termination wie 3. B. €, 272, 291, 622 und 646 ter 2. Abtbeilung ente - 698 Nudgaber, ſchieden falf ift; denn hiegegen muß erinnert werben, daß der Name jenes Landes als Römiſche Provinz betrachtet Illy ricum lautete und daß bie ganze Römifche Literatur jened Neihsland fletó durch Illyrieum be zeihnet. ©. 304 ver 2. Abtheilung wird ber jüngere Gato mit. ben Worten Lucans dharafterifirt: secta full w. ſ. w. Wir geftehen für unfern Theil, daß und das Ber ſtaͤndniß von secta erft aufgleng, ald wir audy nod) einen Theil des vorangehenden Verſes (Lucan Il. 380 f£) hins zunahmen: Haec duri immota Catonis secla fuit w. f. v. ©. 514 der zweiten Abtheilung werden zum Zeng⸗ niffe dafür, wie Heilig die alten Deutfchen die Ehe gehals ten, bie Worte aus Tacitus Germania c. 19 angeführt: Paueissima in tam numerosa gente adulteria, quorum poena perentibus et meritis permissa. Wir erinnern bagegen, daß αι parentibus, was nur ber Codex Bamb. fannte, (f. Paſſow ἐπ feiner Ausgabe S. 30) von bem neuem Herausgebern übereinſtimmend bie andere Lejeart: quorum poena praesens et maritis permissa anerfannt wird. Wenn es €, 519 ber 2. Abtheilung heißt, bag lola, als fie bert Auguftus Beiratbete, aus ihrer erften Ehe zwei Söhne, ben Tiberius und Drufus hatte, To ijt blefe Baflung um» genau. Als diefe Bermählung: erfolgte, trug Livia den zweitgenannten Sohn nod im Mutterleibe Man vergl. Sueton Octav. 62 und Claud 1. Die gleiche Bewandtniß Dat e8, wenn ebenvafelbft &. 331 gefagt wird, vaß bie anffrändifchen Legionen in Pannonien and am Rhein Solverhöfung um einen Denar täglich forverten. Bel Zacitus Annal. L, 26 heißt εὖ bloß, die DMeuterer hatten verlangt: ut denarius diurnum stipendium foret. Mithiw follte es heißen: auf oder bis zu einem Denar täglid. Untverfalgefchichte. — 699 Mit allem Rechte muß man auch ouf den Styl einer hiftorifchen Arbeit großes Gewicht legen. In dieſer Bes ziehung fónnen wir bem H. Verfaſſer das Zeugniß nicht verfagen, daß feine Sprache im Ganzen genommen einfadj, Har und fließend mithin Ihrem Zwede entiprechend if. Nur bie unb da wollte εὖ und bebenfen, ald ob ber Styl etwas geglätteter oder etwas edler und gehaltener hätte fein können. Einzelne harte Worte "und Cagfügungen wird man natürlid bei jeder derartigen Arbeit finden unb audj tle unferes H. Verfaſſers ift. nicht gänzlich davon frei geblieben. So finden wir G. 163 ver 1. Abtheilung den Ausdruck „erlittene Niederlagen wieder erſetzen,“ ebenvafelbft S. 178 die „blühende Stufe” und anderes Dergleihert nicht ganz zutreffend. Ebenfo wenig wird man Eäpe billigen fönnen wie S. 212 der 2. Abtheilung: Nah Eroberung — Marius oder ebendaſelbſt S. 265: As nämlid Cic. — Beftia over ©. 271: Ergrimmt hierüber — beobad)ten ober ©. 486: Deßwegen verhins bette der Senat — vorzubeugen. Die angeführten Beis jpiele, vie fich noch leicht vermehren ließen, mögen genügen, um bem H. Verf. für die folgenden Bände die größtmög— lichſte Sorgfalt der fiyliftiichen Selle and Herz zu legen. Drud und Papier find durchans zu empfehlen. . Die Gotrectur ift fo forgfältig, daß wir an Srudfeblem nur Weniges zu berichtigen fanden, wie €. 302 ter 1. Abs tjellung wo irrig xguneia ftatt κρυπτεία gegeben dft. Gbenbafeléft S. 475 Iefen wir Tucytides ftatt Thucydides. Gbenjo folfte e8 €. 208 der zweiten Abtheilung Memmius für Mummius heißen. Ebendaſelbſt &. 283 muß ftatt des fehlerhaften Carunten gefehrieben werden Carnuten. Hieher rechnen wir aud ©. 426, wo für das irrig ges 700 Í Brüht, gebene Festennina vielmehr Fescennia das richtige Mort ift. &. 529 ift unrichtig Ouingennafpiele für Oningennals- ſpiele gebrudt. Möge ber H. Verfaffer blefe wenigen Bemerkungen als Beweis hinnehmen, daß wir feine Arbeit mit Auf- merffamfeit und Intereffe gelefen haben; möge es ihm vergönnt fein, das,große und im Verlauf. der Arbeit immer jhwieriger werdende Werk in einer Weife zu vollenden, daß dafjelbe eine Bereicherung der Fatholifchen Literatur genannt werden fann. Rector Dr. Allgayer. 7; 5 Gefchichte der Katholiſchen fiteratur Deutfchlands vom 17. Iahrhundert bis zur Gegenwart. In friti(d) bio- graphifchen Umriffen. Ein verbollftánbigenber Beitrag zur National» Literaturgefchichte von 3. A. Moriz Brühl. Leipzig, Hübner 1854. ©. 814. Br. fl. 5. 30 fr. Welch' großen Antheil tie Fatholifche Literatur ber Neuzeit an der Firchlihen Wiedererhebung unferes dentfchen Paterlandes habe, fann Niemanden verborgen fein, ber aud nur in ihren allgemeinften Grunbriffen die Geſchichte diefer religiöfen Regeneration Fennt und befähigt (ft, geiftige Potenzen zu [dágen. Diefer Thatfache gegenüber wird fiif wohl jene fo lang beliebte Tactic der Literarhiftorifer, wornach fie Fatholifhe Erſcheinungen auf viefem Gebiete mit affectirter Ignorirung umgehen, nicht mehr lange Geſchichte der fatb. Literatur. 701 halten laffen. Nur zu Tange hat blefe auf katholiſchen Werken laftende Ungunft manches Trefflihe im Dunfel ber fBerborgenfeit zurüdgehalten. Um fo mehr müffen wir Katholiken uns aufgefordert fühlen, ben Werth beejenigen was wir unfer Gigentbum nennen müffem, aud nad Außen hin zur Geltung zu bringen, unb gewiß muß jebet Beitrag zu Erfüllung dieſer Aufgabe mit Dank ange nommen werben. Unferem Berfaffer kann es nicht abgeftritten werben, daß er fid mit anerfennenswerthem Fleiße feiner Auf- gabe unterzogen habe. Die Schwierigfeiten, welche er bei Bearbeitung feines Werkes zu überwinden hatte, waren, wie et (SBorrebe 6, 1) jelbft bemerklich macht, nicht gering, da er ja zum Gegenftanb feiner Darftellung eine literarifche Thätig- feit fid gewählt, „welche troß ihrer weitgreifenden SBebeutung „im Allgemeinen nur in einigen Fathol. Zeitfchriften irgend» „wie kritiſche Würbigung gefunden, für deren Schilderung „nur fpärlihe Vorarbeiten vorhanden waren, unb fomit „ein weitſchichtiges Material mühfelig angefammelt wers „den, mußte, während bie Sectüre von Hunderten von y Bünuben daneben herging.“ Hat nun {τε durch vielfad) allzugenauen Anſchluß an blefe genannten Quellen, durch ziemlih oft wieberfebrenbe Aushebungen aus Recenfionen Fatholifcher Blätter und Zeitfchriften die literargefchichtliche Darfiellung des Verfaſſers an manchen Stellen das Ausſehen eines räfonnirenden Literatur Ans zeigerd erhalten, läßt aud) bie Ausführung Die und ba Selbftftändigfeit und volle Durchdringung des Gegenftan; des vermijjen, fo wird man doch um eben ber angebeuteten Schwierigkeiten willen auf folden Mangel eines Werkes, das feinen. Borgänger hat, nicht allzugroßes Gewicht legen = 702 Brühl, und bem Verf. das Verbienft nicht fchmälern dürfen, das et fi erworben buch feine fleißige Sammlung und Zus fammenftellung der nothwendigen biographifchen und literar- hiftorifhen Notizen. Diefe legteren. find jedesmal in nöthiger Ausführlichkeit ben Lebens» Beichreibungen ver €driftfteller angefügt. Was nun junádjft die Worm ved Buches anlangt, fo billigen wir εὖ durchaus, taf der Verf., hierin fid am ſchließend an bie Art der alten literar⸗hiſtoriſchen Werke (Alegambe, Antonio, Quétif und Echerd t. a.), feine Dar⸗ fiellung in ben Rahmen von biographifchen Scizzen gefaßt bat, wo nicht die untergeorbnete Bedeutung des Gegen flandes ein Andres verlangte. Die Herabfepung ver Perſonlichkeit zu einem untergeorbneten, ja gleichgiltigen Gegenftande (ft erft eine Errungenfchaft der neueren iterat Biftorie. Mit Hilfe der Hegel'ſchen Geſchichtsauffaſſung wurde ba meift ble Perfönlichkeit zu einem willenlofen Träger allgemeiner Gebanfen abgemwürbigt, zu einer Hülle, ble man abfireifen und wegwerfen müfje, wenn einmal bec Keen, der Gebanfe. gefunden. Unter der Herrſchaft bet; artiger hiftorifcher Principien ließen fid) dann freili alle Wege ebnen, bildete ὦ wie von felbft der Fluß einer gleichmäßigen, fogenannten philoſophiſchen Entwidiung, Die fatpoliffe Geſchichtſchreibung wird für immer auf den blenbenben Vorzug verzichten müffen, alles Feſte In Slug verfepen zu Fönnen und auch in der Kiteraturgefchichte werden die Perfönlichkeiten fiets hervorragende Punkte bilden, ble fid nicht nivelliren lafjet, um welche vielmehr fid Alles gruppiren, am welche herum (id aud ber Fluß des Gedankens beivegen muß. Die großen Fatholifchen Schriftſteller Deutſchlands aus dieſem Jahrhundert find Goſchichte dor kath. Plteratur. 108 Aberdleß faft alle aud) bedentende ſittliche Perſoͤnlichkelten — man denke à. B. an einen Stolberg, einen Görres — deren Charakter fi Im Kampfe mit elnem felndlichen Zeltgelſte gebildet und ausgepraͤgt bat, Da iſt num Oleg, was wir aus Ihrer Bildungögeſchichte, Ihrem Prlivat⸗ unt Öffentlichen Leben wiffen, von Wichtigkeit für und, und der Verf, bat ganz unfre Belftimmung dafür, daß er nicht fait und troden Aber ble Lebensgefchlehte dieſer Männer hinweggegangen oder nur bad Nothduͤrftigſte davon wieder, gegeben, Mur Elines fónnen wie nicht einfehen, warum gerade eine Literaturgefhlchte der Ort fen fol, nod) nidi edirte Briefe eines Schriftftellere au publlelren, vole &, 148 (f. alfo nod ganz Im Zuſammenhang der Literatur— biftorle — gilt den Briefen Adam Muller's geſchleht. Die erfte vom Verf. nor hereingesogene Perlode ums faßt die großen kathol. Dichter! Ärledrich Spee, Jakob Balde, ὅτ, Procopins, of, Angelus Sileſſus. Procoplud, (1003 — 1000) ein Convertit aus der Marl Brandenburg, nachmals Miiglled des Kapuzlinerordens und Mifflondr In den öfterrelhifhen Provinzen Ct 1080 qu. im), war ein trefflicher katholiſcher Liederdichter. Leber ble genannte Selte der gelftigen Ihätigfelt elefed leider au wenig bes kannten Schrififtellere bemerkt der Werfaffers „es mag wohl feln, daß er die ſchöne Sitte bes deutſchen geiftlichen (iefangeó aus dem Proteſtantlomus mit Devübergenommen babe, denn ob 08 gleich ben. fatollfen In jener Zelt nicht an geiftlihen Liedern In der Mutterſprache gemangelt bat, ı . aud) damals ſogar mehr ale gegenwärtig bet Ritus der Qolfeftimme Thellnahme geftattete am Gottes⸗ bienftes fo ftebt vod) die kathollſche Literatur jener Perlode in arm da an ſolchen Ersengniffen, al tag man bad 704 Bruͤhl, aneifernde Motiv in dem kirchlichen Beduͤrfniß ſelbſt ſuchen könnte.“ Dieſer Behauptung müſſen wir geradezu wider⸗ ſprechen. Das 17. Jahrhundert if eine Periode bet regſten Thätigkeit und des lebendigſten Intereſſes für bie katholiſche Liederdichtung. Das Leiſentrit'ſche Geſangbuch, das um's J. 1570 zum erſten Male erſchien, eröffnet die Reihe der trefflichen katholiſchen Geſangbücher, von denen die meiſten in's 17. Jahrhundert hereinfallen, und in welchen viele Lieder enthalten ſind, die uns vorher niemals begegnen, ihren Urſprung demnach gerade dieſer Zeit ver: danken. Und mie gerade im jenen Gegenden, wo Pros copius wirkte, damals noch geiſtliche Volkspoeſie und geiſtliches Lied blühete, dürften „Weinholds geiſtliche Weih— nachts⸗Schauſpiele“ beweiſen — eine Sammlung von Dichtungen, welche gerade jenem Boden entſprungen ſind aus einer aud) damals nod) triebkräftigen Wurzel. Jeden⸗ falls ſpringt ſo viel in die Augen: das ſo rege Intereſſe fuͤr's geiſtliche Volkslied, welches anerkannter Maßen jene Zeit beſeelte, überhebt uns der Mühe, die Anregung für Erzeugniſſe dieſes Geiſtes in proteſtantiſchen Kreiſen zu ſuchen. Ueberhaupt, glauben wir, hätte die große Kluft, welche die Periode des 17. Jahrhunderts (mit Angelus Sileſius Tode a. 1677 ſchließend) von jener andern, erſt mit Ende des 18. Jahrhunderts beginnenden, trennt — dieſe Kluft. hätte nicht paſſender ausgefüllt werben können, aíó mit einer Abhandlung über das geiftlihe 9leb, um veffen Pflege fid) in's SBefonbere auch bie Jeſuiten auf ihren Milftonen feine geringen Berbienfte erworben haben. Die zweite Periode — Fatholifche Poefle und Ge; ſchichtſchreibung umfafiend — beginnt mit Denis und beſpricht ale literariſchen Erfheinungen auf katholiſchem Geſchichte der kath, Literatur. 703 Gebiete bis in die neuefte Zeit. Die Vollſtaͤndigkeit in Aufnahme alles beffen, was einen Anſpruch auf Berüds fihtigung machen Eönnte, läßt fchwerlih etwas zu wüns fhen übrig. Haben wir etwas zu tadeln, fo ift es nur dad „au Viel,“ nicht das „zu Wenig.” Denn in bet That muß man befrembet fein, die Namen von {πῇ allen irgendwie befannt gewordenen katholiſchen Schriftftellern, auch von folden, die fid) eben erſt mit einer Jugendarbeit nicht unglücklich verjudt haben, in eine Literatur⸗Geſchichte des fatboliffen Deutſchlands aufgenommen zu feben, unb ohne Zweifel werden Manche von tiefen. felbft nicht wenig überrafcht fein, wenn fie neben ben Männern, auf die wir mit Recht ſtolz find, aud) ihre Namen aufgeführt finden. Ganz gewiß gibt die Abfaffung eines brauchbaren Schulbuchs, die Herausgabe eines Sünbdjenó le&bater Gedichte, die Gunft, tie man beim Publicum mit einer angenehm gefchriebenen Novelle oder Jugendſchrift einlegt, ein Keiner hiftorifher Verfuh in Local⸗Geſchichte, Mono⸗ graphie unb bergl. feinerlei Anſpruch auf Unvergeßlichkeit ober auf Kinregiftrirung in bad golvene Adelsbuch bet Literaturhiftorie. Die Katholifen haben früher zu wenig getban, unfre Leute nad) Verdienſt befannt zu madjen — — und vielfach leiden wir nod an dieſem Gebrechen ; aber ed wäre gewiß nicht gut, wenn wir in ben entgegenger fegten Fehler verfielen und nad) allen. Seiten bin ob austhellen zu müflen glaubten. Schon um deßwillen wäre ſolche Maßloſigkeit zu beklagen, weil wir eben dadurch unfern Gegnern verächtlih würden unb und bem Verdachte aud» festen, ed gehe uns das vede Urtheil zu Würbigung literariſchen Verdienſtes ab. δῇ es [dom fo überaus ſchwer, nur eine Geſchichte der erften Dezennien unfred Sheol. Ouartalfärift. 1886. IV. Heft. . 706 Brühl, Geſchichte der fatb. Literatur. Jahrhunderts zu chreiben, wie viel mehr nod) eine Ge fdidte der mit und lebenden Menfchheit, Ihres geiftigen Wefens und Thuns: wie viel mehr follte man nicht fid aufgefordert fühlen, ba nur Erprobtes aufzunehmen ! Mit tiefer Bemerkung, welche nur einen Exceß des Eiferd rügen will, foll dem wirklichen 9Berbienfte des Verf. in Nichts abgebrochen fein: fein Buch wird gewiß Allen, welche fi für die Literatur überhaupt, und für ble neuere religiössliterarifche Bewegung innerhalb der Kirche in's Beſondere intereffiren, ein ganz willlommenes Repertorium fein, das ihnen in möglichfter Vollftändigfeit diefe Erſchei⸗ nungen vorführt unb aud) bie nothwendigen Anhaltspunfte zu richtiger Beurtheilung gibt. Anerkennung verdient ἐδ aud, bag der Verf. ven einzelnen biographiichen Abfchnits ten Mufterproben aus den Werfen ber betreffenden Schrift: fteler angehängt hat. Katholifche Lefebücher Fönnten wohl baraus ein und das andere fchöpfen. inzelnes jedoch könnte ohne Schaden ausgemerzt werden: fo 3. B. jener Erguß fürft-primatiih Dalbergiſcher Weisheit auf S. 57, worin, um Einiges auszuheben, Geiftesfunfen vorfommen von ber Corte, wie e. g.: „Kenne bie Menſchheit genau; bie lleberbleibfel ihrer urfprüngliden Güte genau: bie Folgen ihrer ververblihen Natur genau. — Immer frifchen Blid alfo, wo möglich (Ὁ) Adlerblid, werfe auf die gegens wärtige Lage der Umſtaͤnde. Das, Staatsmann! das ift bein Amt, hierauf gründe deine Entfchließungen 1c." Ueberhaupt hätte Dalberg, der allerdings, damit ber Echatten im Bild nicht fehle, nicht ganz zu umgehen mar, etwas fdjürfet. ges zeichnet werden dürfen; dann wäre aber auch manches, was nut in die politifche Gefchichte gehört, auszumerzen gewefen. Kerker, Pfarrer in Kleinfüßen. Lu — — —“ Inhaltsverzeichniß des achtunddreißigſten Jahrgangs der theolog. Quartalſchrift. Ι. Abhandlungen. Seite Ein Votum gegen Leichenreden. Graf. . . 3 Konrad von SRegenbutg unb bie ortlee Beoqug Fine Bu. Höflen .. . 88 Zur Lehre von bet Unfterblichfeit bes Beiftes. Bufrigl.- . . 481 Der Duietismus in Franfreih. Ruckgaber. Erſter Artikel. . 241 — — — Zweiter Artifel. . 593 Die rechtlihen Wirkungen ber Greonmunication. δὲ οὐ εἴ. Erſter Art. . . . 80.5] 5. 5. 5. s. 5 5. 37 Zweiter Artill. . . . .. . 931 Der Dämon Asmobäus im Bude Tobias. ET 9. 0.5.42 I Necenſionen. Beelen, S. Clementis Rom. epistolae de virginitate. . . 653 fBautain, die Moral des Evangeliums. . . . 00.0. 119 Brühl, Gefchichte ber Kath. Literatur Detfäfnbe 0... 700 Danneder, bie Lehre von der Rite. . . - 202.686 — — Predigten auf alle Sonn» unb δεβίοβε, . 5. . 688 Fluck, kath. Lilurgil. . . . . . 0. .5. . 186 Sriebboff, fieben Faftenprebigten. 22... s. . 5. 66 Subltott, keine Sünde mb! . 2 2 0 2 nenn. 67 - $ungari, euchariflifhe Predigten. . >» . 00 nen. 683 Hurter, Ariftaces Aral. . 5... 4... C. 905 Jäger, Baflenpredigtn. - . 2: 2 eo 1 4670 Käfer, Nachgelafiene Prediggfgen. 8885 "708 Inhalt, Kopp, Selhichteblätter aus bec Cdwt. . . . . Krabinger, S. Cyprisni opera. . e Mittermüller, das Zeitalter bee δ. Hubert. . Mitterutzner, Meditationes ad usum cleri Mooren, Nachrichten über Thomas von Kempis. . Néve Étude sur Thomas de Medzoph. . — — Les hymnes funébres de l'Église arménienne. Oswald, die bogmatiffje Lehre von den Gacramenten. Patiß, Ranjlvorttáge . . ... ὁ "M Sirebigten fiber bie Gebote Gottes. "n S cinfe, Beiträge zur Erflärung des alten Teſtament. — — bet Prophet SRaladji. . - .. Rodriguez, Hebung ber chriſtl. Bollommenpel Sudgaber, Univerfalgefchichte. . Saalſch ütz, Archäologie ber Hebräer. Schuegraf, zur Geſchichte des Domes zu Begensburg. Siebert, Geiſtlicher Gturmmbod. . . . 2 0. Ueltzen, Constitutiones apostolicae. . . . . - Weſtermayer, Baffionsprebigten. — — bie katholifche Lehre vom Ablaſſe. ED Singerle, Lehen und Wirken des Simon Stylites, II. Wrhunben. Väpftliche Allocution vom 3. Nov. 1855. Kaiferliches Patent vom 5. Nov. 1855. Urkundlicher Bericht über bie Säcularificnng bes Siethums Meißen. IV. fiterarifd)er Anzeiger. Mr. 1. 2. 3. 4 om Ende jebes Heftes. Literarifchber Anzeiger Nr. 4. nn | Die hier angezeigten Schriften findet man in der H. Laupp'ſchen Buche handlung (faupp & Siebeh) in Tübingen vorräthig fo wie alle Gr» fheinungen der neueften Litteratur. Zübingen. Sm aupp'(den Verlage (Saupp & Sicbeck) di erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: — - Patrum Apostolicorum Opera. Textum ex editionibus praestantissimis repetitum recognovit, annotationibus ‚illustravit, versionem latinam emendatiorem, prolegomena et indices addidit Carolus Josephus Hefele, ss.' theol. Doctor ejusdemque. in acad. Tubing. Prof. P. O. . Editio quarta aucta et emendata. 37 Bogen gr. 8. Velinppr. broch. fl. 2. 54 kr. Rthr. 1. 25 Ngr. Die legte ungewöhnlich ftacfe Auflage biefer Ausgabe ber apoftolifdjen Bäter bat .fid) wieder in wenigen Jahren vergriffen, was ein fichtbarer Beweis der beifälligen Aufnahme ift, welche fie in Deutſch⸗ land und bem Auslunde, befonberó in England gefunden. Aehnlichen Erfolg Hoffen wir bei diefer vierten Auflage. Gin Hauptvorzug derfelben ift, bag ber Terteöfritit ganz neue Sorgfalt zugewendet wurbe unter Benübung des Corpus Ingnatianum von Cureton, bet von Beters mann ebitten alten armenifchen Meberfegung der Ignatianifchen Briefe, ber zweiten Auflage von Otto's trefflicher Goition ber Epistola ad Diognetum, bet von Dr. Nolte in Scheintr’s Zeitichrift für kath. Theologie veröffentlichten Terteskritif der Briefe der apoftolifdjen Bäter, unb verfchtedener anderer Schriften und Abhandlungen. Außerdem wurden die zur Terteserflärung dienenden Noten beträchtlich vermehrt, die Indices vielfach verbeffert und die bie Fritifchen und ähnlichen Fragen enthaltenden Prolegomena anfehnlich erweitert. Namentlich hat ber Abfchnitt über die Ignatianiſchen Briefe zahlreiche Berbefferungen erfahren. Bei Eduard Weber in Bonn ift foeben erfchienen: Dr. Friedr. Lücke's Gommentar über die Briefe des Evangeliften Johannes. Dritte, vers mehrte und verbefferte Auflage. Nach bem Tode des Verfaſſers heraudg. von Dr. δ, Bertheau, Prof. zu Göttingen. gr. 8. 31 Bog. geh. 2 Thlr. Und ferner: Dr. Friedr. Lücke's Verſuch einer vollſtaͤndigen 2 Einleitung in bie Offenbarung Iohan- nes, ober Allgemeine Unterfuchungen über Die apos kalyptifche Literatur überhaupt und bie Apofalypfe des Johannes insbefondere. Zweite, verm. und verb. Auflage. In zwei Bänden. gr. 8. 70 Bogen. geh. 1852. Preis von jegt an, nur 4 Sr. Sn der $t. SHurter’fhen Buchhandlung in Schaffhaufen erfchien fotbeu : G eſchichte chriftlichen Kuuſt, Poeſie, Tonkunſt, Malerei, Architektur und Sculptur von ber diteften bis auf die neuefte Zeit.” Don Johann Neumaier, vormal. Gymnaſial⸗Direktor. 2 Bände. eleg. geh. fl. 4. 48, Rihlr. 2. 24. Mir dürfen dieſes Werk über das ganze Gebiet der chriſtlichen Kunſt um fo mehr anempfehlen, als daſſelbe durchweg auf kirchlich⸗katholiſchem Standpunkt ſteht. Der Chriſtliche Vilderkreis. Enthaltend eine Beſchreibung der heiligen Bilder. Von 3. Sai. - eleg. geh. fl. 2. 86. Rthlr. 1. 15. Diefe Schrift ift durchaus Feine bloße Sfonograpbie ber Heiligen, fondern umfaßt den ganzen chriftlichen Bilderkreis in äußerft intereffanten Beleuchtungen. ' Gefchichte der fatb. Literatur. 701 halten faffen. Nur zu lange hat diefe auf Fatholifchen Werfen laftende Ungunft manches Sxefflide im Dunkel bet SBerborgenpeit zurüdgehalten. Um fo mehr müfjen wir Katholiten uns aufgefordert fühlen, ben Werth desjenigen was wir unfer Gigentbum nennen müjjm, aud nad Außen bin zur Geltung zu bringen, und gewiß muß jebet Beitrag zu Erfüllung dieſer Aufgabe mit Dank ange nommen werben. Unferem Verfaſſer fann es nicht abgeftritten werben, daß er fid mit anerkennenswerthem Fleiße feiner Aufs gabe unterzogen habe. Die Schwierigfeiten, weldye er bei Bearbeitung feines Werkes zu überwinden hatte, waren, wie ex (SBorrebe ©. 1) felbft bemerflih macht, nicht gering, ba er ja zum Gegenftanb feiner Darftellung eine literarijche Thätig- feit fid) gewählt, „welche trot ihrer weitgreifenden SBebeutung „im Allgemeinen nur in einigen Fathol. Zeitfchriften irgend» „wie Feitifche Würdigung gefunden, für deren Schilderung „nur Ipärliche Vorarbeiten vorhanden waren, unb fomit „ein weitfhichtiges Material mübfelig angefammelt wer „den mußte, während bie Xectüre von Qunberten von „Bänden daneben herging.” Hat nun freilih durch vielfad) allzugenauen Anſchluß an biefe genannten Quellen, durch ziemlih oft woieberfebrenbe Aushebungen aus Recenfionen Eatholifcher Blätter und Zeitfchriften die _ literargefchichtlihe Darſtellung des Verfaſſers an manden Ctellen das Ausſehen eines räfonnirenden Literatur-Ans zeigerd erhalten, läßt auch bie Ausführung Die und da Selbftftändigfeit und volle Durchdringung des Gegenftans bes vermijjen, fo wird man bod) um eben ber angebeuteten Cdwierigfeiten willen auf ſolchen Mangel eine Werkes, das feinen Vorgänger hat, nicht allzugroßes Gewicht legen und bem Berf. das Verdlenſt nicht ſchmaͤlern dürfen, das et fid erworben durch feine fleißige Sammlung und Zus fammenftellung der nothwendigen biographiichen und literar: hiftorifchen Notizen. Dieſe lebteren find jedesmal in nöthiger Ausführlichkeit ben Lebens» Beichreibungen ver Schriftſteller angefügt. Was nun junádjft ble Form des Buches anlangt, [o billigen wir e8 durchaus, daß der Verf., hierin fid ans ſchließend an bie Art der alten literarshiftorifhen Werke (Alegambe, Antonio, Quetif und Echard u. a.), feine Dars ftellung in ben Rahmen von biographiſchen Scizzen gefaßt fat, wo nicht bie untergeorbnete Bedeutung des Gegen, flandes ein Andres verlangte. Die Herabſetzung der Perfonlichkeit zu einem untevgeorbneten, ja αἰεί αι ρει Gegenftanbe ift ετῇ eine Errungenfchaft der neueren iterat, Biftorie. Mit Hilfe der Hegel’fchen Geſchichtsauffaſſung wurde ba meift die Perfönlichfeit zu einem willenlofen Träger allgemeiner Gedanken abgewürbigt, zu einer Hülle, ble man abftrelfen und wegwerfen müfje, wenn einmal ber Kern, bet Gedanke gefunden. Unter der Herrſchaft ders artiger hiſtoriſcher Principien ließen fid dann freilih ale Wege ebnen, bildete fid wie von felbft ber Fluß einer gleihmäßigen, fogenannten philoſophiſchen Entwidlung. Die katholiſche Geſchichtſchreibung wird für immer auf den blendenden Vorzug verzichten müffen, alles Wefte in Fluß verſezen zu Fönnen und aud) in der Literaturgefchichte werden die Perfönlichkeiten ſtets hervorragende Punkte bilden, die fid) nicht nivelliren laffen, um welche vielmehr fid Alles gruppiven, um melde herum (id aud) ver Fluß des Gedankens bewegen mu. Die großen Fatholifchen Schriftſteller Deutſchlands aus dieſem Jahrhundert find Geſchichte der kath. Literatur. 708 überbieß faft alle aud) bebeutenbe ſittliche Perjönlicgfeiten — man benfe 3. 3B. an einen Stolberg, einen Görres — deren Charakter fih im Kampfe mit einem feinblidjen Zeitgeifte gebildet unb ausgeprägt Bat. Da ift nun Alles, was wir aus ihrer Bildungsgefchichte, ihrem Privat: unb öffentlichen Leben wijfen, von Wichtigfeit für und, und ber Derf. hat ganz unfre Beiftimmung dafür, daß er nicht falt und troden über bie Lebensgeſchichte dieſer Männer binmeggegangen oder nur das Nothdürftigfte davon wieder, gegeben. Nur Eines Fönnen wir nicht einfehen, warum gerade eine Kiteraturgefchichte ber Ort fem fol, nod) nicht edirte Briefe eines Schriftftelers zu publiciren, wie ©. 143 ἢ. aljo nod ganz im Zuſammenhang ber Literatur hiftorie — qit ben Briefen Adam Muͤller's gefchieht. Die ette oom Verf. nod) Dereingeyogene Periode unt faßt bie großen fatbol. Dichter: Friedrich Spee,. Iafob Balve, Fr. Procopius, Joh. Angelus Sileſius. Procopius, (1608—1690) ein Eonvertit aus der Marf Brandenburg, nahmal8 Mitglied des Kapuzinerordend und Mifftionär In ven öfterreichifchen Provinzen (r 1680 zu Linz), war ein trefflicher katholiſcher Lieverdichter. Ueber bie genannte Seite der geiftigen Thätigfeit dieſes leider zu wenig bes kannten Sihriftftellers bemerkt ver Berfaffer: „ed mag wohl fein, daß er bie [done ©itte des beut[den geiftlichen Geſanges aus bem Proteftantismus mit herübergenommen habe, denn ob εὖ gleich ven Katholifen in jener Zeit nicht an geiftlihen Xievern in der Mutterfprache gemangelt bat, ... aud) damals fogar mehr ald gegenwärtig ber Ritus der SBolféftimme Theilnahme geftattete am Gottes» blenfte: fo ftebt. bod) bie Fatholifche Literatur jener Periode zu arm ba an ſolchen Gryeugnijjen, ald daß man das 6 Soeben i in Ed. ftaugler'ó Buchhandlung in Landau εἴν ſchienen und in allen Buchhandlungen vorräthig zu haben: Ueber die Sententia ex informata conscientia im . Strafverfahren gegen Cleriker. Von ΄ Franz Noth, Cabtpfarter unb Difteilté - Gdulinfvector zu Sanbau, Bitter bes fónigl. baber. ' ac . erdienſtordens vom heil. Mich Preis brodjirt — 5 ngr. ober — 18 ἔν. τῇ. . Obige Brofchüre gibt der in neuefter Zeit auch In Deutfchland zur Sprache gefommenen, ben canonifchen Rechtsſchutz des Elerus wefentlich berührten Lehre von der Sententia ex informata con- scientia eine wohlbegründete firchenrechtliche Darftellung .diefer Lehre und dient zugleich dem hefondern Intereſſe des niedern Klerus. CI Gegen franfirte Einfendung von 20 ft. wird diefe Schrift von xn Buchhandlung franco unter Kreuzband an die Befeller geliefert. la der C. H. Beck’schen Buchhandlungen in Nördlingen ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen, MEDITATIONES R. P. LUDOV. DE PONTE = 8. J. DE NOVO EDITAE PER J. MARTIN DÜX, S. THEOL. DOCTOREM, EPISC. CLER. SEMIN. RECTOREM, CON- .SILIARIUM ECCLES., NEC NON ECCL. CATHEDR. WIRCEBURG. CANONICUM. Pars X. 22 Bog. 8. Preis 16 Ngr. od. 56 kr. Ludwig de Ponte's unvergleichliches Werk: ,Betrachtungen über die vornehmsten Geheimnisse unseres Glau- bens, des Lebeos und Leidens unseres Herrn Jesu Christi, der seligsten Jungfrau Maria, und anderer Heiligen etc.^ war von seinem ersten Erscheinen an eine wahre Goldgrube für alle Geisteslehrer und deren Züglinge, für Novizen- meister und Novizen, und für alle Lenker von geistlichen Exercitien ; nicht minder aber auch eine reiche Vorrathskammer von Thematen für Prediger. Für Letztere wird das Werk um so brauchbarer und bequemer durch ein am Ende beigegebenes Verzeichniss der 7 Sonn- und Festtags-Evangelien des Kirchenjahrs, worin auf die ent- sprechenden Materien des in 6 Tbeilen abgehandelten reichen In- haltes hingewiesen ist. Die neue ebenso solid als elegant ausgearbeitete Ausgabe wird in 6 Bünden binnen Jahresfrist erscheinen und das ganze Werk ca. 150 Bogen in kl. 8. umfassen. Um die Anschaffung zu erleichtern, wird der Druckbogen durchschnittlich nur zu 2!/» kr. berechnet werden, so dass das ganze Werk nicht über 6 fl. 24 kr. kostet oder 3 Thir. 20 Ngr. zu stehen kommen wird, Im Berlage ber Fr. Hurter’fchen Buchhandlung in Schaffhaufen erfchien foeben: Abhandlungen über Kirchengeſchichte oder Er- örterungen über bie Dieciplin, die Sitten und die Anihauungen der verfchiedenen Jahrhunderte, von Abbe fieceveur. fl. 3. 30. Rihlr. 2. Der Prediger Salomo’s. Ein Beitrag zur Gv» flärung des alten Teftaments. Bon fubm, v. Effen. 1f. 18 πρῖ. Des Apoſtels Johannes Lehre vom Logos, ihrem Wefen und Urfprunge nad biftorifch » Fritifch erörtert von Dr. 3, Bucher. fl. 1. 86. Rihlr. 1. So eben if erfchienen: Syflem Des allgemeinen katholiſchen Kirchenrechts. Mit fleter genauer Berudfichtigung ber Befonderheiten in Oeſter⸗ reich, Preußen, Bayern, ber oberrheinifchen Kirchenprovinz, Sachen, Hannover und Altenburg. - Bon Dr. ob. at. Schulte. Brofeflor in Prag. Lex.⸗8. geh. Rthlr. 3. 25 ober fl. 6. 54. Diefes Syftem bildet den zweiten Band eines größeren Werkes über ba6 Kirchenrecht, welches zufammen drei Bände umfaffen wird. Der etfte Band erfcheint im nádften Jahre. Biegen 1856. Ferber'ſche Univerfitätshandlung. Emil Roth. τ el AAA . *» "n 8 “ ΄ Zübingen. Im Berlage ver H. Laupp'ſchen Buchhandlung Marge ἃ Siebech) iſt erfchienen und durch alle Buchhanplungen zu bes ziehen: Der Cardinal Fimenes unb bie Firchlichen Zuftände Spaniens. am Ende des δίεπ und Anfange des 16ten Jahrhunderts. Snébefonbete ein. Beitrag zur Geichichte und Würdigung bet Suauifition. Bon €. 3. &efele, Doctor und ordentlichen Profeſſor ber Theologie qu Tübingen. Zweite, verbefferte Auflage. 36'/, Bog. gr. 8. elegant brodirt fl. 4. Rthlr. 2. 18 Ngr. Su Boris erjchien in diefem Jahre eine Ueberſetzung der 2tem Aufl. unter dem Titel: Le Cardinal Ximines franciscain et la situation de l'église en Espagne ἃ la fin du 15° et au com- mencement du 16* siécle avec une dissertation sur l'inquisition . par le Docteur Hefele. Traduit par M. M. Charles Sainte-Foi A. P. A. de Bermond. S. XIV, 588. gr. 8. broch. Tübingen. Bei uns befindet fid) unter der Preſſe nnb wird bemnächft erfcheinen: Katbolifche Dogmatik, Johannes Kuhn, Doetor unb orb, Prof. ber Theologie an b. E. Univerfitaͤt Tübingen. Erfter Theil, Dweite Abtheilung. Bon bem dreieinigen Gott. ca. 36 Bog. gr. 8. $$. Laupp’iche Buchhandlung. faupp € Biebed. 4 . |